30. März 2024

Ein sc(Hoeneß) Jahr

Wie Ihr sicher mitbekommen habt, machte ich mich zuletzt auf dieser Plattform sehr rar. Die Gründe waren vielschichtig. Zum einen sorgte Corona für einen Bruch, dann bot das Konstrukt um Mislintat und Matarazzo lange keine allzu großen Kritikpunkte, bzw. wollte ich auf dem, was mir gegen den Strich ging und mit welchen Entscheidungen ich nicht konform war, nicht allzu sehr breittreten.

Danach gab es sicher kritikwürdige Entscheidungen, wie die Vorstellung der Beratergilde, Ernennung des Anlernlings Christian Gentner zum Leiter der Lizenzspielerabteilung, das unwürdige Theater um Mislintats Vertragsverlängerung mit wohl schon vorher feststehendem Ausgang und nicht zuletzt die Verpflichtung Labbadias zum Cheftrainer, weg von modernem Fußball, zurück in die Steinzeit.

All das juckte zwar hier und da in den Fingern, mehr als ein paar Facebook-Kommentare dazu kamen von mir aber nicht.

Bezeichnend, dass mein letzter Beitrag nach dem offenen Brief von Hitzlsperger erstellt wurde, den ich in der Art und Weise als unangebracht und auch ungerecht Vogt gegenüber hielt. Wie man heute sicher davon ausgehen kann, hatte Hitz wohl in allen Punkten Recht und kann aus heutiger Sicht als verzweifelter Hilfeschrei wahrgenommen werden.

Was es mir aber wirklich wert und auch eine Herzensangelegenheit ist, ist das sensationelle erste Jahr von Sebastian Hoeneß beim VfB. Mir ist es unbegreiflich, wie er es schaffte, wirklich jeden Spieler besser zu machen. Wie er es schafft, aus zuvor technisch unbedarften Berufsfußballern Pass- und Kombinations-Maschinen zu formen. Wie er taktisch flexibel mehrere Systeme spielen lässt und jeder auf dem Platz, und diejenigen, die eingewechselt werden, genau weiß, was er zu tun hat. Der Fußball, den Hoeneß spielen lässt, ist eine Augenweide.

In fast 50 Jahren, in denen ich dem VfB bereits treu gewogen bin, habe ich kein Team erlebt, das annähernd einen solch schönen Fußball spielte und das es gegen fast jeden Gegner schafft, die volle Kontrolle über das Spiel zu erlangen.

Der VfB bestimmt das Tempo, nimmt zur rechten Zeit den Fuß vom Gas, um dann, wenn sich eine Möglichkeit auftut blitzschnell und kombinationssicher nach vorne zu spielen. Ein Team, das sich nicht zurück zieht, wenn es führt, sondern immer weiter nach vorne spielt, den Gegner „killen“, so auch der Sprech aus der Mannschaft, möchte.

Auch wenn der Kader vor dieser Saison sinnvoll verstärkt wurde, verlor man ja im Gegenzug auch vermeintliche Hochkaräter. So ist es für mich tatsächlich unfassbar, welche Entwicklung dieses Team genommen hat.

Deshalb möchte ich an dieser Stelle DAS Hoeneß-Jahr beim VfB Revue passieren lassen.

Am 3. April 2023 verkündete der VfB nach der Entlassung von Bruno Labbadia, dass sich Sebastian Hoeneß, Sohn unseres Ex-Managers Dieter Hoeneß, fortan dem Himmelfahrtskommando, den VfB in der Bundesliga zu halten, annehmen würde.

Ich muss zugeben, dass ich nach der Demission von Pellegrino Matarazzo, als der Name Hoeneß auch schon durch die Medien geisterte, wenig von dem Gerücht begeistert war.

Nicht deshalb, weil es ein Hoeneß ist, sondern weil ich Sebastian zu seiner Hoffenheim-Zeit als ziemlich „farblos“ empfand, ich dachte, der Mann gibt nichts her und dass er nicht in der Lage sein würde, im Team das Feuer zu entfachen, das ich als nötig erachtete, um die Mannen mit dem Brustring wieder in die Spur zu kriegen.

Damals kam es ohnehin (noch) nicht zur Verpflichtung. Gemunkelt wurde seinerzeit, der VfB sei zu zögerlich gewesen und hätte nicht den Eindruck erweckt, Sebastian unbedingt haben zu wollen, woraufhin die Hoeneß-Seite ihrerseits „kein Interesse“ bekundete.
Dann kam das kurze, aber durchaus erfolgreiche, Intermezzo von Michael Wimmer, bevor schließlich Bruno, der Mann, der nach Ansicht von Wehrle & Co. alles kann, vor allem Abstiegskampf, seine zweite Amtszeit am Neckar antrat.

Ich war damals, erst recht nach dem Wintertrainingslager in Marbella, durchaus zuversichtlich, dass Labbadia den VfB vor dem Abstieg bewahren würde, jedoch zum Preis unansehnlicher Spiele, was allerdings das kleinere Übel gewesen wäre.

Nach der Winter-WM von Katar und dem Trainingslager im sonnigen Andalusien ließ es sich auch gar nicht mal schlecht an.

Zwei Unentschieden gegen Mainz und in Hoffenheim, bei denen mehr als zwei Punkte herausspringen hätten müssen, sowie eine knappe wie unglückliche Niederlage in Leipzig, wo wir leider, wie so oft in den letzten Saisons, ohne Torwart antraten.

Dann folgte die bittere Heimniederlage gegen Werder Bremen, einem Gegner, der nichts von uns wollte, den man aber trotzdem zu zwei Toren einlud. Höhepunkt des bitteren Nachmittags war die frühe verletzungsbedingte Auswechslung von Serhou Guirassy, der danach einige Wochen fehlen sollte.

Den Ausfall Guirassys allein für Labbadias Misserfolg auszumachen, ist mir zu billig. Kastanaras, seines Zeichens Nachwuchsstürmer, gab in Leipzig ein vielversprechendes Startelfdebüt und spielte danach überhaupt keine Rolle mehr.

Stattdessen sollte erst Luca Pfeiffer die Kohlen aus dem Feuer holen, ehe Labbadia zunehmend Spieler auf für sie fremden Positionen einsetzte, so Silas bspw. als Mittelstürmer. Damit schlug er gleich zwei Fliegen mit einer Klappe, er beraubte uns der Schnelligkeit auf dem Flügel und hatte einen Kollegen im Sturmzentrum herumstehen, der völlig in der Luft hing und zudem auch nie durch allzu große Torgefahr auf sich aufmerksam machte.

Auch Anton als rechten Verteidiger aufzubieten war eine Schnapsidee dieses antiquierten Trainers. Mit solchen Maßnahmen, die nicht einmal fruchten, bringt man kein Team der Welt hinter sich. Die Spiele plätscherten mit wenigen Lichtblicken (3:0 gegen karnevalstrunkene Kölner) und vielen Tiefpunkten (allen voran Schalke) vor sich hin.

Nach einem völlig indisponierten Auftritt gegen harmlose Wölfe, bekam der schöne Bruno sogar noch die Länderspielpause und danach das Spiel bei Union Berlin, ehe nach elf Bundesligaspielen und nur einem Sieg schon wieder Schluss war.

Labbadia „übergab“ den VfB auf Platz 18 liegend, mit zwei Punkten Rückstand auf den Relegationsplatz, sowie bereits fünf Punkten auf Platz 15.
Nun also sollte es Hoeneß richten, jung an Jahren, arm an Erfahrung und zudem mit einem bisherigen Trainer-Werdegang, der jeden Fußball-Traditionalisten sich zunächst einmal übergeben lässt.

Nach seinem Einstieg bei Hertha 03 Zehlendorf, heuerte er bei der Jugendakademie von Red Bull an und trainierte dort zuerst die U17, dann die U19. Von dort ging es zu den Bayern, wo er ebenfalls die U19 und später die Amateure trainierte, mit denen er 3.-Liga-Meister wurde. Nach dieser außergewöhnlichen Saison wurde Hoffenheim auf ihn aufmerksam und der gebürtige Münchner sorgte für ein Triple der besonderen Art: dritter Drecksverein in Folge, Glückwunsch!

