24. September 2010

Eine Niederlage in letzter Sekunde

Sie gestikulierten, sie grätschten, sie warfen alles nach vorne. Nichts ließen die Spieler des VfB in der Schlussphase unversucht, um gegen zehn Mann doch noch zum Sieg zu kommen. Gerade hatten sie das 1:1 geschossen, nun wollten sie noch mehr – und wurden bitter bestraft. Im Anschluss an einen Eckball liefen sie in einen Konter, den Javier Pinola überlegt abschloss. Und so standen die Stuttgarter am Ende mit ganz leeren Händen da. Mit 1:2 (0:1) hat der VfB am Mittwochabend beim 1.FC Nürnberg verloren und damit im dritten Auswärtsspiel die dritte Niederlage kassiert. Vorbei ist schon wieder das Hoch nach den beiden Siegen gegen Bern und Mönchengladbach – die Mannschaft von Christian Gross ist vor dem Heimspiel am Samstag gegen Leverkusen auf den drittletzten Tabellenplatz abgerutscht. Wieder einmal hatte Gross, normalerweise ein erklärter Freund eingespielter Abwehrreihen, seine Innenverteidigung umformiert.

Der Kapitän Matthieu Delpierre, der am Samstag gegen Gladbach eine sehr erfolgreiches Comeback gefeiert hatte, blieb auf der Bank, “weil drei Spiele in einer Woche zu viel für ihn wären”, wie der Trainer erklärte. Der zuletzt angeschlagene Serdar Tasci kehrte für Delpierre in die Mannschaft zurück . Auch Mauro Camoranesi bekam eine Verschnaufpause verordnet – Timo Gebhart rückte für den 33-jährigen Italiener ins rechte Mittelfeld. Viel Zeit, die Beine auf der Bank hochzulegen, blieb Camoranesi jedoch nicht. Schon nach sieben Minuten schickte Gross den Weltmeister zum Aufwärmen, denn der VfB lag bereits mit 0:1 im Hintertreffen. Wieder einmal war es Georg Niedermeier, der eine unglückliche Figur abgegeben hatte: Er ließ sich von seinem Gegenspieler Julian Schieber weit ins Mittelfeld locken – und eilte erfolglos hinterher, als Pinola den Club-Stürmer steil schickte. Mit einem Flachschuss überwand Schieber den VfB-Keeper Sven Ulreich (3.) – und erfüllte sich seinen großen Wunsch: einen Treffer gegen den Verein, der ihn nach Nürnberg ausgeliehen hat und bei dem er noch immer viele Freunde hat.

Eine fragwürdige Entscheidung des Linienrichters

Für Camoranesi wurde es nach 25 Minuten ernst. Er kam für Daniel Didavi ins Spiel, der bei einem Zweikampf unglücklich umgeknickt war und mit einer Sprunggelenksverletzung das Spielfeld verlassen musste. Bitter für den 20-Jährigen – ihm droht eine längere Pause. Der VfB war nach dem Rückstand die optisch überlegene Mannschaft, schaffte es aber nur selten, zwingend vors Tor zu kommen. Die Nürnberger, von Haus aus sehr defensiv eingestellt, zogen sich weit zurück, so gab es kaum ein Durchkommen. Nicht zum ersten Mal offenbarte sich, dass die zentrale VfB-Mittelfeldbesetzung mit Zdravko Kuzmanovic und Christian Gentner nicht die Ideallösung ist. Viel zu selten gelang es ihnen , die Stürmer in Szene setzen. Folglich resultierte die erste große VfB-Chance aus einer Standardsituation: Ein Freistoß von Arthur Boka klatschte aus 25 Metern an die Unterlatte (31.). Und einer Standardsituation war es auch, die acht Minuten später dem vermeintlichen Ausgleich vorausging. Mit dem Hinterkopf köpfte Pawel Pograbnjak eine Freistoßflanke von Gebhart ins Tor, jubelte aber nur kurz.

