1. August 2015

Der Worte sind genug gewechselt, lasst Taten sprechen!

Category: Frankys Blogs — Tags: , , , , , , , , , – Franky @ 09:56

Heute ist es genau zehn Wochen her, als Daniel Ginczeks Siegtor und Deniz Aytekins Schlusspfiff in Paderborn die gesamte VfB-Fangemeinde in Ekstase versetzte. Unvergessen die Szenen, die sich im Gästebereich (trotz alkoholfreiem Bier) abspielten, unvergessen auch die lange Heimfahrt und die Aufeinandertreffen mit anderen Fans auf den Rasthöfen der Republik, als man zahllosen wildfremden Menschen in den Armen lag und mehr als nur eine Träne der Freude verdrückte. So unfassbar der Schlussspurt war, der mir noch immer eine Gänsehaut bereitet, wenn ich daran denke, gilt es nun den Blick nach vorne zu richten.
Bereits seit Ende Juni bereitet sich der VfB auf die neue Saison vor. Akribisch genug, um uns (und sich selbst) eine weitere Zittersaison hoffentlich zu ersparen. Das von Präsident Wahler bereits in der vorvergangenen Saison so strapazierte „ein Weiter so wird es nicht geben“, wird nun von Robin Dutt, wie in der vielbeachteten Saisonabschlusspressekonferenz bereits angekündigt, mit großer Konsequenz und viel Elan vorangetrieben. Es ist so ziemlich alles neu auf dem Wasen. Allem voran der neue Cheftrainer Alex Zorniger, sein neuer „Co“ André Trulsen, Teambetreuer Günne Schäfer, Sportpsychologe Laux, um nur einige Veränderungen innerhalb des Funktionsteams zu nennen. In der Mannschaft stehen acht Abgängen acht Neuzugänge entgegen, wobei bei diesem „Kommen und Gehen“ das letzte Wort sicherlich auch noch nicht gesprochen ist. Der Kader ist nach wie vor zu groß, um ein effizientes und allen gerecht werdendes Arbeiten zu gewährleisten, zudem konnte in der Innenverteidigung noch immer keine Verstärkung an Land gezogen werden.
Das wochenlange von Antonio Rüdiger und dessen Halbbruder und Beraters Sahr Senesie initiierte Wechseltheater behinderte den VfB fatal in seinen Planungen. Zwölf Millionen Euro von Wolfsburg, 18 Millionen Euro von Athletico Madrid oder dem FC Chelsea, alles schien möglich. Offensichtlich aber hatte sich das Duo verzockt und es sich mit der einen oder anderen Partei verscherzt, da dem Vernehmen nach immer neue Forderungen auf den Tisch kamen, so dass nach und nach alle potentiellen Abnehmer schon allein aufgrund fehlender Seriosität Abstand von diesem Geschäft nahmen. Zumindest auf Wolfsburg trifft das zu, ins Ausland will Rüdiger (noch) nicht gehen, so dass von dort alle Anfragen abgeblockt wurden, wie berichtet wurde.
Zu allem Überfluss wurde bei Rüdiger nach seinem allerersten Mannschaftstraining nach seinem (Sonder-)Urlaub eine leichte Belastungsreaktion am im Dezember operierten Knie festgestellt, die einen arthroskopischen Eingriff notwendig machte. Von der anfangs kolportierten Verletzungspause von etwa vier Wochen ist längst keine Rede mehr. Mittlerweile geht man eher davon aus, dass man Rüdiger vor Oktober nicht mehr auf dem Platz sehen wird. Robin Dutt sind daher (finanziell) die Hände gebunden. Er muss jetzt den Spagat schaffen, einen adäquaten Ersatz zu holen, der (so gut wie) kein Geld kostet, wäre es doch ein enormes Risiko, lediglich mit Timo Baumgartl, Georg Niedermeier und Stephen Sama in die Saison zu gehen. Ich finde es äußerst unfair und egoistisch von den Herren Rüdiger und Senesie, den VfB über Monate im Unklaren zu lassen. Es hat den Anschein, sie bekämen den Hals nicht voll, dabei sollte einem Profi, der von einem Verein alle Möglichkeiten erhielt, sich zum Nationalspieler zu entwickeln, auch daran gelegen sein, dem Verein etwas zurückzugeben, und das erstrecht, wenn es noch einen laufenden Vertrag gibt. Der VfB kann dabei die Wechselbedingungen vorgeben, an die sich die andere Partei in Gottes Namen auch halten muss.
