11. Oktober 2016

Kein guter Tag für den VfB Stuttgart

Die mit Spannung erwartete Mitgliederversammlung des VfB Stuttgart 1893 e. V. fand vergangenen Sonntag in der Hanns-Martin-Schleyerhalle statt.
Die erste Frage, die sich mir aufwarf, war die, ob man nicht im Vorfeld einer solchen Veranstaltung, bei der theoretisch 48.000 Mitglieder oder eben auch nur 3.000 Mitglieder anwesend sein können, eine Abfrage durchführen sollte, wer es denn überhaupt vor hat, zu diesem für den Verein wichtigsten Termin des Jahres in die Landeshauptstadt anzureisen.

Für gerade einmal 3.000 Mitglieder, die sich diesen Sitzungsmarathon antun wollten, hätten sich sicherlich auch kleinere und vor allem günstigere Locations finden lassen. In Anbetracht der aufgeheizten Atmosphäre und offen zur Schau getragenen Spaltung in zwei Lager, hätte eine engere Location den positiven Nebeneffekt gehabt, näher zusammenrücken und sich in die Augen blicken zu können oder auch zu müssen.

Für mich war es seit langem mal wieder die erste Mitgliederversammlung beim VfB, da ich erst wieder eingetreten bin, um bei der Abstimmung über eine kürzlich noch im Raum stehende Ausgliederung mitbestimmen zu können.

Ich war 1998 aus dem Verein ausgetreten, als der bei mir ansonsten sehr beliebte Präsident Gerhard Mayer-Vorfelder Trainer Joachim Löw entließ, um seinen Busenfreund Winfried Schäfer an den Neckar zu holen. Von diesem Schock erholte ich mich zwar wieder und ging auch wieder ins Stadion, nachdem Schäfer entlassen war, aber, Mitglied wurde ich halt erst letztes Jahr wieder.

So fanden „meine“ letzten Mitgliederversammlungen noch im guten alten Kursaal statt, aus denen mir vor allem die Bewirtung dort und durchaus launige, wenn auch hitzige, Versammlungen in bester Erinnerung blieben.

Umso enttäuschter war ich dann, als ich schon im Vorfeld erfahren musste, dass nur alkoholfreies Bier ausgeschenkt werden würde und man nicht einmal selbst Getränke mit in die Halle bringen dürfte.

So blieb mir in der trockenen Luft nichts anderes übrig, als ein 0,5-Liter-Fläschchen Ensinger Sport für sage und schreibe 3,50 € zu erwerben. Ansonsten konnte ich es bis abends „aushalten“ und verschwendete kein weiteres Geld dort für das überteuerte und qualitativ überschaubare Schleyerhallen-Catering.

Derart lange Sitzungen „im Trockenen“ wären unter MV unvorstellbar gewesen. MV war trotz seiner Ministertätigkeit und anderer Funktionärsposten, im Gegensatz zu unserer derzeitigen Vereinsführung, immer ein Mann des Volkes und nahbar und hatte vor allem keine Angst davor, dass Mitglieder, wenn sie ein paar Bier getrunken haben, ihm an den Kragen gehen könnten.

MV stellte sich den Mitgliedern, wenngleich er Gegenargumente auf seine Art erschlagen konnte, weil er hochintelligent und immer bestens vorbereitet war. Dass er Kritiker mundtot machte, bevor sie überhaupt ihre Argumente vorbringen konnten, daran kann ich mich bei ihm nicht erinnern.

Die heutige Führungsriege erinnert da schon eher an eine deutsche Politikerin aus der Uckermark, Basta-Politik, „Wir schaffen das“, alternativlos, egal was für Auffassungen die „Untergebenen“ an der Basis haben.

So stellt für sie die einmal im Jahr stattfindende Mitgliederversammlung auch nicht eine willkommene Gelegenheit dar, ihre Arbeit zu erläutern und sich der Kritik der Basis zu stellen, sondern ist vielmehr ein unangenehmer Pflichttermin, bei dem es darum geht, möglichst ungeschoren davon zu kommen. Dabei wissen sie natürlich, dass jeder Tag endlich ist und die Mitglieder irgendwann mal nach Hause wollen, so dass sogar Zeitspiel ein probates Mittel zu sein scheint, wie bspw., wenn eine auf 15 Minuten angekündigte Pause plötzlich und ohne Begründung über 30 Minuten lang wird. Hat man diesen Tag dann herum gebracht, nicht erfolgte Entlastung in beiden Fällen inklusive, hat man dann wieder ein Jahr lang Ruhe vor dem Fußvolk.

