1. Januar 2016

Jahresrückblick 2015: April bis Juni

Category: Frankys Blogs — Tags: , , , , , , , , – Franky @ 19:39

Einkalkulierte Niederlage in Wolfsburg

Nach dem erlösenden Sieg gegen die Frankfurter Eintracht folgte zunächst einmal eine dieser nervenden Länderspielpausen. Eine gute Nachricht gab es schon am Vortag des Wolfsburg-Spiels zu vermelden. Antonio Rüdiger gab bei den Amateuren nach viermonatiger Verletzungspause sein Comeback und wird aller Voraussicht nach in den restlichen Saisonspielen zur Verfügung stehen.

Am Ostersonntag machten wir uns also auf den Weg in die Autostadt. Wenn Otto Normalbürger einen auf Familie macht und Eier im Garten versteckt, setzten wir uns um 6 Uhr morgens in den Bus und verbrachten darin fast den ganzen Tag und Teile der darauffolgenden Nacht. Wenigstens war am Ostermontag Zeit zur Regeneration, ab einem gewissen Alter muss man nach einer solch langen Busfahrt schon einmal seine Knochen sortieren.

Dass es bei den Wölfen nichts zu holen geben würde, war fast klar. Die letzten sieben Duelle in der Volkswagenarena wurden allesamt verloren, nach 2006 haben wir dort kein einziges Pünktchen mehr ergattert. Zudem spielte der Tabellenzweite gegen das Schlusslicht, alles andere als eine deutliche Niederlage käme einer Überraschung gleich.

Was also treibt einen an, trotz solch düsterer Vorzeichen, sich diese (Tor-)Tour anzutun? Als Allesfahrer könnte man lapidar darauf antworten, „weil ich eh alles fahre“.

Rationaler gedacht aber ist es das Drumherum, auf das ich mich jedes Mal aufs Neue wie ein kleines Kind freue. Die Mädels und Jungs vom Fanclub, befreundete Fanclubs und Kumpels, die man auf den Raststätten der Republik oder am Stadion trifft, das Kribbeln beim heraustreten aus den Katakomben auf die Zuschauerränge, das unbeschreibliche Gefühl, wenn selbst bei unattraktiven Auswärtsspielen, wie dem in Wolfsburg, über 1.500 VfBler mitreisen, dann ist es dieses Zusammengehörigkeitsgefühl. Das alles sind Faktoren, die mich nach wie vor nicht zweifeln lassen, genau das Richtige zu tun. Und, in Zeiten des sportlichen Misserfolgs steigt natürlich auch die Wahrscheinlichkeit hin und wieder mal einen Sieg zu sehen zu bekommen.

Wie beim letzten Auswärtsspiel in Leverkusen spielte der VfB erst einmal nicht wie ein Tabellenletzter. Nach einer ersten Großchance für die Wölfe, suchte der VfB sein Heil in der Offensive, Niedermeier scheiterte zwei Mal knapp per Kopf. De Bruyne wurde gut aus dem Spiel genommen, weitere Chancen durch Kostic, Harnik und Ginczek waren die Folge, die leider mehr oder weniger schludrig vergeben wurden. Als man sich schon langsam aber sicher auf ein 0:0 zur Halbzeit einstellte, holte Klein Caligiuri im Strafraum völlig unnötig von den Beinen, was einen Foulelfmeter und den Wolfsburger Führungstreffer zur Folge hatte. Der VfB schüttelte sich kurz und schlug postwendend zurück. Harnik nickte eine Kostic-Flanke zum Ausgleich und zum Pausenstand von 1:1 ein.

Nach dem Seitenwechsel war der Stuttgarter Angriffsschwung (wieder einmal) wie weggeblasen. Einmal mehr ließ der VfB Konstanz in seinem Spiel vermissen und verfiel in das Strickmuster, das uns zu einem Abstiegskandidaten werden ließ. Plötzlich stand man zu weit von seinen Gegenspielern weg und ließ eine Angriffswelle nach der nächsten auf das VfB-Tor zurollen. Folgerichtig, allerdings nach einer Standardsituation, gingen die Wölfe wieder in Führung. Ricardo Rodriguez schlug einen Freistoß aus dem Halbfeld mit Effet in Richtung Strafraum, wo Naldo knapp verfehlte. Der Ball flog an Freund und Feind vorbei und schlug ohne Richtungsänderung im Kasten von Sven Ulreich ein. Unbelehrbar dieser Ulle, war dieses Tor doch eine 1:1-Kopie von Rodriguez‘ Tor beim letzten Aufeinandertreffen in der Volkswagenarena. Wenn ein Ball so lang in der Luft ist, sollte ihn der Torhüter wenigstens halten, wenn keiner mehr dran kommt. Für mich ein Torwartfehler! Der VfB versuchte zwar noch einmal zurückzuschlagen, öffnete den Wölfen dadurch aber Räume für ihr Kombinationsspiel, aus dem schließlich der 3:1 Endstand durch André Schürrle resultierte. Es war Schürrles erster Bundesligatreffer im Dress der Wölfe.

Tabellarisch wirkte sich die Niederlage so aus, dass aufgrund von Punktgewinnen der Konkurrenz wieder der alte Abstand von fünf Punkten zum rettenden Ufer hergestellt war und dem VfB langsam aber sicher drohen, die Spiele davonlaufen.

