Gestern war wieder einer dieser Tage bei dem ich ein deutliches Kribbeln verspürte. Das Hannover-Spiel, Sonntag 17.30 Uhr, hatte ich leider sausen lassen müssen, da es mit dem Job nicht vereinbar war. So war das letzte Auswärtsspiel schon wieder eine gefühlte Ewigkeit her. Es stand so etwas wie ein (schwäbisches) Derby an, wenn auch ein ganz junges. Gegen den FCA hatte der VfB noch nie verloren, weder in der Bundesliga noch in den 70er-Jahren in der 2. Liga Süd. Zugegebenermaßen lief man sich aber auch noch nicht allzu oft auf Augenhöhe über den Weg. Beim VfB gibt die Entwicklung der letzten Wochen durchaus Anlass zur Hoffnung auf bessere Zeiten. Seit dem Frankfurt-Spiel, als Arthur Boka erstmals als Sechser den in dieser Saison schwach agierenden William Kvist ersetzte, als Alexandru Maxim, damals Reservist, sich als Standardspezialist in die Stammelf spielte, ist spürbar eine Weiterentwicklung festzustellen. Seitdem ist so etwas wie Spielkultur zu erkennen und die Ergebnisse stimmen auch. Der Ausfall von Kapitän Serdar Tasci konnte durch Antonio Rüdiger gut kompensiert werden. Georg Niedermeier schwang sich zum Turm in der Schlacht auf, natürlich mittlerweile durch den Abgang von Maza wieder gestärkt und unumstrittene Stammkraft und Abwehrchef. Diese Entwicklung gab mir Anlass zur Hoffnung, dass sich das Team zum Saisonende hin weiter steigern kann, und womöglich noch Chancen auf die Qualifikation für die Europa League über die Liga schaffen kann. Dies könnte keine oder eine verkürzte Qualifikationsphase zur Europa League nach sich ziehen, als wenn wir als unterlegener Pokalfinalist teilnehmen würden.
Los ging es gestern gegen 10.30 Uhr mit dem RWS-Bus. Wir erreichten das Stadion schon sehr frühzeitig gegen 13 Uhr. Da es in Augsburg am Stadion, wie eigentlich rund um alle neuen „Arenen“, so gut wie nichts gibt, wo es sich aufzuhalten lohnen würde, entschloss ich mich noch in die Stadt zu fahren und Kumpels zu treffen, die zudem noch meine Eintrittskarte bei sich hatten. Ich machte mich also auf zur Tram-Station, wo allerdings gähnende Leere herrschte und es eine gefühlte Ewigkeit dauerte, bis die erste Bahn ankam. Als diese an mir vorbei fuhr, sah es aus, als ob die Leute teilweise „quer liegen“ würden, andere waren an die Scheiben gepresst, total überfüllt, ob dies den Sicherheitsauflagen entspricht, wage ich mal zu bezweifeln. Zunächst sah ich diese Überfüllung als Folge davon an, dass ewig keine Bahn gen Stadion fuhr und sicherlich an allen Haltestellen das Gedränge groß gewesen wäre. Als dann aber die Polizei auffuhr und sich zur Eskorte formierte, war mir schnell klar, dass hier das Commando Cannstatt und andere Insassen des Sonderzugs eintrafen. Ein Bekannter sprang mir schnell entgegen, der aufgrund der heißen Temperaturen in der Bahn glitschig wie ein Aal war.
Skandalöse Umstände wenn hier Fußballfans wie Vieh behandelt werden und diese bis zum geht nicht mehr in eine Straßenbahn gepresst werden. Dass der eine oder andere, aufgrund von Platzangst, von Erstickungsängsten, Hitzewallungen oder Geruchsbelästigungen mit Reaktionen wie Sachbeschädigungen oder Beleidigungen reagiert, kann ich nachvollziehen. Ich war auch schon mal, in Nürnberg, zur falschen Zeit am falschen Ort und wurde ebenfalls, wo ich nur auf eine Bahn wartete, aufgrund meiner VfB-Utensilien gegen meinen Willen in eine Bahn gepresst, woraufhin auch meine gute Laune verflogen war. Die ganzen Umstände, rund um eine Auswärtsfahrt, werden immer menschenunwürdiger, es scheint fast, als würde man seine Menschenrechte beim Verlassen der eigenen Stadt zurücklassen. Sei es, dass man gezwungen wird, in dieser einen Bahn mitzufahren, ob man möchte oder nicht, sei es auch dass Strafen ohne Verfahren und Ermittlungen verhängt werden, sei es, dass man sich von auswärtigen Ordnungsdiensten und –hütern alles gefallen lassen muss, weil sie doch „am längeren Hebel“ sitzen und man sich nach Widersetzungen gegen noch so irrsinnige Anweisungen des Ground verwiesen werden könnte und ein Verfahren, das ein Stadionverbot nach sich ziehen könnte, am Hals hätte. Also, gilt es Ruhe zu bewahren und alles in sich hinein zu fressen. Hier bin ich ehrlich gesagt froh schon ein gesetzteres Alter erreicht zu haben und ruhiger zu sein, als vor 20 Jahren. Damals war der Rebell in mir noch weitaus ausgeprägter als heute, wo ich es, wenn auch sehr zähneknirschend, einsehe, dass man bestimmte Dinge einfach nicht zum positiven ändern kann, so schwachsinnig sie sind, welch Schikane sie auch darstellen.