Mir erscheint die Angelegenheit so, als wolle Rüdiger auf Teufel komm raus seinen Marktwert checken, wer auf der Strecke dabei bleibt, ist der VfB und so mancher Verein, der Arbeit und Energie in einen möglichen Wechsel Toni Rüdigers steckte. Damit machen sich Rüdiger und Senesie keine Freunde und setzen ihren Ruf aufs Spiel. Toni wäre gut beraten zurückzurudern und die Verhandlungen wieder in die Hände von Uli Ferber zu legen.
Schaffen sie nicht bald Klarheit, könnten sie sich ganz schnell aufs Abstellgleis manövrieren, nämlich dann, wenn der VfB es doch schaffen sollte, einen adäquaten Ersatz zu holen, der mit Timo Baumgartl zusammen eine verlässliche Innenverteidigung bildet und Toni so vergessen macht, dass nach seiner Genesung überhaupt kein Anlass mehr besteht, dieses Duo auseinander zu reißen.
Ansonsten sehe ich uns ganz gut aufgestellt. Welch enormes Potential in der Offensive vorhanden ist, hat man ja bereits am Ende der Vorsaison gesehen. Schön, dass uns diese dem Anschein nach komplett erhalten bleibt. Sowohl Daniel Didavi als auch Alexandru Maxim scheinen sich mit dem Bleiben angefreundet zu haben, sogar eine Vertragsverlängerung ist wohl in beiden Fällen möglich, was mich sehr freuen würde. Im neuen System, in dem viel durch die Mitte gehen soll, wird es sicherlich das eine oder andere Spiel, die eine oder andere Spielsituation geben, wo beide gemeinsam auf dem Platz stehen können. Ein Opfer dieser neuen Philosophie könnte Filip Kostic werden, der ganz klar seiner Stärken beraubt werden würde. Hier möchte ich aber den ersten Pflichtspielen nicht vorgreifen, da ich es mir beim besten Willen nicht vorstellen kann, dass Alex Zorniger Kostic‘ enormes Potential nicht ausschöpfen möchte. Im defensiven Mittelfeld führt momentan kein Weg an Serey Dié und Christian Gentner vorbei, wobei sich der Kapitän umstellen muss, um mit dem schnellen Umschaltspiel Schritt zu halten. Als starke Alternative stehen Lukas Rupp und auch Perspektivspieler Mart Ristl bereit.