Selbstkritik ist unserem Vorstand und Aufsichtsrat völlig fremd, „Gegner“, die sie auffordern, aus dem Abstiegsjahr Konsequenzen zu ziehen und ihren Hut zu nehmen, werden pauschal dem Ultras-Lager zugeordnet und es wird ihnen unterstellt, den Verein in Schutt und Asche legen zu wollen.
Dies allein ist schon eine Frechheit! Ich selbst bin kein Ultra, wie die meisten der knapp 40% der Anwesenden sicher auch nicht, die den Antrag auf die Abwahl des Aufsichtsrates gerne auf der Tagesordnung gehabt hätten.

Sowohl Stefan Heim in seiner Eigenschaft als Versammlungsleiter, als auch Aufsichtsratschef Martin Schäfer warnten die Mitglieder davor eindringlich und malten das Horrorszenario an die Wand, dass der VfB durch gewisse Abwahlen handlungsunfähig werden könnte. Durch solch undifferenzierte Klassifizierungen wurden die Mitglieder schon früh in der Versammlung in die Guten und die Bösen unterteilt.

Die Vereinsführung unternahm nicht im Ansatz den Versuch, den Verein, die Mitglieder zu einen, im Gegenteil, sie spaltete die Lager noch zusätzlich.

Man wehrt sich vehement gegen Vorwürfe, dass man den Abstieg entscheidend mit zu verantworten hätte, obwohl man zu einem Zeitpunkt, als noch etwas zu kitten gewesen wäre, Dutts One-Man-Show freien Lauf ließ.

Man verteidigt weiterhin die völlig hirnrissige Verpflichtung von Jos Luhukay und man hat bis heute keine schlüssige Erklärung geliefert, weshalb Jan Schindelmeiser so spät kam, obwohl er doch bei Dutts Entlassung schon auf dem Markt gewesen wäre.

Die Entscheidung für Jan Schindelmeiser war zweifelsohne die beste, die die Herren in den letzten Monaten trafen. Bereits nach der Entlassung von Fredi Bobic plädierte ich in einem Blog-Bericht für Jan Schindelmeiser, weil er nach Heldt und Bobic mal wieder ein „Gelernter“ auf dieser wichtigen Position gewesen wäre.

Aber nein, man holte sich mit Robin Dutt, trotz aller Warnungen ausgewiesener Fachleute, den nächsten Azubi mit weitreichenden Vollmachten ausgestattet ins Haus, im Aufsichtsrat damals, wie heute, Porth, Jenner, Schäfer. Das Resultat dieser Fehleinschätzung: der Abstieg!

Die einzige Sequenz auf der Mitgliederversammlung, bei der es einhelligen Applaus beider Lager gab, war jene, als Sport-Vorstand Jan Schindelmeiser und Trainer Hannes Wolf zur aktuellen sportlichen Situation interviewt wurden.

Seit Luhukays Rücktritt (oder Entlassung!?) hat der VfB drei Spiele gewonnen und in Bochum remis gespielt. Ein Aufwärtstrend im sportlichen Bereich ist ohne Zweifel erkennbar. Nach dem 4:0 gegen die SpVgg Greuther Fürth und vor allem der Art und Weise, wie dieser Sieg herausgespielt wurde, schweben der VfB und seine Fans auf einer Euphoriewelle.

Dieses „zarte Pflänzchen“ des Aufschwungs, wie es Stefan Heim nannte, müsse man am Leben erhalten und dürfe den sportlichen Erfolg durch Unruhe im Verein nicht gefährden. Schon bei den Dialogveranstaltungen im Vorfeld der Mitgliederversammlung erklärten Vereinsführung und Wolfgang Dietrich unisono, dass es nichts mehr bringe, Schuldige für den Abstieg zu suchen, sondern man nur noch nach vorne schauen solle, um Ruhe einkehren zu lassen. Interessant dabei, dass Dietrich dann doch kritisierte, dass Robin Dutt kurz vor seiner Entlassung noch drei Kader-Planer einstellen durfte, die teilweise schon wieder ihre Entlassungspapiere in Empfang genommen haben. Diese Narrenfreiheit von Robin Dutt hat sicherlich auch wieder keiner derjenigen zu verantworten, der am Sonntag auf dem Podium saß.