Den Tramfahrer konnte ich überreden, mit der Bahn in die Stadt zurück fahren zu dürfen, obwohl es eigentlich eine Leerfahrt hätte werden sollen und die Tram offensichtlich abgestellt und einer Grundreinigung unterzogen werden sollte. Aufgrund dieser Verzögerungen, war es leider schon 14.30 Uhr als ich im Brauhaus 1516 ankam, wo meine Kumpels bereits warteten. Viel Zeit war also nicht mehr, zumal sich der Weg vom Stadion in die Innenstadt als zeitaufwändiger als gedacht erwies. Kurz nach 15 Uhr entschlossen wir uns dann, eines derer Taxis zu nehmen, die scharenweise am Bahnhof auf Kundschaft warteten. Ich hatte die Hoffnung noch nicht gänzlich aufgegeben, rechtzeitig zum Intro auf den Rängen meinen Platz eingenommen zu haben. Der Taxifahrer machte uns allerdings wenig Hoffnung auf ein schnelles Ankommen, er fuhr diese Tour zum vierten Mal an diesem Tag und war spürbar genervt, von den Staus, die er schon hinter sich hatte. Also motivierten wir ihn, sein Bestes zu geben und auf die Tube zu drücken. Unser Kutscher, ein Kroate, tat sein Bestes, uns auf dem schnellsten Weg zum Stadion zu bringen. Wir hatten großes Glück, kein Stau weit und breit, wir wurden direkt vors Stadion gefahren, gerade einmal 20 Meter neben unserem Eingang. Die Einlasskontrolle war zu meiner großen Freude sehr relaxt, nicht einmal meine Kamera wollten sie sehen, was heutzutage leider nicht mehr selbstverständlich ist. Pünktlich zur Zelebration der Augsburger Mannschaftsaufstellung nahmen wir unsere Plätze ein. Beim Verlassen des Brauhauses hätte ich mir dies nie und nimmer vorstellen können.
Nachdem der VfB wieder einigermaßen in der Spur zu sein schien, gab Trainer Labbadia dem Kader (und sicherlich sich selbst auch!) drei Tage frei, um nach der englischen Woche mit dem Einzug ins Pokalfinale, die Köpfe frei zu bekommen und regenerieren zu können.
Gut, hinterher ist man immer schlauer, nach dem gestrigen Spiel kann man zu der Ansicht gelangen, dass die Jungs innerlich schon auf Urlaub getrimmt waren und vor allem das Spiel in Augsburg als unwichtig erachteten. Der VfB begann mit derselben Aufstellung wie beim letzten Spiel gegen Freiburg, dieselbe Einstellung jedoch fehlte von Beginn an. Dem FCA merkte man gleich an, dass sie um jeden Zentimeter fighten würden und sich mit Vehemenz gegen den drohen Abstieg stemmen würden. Der VfB dagegen begann wieder einmal viel zu abwartend und überließ dem Gegner die Initiative, was bei uns einfach selten erfolgversprechend ist. So ließen die ersten guten Chancen der Gastgeber nicht lange auf sich warten und die Brust wurde noch breiter. Breit genug war sie eigentlich sowieso schon, weil eine hervorragende Rückrunde hingelegt wird und zwei Wochen davor Eintracht Frankfurt aus dem Stadion gefegt wurde. Dies war dem VfB jedoch nicht Warnung genug, zu behäbig wurde zu Werke gegangen. Nach dem Spiel sind die Augsburger schon die viertbeste Rückrundenmannschaft, und weisen nach jämmerlichen neun Punkten in der Vorrunde, eine Bilanz auf, die aller Ehren wert ist.
