Sportliche Tiefpunkte gibt es immer wieder. Daher sollte man mit dem Einsatz von Negationswörtern vorsichtig umgehen und sie nicht überstrapazieren, schließlich ist meist noch immer Luft nach unten, wie man gerade beim VfB in den letzten Jahren erfahren musste.
Rudi Völler und „Weißbier“-Waldemar Hartmann führten anno 2003 eine der prominentesten Tiefpunktdebatten, als Völler anprangerte, dass der deutschen Nationalmannschaft immer neue Tiefpunkte angedichtet werden würden und er die ganze Scheiße nicht mehr hören könne. Nach einem 0:0 auf Island, beim damaligen Tabellenführer war das (O-Ton Netzer: keiner weiß, wie sie das geworden sind). Der Deutsche Fußballbund zog damals seine Schlüsse, investierte in die Ausbildung von Fußballern, machte Jugend-Internate zur Pflicht für jeden Profi-Verein und läutete dadurch das Ende der Rumpelfußballer-Generation um die Ramelows, Jeremies‘ und Janckers ein, was die ersten Früchte bereits 2006 sprießen ließ und uns elf Jahre später den Weltmeistertitel bescheren sollte. Mit einem „weiter so“ wären die Erfolge der letzten zehn Jahre jedenfalls nicht möglich gewesen.
Auch der VfB durchlebte schon mehrere Tiefpunkte. Der Abstieg 1975 war ein solcher, der 2016 sicherlich auch. Die Abstiege resultierten aus Fehlentwicklungen von Jahren und jeweils des einen Spieljahrs, indem man nicht mehr regulierend eingreifen konnte.
Tiefpunkte an einzelnen Spielen festzumachen, ist da schon schwieriger, vor allem heutzutage, wo der Fußball so schnelllebig geworden ist und wo jede noch so derbe Schmach wenige Tage später wieder wett gemacht werden kann, ohne dass allzu viel davon hängen bleibt. Klatschen, an denen man am gefühlten Tiefpunkt stand, gab es einige, so erinnere mich an ein 0:4 zu Hause gegen Bochum in den 80er-Jahren oder auch an das noch gar nicht so lang zurückliegende 1:4 gegen Greuther Fürth. Danach folgte stets Business as usual, so dass solche Schlappen keine Einschnitte in die Vereinschronik bedeuteten.
Weitaus derber fühlen sich aber Niederlagen an, die schon vom regionalen Charakter her ein No Go sind. Im ersten Zweitligajahr 1975/1976 beispielsweise das 2:3 im heimischen Neckarstadion gegen den SSV Reutlingen: Mit dem kürzlich verstorbenen Karl Bögelein an der Linie, der von Istvan Sztani übernahm, traf man als indiskutabler Tabellenzwölfter auf den „Lokalrivalen“ und verlor vor nicht einmal 2.000 zahlenden Zuschauern zu Hause mit 2:3. Es war das „Sahnehäubchen“ auf eine grottenschlechte erste Saison in der 2. Liga Süd, die der VfB als Elfter abschloss.
Spätestens an diesem Tag muss es unserem damals erst ein Jahr im Amt befindlichen Präsidenten Gerhard Mayer-Vorfelder klar geworden sein, dass der Umbruch nach dem Abstieg zu halbherzig ausgefallen war und der komplette Verein samt Kader noch einmal auf links gedreht werden muss.
MV verpflichtete im Sommer in einer Nacht- und Nebelaktion und auf Anraten des großen Hennes Weisweiler den jungen, hungrigen, enthusiastischen Trainer Jürgen Sundermann aus der Schweiz und setzte vermehrt auf die Jugend, während bis auf Hermann Ohlicher fast alle Absteiger den Verein verließen. Das Ende vom Lied ist bekannt. Die Rasselbande mit erfahrenen Haudegen wie Dragan Holcer und Hermann Ohlicher und vielen jungen Spielern aus der Region, wie Hansi Müller, Karl-Heinz Förster und Dieter Hoeneß, rockte die Liga und sorgte für Begeisterungsstürme im Schwabenland. In diese Saison fiel dann auch mein allererstes Auswärtsspiel, ein 0:0 bei den Münchner Löwen, 78.000 Zuschauer im Olympiastadion, davon bis zu 35.000 VfB-Fans, damals wie heute noch ein Wahnsinn für das Unterhaus.