Unruhe in einem Verein ist nie förderlich im Fußball-Geschäft, darüber dürften sich alle Parteien einig sein. Ruhe kann aber auch nicht per Dekret von oben herab verordnet werden, schon gar nicht in einem Verein, der wir noch sind und in dem Emotionen eine nicht unbedeutende Rolle einnehmen. Zur Ruhe kann man per Konsens gelangen und nicht indem man Fan- bzw. Mitgliederlager in „die Guten“ und „die Bösen“ unterteilt und darauf hofft, dass „die Bösen“ einfach mal die Klappe halten und aufhören, zu nerven.

In der im Normalfall einmal im Jahr stattfindenden Mitgliederversammlung haben die Mitglieder, auch die Bösen, ein Anrecht Antworten auf durchaus berechtigte Fragen zu erhalten. Man will ja schließlich wissen, ob die Oberen überhaupt wissen, was denn im Abstiegsjahr schief gelaufen ist, ob sie die richtigen Schlüsse gezogen haben und vor allem, ob sie es das nächste Mal überhaupt anders und besser machen würden.

Hätten die Herren die Verantwortung für den Abstieg übernommen und der Mitgliederversammlung die Entscheidung darüber überlassen, ob sie überhaupt noch die richtigen Leute am Ruder sind, wäre eine Mitgliederversammlung im Sommer und eine nachgeschobene Mitgliederversammlung für die Präsidentenwahl im Oktober auch denkbar gewesen.

So aber baute man offensichtlich darauf, bis zum Tag der Mitgliederversammlung in ruhigeres Fahrwasser im sportlichen Bereich gekommen zu sein und darauf, deswegen um eine Generalabrechnung herumzukommen.

Dass Vorstand und Aufsichtsrat so einfach davon kommen, damit bin ich nicht einverstanden! Dass sich die Fehlentscheidungen der letzten Jahre nicht rückgängig machen lassen und dass man schon drei Jahre lang förmlich um den Abstieg gebettelt hat, ist mir klar. Dieser Abstieg kam nicht überraschend und nicht zufällig, für einen Fan wie mich war er am Ende sogar eher eine Erlösung.

Dies kann aber doch nicht für den Verein der Fall gewesen sein. Für den Verein war der Abstieg eine Katastrophe. Der Super-GAU, das im Grunde Unvorstellbare war eingetreten, die schlechteste Saison seit 41 Jahren und die Verantwortlichen wollen möglichst weiter machen wie bisher?
Bei all den möglichen Konsequenzen eines Abstiegs, der uns vermutlich selbst bei direktem Wiederaufstieg um Jahre zurückgeworfen haben dürfte, wer es schwer zu begreifen, dass von Vereinsseite nicht alles Menschenmögliche getan wurde, um den Abstieg zu versuchen zu verhindern.

Aber nein, man hatte in Robin Dutt ja den Fachmann und in Jürgen Kramny den Super-Doppel-Abstiegs-Trainer, die beiden würden das Kind schon schaukeln. Man beließ nicht nur beide im Amt, nein, sie durften sogar mitten im Abstiegskampf noch ein Trainingslager auf Mallorca ausbaldowern, von dem man, fast schon erwartungsgemäß, im Urlaubsmodus zurückkam.

Man ließ die beiden gewähren und vertraute blind darauf, die nötigen Punkte gegen den Abstieg würden schon noch eingefahren werden.

Es war offensichtlich keiner dieser Herren in der Lage zu erkennen, dass spätestens nach Augsburg klar war, dass man in der bestehenden Konstellation sang- und klanglos absteigen würde.

Aus der damals absenten Sportkompetenz in der Vereinsführung hat man inzwischen Schlüsse gezogen. Hermann Ohlicher wurde am Sonntag in den Aufsichtsrat gewählt, Thomas Hitzlsperger und Marc Kienle hat man von extern geholt. Beide übrigens, wie Luhukay, bevor der neue Sportvorstand gefunden war. Dieser grübelt seither darüber, mit welchen Aufgabengebieten er die beiden betrauen soll.

Diese Fehleinschätzungen gehören, auch nach einigen Monaten Abstand, hinterfragt. Die Mitglieder haben ein Anrecht auf Antworten, zumal sich die Fehleinschätzungen ja auch nach dem Abstieg nahtlos fortsetzten.