Da mir Hoffenheim komplett egal ist und ich daher auch seine Arbeit dort nicht verfolgte, blieb einzig der Eindruck haften, den er bei seinen Interviews in Sportschau & Co. auf mich machte, der mir jedoch genügte, um diesen Trainer nicht beim VfB haben zu wollen.

Mich fragt aber ja keiner und ich bin pragmatisch genug, die Entscheidungen der Verantwortlichen zu akzeptieren und darauf zu hoffen, dass es gut gehen würde. Mehr bleibt einem Fan ja auch nicht übrig, obwohl, Winfried Schäfer, da hab ich schon einmal Dauerkarte und Mitgliedsausweis über die Theke der Geschäftsstelle gepfeffert. Aber, da gab’s ja jede Menge Vorgeschichten, die dessen Verpflichtung zu einem absoluten No-Go machten.

Wie es um meine Menschenkenntnis bestellt ist, zeigt sich im „Fall“ Hoeneß ein Jahr danach. Juckt mich in dem Fall aber wirklich nicht, eher im Gegenteil, das unterstreicht ja nur wie belanglos das Konstrukt im Kraichgau ist.

Das erste Bild von Sebastian Hoeneß konnte ich mir daher erst auf dessen Antritts-Pressekonferenz machen. Und, dieses war durchweg positiv. Nicht nur, dass das labbadia’sche klein- und schlechtreden der Mannschaft und der Bedingungen kein Thema waren. Dass er im Team durchaus etwas sah und die Überzeugung ausstrahlte, hier etwas bewirken zu können und es auch wirklich zu wollen, stimmten mich zunächst einmal positiv.

Aus dem Zitat aus der PK „Zum VfB habe ich eine große emotionale Verbindung. Ich habe schon in meiner Jugend den Verein als Fan begleitet, hier habe ich mehrere Jahre in der Jugend selbst gespielt und 1999 mit der U17 den deutschen Meistertitel gewonnen“ lese ich große Begeisterung für den Verein, die er von Tag eins an vor- und auslebte. Ihm nahm man es ab, dass der VfB tatsächlich so etwas wie eine Herzensangelegenheit für ihn ist, und, ich war mir sicher, dass er alles tun würde, nicht als Abstiegs-Trainer in die Annalen eingehen zu müssen. Irritiert hat mich allenfalls, dass es durchaus bereits Thema war, hier etwas aufzubauen, auf Platz 18 stehend und mit einer verunsicherten Mannschaft, die es richten soll. Prost, Mahlzeit, dachte ich nur.

Vom ersten Tag ging er die Arbeit beim VfB mit großer Demut an und als einer, der sich jedem, ob seinem Team, den Mitarbeitern und nicht zuletzt uns Fans verpflichtet sah.

Es darf unterstellt werden, dass sich Hoeneß im und seit dem Herbst, als schon mal eine Verpflichtung hätte zustande kommen können, ein Bild von der Mannschaft und eventuell brachliegenden Potentialen gemacht und einen Plan mitgebracht hat, wo zuerst anzusetzen wäre.

Quasi zum Warmlaufen stand bereits zwei Tage nach seiner Verpflichtung das DFB-Pokal-Viertelfinale beim Zweitligisten 1. FC Nürnberg an.
Dass man keine Wunderdinge und schon gar nicht die Handschrift des neuen Trainers erwarten können durfte, verstand sich von selbst.

Am Valznerweiher tat sich der VfB lange schwer, siegte jedoch nach zäher erster und deutlich besserer zweiter Halbzeit verdient durch das Jokertor von Enzo Millot.

Mund abwischen und weiter geht’s, nichts anderes zählt im Pokal, wenn man eine Runde weiter ist.

In der englischen Woche ging es dann zu einem echten Sechs-Punkte-Spiel nach Bochum. Der VfB Schlusslicht, Bochum hatte sechs Punkte mehr auf dem Konto und stand auf Platz 14, heißt, bei einer Niederlage wäre ein Kontrahent mehr bereits weg gewesen.

Der VfB ließ sich aber nicht beirren, dominierte die Partie, und gewann durch Tore von Ito, Vagnoman und Guirassy mit 2:3. Damit war das erste dicke Ausrufezeichen im Abstiegskampf unter Sebastian Hoeneß gesetzt.

Zudem war es der erste Auswärtssieg nach fast anderthalb (!) Jahren. Hurra, wir leben noch!

Am 28. Spieltag stand für Sebastian Hoeneß das erste Heimspiel im Neckarstadion auf dem Programme. Die Schwaben bekamen es mit Borussia Dortmund zu tun, die, punktgleich mit Spitzenreiter Bayern als Tabellenzweiter anreisten und noch um die Meisterschaft kämpften.

Als der BVB schon nach 33 Minuten mit 0:2 führte und zu allem Überfluss unser „Mentalitätsmonster“ Dinos Mavropanos sich vor der Halbzeit eine recht dämliche gelb-rote Karte einhandelte, war im Grunde der Käs gegessen, der Fisch geputzt oder wie auch immer.

Der Abstiegskandidat, der schon das Hinspiel im Westfalenstadion mit 0:5 verloren hatte, gegen den Meisterschaftsaspiranten, in Unterzahl und mit zwei Toren im Rückstand. Was sollte da noch gehen? Kaum jemand hätte einen Pfifferling auf den VfB gesetzt.

Doch, die Jungs vom Neckar zeigten plötzlich lang vermisste Stehauf-Qualitäten! Coulibaly und Vagnoman glichen aus, ehe Reyna in der Nachspielzeit den vermeintlichen und zu diesem Zeitpunkt extremst bitteren Knockout setzte.

Aber, der VfB hatte Blut geleckt und kam noch einmal zurück. Beim Ausgleich war der Fluch, dass der Ball in vielen Situationen nicht der Freund von Coulibaly ist, ein Glück, nämlich weil die Kugel erst dadurch zu Silas gelangte, der zum 3:3 einschießen konnte.

Da hatte der Tanguy Freund und Feind gleichermaßen verwirrt. Dieses Remis war ein echtes Lebenszeichen durch den VfB und, wenn es noch eines Beweises bedurfte, dass der BVB zu doof ist, Meister zu werden, hier war er!

Der VfB punktete weiter regelmäßig, remis in Augsburg, Sieg gegen Gladbach, ehe das Pokal-Halbfinale gegen die Frankfurter Eintracht anstand.

Ich hörte eine nicht unbeträchtliche Zahl an VfB-Fans jammern, dass dieser Wettbewerb zum damaligen Zeitpunkt unwichtig gewesen sei und man doch bitte auszuscheiden habe, um sich voll auf den Abstiegskampf in der Bundesliga konzentrieren zu können.

Diesen Leuten sei gesagt, fickt Euch! Ich war schon 1986 zu Zeiten des Eisernen Vorhangs beim Finale dabei, machte eine legendäre Tour mit anschließendem Pokalsieg 1997 mit, war 2007 zu Tode betrübt, 2013 ernüchtert, ein Pokalfinale in Berlin ist etwas ganz Großes, das zu erreichen in jedem Jahr erstrebenswert ist, scheißegal in welcher Situation man in der Liga steckt.

Zumal nach dem Halbfinale das Finale allenfalls in den Köpfen eine Rolle spielen könnte und wir nicht von einer Doppelbelastung reden, die ich allerdings auch noch nie gelten ließ.

Bei mir hat auch schon jeder Trainer verschissen, der den Pokal auf die leichte Schulter nahm, und sei es „nur“, den Ersatztorwart einzusetzen. Ohne Spielpraxis, ohne Abstimmung mit den Vorderleuten geht das oft genug in die Hose. Bredlow bspw., dem ich dafür überhaupt keine Vorwürfe mache, war allein zwei Mal in den Vorjahren maßgeblich an entscheidenden Gegentoren beteiligt, die jeweils den Traum von Berlin jäh beendeten.