Der Tiefpunkt gegen Reutlingen hatte somit wohl auch sein müssen. Ein Jahr später kehrte der VfB in die Bundesliga zurück, wurde auf Anhieb als Aufsteiger Vierter, Zweiter, Vierter und 1984 schließlich zum dritten Mal Deutscher Meister.
Die Trendwende, sowohl beim DFB, als auch beim VfB, ist eng mit dem Namen Gerhard Mayer-Vorfelder verknüpft. Beim DFB brachte er schon nach der peinlichen Euro 2000 erste Projekte der Jugendförderung auf den Weg und installierte 2004 das Gespann Klinsmann/ Löw, beim VfB ging er mit der Verpflichtung von Sundermann den unkonventionellen Weg und hatte ein gutes Gespür dafür, wann eine Ära zu Ende war und er Dinge grundlegend ändern musste.
Heidenheim ist für mich ein weiterer Tiefpunkt. Jahrelang gehörte der VfB zum Inventar der Bundesliga, während Heidenheim, früher noch als SB Heidenheim, meist in der Oberliga Baden-Württemberg vor sich hin dümpelte. Es sind gerade diese Spiele, vor denen man im Vorfeld schon gewarnt hatte, die jeder Einzelne beim VfB auch mental annehmen muss. Für den VfB ist es ein gefühltes Pokalspiel, während das Aufeinandertreffen für den Gegner das Spiel des Jahres bedeutet und jeder nur allzu gern dem großen Favoriten ein Schnippchen schlagen möchte.
Den Tiefpunkt stellt für mich gar nicht die Niederlage an sich dar. Gegen Heidenheim kann man durchaus auch mal verlieren. Es verdient großen Respekt wie der Nachbar von der Ostalb dabei ist, sich in der 2. Liga zu etablieren. Ich finde es herausragend, wie lang und mit welchem Erfolg Frank Schmidt schon die Geschicke dort leitet und dass er mit Marc Schnatterer einen Kapitän in seinen Reihen hat, auf den er sich verlassen kann und der vor allem überall auf dem Platz zu finden ist. Ich hätte beide mit Kusshand für die 2. Liga genommen und blicke fast schon neidisch zu solchen Vereinen, wenn ich mich mal wieder in unserer Kapitäns-Debatte verstricke.
Dies also die rein objektive Sichtweise, aus der eine Niederlage eines noch überhaupt nicht gefestigten VfB gegen Heidenheim nicht unrealistisch erschien. Dennoch, ich gebe es zu, habe ich mich im Vorfeld in keiner Sekunde mit einer möglichen Niederlage gegen Heidenheim befasst. Die kam in meiner Denke einfach nicht vor.
Es war doch alles bestellt. Der Kader wurde zum Ende der Transferperiode noch einmal verstärkt, bestes Spätsommerwetter, sensationelle 52.200 Zuschauer und durchaus auch Rückenwind durch den 2:1-Sieg beim SV Sandhausen. Heidenheim mobilisierte ebenfalls die Massen und brachte gut 4.000 Fans mit, so dass der äußere Rahmen perfekt war.