Dutt hatte man ohne Plan B in der Tasche zu haben den Stuhl vor die Tür gesetzt. Danach gingen die Wirtschaftsbosse vom Aufsichtsrat, Finanzvorstand Heim und Marketing-Chef Röttgermann auf Trainersuche und wurden schnell beim ausgewiesenen Aufstiegsfachmann Jos Luhukay fündig.

Dass Luhukay eigenbrötlerisch ist und dass er bereits mehrfach wegen Differenzen mit der sportlichen Leitung oder sonstigen Verantwortlichen das Handtuch geworfen hat, scheint diesem Vorstand und Aufsichtsrat, der nun flehentlich um Vertrauen wirbt, entgangen zu sein. Schon durch diese krasse Fehlentscheidung wurde das Ziel des sofortigen Wiederaufstiegs fahrlässig aufs Spiel gesetzt, hat doch der neue Trainer Hannes Wolf weder eine Saisonvorbereitung zur Verfügung noch konnte er Einfluss auf die Kaderzusammenstellung nehmen.

Bei #vfbimdialog entlarvten sich die Herren vom Aufsichtsrat ein paar Tage vor der Mitgliederversammlung dann auch noch selbst, indem sie davon abrieten, den Aufsichtsrat abzuwählen, weil ansonsten ihre Arbeitgeber ihr finanzielles Engagement beim VfB überdenken würden.

Für einen Traditionsverein wie den VfB, der sich glaubhaft von den Investoren-Clubs wie Hoffenheim und Leipzig abgrenzen möchte, wäre es ein fatales Zeichen, an Führungspersönlichkeiten nur deshalb festzuhalten, weil Geldquellen wegbrechen könnten und nicht aus dem Grund, weil sie einen guten Job für den VfB machen.

Liegt ihren Konzernen wirklich so viel am VfB, wie sie stets betonen, würden sie den Verein auch dann nicht ins Bodenlose fallen lassen, wenn ihr Vertreter aus dem Aufsichtsrat gewählt würde oder freiwillig ausscheidet, zumal Verträge einen Ad-Hoc-Ausstieg sicher auch noch verhindern würden.
So sind diese Aussagen zunächst einmal ziemlich haltlose Drohgebärde und zeigen den erhobenen Zeigefinger des Aufsichtsrats, ja nicht „falsch“ abzustimmen.

Diese versuchte Manipulation der Wählerschaft setzte sich durch weitere #vfbimdialog-Veranstaltungen und durch wohlwollend geschriebene Zeitungsartikel fort. Wie man die Schreiberlinge dazu brachte, diese für den Verein so positive Berichterstattung herauszugeben, man weiß es nicht.

Ganz koscher kam mir das alles nicht vor, lassen die Medien doch sonst kaum eine Gelegenheit aus, Unruhe hinein zu bringen. Ob man die Zeitungen aufschlug, #vfbimdialog schaute, vom VfB eine Sonderausgabe „Dunkelrot“ erhielt oder unzählige Mails im Postfach hatte, die Propagandamaschinerie war schon überwältigend, so dass es einzelnen Gruppierungen wie Commando Cannstatt oder Schwabensturm schwer fiel, dagegen zu halten und vor allem genau so viele Leute zu erreichen. Immer und überall wurden die Mitglieder davor gewarnt, den Verein ins Chaos zu stürzen, sollte man nicht den Vorschlägen der Vereinsführung Folge leisten.

Martin Schäfer legte sich dann auf der Versammlung auch noch persönlich mit den Ultras an, deren Banner ihm sauer aufstießen. Auch hier ließ Schäfer sämtliche Souveränität vermissen, indem er pauschal die Aufsichtsratskritiker als solche betitelte, die nichts anderes können würden, als „Verpisst-Euch-Plakate“ zu entwerfen.

Damit ist Schäfer eindeutig übers Ziel hinausgeschossen und hat sich pauschal mit den 40% der anwesenden Mitglieder angelegt, die zumindest gerne über die Abwahl des Aufsichtsrats abgestimmt hätten.

Wären die Herren des Aufsichtsrats und des Vorstands ernsthaft gewillt gewesen, die Mitgliederschaft zu einen, hätte man den Mitgliedern zudem davon abgeraten, nach lediglich sechs von 26 angemeldeten Redebeiträgen für eine Beendigung der Aussprache zu stimmen.