Hinkel gibt Abschied von VfB bekannt

Am 10. April gab Andreas „Andi“ Hinkel bekannt, den VfB zum Saisonende zu verlassen. Hinkel, bis zuletzt Co-Trainer von Domenico Tedesco bei den U17-Junioren, vermisste dem Vernehmen nach eine echte Perspektive beim VfB. Um in absehbarer Zeit eine Zulassung zur Fußball-Lehrer-Ausbildung zu bekommen, hätte Hinkel zwei Jahre Erfahrung als Co-Trainer eines Profiteams oder als Chef-Trainer der U17- oder U19-Junioren vorweisen können müssen. Diese Möglichkeit wollte ihm der VfB wohl nicht gewähren und zog es nach Medienberichten auch nicht einmal in Erwägung Hinkel mit der Nachfolge Tedescos zu betrauen, der den Job seinerseits aufgeben muss, um den Fußball-Lehrer-Lehrgang besuchen zu können.
Hinkel ist ein absoluter Sympathieträger und stets normal geblieben. Schon seine Spielerkarriere, die mit den Jungen Wilden so verheißungsvoll begann, endete für ihn unwürdig. In der turbulenten Saison 2005/2006 unter Trapattoni und später Armin Veh verlor er zeitweise seinen Stammplatz und später dann auch noch den sicher geglaubten Kader-Platz für die Heim-WM 2006. Aufgrund dieser großen Enttäuschungen flüchtete er zum FC Sevilla, wobei er erst letztes Jahr verraten hat, dass er fast beim FC Barcelona gelandet wäre. Der Wechsel scheiterte laut Hinkel lediglich an seiner Nicht-Nominierung für die WM, da bei Barça nun mal nur Nationalspieler vermittelbar wären.
In Sevilla war er Mitglied einer erfolgreichen Mannschaft, gewann den UEFA- und den spanischen Pokal, stand jedoch stets im Schatten von Dani Alves, um den es zwar permanent Wechselgerüchte gab, der aber partout den Verein nicht verlassen wollte.
Da nach der Vertragsverlängerung von Dani Alves und wegen einiger Verletzungen seine Einsätze seltener wurden, orientierte er sich neu, wechselte zu Celtic Glasgow und wurde da schnell zum Publikumsliebling. Nach dem Gewinn des Meistertitels und einem Jahr später dem Pokal war es vorbei mit der Herrlichkeit. Er erlitt einen Kreuzbandriss und schaffte den Anschluss nicht mehr, so dass 2011 sein Vertrag nicht mehr verlängert wurde.
Danach hielt er sich eine Zeitlang beim VfB fit und landete schließlich beim SC Freiburg, wo er sich vor allem nach dem Trainerwechsel von Sorg zu Streich und dem Jugendwahn, der danach im Breisgau ausbrach, nicht mehr durchzusetzen vermochte.
Im September 2012 beendete er mit gerade einmal 30 Jahren seine aktive Karriere. Schade für einen wie ihn, der so stark begann und vor allem seit seiner vielumjubelten Vertragsverlängerung beim VfB kaum mehr an seine alten Leistungen anknüpfen konnte. Und doch spielte er sich in die Herzen der Fans und hätte das Zeug dazu gehabt, ein ähnliches Aushängeschild für den VfB wie Günther Schäfer zu werden. Hinkel war Kult, Hinkel ist Kult, aber, der Prophet im eigenen Land zählt eben oft nichts. Schade! Für die Zukunft wünsche ich ihm alles Gute und hoffe, dass wir ihn eines Tages trotz allem beim VfB wiedersehen werden.

Last-Minute-Sieg gegen Werder

Am 28. Spieltag gab Werder Bremen seine Visitenkarte im Neckarstadion ab. Die Bremer, nach der Entlassung von Dutt durchgestartet und inzwischen im gesicherten Mittelfeld beheimatet, hatten also nicht mehr viel zu verlieren. Beim VfB, erstmals seit Dezember, Toni Rüdiger in der Startelf, der seinem Team schon in der ersten Hälfte einen Bärendienst hätte erweisen können, indem er sich abseits des Geschehens zu einer Tätlichkeit hinreißen ließ. Rüdiger eben!

Der brenzligen Situation angemessen, flogen „Die Fraktion“ aus Berlin ein, um den Fans vor dem Spiel einzuheizen. Hitzig ging es dann auch auf den Tribünen zu, als zum Einlauf der Mannschaften eine schöne Pyro-Show inszeniert wurde.

Da an diesem Tage nicht gerade die defensivstärksten Mannschaften aufeinander trafen, entwickelte sich eine Partie mit offenem Visier. Gentner brachte die Unseren nach einer Viertelstunde in Führung, auf der Gegenseite glich Selke kurz nach dem Seitenwechsel aus. Danach begann die große Zeit von Martin Harnik, die mich im Blog zum Titel „Zwischen Genie und Wahnsinn“ animierte. Zunächst zwei Hochkaräter vergeben, unter anderem freistehend drei Meter vor dem leeren Tor, sich dann wegen Meckerns die gelbe Karte eingehandelt, wenig später einen schier aussichtslosen Ball erlaufen und Ginczek mustergültig zum 2:2 bedient, um kurz darauf wegen eines völlig unnötigen Fouls an Landsmann Junuzovic mit Gelb-Rot vom Platz zu fliegen. In Unterzahl kassierte man schließlich in der 86. Minute nach einer Ecke, bei der Ginczek nicht nah genug dran an Vestergaard war, noch den Ausgleich. Von himmelhochjauchzend zu Tode betrübt binnen Sekunden. Das durfte alles nicht wahr sein, dem VfB halfen in dieser Saisonphase eigentlich nur noch Siege und plötzlich musste man gar bangen, ob Werder in Überzahl noch zum Siegtreffer kommen würde. In der Nachspielzeit dann aber doch noch die Wende zu unseren Gunsten. Serey Dié marschierte unwiderstehlich durchs Mittelfeld und bediente mit einem mustergültigen Außenristpass Daniel Ginczek, dessen Ball-An- und –Mitnahme eine Augenweide waren und der Wolf im Bremer Gehäuse keine Chance ließ. Ein Tor wie ein Donnerhall, das Neckarstadion war am beben und Harnik herzte den Torschützen nach Spielende und wollte ihn gar nicht mehr los lassen. Harnik fielen gegen seinen Ex-Verein tonnenschwere Steine vom Herzen, dass er es schlussendlich doch nicht völlig verbockt hatte. Der VfB sprang durch diesen Sieg seit längerem Mal wieder auf Platz 17 und überreichte die rote Laterne feierlich dem Hamburger Sportverein.

Unnötige Niederlage in Augsburg

Am darauffolgenden Spieltag ging es zum FC Augsburg, der im Kampf um Europa etwas aus dem Tritt gekommen war. Wer taugte da besser zum Aufbaugegner als der VfB? Wohl keiner! Der VfB verschlief die Anfangsphase komplett und geriet bereits nach 7 Minuten nach Fehler von Sven Ulreich ins Hintertreffen. Erst ab der 20. Minute berappelte sich der VfB und kam zu ersten hochkarätigen Chancen wovon Daniel Ginczek eine davon zum Ausgleich nutzte. Es war sein fünfter Treffer in den letzten vier Spielen! Ende der ersten und Anfang der zweiten Hälfte hatte der VfB weiterhin gute Einschussmöglichkeiten, scheiterte aber immer wieder am eigenen Unvermögen oder am starken Marvin Hitz. In der Folgezeit entwickelte sich ein Abnutzungskampf mit vielen Unterbrechungen und Nickligkeiten, was einer Mannschaft wie dem FC Augsburg eher in die Karten spielte als dem VfB, der doch, auch im Abstiegskampf, eher die feine Sohle bevorzugt. So fing man sich in der 73. Minute den Siegtreffer der Augsburger durch Bobadilla ein, den man in der Folgezeit trotz intensiver Bemühungen nicht mehr egalisieren konnte. Für den VfB war es die fünfte Niederlage in Folge gegen die Fuggerstädter, mit Fug und Recht kann man da behaupten, dass mit dem FCA ein weiterer Angstgegner heranwächst.

Bezeichnen, dass Stevens nach dem Spiel hervorhob, der Gegner „ist in der Tabelle weiter oben angesiedelt und das merkte man dann“. Nun auch Augsburg, zu denen wir aufschauen müssen. Das einzig Positive an diesem Spieltag: die Konkurrenz patzte durchweg auch.