Auch der Angriff bereitet mir keine Bauchschmerzen. Gesucht wird wohl lediglich der Sturmpartner des gesetzten Daniel Ginczek, der, sofern er fit bleibt, einer jener Stürmer ist, die für 20 Tore pro Saison gut sind. Ob Timo Werner, Jan Kliment, Martin Harnik oder doch Vedad Ibisevic. Vielleicht findet sich ja noch ein Abnehmer für Ibisevic, wobei es sich allerdings als schwierig erweist, einen Verein zu finden, der ihm sein (gewohntes) Gehalt bezahlt und ihm zugleich eine sportliche Perspektive bieten kann. Wenn nicht, bleibt er eben. Ihn würde ich keinesfalls abschreiben, hat er doch noch immer eine gewisse Qualität zu bieten, die er bei Länderspielen immer wieder aufblitzen lässt. Natürlich hat er es bei uns seit seinem Fauxpas in der vorletzten Saison gegen Augsburg schwer, wünschen ihn viele zum Teufel, aber, wenn er denn mal wieder die Kiste trifft, sieht die Welt sicher auch schon wieder anders aus. Gewöhnt es ihm Zorniger ab, bei jeder noch so kleinen Berührung zu fallen, spielt er das Spiel, das ihn über Jahre ausgezeichnet hat, könnte es auch hier eine Wende zum Guten geben. In der Vorbereitung hat er mir sehr gut gefallen, wobei ich hier nicht einmal auf sein fußballerisches Können anspiele. Sein Auftreten hat mir imponiert. Trotz seiner verfahrenen Situation lässt er sich nicht hängen, zieht voll mit, ist freundlich, ob zu Fans, Mannschaftskameraden und den Mitgliedern des Funktionsteam. Wenn man so nah dran ist, wie wir beim Trainingslager in St. Gallen, erkennt man schon, dass er ein feiner Mensch ist und die Beurteilung von außen nicht immer zutrifft. Natürlich heiße und hieß ich die so überraschende Vertragsverlängerung und Gehaltsaufstockung, die ihm Fredi Bobic gab, vor allem zu diesem Zeitpunkt für einen Hohn und völlig unangebracht. Dafür kann aber Ibisevic nichts, jetzt gilt es für alle Seiten pragmatisch zu denken und das Beste aus der Situation zu machen.
Was lange mein „Lieblingsthema“ war, handele ich an dieser Stelle kurz ab: Mehr als ein Fingerzeig in puncto neue Nummer Eins war wohl, dass Mitch Langerak die Nummer 1 auf dem Trikot erhielt. Gut, auch wenn uns Sven Ulreich weismachen möchte, die Trikotnummer wäre unbedeutend, in diesem Fall war dies für mich schon ein wichtiges Indiz, mit wem der VfB zwischen den Pfosten plant, zumal Langerak auch kaum auf den Wasen gewechselt wäre, wenn er nicht eben diese Perspektive aufgezeigt bekommen hätte. Umso ärgerlicher, dass Langerak seit dem Trainingslager im Zillertal verletzt ausfällt und durch Przemysław Tytoń vertreten werden muss. Dieser macht seine Sache zwar ordentlich, ich sehe aber noch Steigerungspotential. Rückpässe auf ihn als Linksfüßer erinnern mich an die grausige Zeit mit Raphael Schäfer, ähnlich wie Ulreich hat auch er seine Stärken mehr auf der Linie als in der Strafraumbeherrschung und in der Spieleröffnung. In diesen Punkten sehe ich Langerak stärker. Nichtsdestotrotz habe ich mit diesen beiden Keeper, und, nicht zu vergessen Odi Vlachodimos, ein viel besseres Gefühl als in den letzten Jahren mit Ulreich.
Namen sind im neuen System Zornigers ohnehin Schall und Rauch. Wichtiger ist die Umsetzung der Spielidee, die Verinnerlichung der den Positionen beinhalteten Aufgaben und dass der Kopf mindestens genauso gut funktioniert wie der Körper. Man merkt es in diesen Tagen deutlich, wie sehr diese Kopfarbeit die Spieler fordert, den einen oder anderen vielleicht auch überfordert. Zornigers Augenmerk in den nächsten Wochen wird darauf liegen, aus seinem großen Repertoire an einsatzbereiten Spielern diejenigen Männer auszuwählen, die in das Puzzle am besten passen, die bereit sind dazu zu lernen und sich Neuerungen nicht von vornherein verschließen. Mein Eindruck der drei Tage im Zillertal und vor allem der knappen Woche in St. Gallen ist, dass alle hervorragend mitziehen und fast dankbar für die neuen Impulse sind. Es ist Bewegung in den Laden gekommen, Verdienste und Leistungen von gestern zählen kaum mehr, jeder ist in der Pflicht sich neu zu beweisen und sich dem neuen Trainerteam anzubieten. Jeder, wirklich jeder, zieht mit, einen Stimmungstöter oder gar einen Stinkstiefel sucht man (zum Glück) vergebens.