Wenn dann aber der Trainer der gleichen Elf das Vertrauen schenkt, die sich mit Ach und Krach durch den August rettete und in keinem der bisherigen Spiele überzeugen konnte, stellte dies für mich die erste Enttäuschung des Tages dar. Die Geschichte ist bekannt, der VfB verlor völlig verdient und nach indiskutabler Leistung 1:2 und zeigte zu keiner Zeit, dass er in der derzeitigen Verfassung Ansprüche auf einen der vorderen beiden Plätze erheben kann. Heidenheim war besser organisiert, cleverer, auch bissiger und motivierter, was das eigentlich Schlimme ist. Daher rede ich vom Tiefpunkt, wenn es in einem solchen Spiel, von dem man weiß, was es auch für die Fans bedeutet, nicht einmal die Grundtugenden auf den Platz bringt.
MV wäre dazwischen gegrätscht und hätte Trainer und Team, einen nach dem Anderen, zusammengefaltet. MV lebt leider nicht mehr, wer also soll es richten, wer soll den VfB wieder dorthin bringen, wo er eigentlich hingehört, wer haut dabei auf den Tisch, wer spricht ein Machtwort, wer geht unbeirrt den richtigen Weg und lässt sich durch Seilschaften, Errungenschaften, Gewohnheitsrechten und Gegenwind nicht davon abbringen bzw. bricht diese auf? Ich sehe weit und breit keinen im Verein, der mir diese Hoffnung geben würde.
Ob es der designierte VfB-Präsident Wolfgang Dietrich zu leisten imstande ist, kann ich noch nicht beurteilen. Ich teile die Anti-Haltung der Ultras nicht, die schon im Vorfeld und wohl ohne sich richtig mit der Personalie auseinandergesetzt zu haben, diesen Kandidaten ablehnen. Auch gestern wieder wurde auf Spruchbändern vor allem angeprangert, dass die Wahl keine demokratische ist, weil es keinen Gegenkandidaten ist. Ob sie dem Aufsichtsrat Vorschläge eingereicht haben, ist mir leider nicht bekannt, möglich wäre das wohl gewesen.
Wer soll denn ein weiterer geeigneter Kandidat sein? Guido Buchwald, dessen Funktionärskarriere eher mit überschaubarem Erfolg verlief? Karl Allgöwer, sicher DIE Ikone im Stuttgarter Fußball, aber, kann er einen Verein führen? Aus dem Umfeld ist zu hören, dass er wenig kompromissbereit und kein Teamplayer ist, weshalb seine Beratertätigkeit auch schon wieder Geschichte ist.
Die Problematik bei einem Gegenkandidaten ist die, dass wohl die wenigsten diesen Traumjob haben, der es ihnen erlaubt, Wahlkampf um das Amt des VfB-Präsidenten zu betreiben und, sollten sie gewählt werden, von heute auf morgen alles stehen und liegen lassen zu können oder aber bei nicht erfolgter Wahl im Beruf weiter wie bisher machen zu können.
Dietrich hat den Vorteil, dass er mit 68 Jahren diesen Job nicht mehr nötig hat und er das Amt ehrenamtlich und doch in Vollzeit ausüben könnte. Seine ersten Statements, wie er den VfB zurück in die Spur führen möchte, lesen sich so schlecht für mich nicht, so dass ich ihn nicht vornherein ablehne, sondern zunächst die eine oder andere Vorstellungsrunde mitmachen und mir dann ein Bild von ihm machen werde. Wichtig ist erst einmal, dass wir überhaupt wieder eine Führung bekommen und der Controller (Heim) und der Ticket- und Trikotverkäufer (Röttgermann) die längste Zeit ganz oben die Geschicke bestimmt haben.
Dass Dietrich innerhalb des Vereins moderieren wolle, hat er ja bereits verlauten lassen. Ohne der „Wahl“, die im Grunde überhaupt keine ist, jetzt schon vorgreifen zu wollen, ist dies die oberste Präsidentenpflicht und wäre schon jetzt notwendiger denn je.