Das Halbfinale gegen die Frankfurter Eintracht verlief für den VfB denkbar unglücklich. Nach bärenstarker erster Halbzeit und der Führung durch Tiago Tomás, kam der VfB schlafmützig aus der Kabine und lag nach 55 Minuten plötzlich mit 1:2 zurück.
Als nach 77 Minuten das 1:3 per Elfmeter fiel, schien der Widerstand gebrochen. Doch, Millot traf zum 2:3, was eine wilde Schlussphase versprach.

Sosa flog mit Gelb-Rot vom Platz und doch hätte der VfB auch an jenem Tag in Unterzahl den Ausgleich verdient gehabt. Ein vermeintliches Handspiel in der siebten Minute der Nachspielzeit reichte Schiedsrichter Schlager nicht zum Elfmeter, weil, so seine eigene Aussage, dieses Spiel nicht durch einen solchen Elfmeter beeinflusst hat werden sollen. Da hab ich beileibe schon schmeichelhaftere Elfmeterentscheidungen gesehen, als diese, wenn bei einer Hereingabe der Ball durch die Hand geblockt wird und hinten einer freie Bahn gehabt hätte.

Bislang ging ich immer davon aus, das Regelwerk sei klar formuliert und unabhängig vom Zeitpunkt in einem Spiel, der Wichtigkeit eines Spiels oder was auch immer in gleichen Situationen gleiche Entscheidungen zu treffen.

Aber, was soll man sich da noch aufregen, dem Treiben der Pfeifen setzt ohnehin keiner mehr Grenzen. Früher gab es Schiedsrichterbeobachter und es verschwand mal einer über Wochen von der Bildfläche, heutzutage dürfen sie ihren Blödsinn Woche für Woche pfeifen und mal so, mal so entscheiden, wie sie gerade lustig sind.

Natürlich ist es Spekulation, wie wir in Unterzahl in der Verlängerung bestanden hätten, trotzdem war der VfB an dem Tag nicht der verdiente Verlierer!

Mit dem Pokalspiel und dem bitteren Aus in Kopf und Knochen ging es am folgenden Wochenende ins Berliner Olympiastadion zum abgeschlagenen Schlusslicht Hertha BSC.

Nach dem Spiel auf Schalke, damals noch unter Labbadia, verpasste es der VfB bereits das zweite Mal einem direkten Konkurrenten den Todesstoß zu versetzen. Nach schwacher Leistung setzte es die erste Niederlage in der Bundesliga unter Sebastian Hoeneß. Nimmt man Frankfurt dazu, war es die zweite Niederlage in Folge. Man durfte also auf eine Reaktion darauf gespannt sein. Diese kam durchaus mittels eines achtbaren Remis gegen Bayer 04 Leverkusen und des 4:1-Auswärtssiegs bei Mainz 05, ehe am 34. Spieltag ein echtes Endspiel gegen Hoeneß’ Ex-Verein aus dem Kraichgau anstand.

Der VfB lag auf Platz 15, punktgleich mit dem 16., dem VfL Bochum, der das deutlich schlechtere Torverhältnis aufwies.

Wenn es noch eines Beweises bedurfte, dass man sich an den letzten Spieltagen nicht auf die Ergebnisse auf anderen Plätzen verlassen sollte, hier war er! Bochum siegte sage und schreibe 3:0 gegen das früh dezimierte und in der Rückrunde so auftrumpfende Team von Bayer 04 Leverkusen, während der VfB über ein Unentschieden gegen Matarazzos Hoffenheimer nicht hinauskam. Fast ärgerlicher, als dass wir in die Relegation mussten, war, dass bei VfB-Sieg dieses Schicksal den FC Augsburg ereilt hätte, auch ein Verein, den in der Liga keiner braucht, der aber einfach nicht totzukriegen ist.

Tags drauf stand dann auch schon unser Gegner in der Relegation fest. Nachdem die Unaufsteigbaren vom Hamburger SV auf dem Rasen des Sandhäuser Hardtwaldstadions wenigstens einige Minuten lang den Aufstieg feiern durften, vermieste ihnen Heidenheim in Regensburg in der 9. Minute der Nachspielzeit die länger andauernde Party.

Reichlich geknickt und sich ungerecht behandelt fühlend ging es für die Rothosen in die Relegation und das gegen einen formstarken VfB, der es unter Hoeneß trotz und wegen einer respektablen Punkteausbeute von Platz 18 auf Platz 16 schaffte und diese kleine Aufholjagd nun vergolden wollte.

Eigentlich bin ich ja Gegner dieser Relegationsspiele, in der es, Zitat Louis van Gaal, um Blut oder Gladiolen geht. Sensationshascherei für Couch-Fans, Geld von den übertragenden Sendern sowie eine künstliche Verlängerung der Saison, ein tieferer Sinn dieser Spiele erschließt sich mir nicht.

Für die teilnehmenden Vereine und deren Fans ist es die größtmögliche Belastungsprobe, für den höherklassigen Verein die große Chance eine schlechte Saison zu einem versöhnlichen Abschluss zu bringen. Der Zweitligist hingegen, der eine gute Saison gespielt hat, wird ins Duell David gegen Goliath geschickt, wo er fast nur verlieren kann, zumal die Schere zwischen erster und zweiter Liga immer weiter auseinander driftet. Kein Wunder also, dass in den letzten zwölf Jahren lediglich zwei Mal der Bundesligist den Kürzeren zog, einmal, wir erinnern uns alle, war der VfB so blöd.

Dass allenfalls Blödheit den Ausschlag geben könnte, würden wir das zweite Mal dem Zweitligisten den Vortritt lassen, war mir vor den Spielen gegen den HSV klar. Deshalb verstand ich die Angst vieler VfB-Fans auch nicht, nur weil wir 2019 gegen Union abgestiegen sind, dass uns dasselbe Schicksal auch 2023 ereilen sollte. Der HSV hat in seinen fünf Jahren Zweitklassigkeit viel an Substanz verloren und ist mittlerweile ein normaler Zweitligist, der zwei außergewöhnlich gute Tage brauchen würde, dem VfB den Garaus zu machen.

Und so machte der VfB bereits im Hinspiel, natürlich beflügelt durch das frühe Tor von Mavropanos, kurzen Prozess mit den Hanseaten und gewann 3:0. Der Klassenunterschied war in fast jeder Phase des Spiels deutlich.

Erwähnt sei der besondere Rahmen dieser beiden Spiele. Jeweils ausverkauftes Haus, jeweils prall gefüllte Gästeblöcke und Support von beiden Seiten, der einem das Blut in den Adern gefrieren lässt. Es war einfach nur geil, selbst beim Schreiben dieser Zeilen bekomme ich noch Gänsehaut. Abgesehen davon, ob man den HSV mag oder nicht, in die Bundesliga gehört der Verein und sein Anhang auf jeden Fall.

Durch das Hinspiel-Ergebnis war scheinbar die Luft raus aus dem Rückspiel. Wir hatten rund um den Volkspark einige Begegnungen mit HSV-Fans, die uns bereits zum Klassenerhalt gratulierten. Es waren Begegnungen von gegenseitigem Respekt geprägt. „We are all sitting in one boat“, wie Günther Oettinger sagen würde. Man war sich einig, dass beide Vereine in die Bundesliga gehören und es mittlerweile zu viel Einheitsbrei mit auch noch Einheitsstadien in der Bundesliga gibt, die der Liga schlechter tun, als die im Vergleich Giganten, die jetzt in der Relegation aufeinander trafen.

Im Rückspiel durfte der HSV kurz doch noch auf das Wunder hoffen, als man in der 6. Minute in Führung ging. Im Nachhinein bin ich froh darüber, denn, ich kann mich kaum erinnern, in Deutschland mal ein Stadion so laut erlebt zu haben. Faszinierend!

