27. März 2010

Gedanken vor dem Spiel in München

Heute ist es also mal wieder so weit. Der Südklassiker FC Bayern gegen den VfB steht an. Ich war sicherlich schon annähernd 20 Mal dabei und habe gerademal einen einzigen Sieg miterleben dürfen, das denkwürdige 3:1 im Februar 1994 bei minus 16 Grad im Olympiastadion. Wie wenn es nicht schon kalt genug gewesen wäre, fegte noch ein eisiger Wind durchs weite Rund. Die Tore besorgten damals Buchwald, Fritz Walter und Andreas Buck, es war die Trainerpremiere von Franz Beckenbauer bei den Bayern und Jürgen Röber beim VfB. Danach gab es unter den VfB-Fans kein Halten mehr. Sie trotzten den eisigen Temperaturen und tanzten mit freiem Oberkörper Polonaise.

Seitdem gab es nicht mehr viel zu ernten, beim seither einzigen und bislang letzten Sieg 1999 war ich nicht dabei. Heute kann ich mir auch nicht recht vorstellen, dass die Negativ-Serie reißen wird. Es ist eben der Südklassiker mit einer großen Rivalität unter den Fans, so dass der VfB nie das Glück hat, die Bayern auf dem falschen Fuß zu erwischen. Die Bayern gehen immer topmotiviert in dieses Derby und dann ist es eben schwer, dort zu bestehen. Um eine Chance zu haben, sind ähnliche Tugenden gefragt, wie ich sie vor dem Barcelona-Spiel propagierte. Die Konzentration und Laufbereitschaft muss bei allen und hundertprozentig stimmen, leichtfertige Abspielfehler sollten vermieden werden und wann immer sich die Möglichkeit bietet, z. B. wenn die Bayern weit aufgerückt sind, muss die Chance zum Kontern ergriffen und diese dann auch konzentriert zu Ende gespielt werden. Nur wenn alles passt, ist eine Überraschung drin. Die Bayern ihrerseits können es sich, trotz der kurz aufeinander folgenden Highlights, z. B. im Pokal am vergangenen Mittwoch auf Schalke, den anstehenden Champions League Krachern gegen ManU und den darauf und dazwischen folgenden Bundesligaspielen, erneut auf Schalke und dann gegen Leverkusen, nicht leisten, nachzulassen. Dass die 120 Minuten im Pokal heute eine Rolle spielen und die Bayern müde sein könnten, glaube ich nicht. Der Holländer wird genau hingeschaut haben im Training und notfalls den ein oder anderen ersetzen. Sie haben schließlich auch eine starke Bank. Die meisten der Bayern sind derzeit fast 1:1 zu ersetzen. Selbst dass Ribery derzeit selten spielt, fällt kaum ins Gewicht. Schwerer würde wohl der Ausfall von Arjen Robben wiegen, der derzeit den Unterschied ausmacht und immer wieder durch starke Einzelleistungen, wie zuletzt in der 112. Minute auf Schalke, ein Spiel alleine entscheiden kann. Ihn aus dem Spiel zu nehmen, diese Aufgabe kommt auf Molinaro und Hleb zu. Dennoch darf man die anderen, ob es Ribery, Müller, Olic oder Klose sind, nicht aus den Augen verlieren. Bei Standards gilt es, besonders auf Daniel Van Buyten aufzupassen, der immer öfter als Torschütze in Erscheinung tritt.  Dass die Bayern, zumindest im Unterbewußtsein, schon ManU im Kopf haben könnten, könnte schon eher sein. Klar wissen sie, dass der VfB auch nicht so im vorübergehen besiegt werden kann. Dennoch möchte sich bestimmt auch keiner vor diesem Gipfel verletzen und zieht vielleicht dann eher mal zurück.

Mario Gomez, dem ich den Wechsel zu den Bayern nie verziehen habe, ist nach seinem Muskelfaserriss erst im Aufbautraining und für das Spiel noch kein Thema. Bevor man mich, was Gomez betrifft, falsch versteht: er war hier in Stuttgart eine Integrationsfigur und hat dem VfB viel zu verdanken. Andersherum hat natürlich auch der VfB ihm einiges zu verdanken, vor allem noch in der letzten Saison war er so etwas wie die Lebensversicherung für uns. Und dann tut es eben besonders weh, wenn ein Liebgewonnener zu den Großkopferten nach München wechselt. Er träumte von Barcelona und geht dann den vermeintlich einfachen Weg über die A8 nach München, um zwar den VfB, nicht aber sein Umfeld aufgeben zu müssen.

Andererseits war sein Vertrag und die hohe festgeschriebene Ablösesumme auch fair für den VfB (im Gegensatz zum Abgang von Kuranyi, der nur ihm und K-H. Förster die Taschen füllte). Mit den geschätzten 35 Millionen Euro, richtig: 35.000.000 hätte man etwas anfangen können, wenn man bedenkt, dass ein Robben gerade mal 25 Millionen gekostet haben soll, so gesehen, ein echtes Schnäppchen.