Dass es von den Herren im Aufsichtsrat und der Rumpfvorstandschaft unglücklich war, den Trainer- vor dem Sportdirektorposten zu besetzen, habe ich bereits des Öfteren kritisiert. Dies kann für mich lediglich dadurch entschuldigt werden, dass Luhukay aufgrund seiner Referenzen die bestmögliche Wahl gewesen zu sein scheint, weiß er doch wie Aufstieg geht.
Schindelmeiser kam einige Wochen später und scheint ganz und gar nicht mit Luhukay auf einer Wellenlänge zu funken. Die Neuzugänge, die Schindelmeiser kurz vor Transferschluss an Land gezogen hat, sollen nicht gerade Wunschspieler Luhukays gewesen sein, wie dieser offen zugibt.
Hat sich ein jeder von uns Fans einen enormen Qualitätsschub durch die Neuen erhofft, dämpft Luhukay die Erwartungen, und kritisiert, dass sich im Kader zu viele Nationalitäten tummeln würden und dass die Integration der Neuen dauern würde. Als Außenstehender kann ich diese Denke nicht nachvollziehen, sagt man doch immer „gute“ Fußballer würden sich verstehen und die Fußballersprache sei international.
Luhukay legt sich also ein Alibi zurecht und erbittet sich Zeit, die man ihm nicht gewähren kann und auch nicht darf. Er muss jetzt, wo der Kader vollständig ist, damit beginnen zu liefern und darf das Ziel des sofortigen Wiederaufstiegs niemals aus den Augen verlieren. Alles andere als der Wiederaufstieg käme einer mittleren Katastrophe gleich und würde die große Gefahr mit sich bringen, es sich im Unterhaus gemütlich zu machen und dort auf Jahre festzusitzen.
Nach dem fünften Pflichtspiel der Saison ist noch immer kein Spielsystem, kein Plan, keine Handschrift des Trainers erkennbar. Die „Leistungen“ sind eine nahtlose Fortsetzung der Katastrophen-Spiele in der Bundesliga, in der ebenfalls alles auf Zufall bedacht und keine Struktur im Spiel vorhanden war.
Gegen den 1. FC Heidenheim, mit dem sich die Wege in einem Pflichtspiel zuvor noch nie kreuzten, blamierte sich der VfB auf ganzer Linie. Immer wenn der VfB die große Chance hat, Rückenwind aus einer Euphoriewelle zu ziehen, sich vorne festzusetzen, die Fans mitzunehmen kommt mit Sicherheit der Rückschlag oder in diesem Fall der nächste Tiefpunkt.
Von den Neuen stand lediglich der Japaner Asano im Kader, von den Verletzten kehrte auch nur Kevin Großkreutz zurück. Die ersten Saisonspiele, weitestgehend mit den gleichen Aufstellungen, boten katastrophale fußballerische Magerkost, was durch zwei glückliche Siege und dem Weiterkommen im Pokal kaschiert wurde. Für mich damals kein Grund Alarm zu schlagen, weil der VfB in der Spur und die Hoffnung auf Besserung ab September da war. Ich hätte es mir gewünscht, dass Luhukay seine Startformation nun kräftig durcheinanderwirbelt.
Doch, was macht Luhukay, vertraut den gleichen, die mit Mühe und Not in Sandhausen gewannen und schon dort nichts von jener Dominanz versprühten, die man vom gefühlten Erstligisten oder dem FC Bayern der 2. Liga eigentlich erwarten würde. Der VfB ist nun mal mit Hannover 96 der Krösus der Liga, so dass man dies auf dem Platz auch sehen können muss.
