Endlich wurde am Wochenende nach den Terroranschlägen von Paris wieder Fußball gespielt. Es war eine surreale Länderspielpause, geprägt von Angst und Drohungen neuer Anschläge. Die Anschläge in Paris waren mir näher gegangen als einige der sonstigen tagtäglichen Schreckensmeldungen, weil die hässliche Fratze des IS in Mitteleuropa angekommen war, weil ich damit liebäugelte selbst zum Länderspiel nach Paris zu fahren und weil ich Bekannte hatte, die bei dieser Horrornacht live im Stadion dabei waren. Der IS wollte offenbar gezielt die „Kreuzfahrer-Nationen“ Frankreich und Deutschland treffen und fand in diesem Freundschafts-Länderspiel die große Bühne.
Nach gründlichem Abwägen der Fürs und Widers entschloss sich der DFB es Frankreich gleich zu tun und das Prestigeduell gegen die Niederlande in Hannover am darauffolgenden Dienstag stattfinden zu lassen. Vom Grundsatz her war es richtig, möglichst schnell wieder zur Normalität zurückzukehren, auch wenn der sportliche Wert des Aufeinandertreffens diskussionswürdig gewesen wäre. Der Fan wünscht es sich, dass gerade bei Spielen gegen große Fußball-Nationen in Bestbesetzung angetreten und der „Ernstfall“ geprobt wird, ein Wunsch, dem der Bundestrainer und seine hochstrapazierten Nationalspieler leider selten bis nie nachkommen. Sechs Spieler wurden bereits im Vorfeld nach Hause geschickt, andere sollten geschont oder nur wenige Minuten eingesetzt werden. Dann aber wundert sich der DFB noch, dass er Probleme hat, das Stadion vollzubekommen, wenn der Fan zwischen 35 und 100 Euro für eine Eintrittskarte berappen soll für ein Spiel zweier Mannschaften, die in dieser Besetzung sonst nie wieder auflaufen dürften. Das ist der Hauptgrund dafür, dass ich persönlich mir solche Spiele weitestgehend schenke und eben auch nicht nach Paris gefahren bin.
Dass das Spiel in Hannover letztlich und sehr kurzfristig abgesagt wurde, war bei alldem, was man so hört, sicherlich die richtige Entscheidung, auch wenn Meldungen, nach denen bis zu fünf Bomben im Stadion und an einem Bahnhof gezündet werden sollten, nicht gesichert zu sein scheinen. Der Bundesinnenminister verschweigt die Wahrheit, „weil sie die Bürger verunsichern könnten“, so dass man bis jetzt nicht sicher weiß, ob die Bedrohung tatsächlich so real war oder ob der Staat doch „nur“ kalte Füße bekam, dieses Spiel unter Anwesenheit des halben Bundeskabinetts stattfinden zu lassen.
Diese Spielabsage und die um sich greifende Terrorangst nutzen jetzt (natürlich) die Hardliner aus, um weitere Repressionen rund um Fußballspiele zu fordern und die Einlasskontrollen zu verschärfen. In Frankreich wurden am vergangenen Wochenende Auswärtsfans ausgesperrt, einige fordern „Nacktscanner“ an den Stadioneingängen und weiter reichende Rechte für Polizisten, die so weit gehen sollen, potentielle Unruhestifter rund um Spiele schon mal vorsorglich einzusperren.
Ex-Innenminister Friedrichs findet dabei ebenso Gehör wie der Chef der Polizeigewerkschaft Wendt. Appelle von DFB und Polizei komplett auf den Einsatz von Pyrotechnik zu verzichten und den Anordnungen der Obrigkeit unbedingt Folge zu leisten folgten auf dem Fuße und wurden von großen Teilen der Stadionbesucher goutiert.
Bei all dem beschleicht mich der Eindruck, dass die aktuelle Gefährdungslage einigen in die Karten spielt und sie damit schleichend durchsetzen wollen, was bis vor kurzem noch verpönt war. Daher sollte man innerhalb der Fanszenen bestrebt sein, schnellstmöglich zur Normalität zurückzukehren und sich gegen zusätzliche Repressionen, die bei nachlassender Gefahr sicher nicht mehr zurückgenommen werden, vehement zur Wehr zu setzen.