Bitteres Remis gegen den SC Freiburg

Am 30. Spieltag gastierte mit dem SC Freiburg wieder mal ein direkter Konkurrent aus dem Keller im Neckarstadion. Drei Punkte mehr haben die einst als Breisgau-Brasilianer titulierten Freiburger auf dem Konto als der VfB. Nach zuletzt zwei Heimsiegen in Folge war es kein utopisches Vorhaben an diesem Spieltag mit dem SC Freiburg gleichzuziehen. Der VfB übernahm auch schnell das Kommando und erarbeitete sich ein optisches Übergewicht, ohne zunächst zu klaren Torchancen zu kommen. Das änderte sich schlagartig, als Ginczek (artistisch per Kopf im zurückfallen) und Harnik in der 24. und 27. Minute auf 2:0 stellten und auch in der Folge dem 3:0 näher waren als Freiburg dem Anschluss. Freiburg fand überhaupt nicht statt während sich der VfB an der eigenen Spielweise berauschte und es dadurch an Zielstrebigkeit und Konzentration mangeln ließ. Auch nach der Pause, in der Freiburg zwei Mal auswechselte und umgehend mehr am Spiel teilnahm, vergab Martin Harnik eine glasklare Chance zum 3:0, was wohl die Entscheidung bedeutet hätte. Neben dem Unvermögen im Abschluss stand Adam Hlousek für die Freiburger Trendwende. In der 58. Minute ließ er im Strafraum Jonathan Schmid auflaufen, was Schiedsrichter Stark mit Elfmeter und gelb bestrafte und den Freiburger Anschluss zur Folge hatte, gerade acht Minuten später ließ er Schmid erneut auflaufen und flog vom Platz. Solche Dusseligkeiten mitten im existentiell wichtigen Abstiegskampf, es fehlten einem die Worte. Freiburg drängte, der VfB zog sich im Stile einer Handballmannschaft an den eigenen Sechzehner zurück. Der Ausgleich durch Petersen ließ sich freilich auch mit diesen Mitteln nicht vermeiden, mehr passierte zum Glück nicht mehr. Es war unfassbar, diesen so sicher geglaubten Sieg noch aus der Hand gegeben zu haben, so dass die Hoffnungen auf ein gutes Ende mehr und mehr schwanden. Stevens stellte die „Mannschaft“ anschließend an den Pranger und warf ihr vor, seine Warnungen in der Halbzeit nicht erhört zu haben. Verstehen konnte man den Altmeister, es ist einfach bitter, wenn du an eine Wand redest und das Team es nie schafft sich ein Mal in der Woche über volle neunzig Minuten zu konzentrieren. Einzig, dass Daniel Didavi, den man im Grunde schon für die Saison abgeschrieben hatte, ab der 77. Minute sein Comeback feierte und damit erstmals seit dem 17. Spieltag wieder bei den Profis auf dem Platz stand, war ein Lichtblick an einem ansonsten gebrauchten Nachmittag.

Hansi Müller tritt ins Fettnäpfchen

In der Woche plauderte dann Hansi Müller auf Servus-TV aus, was die Spatzen schon länger von den Dächern pfiffen und auch jüngst die Stuttgarter Nachrichten „exklusiv“ vermeldet hatten. Nach Saisonende werde Alexander Zorniger neuer VfB-Trainer. Der VfB rüffelte Müller daraufhin öffentlich und dementierte diese Meldung mehr aufgeregt als glaubwürdig. Dutt stellte das besondere Vertrauensverhältnis zu Huub Stevens in den Vordergrund und dass ein eventueller Nachfolger überhaupt kein Thema wäre. Abgesehen davon, dass man diesen Dementis ohnehin keinen Glauben schenkte, war es für mich eher die Frage, welchen Teufel denn Hansi Müller da geritten hatte. Servus-TV ist jetzt nicht gerade der Sender, der dafür bekannt wäre, für solche Exklusivmeldungen tief in die Tasche zu greifen, was also waren die Motive für Müller, der als Aufsichtsratsmitglied schon einer gewissen Schweigepflicht zu internen Vorgängen unterliegt? Wenn man sich diese Runde noch einmal anschaut, kommt man seinen Beweggründen kaum näher. Er wurde nicht gelockt, aufs Glatteis geführt oder sonst wie reingelegt. Muss man wohl unter der Kategorie „Typ Plaudertasche“ ablegen und könnte meinen, da er in unserer brenzligen Situation weitere Unruhe schürte, er habe den VfB nie geliebt.

Sieg verschenkt auf Schalke

Einen Tag nach dem „Tag der Arbeit“ ging es für den VfB in den Pott, der für Maloche steht wie kaum eine andere Region in Deutschland. Der VfB „arbeitete“ einmal mehr in erster Linie daran, seinem Ruf als Aufbaugegner Nummer 1 auch bei den Schalker Knappen gerecht zu werden. Schalke wartete seit sechs Spielen auf einen Sieg, Huntelaar seit Ende November auf ein Bundesligator.

In einer druckvollen Schalker Anfangsphase, in der der VfB kaum einmal einen Ball gesehen hatte, schlug Georg Niedermeier unbedrängt im eigenen Fünfer über den Ball, der dadurch zu Huntelaar gelangte, womit dieser leicht und locker seine Torflaute beenden durfte. Wie schon bei den letzten Niederlagen ein überaus dämliches Gegentor zum 1:0 für den Gegner, was im heutigen Fußball oft den Wegweiser für ein Fußballspiel darstellt, auch wenn man zwischenzeitlich noch zurückkommen kann. Dies gelang dem VfB sogar, völlig überraschend und aus dem Nichts, mit seinem allerersten Angriff nach 20 (!) Minuten.

Der Schalker Anhang wurde zunehmend ungeduldig, pfiff seinen eigenen Trainer Roberto Di Matteo gnadenlos aus und feierte unseren Mann an der Linie und zugleich Schalker Jahrhunderttrainer Huub Stevens mit unüberhörbaren Sprechchören. Gute Voraussetzungen eigentlich für uns, den Schalkern jetzt vollständig den Zahn zu ziehen. Nach dem Ausgleich wurde der VfB mutiger und kam zu einigen guten Chancen, wobei Georg Niedermeier kurz vor der Pause die Chance hatte, seinen Fehler wieder gut zu machen. Leider köpfte er neben anstatt ins Tor.

In der 51. Minute war es aber dann doch soweit, Ginczek bediente mustergültig Kostic und dieser ließ Fährmann im Schalker Tor keine Chance. Der VfB wird doch wohl nicht diesen so wichtigen Big-Point ergattern? Nein, tat er nicht. Die Wende kam mit der Einwechslung des Altstars und Enfant terrible Kevin-Prince Boateng, der schon allein durch sein Auftreten und seine Körpersprache bestach.