Doch zurück zum heutigen Spiel: Wie erwähnt, meine Hoffnung hält sich in Grenzen, doch wir reden über Fußball und im Fußball ist immer alles möglich. Ich hoffe, der VfB hakt die Saison noch nicht ab, auch wenn die Chance aufs internationale Geschäft minimal ist. Die Mannschaft ist es sich und auch uns Fans schuldig, immer alles zu geben, zumal jetzt die englischen Wochen wegfallen und derVfB sich jetzt immer eine Woche lang auf den nächsten Gegner vorbereiten kann. Die nächsten Wochen sind sicherlich auch ein Schaulaufen im Hinblick auf 2010/11. Heldt und Gross werden genau hinschauen, auf wen sie sich verlassen können und mit wem sie die Zusammenarbeit über die Saison hinaus ausdehnen wollen. Ich denke schon, dass der Umbruch, der im Winter mit den Abgängen von Simak, Bastürk, Magnin, Hitz und Elson eingeleitet wurde, im Sommer seine Fortsetzung findet und die Mannschaft ein neues Gesicht bekommen wird. Hier vertraue ich Christian Gross und seiner Fähigkeit, ein Team zu formen, wie er es beim FC Basel über viele Jahre hinbekommen hat.

Für uns geht die Fahrt nach München um 10 Uhr in Esslingen-Berkheim los. Wir fahren wieder mit dem RWS Berkheim im Bus mit. Aufgrund meiner Befürchtungen was das Spiel angeht, hält sich die Vorfreude momentan noch in überschaubaren Grenzen. Mir gefällt die Arroganz-Arena mit seinem Operettenpublikum überhaupt nicht. Dazu dann pöbelnde “Bayern-Fans”, die meinen, sie wären es. Die wenigsten davon kommen aus München, 20 Minuten vor Schluß leert sich oft schon das Stadion, weil viele davon ihre Züge in aller Herren Bundesländer noch bekommen müssen oder um dem Verkehrschaos nach dem Spiel zu entgehen. Vor und nach der Halbzeit sind ein Großteil der teuren Plätze auf Gegentribüne und Haupttribüne minutenlang fast leer, weil die Häppchen, die es  im Innern gibt, wichtiger als das Spiel sind.Und wenn es bei der eigenen Mannschaft nicht läuft und sie keinen Zauberfußball spielen, ist das Geschrei und Gepfeife groß. Schließlich haben sie ja viel Geld bezahlt, dann MUSS man doch auch etwas geboten bekommen.

Bayern-Fan zu werden ist ja sooo einfach. Einfach mal auf die Tabelle geschaut, wer konstant oben steht, sich vielleicht noch einen Lieblingsspieler herauspicken und schon kann man Montag für Montag seine Kollegen dumm anmachen. Meiner Erfahrung nach sind die hier lebenden “Bayern-Fans” oft solche, die noch nie ein Stadion von innen gesehen haben. Mit denen lehne ich aber jede Diskussion über Fußball im Ansatz ab, bevor ich mich vergesse.

Ich möchte jetzt nicht alle Bayern-Fans über einen Kamm scheren, es gibt auch bei denen welche, die oft auswärts und zu jedem Heimspiel gehen, doch ein Großteil der sog. Bayern-Fans sind doch Eventgänger oder solche, die nie ins Stadion gehen. Und so finde ich auch die Atmosphäre in der Allianz-Arena einfach nur schlecht.

Ich fahre hin, weil ich unseren VfB sehen möchte, deshalb mit dem Bus, um diesen Ort schnell und auf direktem Wege wieder verlassen zu können. Und wenn am Ende doch mehr herausspringen sollte als die eingeplante Niederlage, sind wir auch relativ schnell wieder in Stuttgart um zu feiern und geben unsere Kohle dort aus. Da ich eigentlich nie gegen den VfB tippe, lautet mein Tipp heute 2:2. Das wäre ein Achtungserfolg, wir hätten den Bayern wertvolle Punkte um die Meisternschaft “geklaut”, kämen aber dennoch nicht vom Fleck in der Tabelle. Egal, wie es läuft, wir werden alles geben und den VfB wie immer lautstark unterstützen. Der VfB hat sämtliche Gästetickets, 6.400 an der Zahl, verkauft, so dass zumindest von einer Kurve ein stimmungsvolles Spiel zu erwarten ist. So langsam steigt dann doch die Vorfreude, spätestens wenn ich mein Trikot überstreife, bin dann auch ich hochmotiviert.

Auf gehts Stuttgart, kämpfen und siegen!

Wie es war, erfahrt Ihr dann wie immer zeitnah an der selben Stelle.

Viele Grüße und viel Spaß mit dem Spiel

Franky

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