An den Eingängen zum Neckarstadion fanden erwartungsgemäß verschärfte Leibesvisitationen statt, so dass sich der Einlass verzögerte und das Spiel 15 Minuten später begann. Nach der obligatorischen Gedenkminute für die Opfer der Terroranschläge rollte der Ball dann endlich wieder.
Der VfB, mit einem desaströsen 0:4 bei den Bayern in die Länderspielpause gegangen, hatte gegen das Schlusslicht FC Augsburg die große Chance zur Wiedergutmachung. Auch wenn man in München einem bemitleidenswerten Sparringspartner glich, ist doch eher die unmittelbare tabellarische Nachbarschaft unser Gradmesser als das Starensemble aus Nordösterreich, so dass durch die Niederlage dort im Grunde nicht viel passiert war.
Umso mehr hoffte man auf eine Reaktion der Mannschaft gegen Augsburg und den dritten Heimsieg in Folge. Diese Hoffnungen wurden allerdings frühzeitig jäh zerstört. Von der ersten Minute an sah man eine Augsburger Mannschaft, die unbedingt wollte und einen VfB, der gedanklich noch in der Länderspielpause oder bei der Gedenkminute verweilte.
Vom aggressiven Vorwärtspressing der ersten Spiele war nichts mehr zu sehen. Augsburg betrieb dieses mit Bravour und setzte unsere Abwehrspieler ständig unter Druck. Die VfBler liefen von Beginn an nur nebenher, so dass ich mich schnell im falschen Film wähnte und die schlimmsten Befürchtungen hatte. Der VfB, bei dem Vlachodimos für den wegen eines Magen-Darm-Infektes ausgefallenen Tytoń im Kasten stand, hatte zwar gleich am Anfang eine Kopfball-Chance durch Didavi, die er leichtfertig vergab und die schnell das Ende der VfB-Herrlichkeit bedeutete. Augsburg kombinierte nach Belieben und hatte in Bobadilla und Caiubi die besten Spieler auf dem Platz in seinen Reihen.
Caiubi, vor einigen Jahren mal beim VfB im Gespräch und als zu leicht befunden (!) erfreute sich an jeder Menge Platz im Mittelfeld und zog die Fäden. Seine Seitenwechsel brachten uns stets gehörig in die Bredouille, weil die Unseren nicht gedankenschnell genug waren, auf diese Spielverlagerungen zu reagieren. So klafften auf der jeweiligen Seite riesige Lücken, die den Fuggerstädtern jede Menge Platz boten. Doch nicht nur über die Seiten versprühten die Augsburger Gefahr, auch durch die Mitte ging es locker, wie das 0:1 beweist.
Zunächst verlor Klein ein Kopfball-Duell gegen Caiubi, dann vertändelte Serey Dié den Ball wegen eines technischen Fehlers und Bobadilla spielte den Pass in die Schnittstelle, so dass Esswein freie Bahn auf das Tor von Vlachodimos hatte und diesem keine Chance ließ. Als gerade einmal sechs Minuten später Baumgartl einen an und für sich harmlosen Ball unhaltbar für Vlachodimos zum 0:2 abfälschte, war das Spiel im Grunde schon gegessen.
Der VfB leistete an diesem Samstag den Offenbarungseid ab, kam nicht in die Zweikämpfe, spielte einfachste Pässe ins Nichts und bot in der „Abwehr“ Slapstick pur. Kurz, mit Bundesligafußball hatte die Vorstellung nichts zu tun. Ich bin normalerweise keiner, der schon früh resigniert und das Stadion zu einem frühen Zeitpunkt verlässt, nach dem 0:2 aber war es mir bereits zum Gehen zumute. Die Vorfreude auf dieses Spiel war innerhalb weniger Minuten komplett verflogen. Wut und Hass staute sich in einem auf, weil es unbegreiflich ist, dass ein Profi-Team sich gegen den Tabellenletzten so derart demütigen lässt und nicht einer in der Lage (oder gewillt?) ist, sich gegen die drohende Niederlage zu stemmen.