Der Linienrichter hob zum Entsetzen der Stuttgarter die Fahne, er wollte ein Foul gesehen haben – eine mehr als fragwürdige Entscheidung. In Ciprian Marica brachte Gross für den angeschlagenen Gebhart zu Beginn des zweiten Abschnitts einen weiteren Stürmer. Der VfB riskierte nun viel, während die Nürnberger leidenschaftlich dagegen hielten. Ein Kampfspiel entwickelte sich mit zahlreichen Nickligkeiten auf beiden Seiten. Wieder traf der VfB per Kopfball ins Tor, diesmal durch Tasci, wieder zählte der Treffer nicht – diesmal zu Recht, weil der Innenverteidiger im Abseits stand. Wegen wiederholten Foulspiels sah der Club-Kapitän Andreas Wolf Gelb-Rot (67.) – und der VfB warf vollends alles nach vorne. Die beste Kombination vollendete Cacau nach einem Zuspiel von Kuzmanovic zum Ausgleich – das bittere Ende jedoch folgte schon wenig später.

Nürnberg

Schäfer – Judt, Nilsson, Wolf, Pinola – Hegeler, Simons – Ekici (85. Frantz), Gündogan (68. Maroh), Eigler – Schieber.

Stuttgart

Ulreich – Träsch, Niedermeier, Tasci, Boka – Gebhart (46. Marica), Kuzmanovic, Gentner, Didavi (25. Camoranesi) – Cacau, Pogrebnjak (70. Harnik).

Schiedsrichter

Drees (Münster-Sarmsheim).

Tore

1:0 Schieber (3.), 1:1 Cacau (85.), 2:1 Pinola (90.).

Gelb-Rote Karte

Wolf (67.).

(STZ 23.9.2010)

VN:F [1.9.7_1111]
Rating: 0.0/10 (0 votes cast)
VN:F [1.9.7_1111]
Rating: 0 (from 0 votes)
4. Mai 2010

Cacau will Meister werden

Nach seiner Vertragsverlängerung bis 2013 hat sich Cacau für seine Zukunft beim VfB Stuttgart einen zweiten Meistertitel zum Ziel gesetzt. Zunächst soll am Samstag bei 1899 Hoffenheim die Qualifikation für die Europa League endgültig perfekt gemacht werden. “Und in der nächsten Saison ist es ein Ziel, wieder um die Deutsche Meisterschaft mitzuspielen und zudem international eine gute Rolle zu spielen”, sagte der Fußball-Nationalstürmer am Montag in einem Interview auf der Internetseite der Nationalmannschaft.

Als “Garant dafür” sieht Cacau Trainer Christian Gross. “Er hat viel Erfahrung – das hat er von Anfang an bewiesen. Und er will jetzt etwas langfristiges aufbauen”, sagte der 29-Jährige, der bereits 2006/2007 mit den Schwaben Meister geworden war und vor einigen Wochen eigentlich seinen Abschied nach dieser Saison angekündigt hatte.

Ein Weggang im Unmut kündigt sich indes beim am Saisonende zum FC Barcelona zurückkehrenden Alexander Hleb an. Den Weißrussen wurmte gewaltig, dass Gross ihn beim 2:2 gegen Mainz ausgerechnet an seinem 29. Geburtstag mehr als eine Stunde auf der Bank gelassen hatte. “Es war mein letztes Heimspiel in Stuttgart! Ich hatte Geburtstag! Das wäre alles eine riesige Motivation für mich gewesen”, schimpfte Hleb in der “Bild” (Montag). “Aber der Trainer hat alles kaputt gemacht. Ich verstehe ihn überhaupt nicht. Er hat keinen Respekt.”

Gross nahm die Kritik gelassen. “Seit sein Abgang feststeht, beschäftigt er sich gedanklich vor allem mit der Zukunft”, sagte der Schweizer der Stuttgarter Zeitung am Montag.

(STZ 3.5.10)

VN:F [1.9.7_1111]
Rating: 0.0/10 (0 votes cast)
VN:F [1.9.7_1111]
Rating: 0 (from 0 votes)
3. April 2010

Abschied vom VfB Stuttgart: Cacau sucht ein neues Abenteuer

Cacau kommt erstens von der Massagebank und ist zweitens schlecht rasiert. Das eine liegt an seinem lädierten Knöchel, der intensiver Pflege bedarf. Und an den langen Stoppeln in seinem Gesicht trägt womöglich der Umstand Schuld, dass er vor lauter Grübelei nicht dazugekommen ist, das Barthaar zu kürzen. Denn in den vergangenen Tagen hat der Stürmer die Überlegungen über seine berufliche Zukunft noch einmal intensiviert – und ist am Ende zu einer Entscheidung gekommen, die alle genau so erwartet haben.

