Jetzt also doch! Alexander Zorniger ist nicht mehr Trainer beim VfB Stuttgart. Haben es die Stuttgarter Medien und die Zorniger-Gegner also einmal mehr geschafft, der „Mannschaft“ ein wunderbares Alibi für ihre zuletzt erbärmlichen Leistungen zu verschaffen.
Dass Zorniger ein unbequemer Typ ist, der sich nicht verbiegen und nicht rein reden lässt, wusste man, wenn man sich mit der Person Zorniger schon bei RB Leipzig befasst hat. Dass er seinen Spielstil stets als „alternativlos“ bezeichnete, Spieler öffentlich anzählte und partout nicht bereit war, an bestimmten Stellschrauben zu drehen und seine Spielidee dem zur Verfügung stehenden Spielermaterial anzupassen, war ungeschickt, wenn nicht dumm.
Dadurch machte sich Zorniger angreifbar, so dass die Trennung keine große Überraschung mehr ist. Und dennoch stimmt sie mich traurig, wenn nicht sogar wütend.
Eben deshalb, weil man wusste, worauf man sich einlässt, man wusste um die bestehenden Probleme, man wusste um den Scherbenhaufen aus der Bobic-Ära, der noch lange nicht aufgekehrt ist und nicht zuletzt wusste man, wo man herkommt und dass man zwei Mal in Folge den Abstieg nur äußerst knapp vermieden hat. Daher beunruhigt mich der derzeitige 16. Tabellenplatz in Schlagdistanz zumindest auf Platz 12 noch in keinster Weise. Dem Projekt Neubeginn muss(te) Zeit eingeräumt werden, der Kader von Transferfenster zu Transferfenster verbessert werden.
In den letzten Jahren hatten wir weitaus beängstigendere Phasen mit katastrophaleren Spielen. Richtig schlecht waren im Grunde nur die beiden letzten Spiele gegen Bayern und gegen Augsburg. Zu Beginn der Saison spielten wir einen begeisternden Fußball, der die Hoffnung nährte, die Talsohle durchschritten zu haben und wieder nach oben blicken zu können. Durch Unvermögen in der Offensive und mangelnde Qualität im Defensivverhalten brachten wir uns stets um den verdienten Lohn und kamen in eine gefährliche Negativspirale. Dann kam großes Verletzungspech hinzu, vor allem der langfristige Ausfall Daniel Ginczeks traf uns bis ins Mark. Da rächte es sich dann, Vedad Ibisevic kurz vor Schließung der Transferperiode noch zu Hertha BSC transferiert zu haben, denn, einen ernsthaften Backup für Ginni sucht man im Kader vergebens. Wenn man dann noch Spieler in seinen Reihen hat, die sich zu höherem berufen fühlen und seit Ende August offensichtlich nicht mehr richtig bei der Sache sind, wird eben ein Qualitätsdefizit offenkundig, das in den Regionen, in denen sich der VfB bewegt, zwischen Abstieg und Nichtabstieg entscheiden kann.
Interimscoach Jürgen Kramny wird der 7. (!) Trainer sein, der sein Glück seit Beginn der Saison 2013/2014 beim VfB sucht. Wir hatten dabei unterschiedlichste Trainertypen aller Couleur beschäftigt, den verbissenen Labbadia, den jungen Wilden Thomas Schneider, den knorrigen Huub Stevens, den Kumpel-Typ Armin Veh, wieder Stevens bis hin zum Konzepttrainer Zorniger.
Keiner dieser Trainertypen hatte dauerhaften Erfolg und biss sich an diesem Kader ohne echten Führungsspieler die Zähne aus. Die Probleme müssen also tiefer sitzen und können nicht immer am jeweiligen Trainer festgemacht werden, der freilich stets das schwächste Glied in der Kette ist und seinen Hut nehmen muss.
Woran liegt es, dass nach wie vor kein echtes Leistungsklima auf dem Wasen einkehrt? Für mich heißt das große Problem zunächst einmal Christian Gentner, nicht von ungefähr Kapitän seit September 2013, also just jenem Zeitpunkt, an dem die Misere so richtig begonnen hat. Er und weitere selbst ernannte Führungsspieler wie Harnik, Niedermeier, Klein und Schwaab haben sich ihre Wohlfühloase eingerichtet und senken, sofern im Mannschaftsrat, stets den Daumen, wenn man sie befragt ob der Trainer denn noch der richtige wäre. Ihnen geht es nie an den Kragen, immer muss der Trainer dran glauben. So lang nicht da der Hebel angesetzt wird, wird sich bei unserem Herzensverein wohl nie etwas ändern.
