10. Mai 2015

Hurra, wir leben noch!

Category: Frankys Blogs — Tags: , , , , , – Franky @ 21:45

Nach der ebenso ärgerlichen wie unnötigen Niederlage auf Schalke vor Wochenfrist und den Ergebnissen der Konkurrenz hatten sich die Aussichten des VfB auf den Klassenverbleib dramatisch verschlechtert. Es war daher im Vorfeld bereits klar, dass gegen den 1. FSV Mainz 05 nur ein Sieg zählen würde, jedes andere Ergebnis käme fast schon dem Abstieg gleich, auch wenn aufgrund der letzten Gegner und anderer direkter Duelle an den beiden letzten Spieltagen sicher war, dass man selbst im Falle einer Niederlage noch nicht abgestiegen wäre.
Der Spieltag begann mit dem Freitagspiel schon wie gemalt für den VfB. HSV-SC Freiburg 1:1, so dass man bereits vor dem Spiel anfing zu rechnen und auf die Losung kam, Mainz besiegen und danach mit einem Sieg gegen den HSV den Dino überholen zu können. Gar nicht einmal so unrealistisch, für Mainz geht es um nicht mehr viel und wenn man den HSV so spielen sieht und die Spielanlage der Rauten mit der unsere vergleicht, brauchen wir uns vor diesem HSV sicherlich nicht zu verstecken.
Auf der anderen Seite sind drei Siege aus drei Spielen natürlich leichter gesagt als getan, wenn man sich erinnert, dass wir aus 31 Spielen gerade einmal sechs zustande brachten und zudem seit mehr als eineinhalb Jahren keine zwei Spiele hintereinander mehr gewinnen konnten. Außerdem gefällt sich der VfB offensichtlich als Heilsarmee der Bundesliga und erweckt jedes Mal kriselnde Gegner zu neuem Leben, indem man sich die Dinger regelmäßig selbst ins Netz legt. Solche Anfängerfehler werden natürlich in Deutschlands Eliteklasse gnadenlos bestraft, so dass die Angst vor neuerlichen Slapstickeinlagen unserer Defensivstrategen stets mitspielt und man sich als VfB-Sympathiesant gegen keinen Gegner und bei keinem Spielstand wirklich sicher sein kann.
So empfing der VfB also am letzten Wasenwochenende den selbsternannten Karnevalsverein aus Mainz. Für Mainz ging es quasi um nichts mehr, auch wenn theoretisch noch die Europa League-Qualifikation und sogar der Abstieg, wenn auch äußerst unwahrscheinlich, möglich gewesen wäre. Im Vergleich zum Schalke-Spiel brachte Huub Stevens den wiedergenesenen Antonio Rüdiger für den angeschlagenen und auf Schalke kapital patzenden Georg Niedermeier. Außerdem stand erstmals in dieser Saison Daniel Didavi in der Startformation, für ihn musste Alexandru Maxim auf der Bank Platz nehmen.
Die Stimmung im Stadion zum „Top-Spiel der Woche“ war von Beginn an überragend. Frühlingshafte Temperaturen, das Frühlingsfest, 54.000 Zuschauer, man hatte den Eindruck, dass so langsam jeder kapiert hat, was die Stunde geschlagen hat. Wie schon vor dem letzten Sieg gegen Werder Bremen heizten auch dieses Mal die Schwaben im Berliner Exil von „Die Fraktion“ dem Anhang ein, ein Auftritt, der abermals Glück bringen sollte. Ich mag die Band nicht erst, seit sie einen Beitrag für „Das sind die Fans und ihre Geschichten“ beigesteuert haben, ihre Hymne „VfB ein Leben lang“ oder auch das zum Stadionsong gekürte „Für immer VfB“ begleiten einen schon seit einigen Jahren.
Der VfB indes übernahm sofort die Initiative und suchte sein Heil in der Offensive, hatte aber spürbar Probleme zu aussichtsreichen Abschlüssen zu kommen, da die Mainzer kompakt standen und geschickt die Räume zumachten. Gerade für dieses Spiel war es ein gelungener Schachzug dem laufstärkeren Didavi den Vorzug vor Maxim zu geben, versuchte doch auch Didavi sofort das Spiel an sich zu reißen. Bereits in der letzten Saison, als Didavi erst im Frühjahr ins Geschehen eingreifen konnte, hatte er maßgeblichen Anteil am Klassenerhalt, so könnte er auch in dieser Saison wieder zu unserer Lebensversicherung werden. Für mich ist er der beste Fußballer in unseren Reihen, tragisch wie sehr er zuletzt von langwierigen Verletzungen gebeutelt war, so dass man schon Angst hatte, ob er denn überhaupt noch zurückkommen würde oder gar einen Eintrag auf Sportinvalidität stellen müsste. Ich drücke ihm und uns ganz fest die Daumen, dass er das Gröbste überstanden hat und uns auch mal eine Saison am Stück sein Können zeigen kann. Seit ich ihn zum ersten Mal spielen sah, bei seinem allerersten Einsatz als 17-jähriger bei den Amateuren, als er gleich doppelt traf, mag ich ihn und bin von seinen Qualitäten überzeugt. An die nächste Saison möchte ich noch gar nicht denken, zunächst einmal wäre es eine große Hilfe, wenn er in den restlichen Spielen dieser Saison mithelfen könnte, den Abstieg zu verhindern.