Man musste sich nur die Körpersprache der Brustringträger anschauen, um festzustellen, dass das an diesem Tag nichts mehr werden würde. Das Schlusslicht führte uns vor und war in allen Belangen überlegen. Bis auf einen Schuss von Insúa hatte der VfB in der ersten Halbzeit keine Tormöglichkeit, im Gegenteil, man fing sich gar noch das 0:3 nach einem Eckball ein.
Toni Sunjic war zu diesem Zeitpunkt bereits gegen Jan Kliment ausgetauscht. Er stand, wie auch Timo Baumgartl, völlig neben sich und steht sinnbildlich für das Dilemma und eine unglückliche Einkaufspolitik. Sunjic hatte die verlorene EM-Relegation zu verkraften und kam zudem angeschlagen von der Nationalelf zurück. Ob dies eine Erklärung für seinen indiskutablen Auftritt ist und er möglicherweise zu früh wieder eingesetzt wurde, weiß man nicht. Bei Sunjic, der in Berlin ein ordentliches Debüt gab und ein Tor erzielte, ist mittlerweile das typische VfB-Symptom zu beobachten. Je länger er da ist, desto schlechter wird er, ähnlich ergeht es derzeit auch Emiliano Insúa.
Sunjic ist nicht der Abwehrrecke, den wir gebraucht hätten. Er ist zu phlegmatisch und muss sich offensichtlich an das Tempo in der Bundesliga erst noch gewöhnen. So trägt er eher zur allgemeinen Verunsicherung bei, als dass er Timo Baumgartl helfen und führen könnte.
Timo Baumgartl ist auch nur noch ein Schatten seiner selbst. Dass er nach der Verpflichtung von Sunjic auf die linke Seite wechseln musste dürfte dabei nur eine untergeordnete Rolle spielen. Er steht bei mir mit seinen 19 Jahren noch unter Welpenschutz. Ihm würde es möglicherweise sogar helfen, wenn wir in der Innenverteidigung personell besser aufgestellt wären und er auch mal eine Pause bekäme. Gerade für die ganz jungen Spieler, die spüren, dass der VfB im Moment an die Wand gefahren wird, leiden doch am meisten unter der Situation und unter der Vorstellung als Absteiger in die VfB-Annalen einzugehen. Allein diese Schreckensvorstellung könnte ihn derart blockieren, dass die Füße nicht mehr machen, was der Kopf gern tun würde. Bei ihm bin ich guter Hoffnung, dass, wenn eine gewisse Sicherheit ins VfB-Spiel zurückkehrt, auch seine Formkurve wieder ansteigen wird.
Ob Sunjic nach dieser frühen Auswechslung erst einmal weg vom Fenster ist oder Zorniger ihm in Dortmund wieder vertrauen wird, werden wir sehen. Sollte Sunjic nicht verletzungsbedingt ausgewechselt worden sein, sondern weil er taktische Vorgaben nicht umgesetzt hat und völlig neben der Spur stand, würde es mich nicht wundern, wenn er zunächst mal außen vor wäre und in Dortmund wieder einmal Adam Hlousek sein Unwesen treiben darf. Georg Niedermeier wird mutmaßlich weiterhin keine Rolle spielen, Stephen Sama traut man den Schritt zu den Profis offensichtlich (noch) nicht zu. So oder so, in der Innenverteidigung muss im Winter gehandelt werden, alles andere wäre blauäugig. Dafür wird man Geld in die Hand nehmen müssen, das vermutlich erst vorhanden sein dürfte, wenn ein Leistungsträger in der Offensive verkauft wird.
Da fällt mir, so sehr ich ihn eigentlich mag, zunächst einmal Daniel Didavi ein. Was er in den letzten Wochen spielt ist für mich unerklärlich. Wie unmotiviert und alibimäßig er seine Freistöße in aussichtsreicher Position auch am Samstag wieder über den Kasten zirkelte, einfach nur erbärmlich.