Das Augsburg-Spiel war Leistungsverweigerung in Reinkultur, ich hätte erwartet, dass es personelle Konsequenzen innerhalb der „Mannschaft“ gibt und sich der eine oder andere Leistungsverweigerer in Dortmund auf der Tribüne wiederfindet.
Der Zorn des Publikums entlud sich eindeutig auf das Team und nicht auf den Trainer. Ich bin gespannt, ob vor dem Dortmund-Spiel noch ein Statement der Ultras kommt, wie man diese Pappenheimer zu empfangen hat. Wenn sie nach dem Warmlaufen in die Kurve kommen und sich ihren obligatorischen Beifall abholen (wollen), sollte ihnen ein Pfeifkonzert entgegen hallen, das sich gewaschen hat. Ob das jetzt vor diesem wichtigen Spiel zielfördernd wäre, sei dahingestellt. Ich für meinen Teil kann ich nach diesem Debakel nicht zur Tagesordnung übergehen.
Bei Alexander Zorniger bedanke ich mich für sein Engagement und seine Motivation den VfB besser zu machen. Ihm hat man angemerkt, wie sehr er brannte, leider vermochte er es nicht, sich ständig zu hinterfragen und Schlüsse daraus zu ziehen. Lernt er das noch könnte er durchaus eine interessante Karriere vor sich haben.
Mit Zorniger wurden auch seine Assistenten Trulsen und Reutershahn sowie Torwarttrainer Andreas Menger freigestellt. Vor allem die Demission Mengers war überfällig, wenn man sich die Torhüterleistungen der letzten Jahre vor Augen führt. Seit er auf einem Fanfest allen Ernstes behauptete, zum Zeitpunkt des Abgangs von Bernd Leno wäre Sven Ulreich der bessere Torhüter gewesen, war mir klar, dass er unsere Torhüter nicht weiter bringen wird. Dies war für die mich noch die beste Nachricht des heutigen Tages.
Dass auch André Trulsen gehen muss und das noch bevor der neue Cheftrainer samt seiner Assistenten feststeht, kann ich nicht ganz nachvollziehen. Er ist noch nicht lang da, in Stuttgart sesshaft geworden und ein guter Typ. Seine Entlassung wäre zunächst einmal nur schlüssig, wenn das Verhältnis zur „Mannschaft“ zerrüttet wäre, was ich mir nicht vorstellen kann.
Seit dem heutigen Tag ist Robin Dutt für mich angezählt. Er hat Zorniger angeschleppt, lange bevor absehbar war, ob es sinnvoll gewesen wäre, mit Huub Stevens weiter zu machen. Er hat in Absprache mit Zorniger Transfers getätigt, die weitestgehend noch nicht eingeschlagen haben, um es dezent auszudrücken. Er wusste, auf was er sich mit Zorniger einlässt, um ihn heute als „beratungsresistent“ zu bezeichnen. Für Dutt war der eingeschlagene Weg bis heute genauso alternativlos wie für Zorniger, so dass sein nächster Schuss auf der Trainerposition jetzt sitzen muss und auch die Wintertransfers glücklicher ausfallen müssen als zuletzt.
Dass man die Trainerentlassung heute als eine „Trennung in gegenseitigem Einvernehmen“ verkauft, weist für mich daraufhin, dass man Dutt aus der Schusslinie herausnehmen möchte, was nicht so richtig geglückt ist. Dass Zorniger bereits in Leipzig eine von oben vorgegebene Kursänderung nicht bereit war mitzugehen, dürfte Dutt nicht entgangen sein. In Stuttgart entstand nun exakt dieselbe Situation, von Zorniger wurde verlangt, sich zu verbiegen, was dieser nicht mitgemacht hat. An der Sturheit, die man ihm auch in Leipzig vorwarf, ist diese Liaison also schlussendlich auch beim VfB gescheitert.