Nachdem er selbst das Tor knapp verfehlte, setzte er in der 78. Minute Huntelaar in Szene, der, durch das wiedergewonnene Selbstvertrauen leicht und locker zum Ausgleich einschieben konnte. Noch schlimmer kam es in der 89. (!) Minute, als Florian Klein eine Boateng-Direktabnahme zum Knockout abfälschte. Wieder jubelten am Ende die Anderen, wieder schaffte man es nicht, eine Führung ins Ziel zu bringen, wieder baute man einen am Boden liegenden Gegner auf.

Nach diesem Tiefschlag war’s das für mich mit der ersten Liga. Der VfB war drei Spieltage vor Saisonende noch immer Schlusslicht, mit nun schon drei Punkten Abstand zum Vorletzten und auch auf den Relegationsplatz, jedoch mit dem deutlich schlechteren Torverhältnis, was einem weiteren Minuspunkt gleich kam.

Hansi Müller räumt das Feld

Hansi Müller erklärte indes seinen Rücktritt aus dem Aufsichtsrat und zog damit Konsequenzen aus seinem Fauxpas, wie er sich ausdrückte, bei Servus-TV. Er sei überrascht gewesen über das gewaltige Medien-Echo und bedauere, dem VfB Schaden zugefügt zu haben. Damit verliert die Stuttgarter Presse mutmaßlich auch ihren Maulwurf und tappt für den Rest des Jahres weitestgehend im Dunkeln.
Als Nachfolger Müllers wurde postwendend und wohl aus Kreisen des Aufsichtsrats Thomas Hitzlsperger ins Gespräch gebracht. Das wäre so schön wie unrealistisch gewesen, weil Hitz the Hammer in seinem Alter sicherlich andere Pläne hat, als einen derart zeitraubenden Job anzunehmen, wo er letztendlich doch nicht allzu viel zu melden hätte.
Die Außendarstellung des Vereins ist in diesen Zeiten verheerend. Experten und solche die sich dafür halten, wie Babbel, Berthold, Gaudino oder auch schon Dieter Hecking kritisieren den Verein für Bewegungsspiele zu Recht für ihren Umgang mit Huub Stevens. Ständig Spekulationen um eine Entlassung oder seine Nachfolge nach dieser Saison. Dutts Treueschwüre wirken halbherzig und verlogen. Wie eingangs in diesem Jahresrückblick bereits beschreiben, ist Stevens lediglich Profi genug den Bettel hinzuschmeißen und vielleicht auch ehrenkäsig genug, dem Verein den Gefallen nicht zu tun und freiwillig das Feld zu räumen.

Pflichtsieg gegen Mainz 05

Zum „Top-Spiel“ des 32. Spieltags empfing der VfB am 32. Spieltag den 1. FSV Mainz 05, der sich realistisch betrachtet im Niemandsland der Tabelle befand, sich theoretisch durch einen Sieg aber auch noch Hoffnungen auf die Europa League hätte machen können. In einem zähen Spiel, indem der VfB wie auch schon in den Heimspielen davor schnell die Initiative ergriff und williger als der Gegner war, dauerte es bis zur 66. Minute, einem Zeitpunkt, als das Spiel mehr und mehr zur Nervenschlacht zu werden drohte, ehe der VfB zum erlösenden Führungstreffer kam. Daniel Didavi, erstmals nach seiner langen Verletzungspause wieder in der Startelf, fasste sich aus über 30 Metern ein Herz. Sonderlich stark war der Schuss nicht, so dass man sich bei Loris Karius bedanken durfte, der schlicht und einfach danebengriff. Ob ihm der VfB, bei dem er groß geworden war, noch am Herzen lag oder er einfach nur einen Blackout hatte, uns sollte es egal sein. Da Kostic zwölf Minuten später noch das 2:0 folgen ließ und es der VfB dieses Mal schaffte, das Spiel zu elft zu beenden, blieb es bei diesem Ergebnis. Der VfB lag zwar auch noch nach 32 Spieltagen auf dem letzten Tabellenplatz, jetzt jedoch nur noch einen Punkt vom rettenden Platz 15 entfernt.

Didavi, der Maxim auf die Bank verdrängt hatte, war der Garant dieses Sieges. Bei nahezu jedem Angriff hatte er seine Füße im Spiel und hatte bereits in der ersten Halbzeit Pech mit einem Pfostenknaller. Stevens war nach dem Spiel versöhnlich zu seinen Jungs und gab zu, dass es an jenem Samstagabend Spaß gemacht hätte, sie zu coachen. Nur, als sie allzu euphorisch in die Kurve und sich feiern lassen wollten, pfiff er sie zurück, um sie auf den Boden zurückzuholen und um sie daran zu erinnern, dass noch zwei weitere schwere Endspiele folgen würden. Der VfB vermied schon vor dem Mainz-Spiel einen Blick auf die Tabellenkonstellation und erkor die drei ausstehenden Spiele zu Pokalspielen. Viertelfinale, Halbfinale, Finale. Demnach war das Viertelfinale schon mal geschafft, es sollten noch zwei weitere Nervenkrimis folgen.

Sprung auf den Relegationsplatz

Der nächste stand an gegen den Hamburger SV, der es schon in der Vorsaison nur geschafft hatte in der Liga zu bleiben, weil er die Relegation gegen Greuther Fürth für sich entschied und nach Slomka, Zinnbauer und Knäbel mit Bruno Labbadia bereits den vierten Trainer an der Seitenlinie hatte. An diesem vorletzten Spieltag war es rechnerisch bereits möglich, dass sich der HSV endgültig rettet und dass der VfB im Falle einer Niederlage als sicherer Absteiger hätte feststehen können, wenn die Mitkonkurrenten entsprechend mitgespielt hätten. Für beide Trainer stand das Wiedersehen mit einem ihrer Ex-Clubs an, beide hatten den Kontrahenten bereits einmal vor dem Abstieg gerettet.

Donnerstags vor dem Spiel gab es dann noch den Ausraster Stevens‘ beim nicht öffentlichen Training zu vermelden. Weil ein Rasensprenger sein Unwesen trieb und die Diven vom Neckar mit der Bodenbeschaffenheit nicht mehr ganz so einverstanden waren, titulierte er sie vor laufenden Kameras mit „Ihr seid Affen – Affen, das seid ihr“ und suchte das Weite. Seine Wortwahl war wohl etwas unglücklich, wer möchte sich schon gern als „Affe“ beschimpfen lassen, wobei der Wortsinn im niederländischen wohl etwas verniedlichter sein soll als im Deutschen. Dennoch war dies ein gelungener Wachrüttler für eine Truppe, die nach etwas Erreichtem gerne zur Bequemlichkeit neigt und der man immer wieder klar machen muss, worauf es ankommt, oder ihr auf gut deutsch in den Arsch treten muss.