Mit zunehmender Spieldauer aber bekam der VfB die Partie immer besser in den Griff. Millot, unter freundlicher Mithilfe des Hamburger Torhüters, schnürte einen Doppelpack, Silas gelang in der Nachspielzeit noch das 1:3, womit der Ligaverbleib für ein weiteres Jahr endgültig gesichert wurde.

Die Erleichterung im Block nach einem abermals beschissenen Fußballjahr war zu spüren. Die Stimmung lässt sich auf der einen Seite mit der erwartbaren Niederlage, auf der anderen mit „nichts erreicht, nur verhindert“ beschreiben.

Nach dem Hinspiel lag die Wahrscheinlichkeit bei über 99%, dass die Gemütslage genau so sein würde. Jedem, der sich auch nur ein kleines bisschen mit dem Fußball und seinen Fans auseinandersetzt, war das von vornherein klar. Jedem? Nein, allein die Bullen waren ahnungslos und gingen fest davon aus, dass uns nach Platzsturm und einer „Meisterfeier“ auf dem Platz zumute sein würde.

So marschierten sie martialisch und bis unter die Zähne bewaffnet in Zuschauerbereiche ein und bauten sich im Innenraum des Stadions vor dem Block auf, was zunächst mal verhinderte, dass die Mannschaft durch kam, um sich für den Support zu bedanken.

Den Wermutstropfen zu einem Fußballfest hat also mal wieder die Obrigkeit gesetzt, die lieber eskaliert anstatt zu deeskalieren und für Sicherheit zu sorgen.

Am Rande aller Spiele finden ja im Vorfeld einige Sicherheitsbesprechungen der Protagonisten von Obrigkeit und Vereinen statt, reine Zeitverschwendung, wenn die eine Seite nur ihr eigenes Ding und sich nicht an Absprachen hält. Unsere Fanbetreuung habe ich selten so aufgebracht erlebt, wie an diesem Abend.

Nun war er also vollbracht, der Klassenerhalt! Zum zweiten Mal in Folge auf den letzten Drücker, Sebastian Hoeneß sei Dank.

Wobei, hätte man sich das Kapitel Labbadia erspart, hätte ich zumindest den Klassenerhalt auch Michael Wimmer zugetraut, der, wie wir bei der USA-Reise in Austin erleben durften, einen sehr guten Draht zur Mannschaft besaß.

Auch andere, modernere Trainer, hätten wohl mehr aus der Truppe herausgekitzelt, als es Labbadia tat. Dieser stülpte der Mannschaft ein Korsett über, mit dem sie nicht zurecht kam, während Hoeneß in der Kürze der Zeit pragmatisch aus den gegebenen Mitteln das Optimum herausholte und Spieler, die unter Labbadia überhaupt keine Rolle spielten, bestes Beispiel Enzo Millot, stärkte und Vertrauen schenkte.

Er übertrug die Last der Verantwortung auf mehrere Spieler, so dass Wataru Endo sich auf seine Kernaufgaben konzentrieren konnte, was zugleich anderen Spielern Raum zur Entfaltung bot. Viel mehr konnte Hoeneß, ohne Einflussmöglichkeit was den Kader betrifft, nicht machen und mehr durfte man auch nicht verlangen, als dass er den VfB vor dem Abstieg rettete. Für mich zunächst eine Momentaufnahme. Ich war zwar zufrieden, wie das Team sich aus dem größten Schlamassel befreite und wie Hoeneß den VfB repräsentierte, aber, als gebranntes Kind wusste man genau so gut, der nächste Herbst, der kommt bestimmt. Frei nach den Onkelz, „Nichts ist für die Ewigkeit“, gilt das in erster Linie auch für VfB-Trainer.

Die Verantwortlichen versprachen eine eingehende Saisonanalyse, um in der kommenden Saison stabiler und weniger wechselhaft unterwegs zu sein, und vor allem nicht schon wieder bis zum allerletzten Tag um den Ligaverbleib bangen zu müssen. Wie Hoeneß wirklich tickt und was er mit der Truppe wirklich vor hat, sollte sich erst in den darauffolgenden Monaten herauskristallisieren.

Bereits vor den Relegationsspielen zog der VfB die Kaufoption in Höhe von 9 Millionen Euro für Serhou Guirassy, DER Lebensversicherung der letzten Saison.

Zwar wäre alles andere auch fahrlässig gewesen, zwar sprießen die Transfergerüchte während jedes Transferfensters wieder hoch, dennoch ein wichtiger Fingerzeig für die Saisonplanung.

Serhou scheint ziemlich geerdet zu sein, mit seiner Familie fühlt er sich in Stuttgart offenbar sehr wohl, so dass vielleicht ausnahmsweise auch weiche Faktoren eine Rollen spielen, weshalb ein begehrter Spieler nicht das erstbeste, auch wenn besser dotierte, Angebot anderer Clubs annimmt.

Außerdem scheint für den Spieler auch sportlich und menschlich hier alles zu passen. Er wuchs in eine Führungsrolle hinein, wird von den Fans geliebt und performt wie auf noch keiner seiner vorigen Stationen. Das alles aufzugeben und das Risiko einzugehen, sich im gesetzteren Alter mit Frau und drei Kindern auf die nächste Odyssee zu begeben, fällt ihm offenbar schwer.

Klar ist alles nur eine Momentaufnahme, klar weiß man nicht, wie sein Berater auf ihn einredet, aber, wie wir heute wissen hielt Guirassy zumindest in den letzten zwei Transferfenstern Abwerbungsversuchen stand und ist bis heute noch da.

Unmittelbar nach der überstandenen Relegation wurde der erste echte Neuzugang für die neue Saison verkündet. Maximilian Mittelstädt, Ur-Herthaner und allein schon deshalb erst einmal kritisch beäugt. Nach vielen Jahren Hertha, in denen er hauptsächlich als Backup für Marvin Plattenhardt fungierte, und wenn er denn spielte, von den Berlinern gerne Maxi Mittelmaß genannt, zog es den Spieler nach dem Abstieg des Berliner Sportclubs raus aus der Komfortzone.

Mir klingt der Tenor vieler VfB-Fans noch in den Ohren, die den Teufel an die Wand malten und aus dem Wechsel schlossen, der VfB plane einen Zweitligakader.

Ich sah das etwas anders. Zwar beschäftigte ich mich wenig bis gar nicht mit den Spielern von Hertha BSC, ABER, nach alldem was ich in Marbella, klar, noch unter Bruno Labbadia, mitbekommen hatte, war den Verantwortlichen, auch dem neuen Sportdirektor Fabian Wohlgemuth, ein Dorn im Auge, dass auf dem Platz mehr französisch als deutsch gesprochen wurde und zudem die Altersstruktur, Stichwort Jugendwahn, nicht passen würde.

So reichten mir die Attribute Mittelalter, bundesligaerfahren, deutsch, um den Transfer als gut und schlüssig einzuordnen. Dass der Spieler dann so durch die Decke gehen würde, konnte natürlich keiner, ich auch nicht, erahnen.

Auch der 26. Juni 2023 war ein guter Tag für den VfB Stuttgart. Da kam nämlich die Meldung über die Agenturen „Florian Müller verlässt den VfB“.

Für mich mit die größte Fehleinschätzung von Sven Mislintat. Ein Zappelphilipp vor dem Herrn, der sich selbst in einem existentiell wichtigen Spiel wie dem Saisonfinale 2022 gegen Köln noch den Ball quasi ins eigene Tor boxte.

Was hab ich in den zwei Jahren diskutiert, wie ein unsicherer Torwart seine Vorderleute verunsichert, um dann gesagt zu bekommen, er hatte ja auch schon gute Spiele. Leute, das ist das berühmt berüchtigte blinde Huhn, kein Wunder, dass er auch in Freiburg hinter einem wackelnden Nachwuchstorhüter nicht zu Einsätzen kommt. Drei Kreuze, als dieses Kapitel endlich beendet war.