Er scheint mit den Gedanken derzeit überall zu sein, nur nicht beim VfB. Sollte an der Einigung mit Leverkusen etwas dran sein, muss man ihn abgeben, sofern Bayer im Winter bereit ist, noch Geld auf den Tisch des Hauses zu legen. In der derzeitigen Verfassung, mit der derzeitigen Körpersprache hilft er uns nicht weiter und sollte in der Startelf durch Alexandru Maxim ersetzt werden, der durch seine Vertragsverlängerung zumindest vordergründig so etwas wie Vereinsverbundenheit demonstriert hat und entsprechend eine größere Motivation an den Tag legen könnte als derzeit Dida.
Auch Filip Kostic ist seit dem angeblichen Interesse von Schalke 04 nur noch ein Schatten seiner selbst. Kostic hat ja bereits verlauten lassen, dass er sich zu Höherem berufen fühle als mit dem VfB gegen den Abstieg zu kämpfen. Dutt hat vor der Saison verkündet, man werde keinen festbinden und jeder Spieler, der nicht gerne für den VfB auflaufe, könne dies mitteilen, dann fände man schon eine Lösung. Kostic dürfte der erste sein, der von dieser Option Gebrauch macht. Bereits seit September, unmittelbar nach Ende der Transferperiode, wirkt er extrem unmotiviert und ist von seinen Leistungen der Rückrunde meilenweit entfernt.
Unzufriedene Spieler senken die Stimmung zusätzlich und sollten lieber abgegeben werden, als dass sie Mannschaftskameraden weiter herunterziehen. Natürlich muss der Erlös stimmen und man darf sich nicht über den Tisch ziehen lassen, nur weil die aufnehmenden Vereine wissen, dass der VfB Geld braucht und den Spieler XY möglichst sofort loswerden möchte.
Ein großes Problem in der bisherigen Halbserie sind die lange Verletztenliste und der dünn besetzte Kader. Ob Kruse, Ginczek, Gentner, Rupp, Kostic oder Serey Dié, alle mussten gleich wieder voll ran, sobald sie wieder unfallfrei geradeaus laufen konnten.
So wirkt ein Serey Dié nach all seinen Wehwehchen noch immer nicht richtig fit und hatte zudem von der Länderspielpause lange und kraftraubende Flüge hinter sich, muss aber Woche für Woche ran, da er eigentlich unverzichtbar ist. In der Verfassung der letzten beiden Spiele aber hilft er uns auch nicht weiter. Sein aggressives Zweikampfverhalten war kaum zu vorhanden, eher im Gegenteil. Die Bayern waren schlicht zu schnell für ihn, so dass er dort wenigstens nicht Gefahr lief, sich seine fünfte gelbe Karte einzufangen. Gegen Augsburg jüngst, irrte auch er orientierungslos umher und versuchte so gut es ging die sich auftuende Löcher zu stopfen, war jedoch überfordert und wurde von seinen Mitspielern im Stich gelassen.
Bitter, dass er sich ausgerechnet gegen Augsburg und zu einem Zeitpunkt, als das Spiel ohnehin schon verloren war, seine fünfte gelbe Karte und damit die Sperre für das Spiel in Dortmund einhandelte.
Sein „Partner“ Christian Gentner, seines Zeichens Kapitän, war, wie schon bei der Demontage in München kaum zu sehen und war vor allem kein Kapitän, der Zeichen setzte und imstande gewesen wäre, die Truppe wachzurütteln. Eines unserer großen Probleme der letzten Jahre darf weiterhin unbeirrt im Mittelfeld seine Pirouetten ziehen.
Vom Hurrastil der ersten Spiele ist nicht mehr viel übrig geblieben. Die Aufstellungen zuletzt gleichen eher den schlimmsten Stevens-Zeiten mit sieben eher defensiv orientierten Spielern, drei (!) offensiven und eben Gentner (!?). Allein die nominelle Aufstellung gibt also noch keinen Aufschluss darüber, ob eine Mannschaft hinten dicht ist oder eben nicht. Es liegt an der Qualität, an der fußballerischen und auch an der geistigen, dass es der VfB seinen Gegnern derzeit so leicht macht, Tore gegen uns zu schießen.