Vor dem Spiel fand die traditionell vor dem letzten Heimspiel vom OFC Leintal Power ’05 durchgeführte Fahrt auf dem Partyfloß über den Neckar von Neckarweihingen nach Bad Cannstatt statt. Für mich inzwischen stets eines DER Saisonhighlights. Anders als bei den Spielen wird man dabei nie enttäuscht. Es ist immer wieder gigantisch, sich mit vielen Gleichgesinnten auf das Saisonende einzustimmen. Dieses Mal standen die Gespräche natürlich im Zeichen der prekären Tabellensituation und der Hoffnung, dass wir dem Abstieg noch von der Schippe springen könnten. Zwar hatte man Mainz geschlagen und ein machbares Restprogramm, dem dagegen stand, dass es der VfB lange nicht geschafft hatte, zwei oder gar drei Spiele in Folge zu gewinnen.

An Motivationsspritzen mangelte es vor dem Spiel nicht. Die Fraktion heizte erneut ein und auch Thomas Hitzlsperger übermittelte eine Mut machende Videobotschaft.

Das Spiel gegen den HSV vor ausverkauftem Haus begann sehr kampfbetont, eben der Bedeutung dieses Aufeinandertreffens angemessen. Dabei entwickelte der VfB mehr Zug zum Tor als der HSV, geriet jedoch mit dem ersten Hamburger Torabschluss und Fehler von Sven Ulreich in Rückstand. In der Folgezeit war der VfB geschockt während Hamburg seine Offensivbemühungen gänzlich einstellte und nur noch aufs zerstören aus war. Nach einer kurz andauernden Schockstarre kam der VfB zum Ausgleich durch Christian Gentner aus dem Nichts. Bereits in der 35. Minute sorgte Martin Harnik für den vielumjubelten Siegtreffer. Spiel gedreht und den HSV fortan nahezu an die Wand gespielt. Harnik, dem die „Beleidigung“ seines Trainers unter der Woche sichtlich aufgestoßen war, revanchierte sich auf eine Art und inszenierte an der Eckfahne bei der Untertürkheimer Kurve mit seinen Kollegen einen Affentanz, eine gelungene und lustige Retourkutsche aber auch als Indiz zu werten, dass die Mannschaft verstanden hatte. In der Folgezeit dominierte der VfB nach Belieben und kam zu einer Vielzahl an klaren Einschussmöglichkeiten. Ein Torschussverhältnis von 22:6, bessere Pass- und Zweikampfquoten, in allen Statistiken war der VfB dem HSV um Längen überlegen. René Adler schwang sich zum besten HSV-Akteur auf und verhinderte ein Debakel für seine Farben. So blieb es zu unserem Leidwesen bis zum Schlusspfiff spannend, aber dann brachen alle Dämme. Das Unfassbare war eingetreten, Halbfinale gewonnen, es wartete das große Finale in Paderborn mit der Möglichkeit, den direkten Klassenerhalt aus eigener Kraft zu schaffen. In der Tabelle stand man seit langem mal wieder auf dem Relegations- und damit einem nicht direkten Abstiegsplatz, während der HSV auf Platz 17 abstürzte und am letzten Spieltag nicht unbedingt mit leistungsverweigernden Schalkern spekulieren durfte.

Großer Wermutstropfen an diesem vorletzten Spieltag waren die Ergebnisse der Konkurrenz. Hannover 96 fuhr beim FC Augsburg seinen ersten Rückrundensieg überhaupt ein und wurde vom Schiri begünstigt, indem Augsburg u. a. zwei Elfmeter verweigert wurden. Der SC Freiburg indes schlug die Bayern 2:1, die nach dem Championsleague-Aus gegen den FC Barcelona spürbar lustlos daher kamen. Auch wenn Christian Streich nach dem Spiel die Welt nicht mehr verstand, wie man überhaupt auf die Idee kommen könnte, den Freiburger Sieg anzuzweifeln, wage ich zu behaupten, an einem „normalen“ Spieltag, wo es für die Bayern noch um etwas gegangen wäre, wäre der Biss und der Wille ein anderer gewesen. Aber, Herr Streich, wer zuletzt lacht, lacht bekanntlich am besten.

Gefehlt hätte an diesem Spieltag nur noch, dass noch Paderborn auf Schalke gewonnen hätte. Nah dran waren sie, sie hatten ein riesen Spiel hingelegt und das Spiel erst in der 88. Minute durch ein Eigentor verloren.

Jaaaa, Klassenerhalt!

So gestaltete sich die Konstellation vor dem großen Showdown in Ostwestfalen für den VfB übersichtlich. Bei Sieg bleiben wir auf jeden Fall drin, alles andere könnte den direkten Abstieg bedeuten, so dass es für die bequemliche Truppe wohl mental besser so war, als sich auf ein Remis einzurichten, das einem immer noch droht zu entgleiten.

Die Stimmung in der Woche vor dem großen Finale war prächtig. Jeder wusste, ein Schritt ist noch zu gehen und das große Ziel, den VfB auch in der Saison 2015/2016 in der Bundesliga erleben zu dürfen, könnte erreicht sein.

Für das Spiel in Paderborn hätte der VfB tausende an Tickets absetzen können, wir gehörten zu den glücklichen 1.500, die eines ergattern konnten. Als Allesfahrer muss man zum Glück nicht an den Vereinslotterien um ein paar hundert Tickets teilnehmen, sondern hat sein Ticket sicher, wenn man im Fanclub-Ranking entsprechend weit oben steht. So auch für Paderborn. Wir traten die Reise nach Ostwestfalen frühmorgens, wie fast immer mit dem RWS Berkheim, an. Als wir relativ frühzeitig den Busparkplatz am Stadion erreichten, folgte die erste leichte Enttäuschung. Der Parkplatz war total eingezäunt, keine Chance herauszukommen und sich frei zu bewegen, strikte Fantrennung eben. Die Paderborner schoben ganz schön Panik vor dem angereisten schwäbischen Volk, was auch daran zu merken war, dass die Eingangskontrollen ungewöhnlich penibel waren und es im Stadion nur alkoholfreies Bier gab. Es war klar, einer der beiden Kontrahenten würde absteigen, so dass es für die örtlichen Sicherheitskräfte wohl nicht kalkulierbar war, wie denn die Reaktionen der jeweiligen Fangruppen ausfallen würden. Die Paderborner würden einen Abstieg wohl gefasster hinnehmen, wie die Stuttgarter, aber, wer vermag das schon mit Sicherheit zu sagen, schließlich hat man in Stuttgart zum Glück seit 40 Jahren keine „Abstiegs-Erfahrung“.