Wenn wir schon vom FC Bayern der 2. Liga sprechen, wünschte ich mir eine „Mir-send-mir“-Mentalität, eine Selbstverständlichkeit, mit der man den Rasen betritt und den Gegner niederringt. Es ist aber eher das Gegenteil der Fall. Wie zu schlimmsten Bruno- und auch Kramny-Zeiten ist der Fußball verhalten, behäbig, abwartend. Es wird stets abgewartet, was der Gegner so drauf hat, anstatt selbst das Heft des Handelns in die Hand zu nehmen. Mit einer solchen Ausrichtung dürfte es schwer werden, überhaupt Punkte einzuheimsen, denn, anders als in der Bundesliga, wird uns in der 2. Liga kein einziger Gegner den Gefallen tun, uns mit offensiver Ausrichtung ins offene Messer zu laufen. Auch die vermeintlichen Spitzenmannschaften suchen ihr Heil in der Defensive und lauern auf unsere Fehler, die mit Krampen wie Klein, Sama und Sunjic in der Truppe auch nicht lange auf sich warten lassen.
Abgesehen von einer von Zimmer in der fünften Minute kläglich vergebenen Chance fand der VfB offensiv nicht statt. Terodde hängt vorne in der Luft und bekommt keine Bälle, so dass Heidenheim wenig Mühe hatte, den VfB vom eigenen Tor fernzuhalten.
Heidenheim war bei seinen eigenen Vorstößen zielstrebiger und gefährlicher, so dass das 0:0 zur Pause schon eher schmeichelhaft für den VfB war.
Beim VfB bot sich, wen wundert’s bei DER Aufstellung, das gewohnte Bild. Die Viererkette hinten durchweg nicht bundesligatauglich. Insúa, Klein, Sunjic zu langsam und Ausgangspunkte der beiden Gegentore, Sama völlig von der Rolle.
Luhukay muss sich schon fragen lassen, weshalb er den Jungen mit den sichtbar wackeligen Knien 90 Minuten lang durchspielen ließ und ihn nicht schon früh durch Kaminski ersetzte. Luhukay muss sehr wenig Vertrauen in sein Personal haben, wenn er sich davor scheut, ein nicht funktionierendes Gebilde durch die Hereinnahme des einen oder anderen derzeitigen Kaderauffüllers zu verändern.
Legt er hier seine Sturheit nicht ab und ist nicht bereit, variabler zu agieren und den Gegner auch mal zu überraschen, muss man kein Prophet sein, um die nächste Trainerdiskussion bereits jetzt zu diesem frühen Zeitpunkt riechen zu können.
Da Luhukay offensichtlich kein Kommunikator ist und patzig in die Mikrofone blafft, er müsse nichts erklären, wird er die Rätsel, die er uns aufgibt, wohl irgendwann mit ins Grab nehmen.
Auch Zimmermann hat für mich bislang bei keinem seiner Auftritte den Nachweis erbracht, ein Zweitligaspieler zu sein. Wie Sama mit den Amateuren abgestiegen, soll er nun einer der neuen Hoffnungsträger sein?
Da kann man nur hoffen, dass Hosogai schnell zurückkehrt, der übrigens mit einem Muskelfaserriss bereits vier Wochen lang ausfällt. Man hat sich ja schon fast daran gewöhnt, dass beim VfB die Rekonvaleszenzzeiten um einiges länger ausfallen, als bei anderen Vereinen.
Dennoch, sollte der neue Präsident denn einmal sämtliche Prozesse und Abläufe innerhalb des Vereins und seiner Tochtergesellschaften durchleuchten, wäre auch die medizinische Abteilung einmal kritisch zu hinterfragen. Da im Verein bereits seit einiger Zeit viele (wirtschaftliche) Dinge wichtiger als der sportliche Erfolg sind, würde es mich nicht einmal mehr wundern, wenn die Zielvorgabe für unsere medizinische Abteilung nicht lauten würde, die Spieler schnellstmöglich dem Team zurückzuführen, sondern eine optimale Auslastung der VfB-Reha-Welt mindestens genau so wertig gewichtet ist.
Ich weiß nicht, ob ich es mir einbilde, aber, seit es die Reha-Welt gibt und es sich einer der ersten prominenten Kicker namens Yildiray Bastürk sich dort so richtig bequem machte, scheinen viele diese Welt gar nicht mehr verlassen zu wollen. Jedes noch so keine Kinkerlitzchen wird eine gefühlte Ewigkeit auskuriert, wobei man die ursprünglich getroffenen Ausfallzeit-Prognosen der Ärzte der Erfahrung nach getrost mal zwei nehmen kann, um auf die tatsächliche Ausfallzeit zu kommen.