Für mich war am Samstag nach dem 0:4 Schluss. Wer erwartet hatte, der VfB zeige in dem Spiel noch eine Reaktion und käme mit neuem Elan aus den Katakomben wurde bitter enttäuscht. Es kam nichts, es war eine kollektive Leistungsverweigerung der gesamten Mannschaft, für die es keine Entschuldigung gibt. Eine Frechheit was den 55.000 (!) Zuschauern bzw. denen die es mit dem VfB hielten da zugemutet wurde. Als ich bereits im Cancun war schwappte die La-Ola-Welle durchs Stadion und das „Oh, wie ist das schön“ ertönte, die eigene „Mannschaft“ wurde also verhöhnt. Wer möchte es den Unentwegten, die dieses Elend bis zum Schluss verfolgt haben, verdenken.
Ist es sonst Daniel Schwaab, der, auch als Zeichen unserer mangelnder personeller Alternativen, neuerdings wieder Woche für Woche seine limitierten Fähigkeiten zur Schau tragen darf und gegen Augsburg einmal eine indiskutable Vorstellung ablieferte, der sich genötigt sieht, das Stuttgarter Publikum zu kritisieren, übernahm diesen Part am Samstag Florian Klein.
Zunächst verweigerte die Mannschaft den Gang zu jenen in die Kurve, die sich dieses Elend bis zum Schluss angeschaut haben, um sich dann doch von Robin Dutt noch „überreden“ zu lassen, sich den Fans zu stellen. Dass dies, wie so oft, nur halbherzig und bis zum Elfmeterpunkt erfolgte, ist eine Randnotiz. Florian Klein begründete die Reaktion der „Mannschaft“ damit, dass sie verwirrt gewesen wären und sich nicht alles gefallen lassen müssten. Diese Erwähnung wäre nicht notwendig gewesen, dass die „Mannschaft“ an diesem Tag verwirrt war, davon durften sich 55.000 im Stadion schon vorher ein Bild machen.
Da ist er also wieder, der Riss zwischen Fans und „Mannschaft“ und wenn ihr mich fragt, ich habe kein Patentrezept wie dieser dauerhaft zu kitten ist. Das oft vielgescholtene und als zu anspruchsvoll verschriene Stuttgarter Publikum erwartet doch gewiss keine Wunderdinge von dieser Truppe. Was wir erwarten sind lediglich die Grundtugenden, die man von einem Profi erwarten können muss, welche da sind
- ein hohes Maß an Identifikation mit dem Verein,
- eine ordentliche Berufsauffassung,
- Leistungsbereitschaft,
- Kampfgeist,
- Konzentration,
- Teamfähigkeit,
- Laufbereitschaft,
- Spielfreude,
- Bereitschaft, Verantwortung zu übernehmen,
- Bereitschaft, seinen Nebenleuten zu helfen,
- Siegeswille
- und nicht zuletzt Anweisungen der Vorgesetzten Folge zu leisten.
Wir haben uns daran gewöhnt, dass wir es mit überwiegend stark limitierten Berufsfußballspielern zu tun haben und erwarten nicht mehr, als dass sich jeder am Riemen reißt und uns eine sorgenfreiere Saison beschert als die letzten beiden. Keiner, außer vielleicht unser Präsident, träumt von der Europa- oder Championsleague. Nach den glanzlosen und glücklichen Arbeitssiegen gegen Ingolstadt und Darmstadt lagen wir uns in den Armen und freuten uns über drei Punkte. Wie diese zustande kamen, interessierte niemanden mehr, weil man sich bewusst war, dass diese Mannschaften unbequem zu bespielen sind und sich vor allem schon ganz andere Mannschaften an ihnen die Zähne ausgebissen haben. Wenn unsere Truppe also nur im Rahmen ihrer Möglichkeiten agiert und sich das Glück erarbeitet, hat der VfB-Fan ein feines Gespür dafür, was er von der „Mannschaft“ erwarten kann und honoriert dies entsprechend.