So vertrieben wir uns die Zeit, fast bis Ultimo, auf dem Parkplatz, tranken dort noch einige Stuttgarter Bier und trafen etliche Freunde und Bekannte, die nach und nach eintrudelten und alle voller Nervosität aber auch Vorfreude waren, dass diese an die Substanz gehende Saison bald ihr glückliches Ende genommen haben könnte. Ich konnte meine Stehplatzkarten, die ich wegen der exorbitant teuren Sitzplatzpreisen für dieses Spiel gewählt hatte, mit einem Bekannten ohne Aufpreis eintauschen, so dass bei uns auch nicht so sehr die Zeit drängte, hineinzukommen.
Drinnen, weitere Bekannte begrüßt und kaum hingesetzt, stand es auch schon 1:0 für die Gastgeber. Es mutete an, wie wenn die Unseren den Anpfiff überhört hätten, so teilnahmslos verhielt man sich bei diesem Gegentor. Zu diesem Zeitpunkt war der VfB also sicher abgestiegen, wir schrieben gerade einmal die 4. Spielminute. Mein persönliches Highlight der ersten Minuten war, dass ich einen Bekannten auf der durch einen hohen Zaun getrennten Gegentribüne erspähte und mich dieser mit Vollbier versorgte.

Der VfB wachte nach dem Rückstand auf und wurde deutlich aktiver. Vor allem Kostic trieb unser Spiel unermüdlich an und er war es auch, der den Ausgleich erst einleitete. Wieder über links durchgebrochen flankte er in die Mitte, der Pechvogel von Schalke, Hünemeier „klärte“ vor die Füße von Dida und dieser schloss trocken und humorlos ab. Ein ganz wichtiges Tor des Rückkehrers, denn, bis dahin, wirkten die Angriffsbemühungen sehr fahrig, weil nervös vorgetragen. Die Paderborner Führung hatte Spuren am Nervenkostüm der Schwaben hinterlassen. Durch dieses Tor und im Wissen, dass das Remis nach derzeitigem Stand wenigstens für die Relegation reichen würde, wurde der VfB selbstbewusster und kam zu weiteren Chancen. Vor allem Ginczek scheiterte noch vor dem Halbzeitpfiff nach grandiosem Solo schon fast in Slapstickmanier.

Zwei Einwechslungen zur Pause, u. a. die von einem gewissen Lukas Rupp, ließen die Paderborner wieder aktiver und zielstrebiger werden. Als die HSV-Führung gegen Schalke bekannt wurde, änderte sich die Gesamtkonstellation. Paderborn würde bei derartigem Ausgang auch ein Sieg nicht mehr retten und der VfB würde bei derzeitigem Stand vom HSV überholt werden. Also mobilisierten die Schwaben noch einmal alle Kräfte. Für die Erlösung sorgte dann Daniel Ginczek in der 72. Minute, als er schön von Alexandru Maxim, welcher erst drei Minuten vorher eingewechselt wurde, freigespielt wurde und im eins gegen eins gegen Kruse im Paderborner Tor die Kaltschnäuzigkeit eines Klasse-Mittelstürmers unter Beweis stellte. In 40 Fanjahren habe ich ja schon so einiges erlebt, auch Spiele, die auf des Messers Schneide standen, meist im positiven, weil in oberen Tabellenregionen oder Endspielen. Diese Emotionen waren fast nur noch mit denen von 2001 zu vergleichen, als Balakow uns kurz vor Schluss den Arsch rettete und die Schalker zum Meister der Herzen werden ließ.

Nach dem Führungstreffer beschränkte sich der VfB auf das Verteidigen mit Mann und Maus und hätte doch in der Schlussminute noch aller Träume beraubt werden können. So aber stand am Ende nach dem vielumjubelten Schlusspfiff die Erkenntnis, dass eine weitere Saison hinter uns lag, in der nichts erreicht sondern nur verhindert wurde. Die Probleme waren auch dieses Mal wieder hausgemacht. Spieler des Spiels war Filip Kostic, über den der Paderborner Trainer Breitenreiter sagte, „Filip Kostic ist der mit Abstand beste Spieler, der hier in Paderborn aufgetreten ist.“
Auch wenn „nur“ der Super-GAU geradeso abgewendet wurde, ließen wir uns das Feiern selbstverständlich nicht nehmen. Schon im Stadion ausgelassen mit Trainer und Mannschaft, auf der Rückfahrt im Bus und auf den Raststätten, wo wir überall VfBler antrafen und auch Gratulationen und Anerkennung von Nicht-VfBlern in Empfang nehmen durften.

Das sind diese Tage, an denen man sich bewusst wird, dass Allesfahren doch nicht das Verkehrteste ist. Solche Emotionen, die bei solchen Spielen freigesetzt werden, erlebt man nur mit dem Fußball. Unfassbar gigantisch und unvergesslich, auch wenn es sich Meisterschaften, derer ich ja auch schon drei hautnah miterleben durfte, weitaus unbeschwerter entgegen fiebern lässt.

Letzten Endes sind wir Huub Stevens zu großem Dank verpflichtet. Nach der Rettung in der Vorsaison stieß es schon auf mein Unverständnis, dass man ihn nicht weiter machen ließ, da er die Rasselbande doch scheinbar im Griff hatte. Er feilte damals schon an der Kaderplanung mit, interessant wäre es gewesen, wie der Umbruch mit ihm ausgefallen wäre.

Stattdessen setzte man weiterhin auf Fredi Bobic, der spätestens mit der Katastrophensaison 2013/2014 gescheitert war. Die (versprochene) Aufarbeitung blieb völlig aus. Man installierte den Meistertrainer von 2007, Armin Veh, als neuen Trainer, was beiden Seiten wohl aus rein nostalgischen Gefühlen charmant vorkam. Sollte je im dunklen Kämmerlein eine Aufarbeitung erfolgt sein, konnte die Erkenntnis daraus nur gelautet haben, dass die mageren letzten Jahre einzig und allein die Schuld der verantwortlichen Trainer waren. Veh sollte kommen und durch reines „Hand auflegen“ würde alles besser werden. Ernsthafte Konsequenzen aus der Vorsaison wurden nicht gezogen, es wurde weder ein stabiler Innenverteidiger geholt noch wurde es sich von Charakteren getrennt, die dem Gerüst schaden. Da der Kader und der Teamgeist nicht verbessert wurden, durfte es keinen wundern, dass sich der VfB erneut im Tabellenkeller wiedergefunden hat.

Nach dem neuerlichen Fehlstart schoss sich die Cannstatter Kurve zu Recht auf Bobic ein, was die Vereinsführung zum handeln animierte. Schon seit einigen Jahren wird ja beim VfB erst dann agiert und es werden Konsequenzen aus Fehlentwicklungen gezogen, wenn sich der Mob formiert hat, wohl aus Angst, er würde sonst wieder vor die Geschäftsstelle ziehen, wie anno 2009, und die Haupt-Verantwortungsträger zur Rechenschaft ziehen wollen.