Als zweiter Neuzugang wurde Wooyeong Jeong präsentiert, der vom SC Freiburg an den Neckar wechselte. Jeong schoss von seinen insgesamt zehn Bundesligatoren alleine drei davon gegen den VfB, womit er auf dem Wasen schon mal nicht gänzlich unbekannt ist. Dass Sebastian Hoeneß diesen Spieler wollte, rührt aus der gemeinsamen Zeit bei den Bayern-Amateuren.

Nächster Neuzugang wurde Jamie Leweling, der von Union Berlin auf Leihbasis kam und an dem der VfB schon zu seiner Fürth-Zeit bereits schon einmal dran war.

Danach ging es ins Trainingslager nach Neukirchen am Großvenediger in Österreich, welches nach zwei Tagen wegen anhaltender Regenfälle auch schon wieder abgebrochen wurde.

Ich hatte die komplette Woche in einer schönen Ferienwohnung gebucht, und, weil bereits bezahlt und weil ich Schwabe bin, die komplette Woche durchgezogen.

Am Tag der Abreise des Teams durften die mitgereisten Fans in einem Nebentrakt des Mannschaftshotels das Essen, welches für die Mannschaft gedacht und vorbereitet war, genießen. Christian Schmidt, Alex Wehrle und Christian Gentner sind den Tag noch da geblieben, so dass wir auch ohne das Team und obwohl wir lediglich ein einziges Training, bei dem sich zu allem Überfluss Mittelstädt auch noch verletzte, gesehen haben, eine gute Zeit hatten.

Alex Wehrle ließ zudem seine, vielleicht auch die des VfB, Kreditkarte glühen, was die VfBler natürlich an dem Abend bei guter Laune hielt.

Die Ironie der Geschichte um das völlig verkorkste und letztlich abgebrochene Trainingslagers ist ja, dass wir im Anschluss die beste Saison der Vereinsgeschichte spielen, während ich zuvor etliche Trainingslager erlebt habe, die stets als die besten aller Zeiten bezeichnet wurden, um sich bei den ersten Spielen schon fragen zu müssen, ob die Kicker jemals zusammen gespielt haben. Wie der Schwabe sagt „So isch’s nô au wieder“!
Nächster Transfer war der von Alexander Nübel. Erstmals hatte man, im übrigen wenige Wochen nach dem groß verkündeten Beginn eines Weltmarken-Bündnisses, den Eindruck, dass mehr geklotzt denn gekleckert wird beim VfB.

Anfangs, als der Name Nübel ins Spiel kam, war ich skeptisch und hatte Bedenken, dass Nübel von zu großem Ehrgeiz getrieben sein könnte, was wiederum zu Leichtsinnsfehlern führt, wenn ein Torhüter mehr denkt als intuitiv handelt.

Als er 2020 von Schalke zu den Bayern wechselte, glaubte er dem Vernehmen nach ernsthaft, in einen offenen Zweikampf mit Manuel Neuer zu gehen und war sichtlich angepisst, als dem nicht so war.

Damals dachte ich, in welcher Welt lebt der denn? Nach einem Jahr ging er leihweise zur AS Monaco und schlägt nun also beim VfB die Zelte auf.

Je mehr der Name Nübel diskutiert wurde, freundete ich mich mit der Möglichkeit an und würde mich jetzt natürlich freuen, wenn er uns weiter erhalten bleiben würde.

Ob noch ein Jahr auf Leihbasis oder vielleicht sogar fest, sollten die Bayern ihn ziehen lassen und andere Pläne haben. Nübel wird im September immerhin auch schon 28 Jahre alt und hätte sicher nichts dagegen, so langsam aber sicher mal irgendwo sesshaft zu werden.
Bei Versprechen in die Zukunft, wie dem von Dennis Seimen, bin ich vorsichtig. Fußball ist Tagesgeschäft, wir leben im Hier und Jetzt, sollte sich eine Möglichkeit bei Alexander Nübel auftun, wäre das zunächst einmal eine Garantie, in den nächsten Jahren Ruhe auf dieser wichtigen Position zu haben.

Das letzte Versprechen in die Zukunft hieß übrigens Sven Ulreich, für den zwei Jahre lang Jens Lehmann als Platzhalter und Lehrmeister fungierte und dem man ohne dem Vorbehalt, dass er auch tatsächlich dazu lernt, die Nummer 1 versprochen hatte. Ulreich war für mich lange, neben Gentner, das Gesicht des Niedergangs, auch bei ihm machte ich drei Kreuze, als er endlich fort war, übrigens, Zorniger sei Dank!
Anfang August durften wir die nächste Leihe beklatschen. Deniz Undav kommt von Brighton & Hove Albion aus der Premier League. Dort hatte er immerhin in der vergangenen Saison in 30 Pflichtspielen 8 Tore erzielt und trug dazu bei, dass der vergleichsweise kleine Verein diese Saison in der Europa League spielt.

Sein Trainer dort hieß Roberto de Zerbi, seines Zeichens Italiener, und mittlerweile so etwas wie der heißeste Scheiß auf dem Trainermarkt. Bei ihm hat Sebastian Hoeneß zwischen seinen Engagements in Hoffenheim und dem VfB hospitiert, von ihm nahm er Anleihen mit, die er seinen Mannschaften gerne einzutrichtern gedachte. Was würde da näher liegen, als direkt Spieler von dort zu verpflichten, die bereits wissen, was der neue Trainer von ihnen erwartet. Wenig überraschend also, dass der einzige Winterneuzugang Mo Dahoud ebenfalls vom Club von der englischen Südküste kam.

Undav hat einen heutzutage völlig untypischen Karriereweg hinter sich. Bei Werder Bremen ausgemustert, ging es über Weyhe, Havelse, Braunschweig II, dem SV Meppen zu Union Saint Gilloise nach Belgien, wo das Team völlig überraschend nach 34 Spieltagen, mit 25 Undav-Toren, als Tabellenführer in die Meisterrunde ging, dort aber letztlich dem FC Brügge den Vorzug lassen musste. So jedenfalls wurde man in England auf ihn aufmerksam, ehe er nun, im zarten Alter von 27 Jahren, in der Bundesliga angekommen ist.

Jetzt, ein knappes dreiviertel Jahr später, könnten wir Leihgeschäfte verfluchen. Ich würde alle drei im Sommer verpflichteten Leihspieler gerne auch nächste Saison beim VfB sehen.

Vielleicht klappt es ja sogar auch, zumindest sollten wir tatsächlich die Championsleague erreichen. Wenn nicht, ist das zwar bedauerlich, aber eben Teil des Geschäfts. Solche Transfers und damit mutmaßlich auch eine solche Saison wären ohne die Leihen nicht möglich gewesen.
Also, erfreuen uns doch noch daran und nehmen die Situation im Sommer so, wie sie sich dann darstellen wird. Sollten die Spieler nicht fest verpflichtet bzw. weiter „geliehen“ werden können, ist Wohlgemuths und Hoeneß’ Kreativität eben wieder gefragt, und es kommen vielleicht noch bessere nach.

Wer weiß das schon? Ich persönlich habe überhaupt kein Problem mit Leihen, die einem kurzfristig einen riesigen Mehrwert bringen können und mit wenig wirtschaftlichem Risiko verbunden sind. Fragt mal in Bremen nach, für mich die Mutter aller Leihgeschäfte, ob es auch nur einer bereut, dass ein gewisser Kevin de Bruyne wenigstens ein Jahr lang seine Kickstiefel für grün-weiß geschnürt hat!

Anfang August stand dann der letzte Test vor dem Saisonstart an. Und was für einer! Es ging auf die Insel zum Premier League Aufsteiger Sheffield United.

Als dieser Test bekanntgegeben wurde, war es klar, dass wir dort hin reisen würden. Endlich wieder „Stuttgart International“. Es war ein klasse Trip mit vielen alten Weggefährten, ehemaligen und aktuellen Allesfahrern, sprich, man kennt sich, man schätzt sich, und man sah einmal mehr, was den VfB ausmacht.