Selbstredend kann man bei derart vielen Wortmeldungen nicht jedem Redner dreißig Minuten zugestehen, so wie sie der erste Redner von der Schwäbischen Alb für sich in Anspruch nahm. Mit einer Zeitbegrenzung auf fünf Minuten, in denen jeder Redner seine wesentlichen Punkte hätte loswerden können, dafür hätte eine souveräne Versammlungsleitung meiner Ansicht nach werben müssen.

So machte man eben mir nichts dir nichts potentielle Kritiker mundtot und entzog sich dieser Aussprache, die DAS zentrale Element einer jährlich stattfindenden Mitgliederversammlung darstellt, feige!

Die vielzitierte Ruhe wird durch das Totschweigen schwelender Konflikte sicherlich nicht einkehren, im Gegenteil. Dass für diesen Antrag überhaupt eine Mehrheit zustande kam, offenbart in extremer Peinlichkeit, weshalb die Mitglieder, vornehmlich jene in den vordersten Reihen, überhaupt gekommen sind, doch dazu später mehr.

Dass die Abstimmung über den Abbruch der Aussprache sich, trotz juristischen Beistands, als formal falsch herausstellte und wiederholt werden musste, spottete zudem jeder Beschreibung und war ein weiterer Hinweis darauf, wie dilettantisch der Verein derzeit geführt wird.

Auch wenn ich gerne alle Redebeiträge gehört hätte, gab es auch bei den wenigen, die man ans Mikro ließ, das eine oder andere Highlight.
Vor allem der beim VfB nicht sehr gelittene Blogger Christian Prechtl stellte Vorstand, Aufsichtsrat und Wolfgang Dietrich knallhart berechtigte, aber eben unangenehme Fragen, deren Beantwortung man gekonnt zu umschiffen wusste.

Auch hier wurde auf Zeit gespielt, viel geschwätzt und nichts gesagt, während Wolfgang Dietrich die Beantwortung der an ihn gerichteten Fragen bei seiner späteren Rede gänzlich „vergaß“.

Auch mich würden seine Verstrickungen und Beteiligungen, die er nach wie vor bei der Quattrex Sports AG hält, interessieren. Es kamen weiter die, natürlich unbeantworteten, Fragen auf, inwiefern er sich in das operative Geschäft bei den Stuttgarter Kickers eingemischt hat, in dessen Folge einige Köpfe, unter anderem der des damaligen Trainers des Jahres, Dirk Schuster, gerollt sind.

Eine Aussprache, bei der sich die Vereinsführung nicht einmal die Mühe macht, Vorwürfe zu entkräften oder Fragen einfach plausibel zu beantworten, ist auch irgendwie sinnlos.

Dies sagt einiges über unseren derzeitigen Führungskreis aus. Kritikunfähig, beleidigt, unangenehmen Fragen aus dem Weg gehend und extrem dünnhäutig geben sich diejenigen, die es „geschafft“ haben, den Verein in seine schwerste Krise seit 41 (!) Jahren zu manövrieren. Ganz großes Kino!

Der Porsche-Betriebsratschef Uwe Hück, der überraschend die Bühne betrat, sorgte dann für die Comedy-Einlage des Tages.
Er erklärte vorab, dass er direkt vom Porsche-6-Stunden-Lauf käme, durch den Geld für wohltätige Zwecke gesammelt werden würde. Hück machte dabei einen extrem verwirrten Eindruck, so dass man bei seiner „Rede“ lange nicht wusste, worauf er hinaus wollte und schon gar nicht, ob diese letztendlich einen Bezug zum VfB haben würde.

Er referierte, „in Deutschland haben wir Kinderarmut und das ist gut“, sprach die Mitglieder ständig mit „liebe Kolleginnen und Kollegen“ und erweckte auch sonst den Eindruck, dass der Frühschoppen nach seinem Lauf etwas zu heftig ausgefallen war. Am Schluss seiner von heftigen Buh-Rufen begleiteten Rede trat doch noch seine Intension zutage, wegen der er sich zu Wort meldete.

Der Präsidentschafts-Kandidat Dietrich stellte bei seiner Vorstellungs-Tour in Aussicht, für den Nachwuchsbereich eigene Hauptsponsoren zu suchen, um dort unabhängiger von den Ergebnissen der Profis und deren finanziellen Mitteln zu werden. Für den Nachwuchs stellte Hück ein finanzielles Engagement von Porsche in Aussicht. So hatte dieser Auftritt dann doch noch sein Gutes.