“Ich habe mich entschieden, das Angebot des VfB nicht anzunehmen. Ich werde den Verein nach dieser Saison verlassen”, so startet Cacau seine Ausführungen und beendet sie mit den üblichen Höflichkeitsfloskeln. Er habe “sieben wunderschöne Jahre” in Stuttgart gehabt, bedanke sich beim VfB und seinen Fans, und verspreche, in den verbleibenden Spielen alles zu geben. Anschließend aber sei es an der Zeit, weiterzuziehen: “Dann starte ich ein neues Abenteuer.”

Es sind versöhnliche Töne, die Cacau am Ende findet – viel versöhnlicher jedenfalls als die Erklärungen, die er zuvor als Grund für seinen Wechsel anführt. Ausgiebig beklagt er sich über fehlende Wertschätzung, die er gerne im Gehalt und nicht allein in gutem Zureden wiedergefunden hätte. “Es wurde mir immer gesagt, wie wichtig ich für den VfB bin, aber das wurde nicht in Taten umgesetzt”, sagt er: “Wenn ein Spieler seine Leistung bringt, dann hat er das Recht, das zu bekommen, was er verdient.” Dies sei “eine Frage der Gerechtigkeit” – und er fühlte sich ungerecht behandelt: “Ich habe den Anspruch, ein Führungsspieler zu sein. Offensichtlich hat der VfB eine andere Sicht, sonst hätte man mir ein besseres Angebot gemacht.”

Im vergangenen November begannen die Verhandlungen über eine Vertragsverlängerung. Es gab das Angebot des VfB mit einem Jahresgehalt von knapp zwei Millionen Euro und die Forderung des Spielers von mehr als drei Millionen. “Damals war der Verein und auch ich in einer schwierigen Phase”, sagt Cacau und wertet es als faires Entgegenkommen seinerseits, dass er seine Gehaltsvorstellungen auch dann nicht erhöhte, als er urplötzlich zum gefeierten Torjäger wurde: “Ich habe nach den vier Toren in Köln nicht mehr gefordert.”

“Ich bin es nicht gewohnt, so zu verhandeln”

Doch für den VfB war auch die bestehende Forderung trotz des Höhenflugs des Nationalspielers zu hoch. Der Manager Horst Heldt findet es schade, dass Cacau geht, “wir hätten ihn gerne gehalten”. Man habe “ein ordentliches Angebot” gemacht, das während der Verhandlungen zweimal auf am Ende mehr als 2,5 Millionen Euro erhöht wurde: “Wir sind aber nicht dahin gekommen, wo er gerne hinwollte. Und wir können nicht über unsere Verhältnisse leben.”

Als weiteren Grund für seinen Wechsel nennt Cacau den Verlauf der Verhandlungen und die Tatsache, dass konkrete Zahlen öffentlich geworden seien. Das hätte nicht passieren dürfen und habe in ihm den Wunsch reifen lassen, den VfB zu verlassen. “Ich bin es nicht gewohnt, so zu verhandeln”, sagt der 29-Jährige. Auch diesen Schuh mag sich Horst Heldt nicht anziehen. Er habe keine konkreten Summen genannt, sagt der Manager. Und dass in der Öffentlichkeit munter spekuliert werde, gehöre nun mal zum Profifußball.

Wahrend Cacau in den nächsten Tagen seinen neuen Club bekanntgeben will (als Bewerber gelten Schalke, Wolfsburg und der FC Sevilla), intensiviert der VfB nun die Suche nach einem neuen Stürmer. “Wir haben damit schon begonnen und werden jetzt konkreter”, sagt Heldt. Ein Kandidat neben Adrian Ramos (Hertha BSC) und Albert Bunjaku (Nürnberg) ist Erik Jendrisek. Der 23-jährige Slowake vom 1. FC Kaiserslautern hat in dieser Saison 13 Tore erzielt – und wie Cacau einen entscheidenden Vorteil: Er ist ablösefrei zu haben.

(STZ 31.3.10)

VN:F [1.9.7_1111]
Rating: 0.0/10 (0 votes cast)
VN:F [1.9.7_1111]
Rating: 0 (from 0 votes)
10. Februar 2010

VfB feiert «geilen Sieg» – Komplimente für den FCN

Jede Menge Komplimente für den «Club» – aber die drei Punkte bleiben wieder beim Gegner. «Ein richtig geiler Sieg», jubelte VfB-Torschütze Timo Gebhart nach Stuttgarts glücklichem, aber verdienten 2:1 (1:0) beim 1. FC Nürnberg.