Das Spiel beim inzwischen abgeschlagenen Schlusslicht der Premier League gewann der VfB durch drei Guirassy-Tore mit 3:0. Mehr als vom Ergebnis war ich aber zu dem frühen Zeitpunkt bereits von der Spielanlage angetan, die mich mit einem guten Gefühl in die Runde gehen ließ.
Was sich anschließend im Stadion-Pub, der nahezu komplett von VfB-Fans eingenommen worden ist, abgespielt hat, war einfach nur überragend. Die Vorfreude auf Europa ist jedenfalls jetzt schon riesig.

Die ersten beiden Spiele, das Pokalspiel in Reutlingen gegen die TSG Balingen, sowie den Bundesliga-Auftakt gegen den VfL Bochum verpasste ich urlaubsbedingt. Es ging per Kreuzfahrtschiff in den hohen Norden, wo sich guter Empfang in Grenzen hielt und ich teilweise mal wieder auf den guten alten Videotext in der Kabine angewiesen war.

Die Losfee und auch der Bundesligaspielplan meinten es ja gut mit mir. Ob in Balingen, Pfullendorf, dem Gazi-Stadion oder in Reutlingen gespielt werden würde, ein neuer Ground wäre mir so oder so nicht entgangen.

Und ein Heimspiel gegen Bochum kann man auch mal verpassen, ein geiles Auswärtsspiel hätte mich da mehr gegrämt. In Reutlingen erledigte der VfB seine Pflichtaufgabe ohne großen Glanz, aber souverän und siegte durch die Tore von Millot, Silas, Guirassy und Endo mit 4:0.
Soweit, so gut! Dass Endos 4:0 gleichzeitig das Ende seiner VfB-Aera markierte, damit war bei weitem nicht zu rechnen. Es gab ja einige potentielle Abgangskandidaten, die sich schon seit Jahren zu höherem berufen fühlten, Endo gehörte nicht dazu. Er machte zwar nie einen Hehl daraus, dass ihn die Premier League einmal reizen würde, war aber jetzt nicht der Typ Kalajdzic oder Mangala, die einzig des Geldes wegen zu mittelmäßigen englischen Clubs wechselten.

Endo war keiner, der auf Teufel komm raus wechseln wollte. Eher so die Marke, lieber den Spatz in der Hand als die Taube auf dem Dach. So stand, seit Endo 2019 vom VV St. Truiden in Belgien zum VfB wechselte, nie ein Wechsel ernsthaft im Raum.

Unter Tim Walter noch verkannt und erst auf Druck dessen Chefs Mislintat zum Einsatz gekommen, erarbeitete sich Endo beim VfB schnell den Ruf des absoluten Musterprofis mit unbändigem Einsatzwillen. Es gab Spiele, da hatte man den Eindruck, er zerpflückte jeden Zentimeter des Rasens, stopfte jede Lücke und war zudem noch torgefährlich. Ein Spieler, als Japaner von Haus aus mit einer überragenden Disziplin ausgestattet, wie ihn sich jeder Verein nur wünschen kann. Von ihm konnte man es sich beim besten Willen nicht vorstellen, dass er mir nichts, dir nichts, und das auch noch als Kapitän, den Verein verlassen würde, schon gar nicht einen Tag vor Saisonbeginn.

Das hätte er sicherlich auch nicht getan und der VfB hätte ihn wohl auch nicht ziehen lassen, wenn denn die Motive für einen Wechsel ausschließlich monetär gewesen wären und irgendein Klepperlesverein daher gekommen wäre.

Doch, es war tatsächlich der große FC Liverpool mit seinem großartigen Trainer Jürgen Klopp, der um Endos Dienste warb, womit es um den sympathischen Japaner geschehen war. Manchmal muss einfach der Zeitpunkt passen bzw. muss man zugreifen, wenn die Möglichkeit da ist und ein Club wie Liverpool gerade Bedarf hat.

Der VfB legte Endo keine Steine in den Weg, offenbar auch, weil es sich die Engländer einiges kosten ließen, den lediglich bis Juni 2024 an den VfB gebundenen Endo zu bekommen und den VfB angemessen zu entschädigen, so dass letztlich alle Seiten zufrieden waren.

Das Medienecho in England und bei den Liverpool-Fans war gewaltig. So gut wie niemand kannte Endo, alle dachten, Kloppo wäre verrückt geworden und dass Endo den Liverpool-Ansprüchen bei weitem nicht genügen würde. Jetzt, einige Monate später, liest man nur noch „what a player“. Die Endo-Mania hat nun auch die Jungs von der Merseyside erfasst.

Ich fand es auch wirklich schade, dass uns Endo verließ, gönne ihm aber weiterhin alles, was er in England noch erreichen kann. Dennoch tu ich mich mit dem Wort Legendo schwer. Ein Spieler, der lediglich vier Jahre hier verbracht hat, als Legende zu titulierten wird denen nicht gerecht, die zehn Jahre und mehr für den VfB die Knochen hin hielten und Titel feierten. Endo wird für immer mit dem Lastminute-Klassenerhalt gegen Köln verbunden sein, das war’s dann aber fast schon wieder!

Auch ohne Endo siegte der VfB im ersten Bundesligaspiel gegen den VfL Bochum mit 5:0. Waldemar Anton wurde neuer Kapitän, Zagadou und je zwei Mal Silas und Guirassy schossen den deutlichen Sieg heraus, der den Protagonisten eher unangenehm zu sein schien.

Das Wörtchen Demut hörte man nicht nur aus des Trainers Mund, alle warnten vor einer zu großen Erwartungshaltung. Bemerkenswert war, dass Guirassy nach dem Spiel im Mannschaftskreis das Wort ergriff und die Truppe auf die kommenden Aufgaben, die zwangsweise ohne den bisherigen Kapitän Endo bewältigt werden mussten, einschwor, und sich, wenn es noch eines Beweises bedurfte, spätestens da zu einem absoluten Führungsspieler beim VfB aufschwang.

Dinos Mavropanos fehlte schon gegen Bochum und wechselte kurz darauf zum Conference League Sieger West Ham United. Nicht gerade die ganz große Hausnummer, doch, was soll’s, Reisende soll man nicht aufhalten. Der Grieche war, im Gegensatz zu Endo, schon einer, dem der VfB nie gut genug zu sein schien, so dass sein Abgang weder sonderlich überraschte, noch schmerzte.

Am Tag des Leipzig-Spiels wurde der mutmaßliche Nachfolger von Endo auf der Doppel-Sechs verpflichtet, Angelo Stiller. Der 22-jährige, der sämtliche Nachwuchsmannschaften des FC Bayern durchlaufen hat, kam von der TSG Hoffenheim und hat dort trotz seines jungen Alters bereits 47 Bundesligaspiele bestritten. Wie Jeong, hat auch Stiller bereits unter Sebastian Hoeneß trainiert und das sowohl bei den Bayern-Amateuren, als auch in Hoffenheim.

Als Hoeneß rief, stand für Stiller fest, dass er dem Lockruf seines Mentors folgen wollte, eine Konstellation, die den Wechsel wohl erst möglich machte. Zum einen war er bei Hoffenheim kein Wechsel-Kandidat, zum anderen hätte man ihn zu diesem Preis wohl auch nicht bekommen, wenn der Spieler selbst nicht seinen Wechsel vehement forciert hätte.

Ich finde solche Konstellationen spannend, wenn ein Trainer Spieler hat, die ihm, wohin auch immer, folgen wollen. Beide Parteien wissen, was sie aneinander haben, Hoeneß wusste offenbar, dass Stiller DAS Puzzleteil ist, das ihm noch fehlt. So sehr man Endo mochte, wer redet heute noch von ihm, wer vermisst ihn ernsthaft. Stiller schwang sich in kürzester Zeit zum Taktgeber und Spielmacher auf und ist für mich neben Nübel der beste Transfer seit Jahren.

Nach dem 1:5 in Leipzig trotz einer sensationell starken ersten Halbzeit machten die Brustringträger auch beim zweiten Heimspiel gegen den einstigen Angstgegner SC Freiburg kurzen Prozess. Wieder hieß es 5:0! Und wieder hieß es, der VfB sei auf einen Gegner mit einem rabenschwarzen Tag getroffen. Diese Betrachtung von außen sollte den VfB noch weit in die Vorrunde hinein begleiten.