Außer Dida war gestern wieder einmal Filip Kostic der zweite Aktivposten. Endlich darf der Serbe zeigen, was er drauf hat. Lang hat’s gedauert, nun aber, vielleicht gerade noch rechtzeitig, hat er sich an den deutschen Fußball gewöhnt, hat gelernt defensiv mitzuarbeiten und trotzdem nach vorne Akzente zu setzen. Unwiderstehlich seine Dribblings, ein Typ Spieler, der auszusterben droht, der es mit mehreren Gegenspielern auf einmal aufnimmt und dadurch Platz und Räume für seine Mitspieler schafft. Schon auf Schalke der beste VfBler und auch gestern wieder bärenstark. Und überhaupt, wegen unserer Offensive brauchen wir uns keine Sorgen machen, in diesem Bereich sind wir von allen Abstiegskontrahenten mit Abstand am besten besetzt. Auch unser zweiter Langzeitverletzter Daniel Ginczek besticht in den letzten Spielen mit seiner herausragenden Form. Problem nach wie vor unsere Defensive einschließlich Keeper, die gestern zum Glück aber selten gefordert waren.
Je länger das Spiel dauerte, umso seltener wurden die VfB-Chancen. Der VfB zwar tonangebend, aber eben nicht zwingend genug, zudem verteidigten die Mainzer geschickt. Aber, was man dem VfB dieses Mal hoch anrechnen kann und muss, ist, dass die Körpersprache über 90 Minuten stimmte und man die Mehrzahl der Zweikämpfe für sich entschied. Es war eine engagierte und ob des immensen Drucks auch eine couragierte Leistung vom VfB in einem Spiel, in dem er geduldig seinen Stiefel herunterspielte und auf diese eine Chance wartete.
Diese kam dann auch in der 66. Minute, zu einem Zeitpunkt, als schon das nervöse Kribbeln einsetzte und man machtlos die Uhr herunterlaufen sah. Daniel Didavi, der noch eine halbe Stunde zuvor mit einem satten Diagonal-Kracher am Pfosten gescheitert war, fasste sich aus 34 (!) Metern ein Herz und packte den Hammer aus. Der Ball schlug zur Überraschung aller vom Schützen aus gesehen am linken Innenpfosten ein, wobei der Mainzer Keeper Karius keine gute Figur abgab. Sei’s drum, vielleicht hatte er, der ja aus der VfB-Jugend stammt, sein VfB-Herz wiederentdeckt, alles egal. 1:0, ein kollektiver Torschrei der Erleichterung, das Stadion bebte, selbst bei uns auf der Haupttribüne hielt es kaum mehr einen auf den Sitzen. Sollte tatsächlich wieder dieser langzeitverletzte Dida aus unserer eigenen Jugend der Retter werden? Fast schon frech aus dieser Distanz draufzuhalten, aber, er probiert es wenigstens. Vielleicht ein Verzweiflungsschuss, egal, er hat Vertrauen in seinen feinen linken Fuß und das Vertrauen hat sich ausgezahlt. Da war sie also, die fast schon lebenswichtige Führung, die es nun galt, nicht mehr leichtfertig zu verspielen. Man wusste nicht so recht, was man von den Mainzelmännchen noch zu erwarten hatte, ob sie mit aller Macht auf den Ausgleich drängen wollten oder diese Niederlage hinzunehmen bereit waren. Der VfB tat das einzig richtige und igelte sich nicht hinten ein, sondern versuchte nachzulegen. Die Erfahrung der letzten Spiele lehrte es uns ja, keine Führung kann hoch genug sein, um nicht doch noch Gefahr zu laufen, sie wieder zu verspielen. In der 76. Minute hatte Didavi seine Schuldigkeit getan. Unter tosendem Applaus verließ er das Feld, Maxim kam. Nur zwei Minuten später dann wurde der Sack zugemacht. Langer Schlag von Ulreich (fand er Harnik nicht?) auf Ginczek, der fein auf Harnik, welcher wiederum von der Grundlinie in den Rückraum passte, von wo Kostic die Kugel kompromisslos in die Maschen drosch, und somit seine starke Leistung krönte. Riesen Jubel im weiten Rund, pure Erleichterung und aufgrund der Ergebnisse der Konkurrenz auch wieder große Hoffnung auf den vielleicht sogar direkten Klassenerhalt. Zwar hält man auch zwei Spieltage vor Schluss weiter eisern die rote Laterne, doch, auf Platz 14 sind es gerade einmal zwei Punkte.