Der Auftritt des VfB dagegen erinnerte eher an einen lustigen Betriebsausflug. Sie ließen sich den Schneid abkaufen und machten nicht den Eindruck, als würden sie es schaffen, die Spannung (bis zum Pokalfinale) hochzuhalten. Dies wäre eine Charakterfrage gewesen, offensichtlich ist dieser Charakter bei unserer Truppe jedoch nicht vorhanden, was wir allerdings schon vorher wussten, wenn man sich diese Saison re vu passieren lässt. Daher können wir wirklich froh sein, wenn die Saison zu Ende ist und wir nicht noch ernsthaft unten rein rutschen. Es kann uns ja theoretisch noch der Relegationsplatz drohen, auch wenn nicht unbedingt davon auszugehen ist, dass Augsburg bei den Bayern gewinnt. Von der notwendigen Grundspannung für den Ligabetrieb war gestern wenig zu spüren. Klar hatte der VfB die eine oder andere Chance und hätte kurz nach der Pause durch Martin Harnik in Führung gehen müssen. Klar hat Schiedsrichter Gräfe wieder einmal ein Spiel zerpfiffen. Wenn man aber ehrlich ist, war das Spiel nur deshalb bis weit in die zweite Hälfte offen, weil die Augsburger einmal mehr ein Problem mit der Chancenverwertung hatten. Bei einem Torschussverhältnis von 22:7 für einen Abstiegskandidaten kann man nicht wirklich von einer unglücklichen Niederlage reden.
In Augsburg waren einfach zu viele Spieler überfordert, dem Kampfgeist der Augsburger etwas entgegen zu setzen und luden sie schließlich durch haarsträubende Fehler zum Tore schießen ein. Angefangen bei Ulle, der (mindestens) am ersten Gegentor schuld war, Rüdiger, dieses Mal schwach, leitete das zweite ein, Okazaki, nach seiner Einwechslung nicht bundesligatauglich, schließlich verlor den Ball zum endgültigen Knockout. Harnik schon seit Monaten nur noch ein Schatten seiner selbst. Natürlich hat er die Messlatte letzte Saison hoch gelegt, so dass man von ihm mehr erwartet, als er in den letzten Monaten auf den Platz bringt. Er selbst sieht sich wohl schon in England und kokettiert immer wieder mit einem Wechsel auf die Insel. Gemessen am gestrigen Spiel ließe sich noch der eine oder andere ebenfalls aufführen.
Labbadia höchstpersönlich gab Mitte der zweiten Halbzeit dann noch das komplett falsche Signal, in der er die beiden einzigen Aktivposten Traore und Maxim auswechselte und sein Team damit unnötig schwächte.
Letztendlich war es viel zu wenig, was uns die Jungs geboten haben. Uns und natürlich auch den anderen Kandidaten im Abstiegskampf. Dass Hoffenheim durch unsere Niederlage auf dem Abstiegsplatz verbleibt, ist eine positive Begleiterscheinung, die wohl jeder VfB-Fan goutieren wird. Vereinen wie Werder Bremen und Fortuna Düsseldorf haben wir jedoch einen Bärendienst erwiesen. Die sind jetzt wieder mittendrin statt nur dabei im Abstiegskampf. Ich bin grundsätzlich weder Freund eines Auslaufenlassens am Ende der Saison, wenn es um nichts mehr geht, genauso wenig wie der eines übertriebenen Rotationsprinzips, wie es Bayern und Dortmund momentan an den Tag legen. Deren Qualität ist allerdings groß genug, ihre Spiele trotzdem zu gewinnen, so dass von Wettbewerbsverzerrung keine Rede aufkommen muss. Wenn aber ein VfB so leidenschaftslos daherkommt, zudem nach einer dem Vernehmen nach nicht (ausreichend) vorhandenen Vorbereitung, kann ich den Unmut der anderen Abstiegskandidaten verstehen, haben wir doch Augsburg zum Rekordsieg ihrer Bundesligazugehörigkeit verholfen. Andererseits bräuchte sich gerade Werder Bremen nicht darüber zu beklagen, hatten sie doch 2004 als feststehender Meister ein 2:6 zu Hause gegen Leverkusen, das mit uns um die CL-Qualifikation buhlte, hingelegt, ein Ergebnis, das zwei Wochen zuvor natürlich nie und nimmer zustande gekommen wäre. Am letzten Spieltag dann überholte uns Leverkusen schließlich im direkten Duell, dem letzten mit Felix Magath auf unserer Trainerbank, bevor er zu den Bayern wechselte. Wenn man sich die finanzielle Diskrepanz zwischen Champions League und dem damaligen UEFA-Cup anschaut, hat uns diese Abschenken der Bremer richtig Geld gekostet.
Spätestens seit damals ärgert es mich sehr, wenn sich Mannschaften, für die es um nichts mehr geht, einfach hängen lassen.