Noch vor dem Freiburg-Spiel, am letzten Tag der Transferperiode, zog es Borna Sosa zu Ajax Amsterdam. Sven Mislintat, damals noch in Diensten von Ajax, erinnerte sich offenbar an seine Zusage im Abstiegskampf, Sosa solle doch bitte bleiben, und er könne dann noch immer bei entsprechendem Angebot wechseln. Da möchte ich nicht wissen, was unter der Hand lief, um in grauer Vorzeit gegebene Zusagen einzuhalten, möglicherweise mit ein Grund, weshalb Mislintat mit Schimpf und Schande von Ajax davon gejagt wurde.

Letztlich für mich, ähnlich wie bei Dinos, endlich der Abgang. Ständige Wechselgerüchte nerven, außerdem ist es nicht gerade leistungsfördernd, wenn man mit den Gedanken permanent quasi schon weg ist und seinen Teamgefährten den Eindruck vermittelt, dass sie ja eigentlich unter ihrem Niveau sind. Einen Zugang gab es auch noch zu vermelden, Anthony Rouault, dessen Leihe sich inzwischen zu einer Festverpflichtung gewandelt hat, kam aus Toulouse zum VfB.

Nach dem überragenden Sieg gegen den SC Freiburg folgte zunächst einmal die Länderspielpause. War es „früher“ ein Problem, wenn der Flow durch diese unsäglichen Pausen unterbrochen wurde, macht der VfB in dieser Saison einfach weiter.

Beim Abstiegskandidaten Mainz 05 zeigte sich der VfB widerstandsfähig und bewies nach dem Ausgleich Comeback-Qualitäten, so dass durch drei Guirassy-Tore der erste Auswärtssieg der Saison heraussprang. Dabei zeigte der Guineer seine Vielseitigkeit, in dem er ein Tor mit rechts, eines mit links und eines mit dem Kopf erzielte. Vor allem vom 1:2 bin ich bis heute angetan, als er wie eine Gazelle enormen
Gleichgewichtssinn bewies und nach schöner Vorarbeit von Mittelstädt Zentner im Mainzer Tor umkurvte und überlegt einschob. Damit stand Guirassy nach vier Spieltagen bereits bei acht (!) Saisontoren.

Danach siegte man Freitagabends gegen Darmstadt 98 mit 3:1. Auch da bewies die Mannschaft Widerstandsfähigkeit und kam nach frühem 0:1-Rückstand schnell zurück. Biss man sich vor nicht allzu langer Zeit noch gegen tiefstehende Gegner die Zähne aus, ist mittlerweile eine spielerische Leichtigkeit und auch Geduld vorhanden, jeden Gegner auseinander zu spielen.

Und wenn’s vielleicht mal schwierig wird, packt Guirassy von der Strafraumgrenze und quasi aus dem Stand den Hammer aus. Ich stand im Stadion und dachte nur „Wow“. Da blieb einem echt die Spucke weg.

In Köln, gegen den dritten Abstiegskandidaten in Folge, hielt der VfB den Kölner Angriffsbemühungen stand und es trat erstmals Deniz Undav als Torschütze in Erscheinung, und das gleich doppelt.

Wenn’s läuft, dann läuft’s halt, auch in Spielen, in denen man nicht unbedingt besser ist als der Gegner. Köln war so ein Spiel, das man in den Vorjahren wohl verloren hätte. Der VfB unter Hoeneß will immer gewinnen. Das war beileibe nicht immer so. „Früher“ hätte man vermutlich in einem zähen Spiel versucht, das 0:0 über die Runden zu bringen, um am Ende doch noch den Knockout hinnehmen zu müssen.

Vor der nächsten Länderspielpause stellte sich der VfL Wolfsburg im Neckarstadion vor. Mannschaften von Nico Kovac sind traditionell schwer zu bespielen, erst recht, wenn man in Rückstand gerät. 70 Minuten lang sah der VfB quasi kein Land gegen diszipliniert verteidigende Wölfe, ehe die große Guirassy-Show einsetzte.

Wie schon in Mainz war ich tief beeindruckt, von der Entwicklung und auch der Führungsstärke, die bei Guirassy eingesetzt hat. In einem Spiel, in dem wirklich gar nichts ging, holte er den Elfmeter heraus, der den Wendepunkt markieren sollte. Wie er das tat, war für mich an Cleverness kaum zu überbieten. Die Szene hatte ich durch meinen Platz in der Untertürkheimer Kurve gut im Blick. Für mich sah es so aus, dass er nicht zwingend abheben musste. Es ratterte aber wohl eine Zehntelsekunde lang in seinem Kopf, da er einen Tritt gespürt hatte, ehe er sich hinwarf, im Wissen, dass die Szene gecheckt werden würde. So gab es den Elfmeter, den er in Panenka-Manier versenkte. Ähnlich elegant wie beim 2:1 in Mainz erzielte er auch das 2:1 gegen die Autostädter, ehe er seine Top-Leistung krönte und fast wie früher Jay-Jay Okocha die halbe Abwehr narrte und überlegt zum 3:1 einschob.

Für mich stellte dieses Spiel einen Wendepunkt dar. Ich ließ mir zwar die Ergebnisse bislang bzgl. leichtem Startprogramm nie kleinreden. Es gibt ja viele sinnbefreite Fußball-Floskeln, an einigen ist jedoch auch Wahres dran. Ein Gegner spielt immer so stark, wie man es selber zulässt, ist bspw. so eine Floskel, mit der sich die bisherige Serie erklären ließ. Kein einziges Bundesligaspiel ist eine Selbstverständlichkeit, es zu gewinnen, deshalb war ich auch vor dem Wolfsburg-Spiel schon sehr angetan von der bisherigen Saisonleistung. Wolfsburg aber war ein Spiel, wo Resilienz gezeigt wurde. Es war mitunter verdammt schwierig, den Spagat zu schaffen, zwischen Rückstand aufholen und sich ja kein zweites Gegentor einzufangen. Es war greifbar, wie die Truppe nach Lösungen suchte, wie sie sich rein arbeitete, wie sie sich abarbeitete am Gegner, um ihn schlussendlich zu killen. Ab da war klar, dass die bisherigen Ergebnisse kein Zufall mehr sein können und dieses Team in dieser Saison mit dem Abstiegskampf nichts zu tun haben würde.

Sebastian Hoeneß hat einen Spielstil beim VfB etabliert, der in der Liga, von Leverkusen abgesehen, seines Gleichen sucht. Lassen wir mal die Neuzugänge außen vor, doch, was hat Hoeneß mit den Jungs gemacht, die bereits hier waren? Jahrelang regte ich mich über technische Unzulänglichkeiten auf, regte mich auf, wenn ein 5-Meter-Pass zehn Meter vom Fuß wegspringt, wenn einfachste Bälle nicht an den Mann gebracht werden, dass man nur am hinterherlaufen war, dass Torchancen Mangelware waren, etc. pp.

All das hat sich ins Gegenteil umgekehrt, der VfB hat Passmaschinen herangezüchtet, hat eine überragende Raumaufteilung, es finden sich immer Anspielstationen, meist sogar mehrere, es werden Torchancen kreiert und, wenn mal nicht alles nach Wunsch funktioniert, verliert das Team nicht den Kopf und spielt geduldig seinen Stiefel weiter.

Hoeneß hat jeden Spieler besser gemacht. Millot möchte ich da gar nicht aufführen in dem Zusammenhang, der war für mich schon immer ein überragender Fußballer, leider vorher eben mit den falschen Trainern. Welche Entwicklung aber Führich und Karazor in dieser Saison durchlaufen haben, ist für mich unbegreiflich. Beide haben schon immer hier und da gewisses Potential gezeigt, waren aber zu inkonstant und vor allem Führich zu oft in der Entscheidungsfindung falsch gelegen.