Sollte auch Hosogai diesen Wellness-Bereich weiter in Anspruch nehmen wollen und sich sein Comeback noch weiter hinausziehen, wäre Luhukay gut beraten, es auch mal mit nur einem Sechser zu probieren und variabler zu agieren. Ich begrüße es ja grundsätzlich, wenn der VfB Youngster herausbringt, die sich in der ersten Elf freischwimmen, aber, um jeden Preis, nur weil sie jung sind, da geht der Schuss manchmal auch nach hinten los, vor allem, wenn die Mannschaft keine Einheit bildet.
Bei Sama, der ohnehin erst mal keine Rolle mehr spielen sollte, wenn Baumgartl fit und Pavard einsatzbereit ist, wird es interessant sein zu beobachten, ob ihm der Auftritt vom Freitag einen Knacks versetzt, der hängen bleibt.
Eine weitere Baustelle bleibt auch Maxim, dem oft eine unprofessionelle Einstellung, ein unprofessioneller Lebenswandel und auch eine gewisse Verweichlichung vorgeworfen werden. Wenn der x-te Trainer in ihm keinen Mann für 90 Minuten sieht, akzeptiere ich die Entscheidung des Trainers grundsätzlich, vor allem, wenn die Ergebnisse stimmen.
Ist die Nichtberücksichtigung jedoch auf die mangelnde Kommunikationsfähigkeit und Kompromissbereitschaft des Trainers zurückzuführen und mündet in einen Kleinkrieg zum Schaden des Vereins, bekomme auch ich ein Problem mit dem Trainer. Persönliche Animositäten oder der Zwang dem öffentlichen Druck allein „zum Bossen“ nicht nachzukommen, wären zum Schaden des großen Ganzen und seinem Standing im Team sicherlich auch nicht förderlich.
Wir haben erst vier Spieltage hinter uns, die Saison ist noch lang. Eigentlich zu früh für eine Trainerdiskussion. Aber, Luhukay macht sich mit seiner Art, mit seinen Aufstellungen, mit seiner Außendarstellung, mit dem Schlechtreden der Neuzugänge und als Spaßbremse mitten in einer Phase großer Euphorie keine Freunde. Stimmt dann noch die Chemie zwischen ihm und dem Sportdirektor nicht, hat dieser ganz andere Vorstellungen, wie die Mannschaft auszusehen hat und wie man das Unternehmen Wiederaufstieg anpacken muss, hat er nicht einmal den Rückhalt in den eigenen Reihen, so dass die Zeichen schon früh auf Trennung stehen.
Es wäre zwar äußerst ärgerlich, erneut einen Trainer bzw. ein Trainerteam abfinden zu müssen und schon wieder vor einem Neuanfang zu stehen, aber, dies hätte sich dann der Aufsichtsrat an seine Akte zu heften, der den Trainer vor dem Sportdirektor verpflichtet hat.
Luhukay schaufelt sich derzeit sehenden Auges sein eigenes Grab. Die Leute rennen dem VfB die Bude ein, es herrscht, keine Sau weiß warum, so etwas wie Euphorie nach dem Abstieg und Luhukay hat nichts Besseres zu tun, die Erwartungshaltung zu kritisieren? Zu bemängeln, dass seine Spieler Angst vor der Kulisse gehabt hätten? Was sollen dann die Heidenheimer sagen? Ja, sicher, die sind das ja gewohnt. An Lächerlichkeit kaum zu überbieten solche Aussagen.