Stand für mich aufgrund der begrenzten Zeit von drei Tagen im Zillertal noch eher das Freunde treffen im Vordergrund und war es mir dort auch auf der sonnendurchfluteten Tribüne bei brütender Hitze schlicht zu anstrengend, die Einheiten konzentriert zu verfolgen, war es letzte Woche in St. Gallen weitaus entspannter. Zeitweise waren wir zwar auch der prallen Sonne ausgesetzt, die Temperaturen aber waren doch erträglicher als im Zillertal.
Zwischen Zillertal und St. Gallen nahmen wir noch den Test in Bern mit. Wenn wir uns schon seit einiger Zeit von internationalen Ambitionen verabschieden mussten, so ließen wir uns die Gelegenheit nicht nehmen, ein wenig „Stuttgart International-Flair“ im Rahmen der Saisoneröffnung der Young Boys Bern zu schnuppern. Machte uns beim letzten Besuch des Wankdorf-Stadions noch ein selten erlebtes Schneechaos zu schaffen, so mussten wir dieses Mal eher der Hitze trotzen. Trotz der Enttäuschung über das 1:4 und darüber, dass das Stadion nur sehr spärlich gefüllt war, hatten wir jede Menge Spaß, den wir uns nicht einmal durch die horrenden Preise nehmen ließen. Beim Wechselkurs von fast 1:1 kam man sich schon wie ein armer Mann dort vor, was mich dazu bewog, auf rein flüssige Nahrung sowie die mitgebrachten Fleischküchle zu setzen. 23 Euro für eine Pizza, 6,50 € für eine Stadionwurst, 10 Euro für einen Döner, 5,50 € für eine Butterbrezel oder gar 33 Euro für ein Cordon Bleu, zu viel für einen sparsamen Schwaben.
Bereits ein paar Tage vor dem Test in Bern gab der VfB bekannt, sein zweites Trainingslager in St. Gallen abhalten zu wollen. Lang hatten wir darauf gewartet, um endlich planen zu können. Der (frühe) Termin im Zillertal war eher der Tatsache geschuldet, dass man aufgrund der Werbepartnerschaft mit zillertal.at zu einer frühen Festlegung verpflichtet war, um dem Werbepartner die Gelegenheit zu geben, diesen Event zu vermarkten und kräftig die Werbetrommel zu rühren. Das Trainingslager im Zillertal musste daher bereits im März fix terminiert werden, zu einem Zeitpunkt also, das man noch überhaupt nicht wusste, ob man sich dort für die erste oder für die zweite Bundesliga vorbereiten würde. Als der Klassenerhalt dann endlich feststand, war es klar, dass dieses Trainingslager im Zillertal, in dem die Nationalspieler erst nach und nach dazu stießen, eher ein Lauf- und Grundlagentrainingslager werden und ein zweites folgen würde.
Der VfB tat sich schwer damit zu einem Zeitpunkt, wo bereits fast alles ausgebucht war, ein geeignetes Hotel mit idealen Bedingungen zu finden. So stand der Termin für St. Gallen gerade einmal knapp zwei Wochen vor dem Beginn dieses Trainingslagers, was uns Fans dann auch vor planerische Herausforderungen stellen sollte. Die Bodenseeregion ist im Hochsommer ohnehin stark frequentiert, hinzu kam der Beginn der Bregenzer Festspiele, so dass es an freien (und bezahlbaren) Quartieren mangelte. Eines war für uns aber von Anfang an klar: unser „Basislager“ wollten wir in Österreich aufschlagen und täglich die knapp 40 Kilometer zum Trainingsgelände pendeln. Sowohl die Hotels und Pensionen als auch die Lebenshaltungskosten für Essen und Trinken sind in Österreich, auch direkt an der Grenze, mit den unsrigen vergleichbar und somit absolut im Rahmen. Unsere Wahlheimat schlugen wir in Hohenems auf und überquerten daher in sechs Tagen unzählige Male die österreichisch-schweizerische Grenze. Im Nachhinein betrachtet kann man konstatieren, alles richtig gemacht zu haben, auch wenn unser Quartier nur bis Freitag frei hatte und wir für die letzten beiden Nächte bei Bekannten ziemlich in der Mitte zwischen Hohenems und St. Gallen unterkamen.