Als dann auch noch Trainer Veh das Handtuch schmiss, offiziell wegen fehlenden Glücks, inoffiziell wegen Alkoholeskapaden und Faulheit, war es spätestens klar, dass uns eine neuerliche Zittersaison bevorstehen würde, in der es nur darum gehen würde, das Schlimmste zu verhindern. In Anbetracht der Umstände und weil wir nach dem Rücktritt Vehs alle zunächst einmal in ein tiefes Loch gefallen waren, war es die beste Lösung Retter Huub aus dem Vorjahr erneut zu installieren. Dass sich der VfB diese Blöße und sich damit der Lächerlichkeit preisgeben musste, hatte er sich selbst zuzuschreiben. Dass Stevens sich das zweite Mal auf dieses Kasperletheater eingelassen hat, hat mich schon eher gewundert. Aber, es ist anzunehmen, dass sich Stevens seine Halbjahresengagements beim VfB fürstlich honorieren ließ und sich eine Nichtabstiegsprämie festschreiben ließ, die sich gewaschen hat. So gesehen ist das Engagement auch aus Stevens Sicht verständlich, der die Tätigkeit beim VfB inzwischen als Altersteilzeit angesehen haben dürfte.

Dass Stevens jedoch nicht der Messias ist, für den ihn viele noch immer halten, zeigte sich im Verlauf der weiteren Saison. Äußerst stur zog er seinen Defensivfußball lange durch und rückte erst von diesem ab, als in Dutt der Trainer hochkam und er ihn offensichtlich zu einer mutigeren Gangart nötigte. Lange beraubte Stevens den VfB seiner Offensivkraft und das ohne, dass damit irgendwelche Erfolge eingefahren worden wären. Seit Hannover, als er es nach längerer Zeit mit mehr als zwei offensiv ausgerichteten Spielern in der Startformation versuchte, ging es langsam aber sicher aufwärts. Die Spiele waren besser anzusehen, Leute wie Filip Kostic, lange als Fehleinkauf abgestempelt, blühten auf und Punkte wurden zudem eingefahren. Weitere Garanten in der Schlussphase der Saison waren die Rückkehr der Langzeitverletzten Daniel Didavi und Daniel Ginczek, der sich durch sein Tor in Paderborn für immer in den VfB-Geschichtsbüchern verewigt hat.

Auch wenn nicht alles Gold war, das glänzte, danke Huub Stevens, vor allem, dass du das Ding durchgezogen hast und nicht wie Armin Veh davongelaufen bist, auch dann nicht, als längst klar war, dass es dir der VfB erneut nicht zutrauen würde, diesen Sauhaufen von Mannschaft in die nächste Saison zu führen.

Die ominöse Saisonabschlusspressekonferenz

Stattdessen gab es die mit Spannung erwartete Saisonabschlusspressekonferenz zwei Tage nach dem Herzschlagfinale. Dort tauchte auch Präsident Wahler wieder auf, der (richtig) bemerkte, dass wir Fans zwar den Verein, nicht jedoch die handelnden Personen unterstützen, was an den vielen Personalwechseln der letzten Jahre läge. Nicht ganz richtig, wir würden auch die aktuellen Personen unterstützen, wenn sie einen guten Job machen und großen Worten auch Taten folgen lassen würden. Das war in der Vergangenheit nicht der Fall, zudem wurde lang der Fan für dumm verkauft, indem vehement abgestritten wurde, dass die Qualität und die Charaktere in der „Mannschaft“ eben nicht den Ansprüchen genügen und dass die Vorstellungen auf dem Rasen eben oft nicht zum anschauen waren. Fühlt sich der Kunde, sprich der Fan, ernstgenommen, bringt er der Vereinsführung schon naturgemäß mehr Vertrauen entgegen, als wenn er sich ständig verarscht vorkommt.
Wahler gab auch jetzt im Nachhinein zu, man habe an bestimmten Personen zu lang festgehalten. Das ist natürlich jetzt, nach der gelungenen Rettung, leicht zu sagen. Fundierter wäre es gewesen, wenn er Lösungsansätze aufgezeigt hätte, wie man eine solche Herumeierei in Zukunft zu verhindern gedenke. Da sehe ich nämlich nach wie vor keine sportaffine Instanz im Verein, die bspw. einem Robin Dutt auf Augenhöhe auf die Finger schauen könnte.
Illusionen verbreitete er indes nicht, es werde zu weiteren Einsparungen zu kommen, weiterhin ist Schmalhans der Küchenmeister.
Danach kam Dutt zum Zuge, der lang geschwiegen hatte über die Vorgänge, vor seiner Zeit lagen. Jetzt aber holte er, ohne Namen zu nennen, zum Rundumschlag gegen Vorgänger Fredi Bobic aus, und warf ihm in erster Linie vor, dass eine strukturierte Kaderplanung nicht stattgefunden habe und stets mehr ausgegeben als eingenommen wurde. Er kritisierte, dass es im Scouting-Bereich keine klaren Vorgaben gegeben und jeder vor sich hingewurstelt habe und dass er im Verein zu wenig sportliche Konsequenz vorgefunden habe.
Im Anschluss daran kam er zu den Personalentscheidungen und gab zuerst die längst bekannte Personalie bekannt, dass Alexander Zorniger neuer Cheftrainer, Andre Trulsen sein „Co“ werden würde. Zorniger war bei mir schon deshalb ein rotes Tuch, weil er das Produkt Red Bull in die 2. Liga geführt hat und in meiner Denke keiner dorthin geht, der den Fußball wirklich liebt. Dazu kam, dass er während seiner Co-Trainer-Zeit unter Markus Babbel 2009 nicht wirklich nachhaltige Spuren hinterlassen hätte und dass er keine Bundesligaerfahrung vorweist. Aus Leipzig war zu hören, dass er ein unbelehrbarer Sturkopf wäre, weswegen letztlich auch sein Engagement dort in die Brüche ging. Dass er ein Fußballbesessener sei, der den Fußball 24 Stunden am Tag lebt und keine Freunde kenne, wenn jemand seine Philosophie und seinen Plan konterkariere. Ich war skeptisch und gespannt zugleich und gehe bei jedem Neuen erst einmal so vorurteilslos heran, wie es geht und hoffe für unseren VfB stets das Beste. Zorniger wird zum Trainingsauftakt seinen Dienst antreten und sich vorher auch nicht in der Öffentlichkeit äußern.
Laux Sportpsychologe, Günther Schäfer Teammanager, neue Namen im Scouting-Bereich, etc. pp. Es wurde eine ganze Armada an neuen Köpfen vorgestellt, worüber ich angesichts der knappen Kassen schon ins Staunen kam. Dass man Zorniger gleich einen Vertrag bis 2018 gab, zeugt davon, dass man beim VfB nichts gelernt zu haben scheint. Ganz schön mutig, aber, so Dutt, Zorniger verfolge eine Philosophie, für die der Verein in Zukunft stehen möchte, daher wohl „alternativlos“, eine Attitüde, die uns im Restjahr noch weiter begleiten sollte.