Standing Ovations nach dem Spiel, der Funke ist (endlich mal wieder) vom Rasen auf die Ränge übergesprungen, es scheint fast so, als bahne sich ein neuer Schulterschluss zwischen Fans und Mannschaft an, wo doch zuletzt das Tischtuch eher zerschnitten war. Um in Erinnerung zu rufen, dass auch nach diesem Sieg noch überhaupt nichts erreicht ist, berief Huub Stevens zum ersten Mal überhaupt das komplette Team noch auf dem Rasen zu einem Kreis zusammen und schwor sie auf die nächsten Spiele ein. Für den VfB gilt es gegen den HSV genau an diese Leistung anzuknüpfen, dann muss uns allen nicht bange sein. Noch ist alles möglich in diesem verrückten Abstiegskampf. Wenn es normale Ergebnisse gibt, sollten zwei Siege für Platz 15 reichen. Dann nämlich gewinnt der SC Freiburg nächste Woche nicht gegen die Bayern und Paderborn nicht auf Schalke. Aber, was ist schon normal. Die Bayern verlieren derzeit jedes Spiel und Schalke gewinnt gerade einmal gegen uns, weil wir sie reich beschenkt haben.
Schalke ist am letzten Spieltag auch noch beim HSV gefordert und könnte zu etwas wie dem Zünglein an der Waage im Abstiegskampf werden. Hoffnung macht hier nur, dass bei königsblau nach der heutigen Niederlage in Köln so richtig Feuer unterm Dach ist und sie noch Punkte benötigen, um in der nächsten Saison überhaupt international dabei zu sein. Auch die Bayern sollten, selbst nach dem wahrscheinlichen Ausscheiden aus der Königsklasse, die Saison ordentlich zu Ende spielen, auch wenn für Pep Guardiola Begriffe wie Ehre und Fairness Fremdworte zu sein scheinen.
Letzten Endes liegt es aber am VfB selbst, ob er die Klasse hält. Zwei Siege zum Abschluss und mindestens die Relegation wird erreicht werden. In der 2. Liga sehe ich kein Team, vor dem man sich fürchten müsste.
Seit gestern stehen für mich die Zeichen tatsächlich auf Klassenerhalt. Das Neckarstadion wird am Samstag ausverkauft sein, die Fans stehen inzwischen wie ein Mann hinter dem Team und wir spielen mit Abstand den besten Fußball aller Teams, die unten drin stehen.
Dem unter Bruno Labbadia wiedererstarkten HSV werden am Samstag die Grenzen aufgezeigt werden, davon bin ich überzeugt. Es war natürlich zu befürchten, dass Bruno dem HSV neues Leben einhauchen würde und kurzfristigen Erfolg haben wird, aber, ich bleibe dabei, langfristig ist er für mich kein guter Trainer. Für den VfB war er es nicht, für den HSV wird er es auch nicht sein, wenn er sich denn nicht grundsätzlich ändert. Er hat charakterliche Schwächen, ihm wird ja so einiges nachgesagt, welches für einen Mannschaftserfolg nicht gerade förderlich ist. Er hat stets eine geschlossene Gesellschaft an Spielern, die immer ran dürfen, um die anderen kümmert er sich nicht und spricht auch nicht mit ihnen, weshalb sie denn keine Rolle spielen. Beim VfB sind dadurch manche Karrieren bereits im Keim erstickt worden, und das von Spielern, die mittlerweile woanders ihre Rolle gefunden haben. Daher habe ich für die Spötter auch kein Verständnis, die diesen kurzfristigen Erfolg des HSV (wohlgemerkt hat dieser noch nichts erreicht zum jetzigen Zeitpunkt!) jetzt dazu verwenden, zu sagen „sehr her, es war ein Fehler Bruno zu entlassen“. Nach Bobic kommt für mich Labbadia nämlich gleich danach als einer der Totengräber vom VfB. Dankbar bin ich ihm für den Klassenerhalt 2011, für viel mehr aber nicht. Unter ihm verkaufte man Leno, er war an den Verpflichtungen von Granaten wie Torun, Sararer, halb Hannover 96 und vielem mehr maßgeblich mitverantwortlich. Er sprach zu wenig mit den Spielern und bemerkte daher mutmaßlich auch nicht die immer schlechter werdende Stimmung und die Grüppchenbildung im Team. Sein „kongenialer“ Partner Eddy Sözer war zudem bei der Mannschaft nicht wohlgelitten, was ebenfalls keine gute Voraussetzung für erfolgreiches Arbeiten war. Gerade ein Co-Trainer sollte als Bindeglied zwischen Team und Chef-Trainer fungieren, ein Vertrauensverhältnis zu den Spielern aufbauen und nicht als des Trainers Spion wahrgenommen werden.
Nichts destotrotz, positiv für den VfB, die beiden stehen nicht mehr auf der VfB-Gehaltsliste und sind somit endgültig Geschichte beim VfB, womit ich es jetzt auch belassen möchte.
Am Samstag dürfte es schon wegen dieser Personalie eine ganz heiße Kiste werden, ich freue mich drauf und versuche mich auf der vor dem Spiel stattfinden Partyfloßfahrt zurückzuhalten, um das Spiel und hoffentlich den Sieg ausgiebig erleben und genießen zu können.

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