Das Trainingslager selbst war eines, wie man es schon in früheren Jahren kennen- und lieben gelernt hatte. Klein aber fein, überschaubar, kein Massenauflauf à la Zillertal. Etwa 30 Voyeure wohnten den Trainingseinheiten bei, einige bekannte Gesichter, die auch immer dabei sind und einige Schweizer oder rund um den Bodensee ansässige, die die Gelegenheit nutzten, ihren Herzensverein einmal hautnah zu erleben. Hautnah ist auch das Stichwort, man ist nah dran wie sonst eigentlich nie, hört die Kommandos der Trainer, schaut in die geplagten Gesichter der Spieler und ist in ständigem Kontakt und Austausch mit den Journalisten, Fotografen, vfb-tv und anderen VfB-Angestellten, dem Team ums Team quasi. So gefällt es mir sehr gut, es war die ganze Woche über eine sehr entspannte und angenehme Atmosphäre.
Da bekommt man natürlich auch Einblicke, wie die Stimmung im Team ist, wie alle mitziehen, ob sich der eine oder andere vor den Übungen drückt, etc. pp. Gerade letzteres habe ich in diesem Jahr kaum erlebt. Anders als Feldherr Veh, der die Arbeit auch gerne mal seinen Assistenten überließ, hat Alexander Zorniger seine Augen einfach überall und verfolgt jede Übung selbst mit und unterbricht, wenn ihm etwas nicht gefällt oder lobt, wenn er Fortschritte erkennt.
Auch wenn noch kein Pflichtspiel gespielt ist, bin ich nach wie vor sehr angetan davon, mit welchem Engagement und mit welchem vorgelebten Enthusiasmus Zorniger Tag für Tag den Platz betritt. Er ist Fußballlehrer im wahrsten Sinne des Wortes, lehrt „seinen“ Fußball und hat die Ambition jeden seiner Spieler besser machen zu wollen. Dazu bedarf es seiner Philosophie und eines Planes, den er stringent verfolgt. Auch die Symbiose mit Robin Dutt gefällt mir in diesem Sommer sehr gut. Die beiden sprechen eine Sprache und sind vor allem ehrlich zueinander und auch zu den Spielern. Im Gegensatz zu früheren Zeiten wissen diejenigen, mit denen man nicht mehr plant, ganz genau, woran sie sind, so dass auch keiner mehr auf die Idee kommt, bequem seinen Vertrag auszusitzen.
Der nächste auf dem Absprung dürfte Mo Abdellaoue sein, dessen Zeit beim VfB unglücklicher nicht hätte verlaufen können. Mir tut der Junge wirklich leid. So schlecht fand ich den Einkauf damals gar nicht, vor allem zu Europa League Zeiten der 96er hat er mir sehr gut gefallen. Nur, was ich von Anfang an kritisierte, war, dass, bei dem damals praktizierten System mit einer Sturmspitze, die Ibisevic hieß, der Königstransfer Abdellaoue zu teuer war, um „nur“ den Backup für Ibisevic zu geben. Zudem weiß man, dass Mo ein sensibler Spieler ist, dem die Wertschätzung gegenüber seiner Person wichtig ist, so dass er sich recht schnell in sein Schneckenhaus zurückzog, wenn man das von außen überhaupt beurteilen kann. Er hat also innerlich bereits gekündigt, bevor er richtig angekommen war und hatte zudem mit langwierigen Verletzungen zu kämpfen. Ich hoffe, dass auch dieses Missverständnis bald mit einer Lösung beendet wird, mit der beide Seiten gut leben können.