Die nächsten Tage dürften spannend werden, was die Trainersuche angeht. Es werden ja schon heute unglaublich viele Säue durchs Dorf getrieben und Namen genannt, vor denen es einem angst und bange werden kann.
Die meistgenannten Kandidaten sind derzeit wohl Jos Luhukay und Markus Gisdol. Vor allem letzterer käme mit seiner Auffassung von Fußball der von Alex Zorniger recht nahe und hätte zudem eine Stuttgarter Vergangenheit, was bei uns ja auch immer sehr gerne gesehen ist. Ob er nur wenige Wochen nach seinem Aus beim Dorfverein aus dem Kraichgau schon wieder bereit wäre bei einem Abstiegskontrahenten anzuheuern weiß man nicht. Kann ich mir nicht recht vorstellen, zumal er von Hopp sicherlich weiterhin fürstlich entlohnt wird.
Luhukay ist bereits länger arbeitslos und stünde sicherlich gerne bereit, halte da aber auf den ersten Blick nicht viel davon, er ist für mich mehr DER 2. Liga-Trainer. In die Gilde der sog. Konzepttrainer (haben alle anderen eigentlich kein Konzept?) gehört auch Tayfun Korkut, den die STZ als Favoriten sieht. Mich schüttelt es zwar gerade kurz, ernsthaft damit befassen würde ich mich ohnehin erst, wenn die Tinte trocken wäre.
Robin Dutt selbst? Unwahrscheinlich, damit würde er sich sein eigenes Grab schaufeln, auch wenn wir dann ein Gehalt sparen würden. Eine Horrorvorstellung.
Felix Magath? Gab in Sport im Dritten seine Bewerbung ab. Müsste sein zuletzt erreichtes Gehaltsniveau aufgeben und damit klar kommen, dass die zur Verfügung stehenden Mittel stark begrenzt sind. Sehr unwahrscheinlich, würde zudem Dutts ursprüngliche Vorhaben ad absurdum führen und, wenn er weiter Trainer und Manager in Personalunion sein will, Dutt überflüssig machen.
Der nette Herr Slomka? Bitte nicht, kann mit dem nix anfangen, blau steht ihm besser.
Favre? In der Schweiz gehe das Gerücht um, er wäre mit Galatasaray so gut wie einig. Auch sonst kann ich es mir nicht vorstellen, vor allem weil er sich dann von Dutt sicher nicht erklären lassen würde, wie Fußball funktioniert. Ich befürchte, zu stark, zu eigenbrötlerisch, zu introvertiert und vor allem kein Konzepttrainer, was ihn gemäß Anforderungsprofil ohnehin disqualifiziert. Mir würde er gefallen, auch wenn ich es mir bei ihm vorstellen kann, dass er noch eine gewisse Zeit benötigt, sich von den intensiven Gladbach-Jahren zu erholen und den Akku wieder richtig aufzuladen. Wenn verfügbar wäre es schon fahrlässig, sich nicht mit ihm zu beschäftigen.
Heute, nach dieser doch plötzlichen Zorniger-Entlassung, fühle ich mich sowieso leer, machtlos, wütend und zwar deshalb weil wieder einmal die „Mannschaft“ gewonnen hat und für ihr desaströses Auftreten durch die Befreiung vom unbeliebten Trainer auch noch belohnt wird.
Daher ist mir zunächst einmal die Entscheidung wirklich egal. Ich bin mir sicher, egal wer zukünftig an der Seitenlinie sitzt, die Jungs werden plötzlich wieder laufen, einen Pass spielen, einen Ball stoppen und das Tor treffen können und am Ende mit dem Abstieg nichts zu tun haben.
Ob das einer der oben genannten sein wird oder doch ein Überraschungskandidat wie Lothar Matthäus oder Jens Lehmann? Ich werde es nehmen, wie es kommt, ist ja sowieso nur von kurzer Dauer.
Der neue Name dürfte in jedem Fall Aufschluss geben, wie es um die Kompetenz von Robin Dutt aussieht, nämlich dann, wenn es keiner dieser sogenannten Konzepttrainer werden sollte, scheint sich der Aufsichtsrat durchgesetzt und den Anfang vom Ende der Ära Dutt eingeläutet zu haben.