Huub Stevens willigte einer „Übergabe der Amtsgeschäfte“ an Alexander Zorniger ein, wobei vor allem die Charaktere der einzelnen Spieler zur Sprache gekommen sein dürften. Schon nach dem Ende seiner VfB-Tätigkeit empfahl der dem VfB einen radikalen Neuaufbau und äußerte die Befürchtung, dass dieser schwierig werden könnte, weil auf der einen Seite kein Geld da ist und auf der anderen Seite an der Gehälterschraube gedreht werden müsse, weil zu viele Spieler im Kader seien, die mit ihren Verträgen sehr zufrieden wären. Dutt müsse kreative Lösungen finden. Damit legte Stevens den Finger tief in die Wunde und gab Dutts Amtsvorgänger Bobic, der für die Vertragsausgestaltungen in den letzten Jahren verantwortlich zeichnete, noch einmal einen mit.

Bereits beim leider gegen den BVB verloren gegangenen U17-Finale in Großaspach hörte ich vom Gerücht, dass man von Vereinsseite Sven Ulreich nahegelegt hätte, den Verein zu verlassen. Für mich klang das gleich plausibel, weil Zorniger als ein Verfechter des schnellen Spiels gilt und er dabei sicherlich keine Trantüte im Tor gebrauchen kann.

So überraschte mich die Meldung zwei Tage später schon nicht mehr, auch wenn man es nach wie vor so verkauft, als habe Ulreich selbst eine Veränderung angestrebt. Schon überraschender war, wohin er denn wechselt. Rente mit 26 auf der Ersatzbank des FC Bayern. Ich fragte mich sogleich, ob die Bayern denn dabei auch in Erwägung gezogen haben, dass sich Neuer mal langwierig verletzen könnte und Ulle in die Bresche springen müsste? Dann nämlich hätten sie mit Ulle im Tor ein Problem, da er fußballerisch einfach zu schwach ist, um das schnelle Bayern-Umschaltspiel mitzuspielen und um ein adäquater Ersatz für Neuer zu sein. Aber, die Bayern haben ja auch noch einen Tom Starke in der Hinterhand.

Für mich war es ein sehr guter Tag für den VfB, an dem das Grinsen nicht aus meinem Gesicht weichen wollte. Seit Ulreich das erste Mal auftauchte und seinerzeit Raphael Schäfer kurzzeitig aus dem Kasten verdrängte, hatte ich starke Zweifel an seiner Bundesligatauglichkeit. Schon damals sprang er ungestüm an Flanken vorbei und hatte eine Spieleröffnung zum einschlafen. Für zwei Jahre setzte man ihm man zwar Jens Lehmann vor die Nase, von dem er lernen sollte, gab ihm aber auch die Zusage, danach zur Nummer 1 aufzusteigen, ohne jeglichen Leistungs- oder Entwicklungsvorbehalt.

Schon Christian Gross hätte am liebsten einen anderen Torwart gehabt, seinem Wunsch entsprach man nicht, schließlich gab es ja diese Zusage. Dann kam Fredi Bobic als Sportdirektor, dessen bester Freund und Geschäftspartner Jürgen Schwab „zufällig“ noch Manager von Ulreich (und auch Gentner) ist, so dass jegliche Torhüterdiskussion im Keim erstickt wurde. Ulreich saß relativ fest im Sattel, obwohl er selten zu überzeugen wusste.

Nachdem Labbadia ihn gegen Benfica Lissabon aus dem Kasten genommen und durch Marc Ziegler ersetzt hatte, hatte Ulle das Glück, dass sich Ziegler just in diesem ersten Spiel schwer verletzte, und Ulle umgehend wieder zurückkehrte. Danach wirkte er geläutert und hielt besser denn je, so dass auch meine Kritik für einige Zeit verstummte. Er hatte großen Anteil am Klassenerhalt 2011, unvergessen seine Leistung in Frankfurt nach Delpierres Platzverweis. Zu jener Zeit hörte man viel, wie er über den Tellerrand des Fußballers hinausblickte, Turntraining absolvierte und auch Life-Kinetik betrieb. Effi Kompodietas, der Life-Kinetik-Trainer wirkte beim VfB 2011 bis Ende der Saison 2011/2012 und hat einen exzellenten Ruf in der Branche. Im Anschluss an sein Wirken beim VfB machte er Jogis Jungs fit für die EM 2012.

Dass es sich in den Leistungen von Ulle niederschlug, als Kompodietas nicht mehr da war, lässt sich natürlich mit Sicherheit sagen. Fakt ist aber, dass Ulles Leistungen danach wieder nachließen und auf schwachem Niveau stagnierten. Den Wendepunkt meiner Denke über Ulle bildet das 1:6 bei den Bayern im September 2012, als Ulle gefühlt an so gut wie allen Toren nicht schuldlos war. Danach gab es nur noch wenige Ausreißer nach oben bei ihm zu verzeichnen. Noch im September 2014, auf dem Kabinenfest beim VfB, sprach ich Trainer Veh auf seine damalige Achse an Ulle – Gente- Ibisevic an. Er gab mir zwar vielsagend zu verstehen, dass er sich über einzelne Spieler nicht auslassen würde, gestand mir dann aber zu, selbst etwas sagen zu dürfen. Also legte ich los, dass ich selbst mal Torhüter war, dass ich finde, dass Ulle so gut wie alles fehlt, was einen guten Torwart auszeichnet. Dass es ihm Strafraumbeherrschung, Ausstrahlung, Antizipation, Nervenstärke und vielem mehr fehlen würde, worauf Veh vielsagend meinte, „Du weißt mir zu viel, ich gehe jetzt“. An seiner Reaktion war abzulesen, dass ich offene Türen bei ihm eingerannt hatte. Kurze Zeit später, nach seinem Patzer in Dortmund, und, sicherlich rein zufällig direkt nach der Entlassung von Fredi Bobic, stand Thorsten Kirschbaum im Tor, der leider seine Chance nicht nutzen konnte und sich als noch größere Pfeife entpuppte.

So kam Ulle wieder einmal mangels eines ernsthaften Konkurrenten zurück, spätestens an der Stelle musste Andreas Menger, der langjährige Torwarttrainer hinterfragt werden, der auf einem Fanfest allen Ernstes gemeint hatte, zum Zeitpunkt von Lenos Verkauf wäre Ulle der bessere Torhüter gewesen. Aber, Menger sollte dieses Jahr ja ebenfalls nicht beim VfB überstehen.

Der Trainingsauftakt mit Trikotlaunch fand zwar auch noch Ende Juni statt, soll aber in der nächsten Folge thematisiert werden.

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