Dutt bewältigt seinen Job bisher mit einer wohltuenden Unaufgeregtheit und lamentiert nicht wegen der begrenzten Möglichkeiten. Er hat genau gewusst, auf was er sich hier einlässt und nimmt die Situation an wie sie ist. Ich habe derzeit ein sehr gutes Gefühl, dass uns das Duo Dutt/ Zorniger kurzfristig in ruhigere Fahrwasser und mittel- bis langfristig wieder dorthin führen wird, wo wir nach unserem eigenen Selbstverständnis hingehören, nämlich, zumindest heran an die Europa League Plätze. Bis sämtliche Veränderungen greifen, bis der Kader nach deren Vorstellungen umgestaltet ist, auch bis es einmal wieder gelingt Leistungsträgern ein Bleiben schmackhaft zu machen, werden sicherlich Jahre vergehen. Aber, so lang man erkennt, dass an bestimmten Stellschrauben gedreht wird, solang Bewegung im Laden ist, werden die Fans die Arbeit anerkennen und nicht ungeduldig werden. Da bin ich mir ziemlich sicher. Sehr hilfreich wäre dafür natürlich ein guter Start in Pokal und Liga, um erst überhaupt keine Unruhe aufkommen zu lassen.
Höhepunkt der Tage von St. Gallen war zweifellos der Fan-Abend im Mannschaftshotel Säntispark in Abtwil. Seit Bruno Labbadia in Längenfeld ist es gute Tradition, dass uns nicht mehr „nur“ die Neuzugänge und ein, zwei alte Hasen beehren, sondern die komplette Mannschaft einschließlich Trainer- und Betreuerstab zum Fanfest erscheinen.
Wie unser Fanbetreuer Peter Reichert treffend formulierte, waren an diesem Abend bald mehr Spieler als Fans anwesend, was uns die Gelegenheit zu langen und tiefgreifenden Gesprächen gab. Zu uns gesellten sich Lukas Rupp, Daniel „Ginni“ Ginczek und Daniel „Dida“ Didavi, wobei vor allem letztere beide in unmittelbarer Nähe zu mir saßen und ich sie nach Belieben „löchern“ konnte. Beide waren super drauf und sehr freundlich und betonten immer wieder, wie toll die Stimmung in den letzten Spielen war und wie gerne sie diese in die neue Saison hinüber retten würden.
Wir wollten natürlich von Ginni wissen, wie es sich anfühlt ein solch entscheidendes Tor wie das in Paderborn zu erzielen oder von Dida, wie die Chancen stehen, seinen Vertrag doch noch zu verlängern. Ebenso hat mich interessiert, nachdem beide von den Neuerungen und der Bewegung im Verein so schwärmten, was sie zu Günne Schäfer als neuem Mannschaftsbetreuer sagen. Günne tut einfach gut, auch uns Fans. Unglaublich mit welcher Offenheit und ständig guter Laune er in seiner neuen Aufgabe aufgeht. Eine seiner Aufgaben soll ja zukünftig sein, den Kontakt zu verliehenen Spielern zu halten, sie über Geschehnisse im Verein auf dem Laufenden zu halten und ihnen vor allem nicht vorzuenthalten, was der VfB nach der Rückkehr mit ihnen vor hat. Daher fragte ich Dida, wie es bei ihm gelaufen ist, als er nach Nürnberg verliehen war. Und siehe da, mein Eindruck, dass sich verliehene Spieler eher entfremden und als Teil des neuen Vereins sehen, täuschte mich nicht, von daher ist auch die Installation des Teammanagers eine Neuerung, die absolut zu begrüßen ist, zumal Günne wie kaum ein Zweiter in Vergessenheit geratene Werte vermitteln und die Jungs mitreißen kann.