Am Samstag trat jedoch das große Problem zutage, dass keine dieser Grundtugenden erkennbar waren und das Publikum entsprechend verärgert war. Es war ein lethargischer, blutleerer Auftritt aller Mannschaftsteile, so dass ich mich schon ernsthaft frage, welche Reaktion ein Florian Klein denn gerne gehabt hätte. Oft genug wurden schäbige Auftritte, bei denen mir schon der Kragen platzte, von den Ultras noch mit Beifall bedacht. Irgendwann aber ist jede Geduld am Ende und der Kredit eben auch mal aufgebraucht.
Diese Vorstellung ist für mich durch nichts zu entschuldigen, so dass man daher auch nicht einfach zur Tagesordnung übergehen kann. Bislang konnte man allen vorherigen Spielen, ausgenommen dem Spiel bei den Bayern, Positives abgewinnen. Gute Spiele wurden verloren, in den (wenigen) schlechten Spielen wurde gepunktet. Bis dahin war für mich alles in Ordnung.
Dieser Samstag jedoch verändert vieles. Die „Mannschaft“ zeigte einmal mehr ihr wahres Gesicht, nämlich jenes, das bisher schon etliche Trainer ihren Kopf kostete. Kollektivversagen, mangelnde Lauf- und Einsatzbereitschaft, unerklärliche Böcke und Stockfehler, garniert mit Interviews wie dem von Christian Gentner: „Wir machen nach wie vor zu viele Fehler. In den einzelnen Mannschaftsteilen wird zu wenig kommuniziert. Dementsprechend passt die Abstimmung nicht.“ Fehlervermeidung, Kommunikation, Abstimmung, Attribute, die doch ein Trainer abstellen muss. Nachtigall, ick hör dir trapsen.
Auch wenn es jeder Profi bestreiten wird, dass es das gibt, dass eine Mannschaft gegen den Trainer spielt. Für das Augsburg-Spiel fällt mir keine andere Erklärung ein, zumal wir ja gebrannte Kinder sind und die Herren Veh, Babbel, Groß, Schneider nach ähnlichen Leistungsabfällen gefeuert werden. Huub Stevens wäre es vermutlich nicht anders ergangen, wenn er denn geblieben wäre oder bleiben hätte dürfen.
Ich hoffe, dass dieser Hilferuf der „Mannschaft“ ausnahmsweise vom Präsidium ignoriert wird und nicht schon wieder ein Trainer dran glauben muss. Das Problem ist die „Mannschaft“ und dabei vor allem jene Spieler, die schon einige Jahre dabei sind und den Mannschaftsrat besetzen. Das sind doch diejenigen, die zum Schluss gefragt werden und für den Trainer den Daumen heben oder auch senken und vor allem sind es jene, die sich in ihrer Wohlfühloase bedroht fühlen, sobald da ein Übungsleiter ist, der das Leistungsklima im Verein verbessern möchte.
Von diesen Spielern, für die es teilweise wie Dutt sich charmant ausdrückte keinen Markt gibt, muss man sich so schnell wie möglich trennen. Es muss ein neues Leistungsklima geschaffen und eine neue Hierarchie entwickelt werden. Das geht nicht von heute auf morgen, den einen oder anderen schmerzhaften Rückschlag werden wir hinnehmen müssen, aber, lieber ein Ende mit Schrecken als einen Schrecken ohne Ende.
Wenn wir jetzt wieder den Trainer wechseln, drehen wir uns wohl weiter und endlos im Kreis. Ein Trainerwechsel würde den Spielern Beine machen, sie würden sich neu positionieren, das Alibi Trainer, hinter dem es sich so schön verstecken lässt, fiele weg und plötzlich klappen wieder die einfachen Dinge. Super, mentale Blockade gelöst, da könnte wohl kommen, wer will.
Doch, ist das die Lösung? Für mich nicht! Ich sähe es lieber, wenn wir uns im Winter verstärken könnten, anstatt die wenigen vorhandenen Mittel für die nächste Trainerabfindung und eine neu ausgelobte Nichtabstiegsprämie für den nächsten im Amt aufwenden müssten. Die „Mannschaft“, allen voran, die die letzten vier, fünf Jahre entscheidend mitgeprägt haben, gehört gnadenlos vom Hof gejagt. Auftritte, wie jener vom Samstag, sind eines Brustringträgers nicht würdig.