Beim VfB muss diese Saison nach dem Finale in Berlin gnadenlos aufgearbeitet und tunlichst vermieden werden, dieser Saison Schönes abzugewinnen, weil wir ins Finale eingezogen und für die Europa League qualifiziert sind. Zu gut meinte es die Losfee in beiden Wettbewerben mit uns, um dass man das Erreichen des Pokalfinales im DFB-Pokal bzw. des Achtelfinals in der Europa League überbewerten sollte. Der Alltag in der Bundesliga war trist, die Leistungen oft erschreckend schwach, sowohl spielerisch als auch vom Engagement her, dazu wurden einige sang- und klanglose Niederlagen hingenommen, die richtig weh taten.
Trotzdem soll dies die Vorfreude auf das große Finale in Berlin nicht schmälern. Wenn ich denn aus der Ticketlotterie erfolgreich herausgehen werde, wird es nach 1986, 1997 und 2007 mein viertes Finale mit dem VfB werden. Die Aussichten auf „meinen“ zweiten Pokalsieg nach 1997 sind sicherlich überschaubar, doch muss auch dieses Spiel erst einmal gespielt werden. Um den in dieser Saison übermächtigen Bayern ernsthaft Paroli bieten zu können, muss auf jeden Fall ein Sahnetag her. Es muss der gleiche Biss an den Tag gelegt werden wie gegen den BVB vor ein paar Wochen, auch wenn es den großen Bayern weh tun sollte. Legt man eine Passivität an den Tag wie in beiden bisherigen Saisonduellen gegen die Bayern oder wie auch gestern, dann werden wir wohl einer historischen Schmach beiwohnen müssen. Bis dahin jedoch ist es noch ein weiter Weg. Einiges dürfte auch vom Abschneiden der Bayern in der Champions League abhängen. Nach einer Final-Niederlage in Wembley gegen den BVB könnten unsere Chancen sprunghaft ansteigen, weil dann bei dem einen oder anderen Bayern-Spieler die große Leere aufkommen dürfte. Auch wird man bis dahin sehen, ob es der VfB schafft, die Spannung hochzuhalten. Der VfB hat nach dem letzten Spieltag zwei Wochen Zeit, sich auf Berlin vorzubereiten. Ich hoffe, sie nutzen diese Zeit, um zu trainieren, trainieren, trainieren. Freie Tage scheinen das falsche Signal ans Team zu sein!
Wenn man sich die Namen vor Augen führt, die beim VfB schon so gut wie fix sein sollen für die kommende Saison, macht es mir durchaus Hoffnung, dass die mageren Jahre vorbei sein könnten. Leute wie Schwaab, Rausch, Leitner und Lasogga haben zum Teil schon das Zeug dazu, die Qualität anzuheben und den Konkurrenzkampf auf einem höheren Niveau anzuheben. Spannend würde dann werden, wer uns im Gegenzug verlassen wird. Allerdings hege ich immer große Zweifel, wenn ich höre, an wem Interesse bestehen würde, jedoch noch kein Vertrag unterzeichnet ist. Dieser Status ruft bekanntlich andere Vereine auf den Plan, die ein paar Euro fuffzig mehr bieten können und die Spieler zum „umdenken“ bewegen könnten.
Wenigstens ist Sararer bereits fix. Aus dem Frankenland, von Leuten, die den Spieler besser kennen als ich, wurde mir bereits zu diesem Transfer gratuliert und in Aussicht gestellt, dass wir uns auf ihn freuen dürften.
Für mich war das Augsburg-Spiel das letzte Auswärtsspiel des VfB in dieser Saison, Schalke lasse ich aus, da wir sonntags am Millerntor beim Spiel FC St. Pauli (mit Paddy Funk) gegen das seit diesem Wochenende als Aufsteiger feststehenden Eintracht Braunschweig (Glückwunsch Ermin Bičakčić!) zu Gast sein werden. Ich war lange am überlegen, samstags noch Schalke mitzunehmen und von dort aus nach Hamburg zu fahren. Das wäre insgesamt jedoch ziemlich stressig geworden. Außerdem ist in Hamburg an besagtem Wochenende auch einiges, wie u. a. der Hafengeburtstag geboten und zählt auch die Turnhalle nicht unbedingt zu meinen Lieblingsstadien. Angesichts der Leistung von gestern hält sich meine Enttäuschung heute auch in Grenzen, mich so entschieden zu haben.
Auch danach warten noch einige Highlights, auf die ich mich freue, wie die inzwischen schon traditionelle Floßtour mit dem OFC Leintalpower 05 vor dem letzten Heimspiel, dem Champions League Finale in London, wofür ich in der Verlosung endlich einmal erfolgreich war und schließlich das DFB-Pokalfinale in Berlin.