Ginni schmierte ich noch ein wenig Honig ums Maul, indem ich ihm sagte, dass er mir erstmals so richtig beim 5:1-Sieg des FC St. Pauli gegen den bereits feststehenden Aufsteiger Eintracht Braunschweig auffiel, als ich am Millerntor war und seinen Werdegang seitdem aufmerksam verfolgte. Dass ich, trotz vieler Unkenrufe, seine Verpflichtung mit Kreuzbandriss immer verteidigt habe und ihm einen ähnlichen Werdegang wie den von Max Kruse zutraute. Legt Ginni eine verletzungsfreie Saison hin, ist er für mich ein heißer Kandidat für Jogis Kader zur Euro 2016.
Auch die Meinung der beiden zu Chima Onyeike, dem zurückgekehrten Athletiktrainer, wollte ich wissen. Ich muss sagen, wir haben uns sehr gefreut, als wir ihn überraschend auf einmal wieder auf dem Trainingsplatz gesehen haben, weil der Mann einfach etwas hergibt und den Jungs auch etwas vormachen kann. Auch die Spieler sehen ihn positiv, da er deren Belastbarkeit als Ex-Profi noch besser einschätzen kann als „Papa“.
Über dieses und noch viel mehr konnten wir uns an diesem tollen Abend in ungezwungener Atmosphäre unterhalten. Fast ein bisschen schade, dass unsere beiden Mädels am Tisch kaum Worte fanden und ich es so als unhöflich empfunden hätte, den Tisch zu wechseln, um noch mit anderen ins Gespräch zu kommen.
Diese Gelegenheit kam dann vermeintlich, als sich die Spieler nach etwa zwei Stunden wieder verabschiedeten. Auf „unsere“ lasse ich ja sowieso nichts kommen, unheimlich nett bspw. wie Dida mich am Folgetag am Trainingsplatz und sogar gestern auf der Tribüne beim Amas-Spiel begrüßte, aber, auch bei Anderen kam die gute Kinderstube zum Vorschein, als sich zum Beispiel Kevin Stöger und Arianit Ferati von allen Anwesenden per Handschlag verabschiedeten.
Ich wollte mich eigentlich noch mit André Trulsen unterhalten. Nach einem Training ließ ich mich mit ihm ablichten und erzählte kurz, dass ich auch gerne mal bei St. Pauli bin und dort einige Freunde habe, woraufhin er ihnen schöne Grüße ausrichten ließ. Diese Unterhaltung hätte ich gerne noch vertieft und sah die Chance gekommen, als ich ihn noch von hinten an einem Tisch mit Fans sitzen sah. Also, kurz einen lockeren Opener überlegt und ihn von der Seite mit „darf ich kurz stören? Ja! Haben Sie sich beim VfB schon gut eingelebt?“ angesprochen. „Er“ entgegnete daraufhin in breitestem schwäbisch: „Ja, ich bin ja schließlich auch schon acht Jahre da“. Dumm gelaufen, hatte ich doch tatsächlich den Busfahrer erwischt, der André Trulsen von hinten ähnelte, wie mir, zu meiner Ehrenrettung, ein Bekannter bestätigte, der dem selben Irrtum erlegen war. Zwar trotzdem peinlich, aber eine Anekdote mehr, an die man sich noch lang erinnern wird.
Das Highlight des Abends aus emotionaler Sichtweise war aber der Heiratsantrag, den Raffael seiner Jule vor versammelter Mannschaft machte. Das hatte etwas, den eigentlichen Stars für einen Moment die Show zu stehlen und sich von den Spielern feiern zu lassen. Robin Dutt ließ sich dabei nicht lumpen und ließ den frisch Verlobten eine Flasche Sekt hinstellen. Fans und Mannschaft intonierten noch ein lautstarkes 1893, hey, hey, ehe man sich wieder den fruchtbaren Gesprächen zuwandte.