Der «Schwaben-Express» nimmt Kurs auf Europa, doch Coach Christian Gross macht lieber kleine Schritte als große Worte. «Jetzt wollen wir erst mal am Samstag gegen den HSV gewinnen, dann sehen wir weiter», sagte der Schweizer. Dieter Hecking traut Stuttgart in der Fußball-Bundesliga noch einiges zu. «Für mich zählt der VfB zu den besseren Mannschaften», meinte der FCN-Trainer, der trotz weiterhin akuter Abstiegsnot keine Zweifel an der Erstligareife seiner Mannschaft hat: «Sie hat klasse gespielt, und wenn sie so weitermacht, kommt sie da unten raus».

Fünf Siege in Serie unter Gross und sieben Spiele ohne Niederlage haben die verkorkste Hinserie mit der Entlassung von Trainer Markus Babbel vergessen lassen. «Das Pech der Vorrunde kommt als Glück zurück», beschrieb VfB-Schlussmann Jens Lehmann die Wandlung des VfB zur «Mannschaft der Stunde» – und sah gelassen über den unglücklichen Gegentreffer hinweg, als der Schweizer Albert Bunjaku (60. Minute) mit seinem zehnten Saisontor die Stuttgarter Führung durch Gebhart (22.) ausglich. «Normal hätte ich den gehalten», sagte Lehmann, «aber mit diesem neuen Ball werden die Torhüter noch viele Probleme haben».

Probleme hatte der VfB auch mit dem «Club», der sehr engagiert und entschlossen zu Werke ging, in der ersten Halbzeit ein deutliches Plus im zentralen Mittelfeld besaß, aber im Abschluss oft zu überhastet agierte. «Die Gier nach dem Heimsieg war vielleicht zu groß», lautete Heckings Begründung für die Hektik seiner Spieler vor Lehmanns Tor. Kollege Gross sorgte mit der Einwechslung von Zdravko Kuzmanovic (51.) für mehr Stabilität im Mittelfeld und hatte auch beim eingewechselten Roberto Hilbert ein glückliches Händchen. In der 87. Minute erzielte der gebürtige Franke den VfB-Siegtreffer.

Gross reagierte mit einem Freudensprung, blieb aber später ganz Realist: «Ich denke, wir haben unser Ziel, den Klassenerhalt, geschafft». Lehmann denkt schon an mehr. «So ein Lauf ist schön, mal sehen, was noch nach oben geht», meinte der Ex-Nationaltorwart und attestierte den Nürnbergern eine gute Leistung: «Sie waren spielüberlegen». Auch Gross verteilte Komplimente: «Nürnberg hat leidenschaftlich gespielt und gekämpft und uns alles abverlangt». Was Hecking allerdings wenig tröstete. «Wir haben zu einem denkbar ungünstigen Moment das Gegentor bekommen. Wir hätten zum Schluss nicht in den Konter laufen dürfen», stellte er verärgert fest.

Das ganze Elend der Franken brachte Torwart Raphael Schäfer zum Ausdruck, als er sich nach einem schmerzhaften Tritt von Serdar Tasci in der Nachspielzeit auswechseln ließ. Frustriert und wütend zugleich warf er die Handschuhe zu Boden, riss das Trikot vom Körper und baute sich auf dem Gang in die Kabine drohend vor der VfB-Bank auf. «Es war keine Absicht vom Stuttgarter. Aber klar, dass Raphael da erregt ist und Emotionen hoch kommen», kommentierte Hecking.

Beim Gastspiel in Mönchengladbach muss er womöglich auf Schäfer verzichten. Der Schlussmann zog sich eine tiefe Fleischwunde in der Wade zu, die noch im Stadion genäht wurde. Der «Schlag ins Kontor», wie FCN-Präsident Franz Schäfer die bittere Heim-Niederlage beschrieb, lässt Nürnberg aber nicht verzweifeln. «Es wird noch ein langer Weg, der vom einen oder anderen Rückschlag gepflastert sein wird», sagte Hecking. Und: «Wichtig ist, dass wir wieder aufstehen.

FTD 7.2.2010

VN:F [1.9.7_1111]
Rating: 0.0/10 (0 votes cast)
VN:F [1.9.7_1111]
Rating: 0 (from 0 votes)