Dass von annähernd 49.000 Mitgliedern kaum einmal 3.000 den Weg in die Hanns-Martin-Schleyerhalle fanden, war mehr als enttäuschend. Immerhin standen wichtige Themen zur Diskussion in der ersten Mitgliederversammlung nach dem Abstieg, immerhin sollte zudem ein neuer Präsident gewählt und über wichtige Satzungsänderungen befunden werden.

Dass sich dabei so wenige die Mühe machten, dieser Versammlung beizuwohnen, war ernüchternd. Erschreckend für mich war, dass derart vielen der Verein egal zu sein scheint, wenn es mal nicht nur um Punkte auf dem grünen Rasen geht. Es hätte durchaus eine denkwürdige Versammlung werden können, wenn sich denn mehr Leute aufgerafft hätten.

So gelang es offensichtlich dem Verein mehr Mitglieder des Pro-Lagers zu mobilisieren, als der Kurve die Aufsichtsrat-Kritiker und derer, die Dietrich ablehnen würden. Gerade bei einer spärlich besuchten Versammlung hatte ich mir versprochen, dass es gut möglich gewesen wäre, Dietrich zu verhindern.

Die Stuttgart-21-Problematik war mir in dessen Zusammenhang egal. Dass einer für eine Sache, für die er bezahlt wird, auch einsteht, ist legitim. Dass er Ecken und Kanten hat und sich, vielleicht sogar auch innerhalb der Vereinsführung, durchzusetzen weiß, ist auch zunächst einmal nicht schlecht. MV war mir in dieser Hinsicht immer lieber als ein „weicher“ Präsident wie Bernd Wahler.

Zu den K.O.-Kriterien, die es mir unmöglich machten Dietrich zu wählen, gehörten jedoch seine möglichen Interessenskonflikte wegen der Darlehensvergaben der Quattrex Sports AG an etliche Ligakonkurrenten und dass er dort noch immer Aktienpakete halten soll. Dass die DFL grünes Licht gegeben hat und dessen Beziehungen zu den Vereinen für seine Tätigkeit als VfB-Präsident formaljuristisch als legal angesehen werden, heißt noch lange nicht, dass sich nicht doch Interessenskonflikte ergeben könnten und dies moralisch korrekt ist.

Ein Donald Trump prahlt zum Beispiel damit, dass er in den letzten Jahren kaum Steuern gezahlt habe, weil er schlau genug war sämtliche (legale) Steuerschlupflöcher auszunutzen. Ob er damit moralisch punktet, darüber gibt es wohl keine zwei Meinungen.

Weiter seien die zur Abstimmung gestandenen Satzungsänderungen Bedingung für Dietrichs Bewerbung um das Präsidentenamt gewesen. Da in diese eindeutig Passagen aus dem Aktiengesetz verankert gewesen wären, liegt es auf der Hand zu vermuten, dass der Hardliner Dietrich auserkoren wurde, um die Ausgliederung voranzutreiben und, wie von Stuttgart 21 gewohnt, sich von heftigem Gegenwind nicht beirren lassen soll.

Dies jetzt durch die Hintertür zu versuchen ist auch schon wieder so ein Punkt, an dem man sich fragt, wann man den Verantwortlichen überhaupt wieder Vertrauen wird schenken können. Ich bin nicht generell gegen die Ausgliederung, die wird irgendwann kommen müssen, schon allein weil Profivereine als Wirtschaftsunternehmen wohl nicht mehr ewig nach dem Vereinsrecht geführt werden dürfen. Dann geht es um die Art einer Ausgliederung, um die Gesellschaftsform, ob man Anteile veräußert, etc. Für die Ausgliederung, wie sie sich der Verein vorstellt, nämlich, um Geld von außen zu generieren, braucht es den richtigen Zeitpunkt, der sicherlich nicht in der schwärzesten Stunde des Vereins liegt und es braucht Vertrauen in die handelnden Personen. Beides ist derzeit nicht gegeben, so dass man dieses Thema ganz weit hinten anstellen sollte.

Jetzt kommt noch ein ganz wesentlicher Punkt, weshalb ich in Dietrich nicht den bestmöglichen VfB-Präsidenten sehe. Er scheint vom Aufsichtsrat nicht vorgeschlagen worden zu sein, obwohl er als „Spalter“ gilt, sondern weil.