Nach einer derartigen Darbietung muss Tacheles und auch über Sanktionen geredet werden. Den trainingsfreien Montag hätte ich gestrichen, die Spieler, wie von Huub Stevens schon praktiziert, zum Ganztagesdienst gebeten. Auch Sanktionen gegen permanente Miesmacher könnten ein probates Mittel sein, ebenso wie Prämieneinfrierungen, die es zu Zeiten MV’s schon mal gegeben hatte, rechtlich aber schwierig durchzusetzen sein dürften. Der „Mannschaft“ muss nach einer solch dargebotenen Leistungsverweigerung klar werden, dass ein „Weiter so“ nicht mehr geduldet wird.
Dutt und Zorniger müssen bei den Einzelgesprächen genau hinhören und ggf. den Teampsychologen Laux zurate ziehen, wer für die Truppe ein Problem ist und wer nicht (mehr) bereit ist, sein letztes Hemd für den Verein (und damit auch für den Trainer) zu geben. Ich hoffe auf einige Veränderungen in der Startelf für Dortmund und dass Zorniger den Mut besitzt, einige Platzhirsche von zuletzt durch hungrige Reservisten und/ oder Jungs von den Amateuren zu ersetzen. In ähnlicher Besetzung wie der vom Samstag sehe ich für die restlichen Saisonspiele schwarz. Dieser Offenbarungseid gepaart mit mangelnder Selbstkritik und der Kritik am bisher so geduldigen Publikum schlägt für mich dem Fass den Boden aus.
Meine Elf für Dortmund, je nach Form- und Fitnesszustand könnte in etwa so aussehen und wäre ein Zeichen an die Arrivierten, dass es so wie am Samstag einfach nicht geht.
Tytoń – Heise, Sama, Niedermeier (?), Insúa – Rupp, Rathgeb – Ferati, Maxim -Tashchy, Werner
Mir ist selbst klar, dass man den Jungs gerade in Dortmund damit höchstwahrscheinlich keinen Gefallen tun würde, aber, an der Aufstellung kann man schon mal ablesen, auf welchen Positionen für mich derzeit Änderungsbedarf besteht.
Zorniger steht für mich weiterhin nicht zur Debatte, auch wenn es mir selbst mittlerweile und angesichts unserer prekären Tabellensituation lieber wäre, er würde das eine oder andere Mikrofon meiden. Dass er kein Fettnäpfchen auslässt und auch als Abstiegskandidat so rüberkommt, als habe er die Weisheit mit Löffeln gefressen, gibt seinen Gegnern nur unnötig Futter. Das ist zwar sein Naturell und es würde sicherlich auch gut rüber kommen, wenn wir auf einem Europapokalplatz stehen würden, so aber wirkt er größenwahnsinnig. Weniger reden, dafür aber eine Formation finden, die weniger leichte Gegentore zulässt, damit wäre allen kurzfristig geholfen.
Gerade für das Spiel in Dortmund muss er das Team stabilisieren und nicht ähnlich naiv wie in München ins offene Messer laufen lassen. Nach einem Heimsieg gegen Augsburg wäre Dortmund ein Bonus-Spiel gewesen, jetzt aber, nach diesem Debakel, ist es ein Charaktertest. Die heutige Krisensitzung hatte zum Ergebnis, dass man sich eine Wiederholung einer Leistungsverweigerung à la Augsburg nicht mehr bieten lassen und es danach (erst) Konsequenzen geben würde. Die Presse interpretiert dies als ein „Ultimatum für Zorniger“ oder „seine letzte Chance“. Wenn es tatsächlich so wäre, wäre es ein fatales Zeichen an die „Mannschaft“ und ein Freibrief den nächsten unliebsamen Trainer loswerden zu dürfen.
Ich setze lieber auf Kontinuität und sehe noch keinen Handlungsbedarf. Unter den Fans scheinen sich bisher noch die Zorniger-Befürworter und –Gegner die Waage zu halten, so dass sich der öffentliche Druck in Aktionismus zu zerfallen zum Glück noch in Grenzen hält.