Luhukay legte ja noch nach. Wer nach den ersten vier Spielen mit unfassbar schlechtem Fußball jubilierte, als Schindelmeiser mit Mané, Asano und Pavard drei hoffnungsvolle Talente auslieh bzw. verpflichtete, bekommt vom Trainer bereits vor deren ersten Spielen den Dämpfer geliefert.
Die vielen Nationalitäten wären ein Problem, dass die Neuen zuletzt wenig gespielt hätten ebenso, hinzu kommt ein neuer Rhythmus und, Achtung Brüller, sie müssten eine neue Spielphilosophie verstehen.
Da fragt man sich, welche Spielphilosophie? Nach dem Spiel vom Freitag konnte man sprechen, mit wem man wollte, keiner konnte eine erkennen, keiner weiß, für welchen Fußball Luhukay eigentlich stehen möchte.
Was in den ersten Spielen dargeboten wurde, war durchweg konzeptlos und auf gut Glück ausgerichtet. Die fußballerischen Mängel sind fatal, hinzu kommt, dass keiner, auch nicht Kapitän Gentner, da ist, der das Heft des Handelns an sich reißen würde, nur Indianer, keine Häuptlinge. Auch dieses Problem haben wir nahtlos von der Bundes- in die 2. Liga hinüber „gerettet“. Einzig Großkreutz nach seiner Einwechslung und bedingt auch Maxim merkte man an, dass sie etwas bewegen wollten, was sich allerdings als wenig erfolgversprechend herausgestellt hat, wenn man sich so dämlich auskontern lässt.
Mein einziger Hoffnungsschimmer sind hier derzeit die Neuen und die Rückkehr der zur Zeit verletzten, dass man weder einen Klein, noch einen Sama, noch einen Sunjic, derzeit auch keinen Zimmermann mehr sehen muss und sich durch Mané und Asano die Durchschlagskraft im Angriff verbessert und Terodde endlich auch Bälle bekommt.
Ich erwarte in Kaiserslautern eine auf vier, fünf Positionen veränderte Truppe, die fußballerisch ohnehin besser aufgestellt, als Einheit auftritt und nicht wie gegen Heidenheim, wieder einmal keiner dem Anderen hilft. Dies ist erneut ein Indiz, dass es auch in dieser neu zusammengewürfelten Truppe überhaupt nicht zu stimmen scheint und man mehr gegen- als für einander „arbeitet“. Es ist bereits wieder von Cliquenbildung zu hören und von schlechter Stimmung innerhalb des Teams. Nachtigall, ick hör dir trapsen!
Großkreutz, der aus Dortmund professionelleres Arbeiten gewohnt ist, schiebt bereits mächtig Frust. Erst der Clinch mit dem Co-Trainer und gestern nach dem Spiel kritisierte er indirekt seine Mitspieler aber auch den Trainer, indem er mehr Mut einforderte.
Luhukay muss diesen Tendenzen vehement entgegen wirken, möchte er länger als nur ein paar Monate hier Trainer sein. Am Spieltag erweckte er für mich nicht diesen Eindruck. Er wirkt bereits jetzt genervt und ratlos und nimmt Darbietungen wie die vom Freitag fast teilnahms- und emotionslos hin, während man auf der Tribüne am Ausrasten ist. Wenn man sah, wie engagiert Frank Schmidt die seinen antrieb und dirigierte, blutete einem schon dabei das Herz.
Dass sich der Trainer im Innenleben des Vereins grundlegend anders präsentiert, kann ich mir nicht vorstellen, so dass zu befürchten ist, dass er die Stimmung im Team mit seiner wortkargen Art auch nicht unbedingt aufhellen kann.
Den späten Verpflichtungen, der Länderspielpause und dem Umstand geschuldet, dass die Neuen vor dem Heidenheim-Spiel erst ein, zwei Mal mit der Mannschaft trainieren konnten, könnte man für Luhukay gerade noch so als mildernden Umstand durchgehen lassen.