Wie in der Ausgliederungsproblematik soll er dem Anschein nach auch das Fanlager eher entzweien. Äußerungen zum Fanausschuss, dass man die Fans brauche, jedoch nicht alle, lassen tief blicken und sämtliche Alarmglocken schrillen. Einen Martin Kind II brauchen wir hier im Verein nicht, einen der auf die eigenen Fans los geht und sie bis zum geht nicht mehr sanktioniert und drangsaliert. Wir brauchen einen Präsidenten, der auf die verschiedenen Gruppen zugeht und ein guter Moderator, aber auch teamfähig ist. Ob Dietrich dieser Präsident sein kann, daran habe ich große Zweifel.

Dass der Aufsichtsrat lediglich einen Kandidaten zur Wahl zugelassen hat, den man nach dem Motto „Friss oder stirb“ wählen oder auch nicht wählen kann, ist ebenfalls ein schlechtes Signal und zeugt einmal mehr nicht von einer Kultur des sich miteinander Auseinandersetzens.

Wie zu lesen war, konnte es sich der Aufsichtsrat nach Wahlers Rücktritt vorstellen, einen ehrenamtlichen Präsidenten einzusetzen. Jetzt, bei der Begründung weshalb Dietrich der einzige Kandidat war, wurde mitgeteilt, das sei so, weil er der einzige gewesen sei, der den Job kostenlos verrichtet.

Wir bekommen also einmal mehr DIE Billiglösung und nicht die möglicherweise beste Lösung zur Abstimmung. So schränkt man natürlich den Kandidatenkreis ein, die Zeiten eines MV, der den VfB noch weitestgehend „nebenher“ führte, sind mit der zunehmenden Professionalisierung längst vorbei.

Die Fronten auf der Veranstaltung waren also verhärtet, nicht umzustimmende Dietrich-Gegner und die Dauerklatscher in den vorderen Reihen. Da hat es die Vereinsführung offensichtlich geschafft, genügend ihrer Befürworter zu mobilisieren, um die Abstimmungen in ihrem Sinne ausfallen zu lassen.

Wo die alle her kamen, man weiß es nicht! Im Stadion, zumindest in den Bereichen, in denen ich verkehre, habe ich diese Herrschaften noch nie gesehen. Waren es VfB-Mitarbeiter, der VfB-Freundeskreis, die Garde sowieso, Vertreter der anderen Sportarten? Es war jedenfalls augenscheinlich, dass jeder Pups, der auf dem Podium gelassen wurde, von diesen frenetisch beklatscht wurde, während die „Gegner“ oft von diesen noch übertönt wurden.

Es war eine beklemmende Atmosphäre und so fällt es mir im Grunde auch schwer, innerhalb eines Vereins von Befürwortern und von Gegnern zu sprechen. So aber stellte sich die Lage während der gesamten Veranstaltung dar, in den Schmährufen und Verunglimpfungen standen sich beide Seiten in nichts nach.

Ohne jetzt irgendetwas unterstellen zu wollen, fühlte ich mich durch das Wahlverhalten der „Pro-Seite“ an DDR-Verhältnisse zurückerinnert.
Den vorwiegend älteren Damen und Herren aus den ersten Reihen hätte man nur noch Vorstands- und Aufsichtsrats-Fähnchen in die Hand geben müssen, um dieses Bild abzurunden. Wie auf Kommando gab es stets großen Beifall für das, was von der Gegenseite ausgebuht wurde, während man mit Schmähungen dieser Leute bedacht wurde, wenn man einen Redebeitrag oder bspw. die Fragen eines Herrn Prechtl goutierte.

Dieses groteske Szenario wurde dann noch skurriler, als just nach der Präsidentenwahl mehrere hundert dieser Damen und Herren aus den ersten Reihen offensichtlich ihre Schuldigkeit getan hatten und die Halle verließen. Vielleicht mussten sie zur Lindenstraße daheim sein, offensichtlich war, dass sie lediglich für die Präsidentenwahl herbei gerufen waren und sie die Abstimmungen zu den Satzungsänderungen nicht die Bohne mehr interessierten. Dafür hätten freilich 75% der Stimmen zusammenkommen müssen, so dass es bei der Verteilung der Lager klar war, dass auch mit ihren Stimmen nicht mehr als 60% zusammen gekommen wären.

