7. Dezember 2009

Ein Verein gerät ins Taumeln

Category: Presse — Tags: , , , , , – Franky @ 12:45

Zum 319. Mal in der Geschichte der Fußball-Bundesliga ist gestern ein Trainer entlassen worden, diesmal war es der VfB Stuttgart, der seinen Chefcoach vor die Tür  gesetzt hat. Markus Babbel reiht sich ein in die Liste prominenter Vorgänger, an deren Spitze zuletzt Armin Veh, Giovanni Trapattoni und Matthias Sammer standen. Sie mussten gehen, weil sie zu oft verloren und der VfB seine Ziele in Gefahr sah. Das war auch bei Babbel der Fall – doch seine Entlassung hat eine größere Dimension. Diesmal sind es nicht nur die Ergebnisse, die nicht stimmen. Jetzt ist ein ganzer Verein ins Taumeln geraten.

Der VfB Stuttgart befindet sich in einer seiner schwersten Krisen, in der Markus Babbel zuletzt ein Teil des Problems war, ebenso wie die Vereinsführung, die auch Schuld an der verfahrenen Situation trägt. Nach dem enttäuschenden 1:1 gegen den VfL Bochum hat sie die Notbremse gezogen, nachdem die Lage zuvor in fast beispielloser Weise eskaliert war. Wütende Fans und Krawallmacher randalierten nach dem Schlusspfiff rund um das Stadion. Es ist bezeichnend, dass es am Ende wohl auch der Druck der Straße war, der die Verantwortlichen zum Handeln bewog.

Mit etwas mehr Weitsicht und Entschlussfreudigkeit hätte es so weit möglicherweise nicht kommen müssen. Wochenlang sahen die Bosse zu, wie die Dinge aus dem Ruder liefen und sich die Lage immer weiter zuspitzte. Sie griffen nicht ein, als der Neid, die Missgunst und die Disziplinlosigkeiten innerhalb der Mannschaft das ganze Gefüge ins Wanken brachten; und sie ließen den Teamchef gewähren, obwohl der ganz offensichtlich damit überfordert war, den freien Fall zu stoppen.

Hilflos wirkte der Trainerneuling Babbel beim Versuch, die Wende herbeizureden; mit missglückten Rotationsversuchen und am Ende blindem Aktionismus verunsicherte er zudem weite Teile der Mannschaft. Trotzdem hielt die Vereinsführung bis gestern an Babbel fest – und muss sich jetzt den Vorwurf gefallen lassen, durch diese Zurückhaltung die Situation verschlimmert zu haben.

Zurück bleibt ein Verein, der in seiner Führung gespalten scheint. Dort gibt es viele Verlierer. Geschwächt ist der Vorstand um den zaudernden Präsidenten Erwin Staudt, der noch vor Tagen allen Ernstes davon gesprochen hatte, es gebe beim VfB keine Trainerdiskussion. Und geschwächt ist auch der Aufsichtsrat um Dieter Hundt, der sich lange vehement für den Verbleib Babbels eingesetzt hatte. Angesichts der Eskalation musste er umdenken.

Mehr als nur angeschlagen ist auch der Manager Horst Heldt, der in den vergangenen Wochen zwischen die Fronten geraten ist. Mit seiner verfehlten Personalpolitik steht auch er für die atemberaubende Talfahrt. Kaum ein Spieler, den der Manager in den vergangenen Jahren für viel Geld nach Stuttgart geholt hat, konnte die Mannschaft auf Anhieb verstärken. Stattdessen verfügt der VfB nun über einen Kader, der auf Champions-League-Niveau bezahlt wird, allerdings nicht ansatzweise die entsprechende Gegenleistung bringt. Dafür ist auch Heldt verantwortlich.

Nicht wenige sind der Meinung, dass ein Neuanfang nur dann möglich ist, wenn mit dem Trainer auch der Manager geht. Dabei gerät jedoch in Vergessenheit, dass Heldt seit seinem Amtsantritt im Januar 2006 den VfB zweimal in die Champions League geführt hat. Und ohne den Manager stünde der Verein in der sportlichen Führung momentan vor dem Nichts.

Der Schweizer Trainer Christian Gross soll nun für die Wende sorgen. Schon am Mittwoch gibt er seinen Einstand, in der Champions League trifft der VfB auf den rumänischen Verein Unirea Urziceni. Man mag es kaum glauben, aber die Wahrheit ist auch: mit einem Sieg steht Stuttgart im Achtelfinale der Königsklasse und damit unter den 16 besten Mannschaften Europas.

STZ online 7.12.09

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