Für Kaiserslautern gilt diese Ausrede nicht mehr. Ob ein Pavard deutsch, französisch, chinesisch spricht oder taubstumm ist, es darf keine Rolle spielen, schlechter als Sama und Sunjic kann er nicht sein, also muss er spielen.
Mané wünsche ich mir auf Rechtsaußen, damit diese Position endlich von einer Offensivkraft und nicht improvisiert von einem Rechtsverteidiger bekleidet wird. Großkreutz oder Zimmer rechts hinten, Klein aus dem Kader streichen. Dies sind nur zwei von mir erhoffte und auch erwartete Änderungen, die „Leistungen“ bisher bieten unzählige weitere Möglichkeiten der Blutauffrischung.
Setzt Luhukay auch in Kaiserslautern auf diese in seinen Augen altbewährte Gurkentruppe und das Spiel geht in die Hose, ist der Niederländer für mich durch, so Leid mir das täte.
Mit Zorniger hatten wir es in der Vorsaison ja schon einmal mit einem unverbesserlichen Sturkopf zu tun. Nur, sein Fußball sah erfolgsversprechend aus, es fehlten Nuancen, um damit erfolgreich zu sein, er war emotional und höchst engagiert bei der Sache und posaunte im breitesten Schwäbisch Dinge in die Welt hinaus, die er mal besser für sich behalten hätte, was ihm letztendlich unter anderem das Genick brach. Bekanntermaßen hoffte ich bis zum Schluss darauf, dass er irgendwann mal einlenken und klüger im Umgang mit den Medien werden würde und sein Fußball, der schön zum ansehen war, auch zum Erfolg führen würde.
Jetzt haben wir es mit einem introvertierten Sturkopf zu tun, mit dem ich weit weniger anfangen kann. Bei Zorniger wusste man, wie er dachte, was ihn freute, was ihn ärgerte, bei Luhukay, keine Gefühlsregung, nichts! Man weiß nicht, ob ihn die Vorstellung am Freitag auch erschütterte oder ob er sie als „normal“ hinnahm, weil seine Spieler aus 16 Nationen ihren Deutsch-Kurs noch nicht bis zum Ende besucht haben und die Eingewöhnungsphase noch nicht bei allen abgeschlossen ist. Man weiß nicht, wie lang er diesen (seinen) Fußball als normal akzeptiert, vier, sechs, acht Wochen), bei acht, zwölf, sechzehn Punkten Rückstand auf einen Aufstiegsplatz?
Da es sich der VfB nicht leisten kann zu früh zu viel Boden auf die Aufstiegsplätze zu verlieren, wäre dann der Zeitpunkt gekommen, die Reißleine zu ziehen, wenn die Ziele des Vereins mit denen des Trainers nicht mehr korrespondieren.
Schon der Abstieg war hausgemacht, weil man zu lang dem Wirken Dutts und Kramnys vertraute und nicht mehr eingriff, als bereits alle Welt sah, dass man in dieser Konstellation keinen Punkt mehr holen würde. Den gleichen Fehler darf man nicht noch einmal machen, abwarten, die Dinge laufen lassen, auf das Gute in Jos hoffen, um dann irgendwann mit hoffnungslosem Rückstand vor einem Scherbenhaufen zu stehen.
Bis zum Ende der Transferperiode bin ich hinter Luhukay gestanden, jetzt beschleichen mich größte Zweifel, so dass ich mir derzeit eher einen Trainer wie Gisdol, der noch auf dem Markt wäre, wünschen würde, der Begeisterung vorlebt und auch vermitteln kann.
Jos zieht gerade ohne Rücksicht auf Verluste „sein Ding“ durch, wie ich meine, nicht gerade zum Vorteil des Vereins. Daher könnte es durchaus bei negativem Ausgang des Schlüsselspiels in Kaiserslautern schon heißen, lieber ein Ende mit Schrecken, als ein Schrecken ohne Ende, dieses Mal dann gar schon bevor die Blätter fallen.