Passend zu diesen, meinen subjektiven Eindrücken, war dann noch, dass sich der SWR darüber beklagte, dass nur wenige Szenen zur Veröffentlichung freigegeben wurden, vornehmlich einen strahlenden Herrn Dietrich nach seiner Wahl und der Rest der Fernsehbilder der Zensur zum Opfer fiel.

Diese ca. 500 Leute genügten, um das Zünglein an der Waage zu spielen, Vorstand und Aufsichtsrat einen angenehmen Tag zu bescheren und schließlich auch noch deren Präsidenten ins Amt zu hieven. Haben die Ultras zu wenige Leute mobilisiert? Mir kam es so vor, dass relativ wenige anwesend waren. Aber auch Otto-Normal-Bruddler, der das ganze Jahr eine große Klappe hat und mit seiner Anwesenheit etwas bewirken hätte können, hat gefehlt.

Als Demokrat akzeptiere ich natürlich den Wahlausgang und die Beschlüsse, auch wenn ich mich damit nicht so überhaupt nicht anfreunden kann. Wolfgang Dietrich wurde mit 57,2% der abgegebenen Stimmen zum neuen VfB-Präsidenten gewählt, was nur knapp 3,5% der Gesamtmitgliederschaft entspricht. Bei solchen Zahlen werden natürlich Rufe nach einem Briefwahlrecht laut, das schon einmal von der Versammlung abgelehnt wurde. Dieses war nun Bestandteil des Satzungsänderungspaketes, über das man nur in seiner Gesamtheit hat abstimmen können und das abgelehnt wurde.

Ich bin gegen ein Briefwahlrecht bei eingetragenen Vereinen, weil bei „normalen“ Versammlungen die Redebeiträge im Zuge der Aussprache oftmals den Ausschlag zugunsten oder gegen eine Entscheidung geben und man als Verein ja auch wenigstens einmal im Jahr zusammenkommen können sollte.

Eher noch könnte ich mir einen Live-Stream für Mitglieder und die Möglichkeit zur Online-Abstimmung vorstellen, wenn diese unter notarieller Aufsicht durchgeführt werden könnte (Stichwort Vertrauen).

Allerdings verlören dann solche Versammlungen viel von ihrem ursprünglichen Charakter. Auch ich würde mich dann lieber mit Laptop und ein paar Freunden in das verrauchte Hinterzimmer der Kneipe meines Vertrauens verziehen, anstatt im Mief der Schleyerhalle noch einmal einer solch traurigen Veranstaltung wie am Sonntag persönlich beizuwohnen.

Aber, um solche wichtigen Beschlüsse zu fassen, muss man über Passagen in der Satzung getrennt abstimmen können und vor allem sollten sich jene Leute wenigstens einmal her bewegen, denen diese Änderungen wichtig sind.

Für mich war der Tag und die Wahl Dietrichs zum neuen VfB-Präsidenten kein guter Tag für den VfB Stuttgart. Beleidigungen, Pfiffe, Diffamierungen und das ständige Unterbrechen von Rednern der Gegenseite sprechen nicht für eine besonders kultivierte Diskussionsfähigkeit. Großen Anteil daran hat auch hier wieder die Vereinsführung, die es tatsächlich „geschafft“ hat, den Verein in zwei Lager zu spalten, wie ich es beim VfB so noch nie erlebt habe.

Mit dem Spalter Dietrich als Präsidenten, der als Vorbild einer Führungspersönlichkeit ausgerechnet das Gesicht des Abstiegs, Christian Gentner, nennt. Da Gentner in der 2. Liga eine ordentliche Saison bisher spielt und ihm zu Bundesligazeiten gerade jene Führungsfähigkeiten abgesprochen wurden, ist anzunehmen, dass Dietrich sich trotz 42-jähriger Mitgliedschaft erst in den letzten Wochen wieder etwas ausgiebiger mit dem VfB beschäftigt hat.

Ich wünsche ihm ein gutes Händchen bei seinen Entscheidungen und hoffe, dass all meine Befürchtungen nicht eintreten.

Ja, der Verein braucht Ruhe, aber nicht so! Wie diese Gräben, die die Vereinsführung ausgehoben hat, schnell wieder zuzuschütten sein sollen, kann ich mir mit den noch frischen Eindrücken der Mitgliederversammlung noch nicht vorstellen. Bevor das eintritt, gewöhnen sich die Herren von Aufsichtsrat und Vorstand wohl noch eher an Banner, auf denen sie namentlich erwähnt werden.

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