Auf dem Heimweg nahmen wir dann noch das Spiel in Konstanz gegen den FC Winterthur mit. Es war das Heimspiel unserer Konstanzer VfB-Freunde auf deren Empfehlung hin wir im Constanzer Wirtshaus landeten, welches sehr schön am Rhein gelegen ist, aber auch einen Blick auf den Bodensee bietet. Dort lässt es sich in schönem Ambiente und zu moderaten Preisen gut trinken und speisen, weil es so schön war, ließen wir dort den Abend dann auch, mit drei Winterthurern im Schlepptau, ausklingen. Das Spiel war phasenweise schon ganz gefällig, die Akzente setzten in der ersten Halbzeit Daniel Didavi mit zwei blitzsauberen Toren sowie in der zweiten Filip Kostic.
Auch wenn weder dieser Test noch der in Bern überbewertet werden darf, so zeigen sich schon so langsam Konturen des neuen VfB-Spiels. Ein echter Kracher steht uns heute bevor, wenn es gegen den englischen Vizemeister Manchester City geht. Der Scheich-Club, der Jahr für Jahr das Ziel des Financial Fairplay verfehlt und dafür auch bereits von der UEFA mit 60 Millionen Euro Strafe zur Kasse gebeten wurde, tritt mit einer ganzen Armada von Topstars in Stuttgart an und wird ein echter Prüfstein werden. Was ein solcher Test wert ist und ob er überhaupt einen Wert hat, werden wir dann in Kiel sehen. Es besteht schon die große Gefahr, ein Debakel zu erleben, fängt doch bereits in einer Woche der englische Ligabetrieb an, so dass die Engländer dieses Spiel sicher sehr ernst nehmen werden.
Auf der anderen Seite ist aber natürlich auch eine Überraschung möglich, welche die Erwartungen ins Unermessliche steigen lassen würde. Man könnte also meinen, dass wir heute nur verlieren können. Das Spiel wird sicher Erkenntnisse darüber aufzeigen, wo wir stehen, was bereits sehr gut funktioniert und wo wir uns noch verbessern müssen. Das erkennt man am allerbesten, wenn man sich mit den Besten misst und nicht, wenn man sich vermeintliches Kanonenfutter zum Test einlädt.
Dass dieser wohl einmaligen Gelegenheit, sich mit einem internationalen Top-Team zu messen, das Opening zum Opfer gefallen ist, ist zwar bedauerlich, für mich jedoch nachvollziehbar. Würde, wie im Vorjahr, das Opening vor dem Test stattfinden, wären unsere Jungs den Tag über zu sehr abgelenkt, um hinterher noch ein vernünftiges Spiel hinlegen zu können. Dann lieber diese Generalprobe nutzen, den Tag mit den gleichen Abläufen verbringen, wie man es bei einem Pflichtspiel tun würde, und die volle Konzentration diesem hochkarätigen Gegner widmen. Ich freue mich sehr drauf, endlich wieder ins Neckarstadion zu pilgern und in einer Woche beim Pflichtspielauftakt in Kiel dabei zu sein.
Mein Optimismus und mein Vertrauen in „den neuen VfB“ ist also groß. Dutt und Zorniger wissen genau, was noch getan werden muss. Auch wenn sich Dutt im Bemühen um einen erfahrenen Innenverteidiger Absage um Absage einhandelt, er bleibt am Ball und wird uns noch jemanden präsentieren.
Ich hoffe sehr, dass wir einen vernünftigen Start hinlegen und Zorniger in Ruhe arbeiten kann. Im Umfeld höre ich sehr viel Skepsis, da sich SO viel ja gar nicht verändert habe und wir vor allem in der Defensive noch immer sehr wackelig sind.
Ich selbst sehe dieses (Defensiv-)Gebilde zwar auch als noch fragil an, setze aber darauf, dass die neuen Automatismen nach und greifen und wir uns stetig verbessern und vor allem in der neuen Saison mit dem Abstieg nichts zu tun haben werden.

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