Chris Führich ist mittlerweile Nationalspieler geworden und gibt dem VfB-Spiel wertvolle Impulse. Er hat das Gespür, wann er Linie gehen und wann nach innen ziehen muss und hat jetzt schon mehr Scorer-Punkte gesammelt, als in seinen bisherigen Jahren beim VfB.
Karazor genauso. Wie schlecht sah man sich aufgestellt, als Endo von heute auf morgen den Verein verließ. An der Seite von Stiller machte Karazor jetzt noch einen riesen Schritt nach vorn und ist aus der Stammelf nicht mehr wegzudenken.

Ich gebe es gerne immer wieder und unumwunden zu. In den Jahren, am Rand der Zweitklassigkeit, waren Führich und Karazor die Spieler, die genau das verkörperten. Ich bezeichnete beide als typische Zweitligaspieler, für die die Bundesliga eine Nummer zu groß sei. Dass sie eine solche Entwicklung nehmen und vor allem, dass ein Trainer eine derartige Steigerung bewirken kann, ist für mich genauso unglaublich wie faszinierend.

Außer Nübel, dem perfekten Torwart für diesen Ballbesitzfußball ist natürlich auch Angelo Stiller ein absoluter Volltreffer. Der Junge ist Taktgeber und Spielmacher zugleich und hat ein Gefühl für den Ball und den Raum, wie ich es selten bei einem Spieler seines Alters gesehen habe. Zudem ist er technisch und taktisch auf allerhöchstem Niveau, so dass auch an ihm der Bundestrainer über kurz oder lang nicht mehr vorbeikommen wird.

Unter Hoeneß ist der VfB brutal variabel geworden und in der Lage situativ sein Spielsystem anpassen. Eine sehr wichtige Rolle nimmt hier aber immer der Torwart ein, der auch mal eine halbe Minute mit dem Fuß auf dem Ball stehen bleibt, wenn auf dem Feld keine Bewegung ist. So wird der Gegner herausgelockt, ehe einer der immer anspielbaren Verteidiger ins Spiel eingebunden wird und den Ball weiter trägt. Sei es zurück zum Torwart oder, wenn sich Lücke bieten, schnell nach vorne. Der VfB hat so einen Spielstil entwickelt, der ganz eindeutig die Handschrift des Trainers trägt.

Auch aus dieser Länderspielpause kam der VfB mit einer Selbstverständlichkeit raus, die langsam schon unheimlich wurde. Bei Union Berlin gelang der erste Sieg überhaupt in Köpenick. Großer Wermutstropfen allerdings die Verletzung von Serhou Guirassy. Zunächst bereitete er sein 0:1 noch selbst vor, indem er zu Rouault passte, der wiederum punktgenau flankte und Guirassy dann per Kopf traf. Danach musste er mit einer Muskelverletzung raus und sollte die nächsten Spiele ausfallen. Silas und Undav erzielten die weiteren Tore beim verdienten 0:3. Gerade auf Letzteren würde es nun erstmals so richtig ankommen.

Die Heimniederlage gegen Hoffenheim gab all jenen Nahrung, die schon munkelten, ohne Guirassy sei der VfB allenfalls nur die Hälfte wert. Wie wenn man dies noch unterstreichen wollte, verschoss Undav nach einer halben Stunde beim Stand von 0:2 übermotiviert einen Elfmeter. Dennoch war man zu jeder Zeit gut im Spiel und verlor bei 23:7 Torschüssen unglücklich und unverdient.

Als das danach folgende Bundesligaspiel (zuvor gab’s ein 1:0 im Pokal gegen Union Berlin) in Heidenheim ebenfalls verloren wurde, wurden bei Hoeneß bereits Parallelen zu seiner Hoffenheim-Zeit gesucht, in der er den Absturz nach gutem Start und dem Rutschen in eine Negativspirale nicht mehr verhindern konnte. Auf der Ostalb war es klar, dass es eine ganz unangenehme Aufgabe werden könnte und sich ein Spiel dort auch nicht gerade nach Bundesliga anfühlt.

Zudem spielte den Heidenheimern dann auch noch das nasskalte Ostalb-Wetter in die Karten, just in der Übergangszeit, als vom Winter in Stuttgart noch keine Spur war. Und doch muss der VfB per Elfmeter in Führung gehen (diesmal verschoss Silas) und hätte in der Nachspielzeit durch den Debütanten Raimund fast noch den Ausgleich erzielt. Ein Spiel also, das man auch nicht verlieren musste, wenngleich der Heidenheimer Sieg auch nicht unverdient war. Ein schlechteres Spiel darf man dieser Mannschaft schon auch mal zugestehen.

Einen kleinen Hoffnungsschimmer gab es vor der Partie gegen Borussia Dortmund zu vermelden. Serhou Guirassy saß bereits wieder auf der Bank. Ob als Finte, um den gegnerischen Trainer etwas zu verunsichern oder als ernsthafte Option, man wird es sehen. Wer bis zum Dortmund-Spiel noch geglaubt hatte, der VfB hätte seine Punkte gegen formschwache Gegner eingeheimst oder spiele konstant über seine Verhältnisse, sah sich während des Spiels eines Besseren belehrt.

Selten hab ich es erlebt, dass ein Dortmunder Team so hergespielt wurde. Zunächst verschoss Führich noch in der Anfangsphase den dritten Elfmeter in Folge.

Doch, auch das warf den VfB nicht aus der Bahn. Er spielte Dortmund an die Wand, nahezu die kompletten 90 Minuten über. Dennoch ging der BVB in der 36. Minute in Führung, als der ansonsten so stabil gewordene Ex-Dortmunder Zagadou kurzzeitig seine langen Haxen nicht sortiert bekam und Füllkrug dankend einschob. Dieser Nackenschlag bewirkte weder beim BVB, dass er vielleicht etwas mehr am Spiel teilnehmen wolle, noch beim VfB, dass man den Kopf in den Sand stecken würde.

Undav gelang noch vor der Pause der hochverdiente Ausgleich. Mitte der zweiten Halbzeit dann wurde Guirassy unter tosendem Applaus eingewechselt und wurde prompt zum Matchwinner. Silas holte mit seiner Schnelligkeit den zweiten Elfer im Spiel heraus, den Guirassy scharf und sicher verwandelte. Besser so, kein Panenka gegen Kobel, den einzigen Dortmunder mit Normalform. Am Ende standen 22:5 Torschüsse und ein hochverdienter Sieg gegen den Beinahe-Meister.

Danach war wieder Länderspielpause. Diesmal jedoch nicht für uns. Das erste Auswärtsspiel in Berlin gegen die Türkei ersparten wir uns noch, beim zweiten Auftritt in Wien gegen Österreich waren wir dann aber zugegen. Die letzten Länderspiele hab ich meist nur nebenher, auf dem Handy daddelnd, verfolgt.

Nun, erstmals seit langem wieder ein Spiel in voller Länge, das mich wirklich erschüttert hat. Ein Spiel wie zu düstersten VfB-Zeiten, keiner wollte den Ball, jeder versteckte sich, keine Führung auf dem Feld.

Schon da sagte ich, dass, wenn es denn etwas mit der Euro im eigenen Land werden soll, das Gerüst der Truppe aus den formstärksten Teams der Liga, dem VfB und Bayer 04 Leverkusen, gebildet werden müsse. Wie es aussieht, hat mich der Bundestrainer erhört, wenn man sich die letzte Nominierung ansieht.

Nach der Pause trat der VfB bei der Frankfurter Eintracht an, die sich anschickte die Europapokal-Plätze anzugreifen. Kaum angepfiffen, führte der VfB auch bereits 0:1 durch Undav. Der Ausgleich wurde einmal mehr gut weggesteckt und kurz vor der Pause mit dem 1:2, wiederum durch Undav, wurden die Weichen auf Sieg gestellt.

Nach diesem Spiel wurde nach meinem Empfinden zum ersten Mal „Europapokal, Europapokal, nach all der Scheiße, geht’s auf die Reise, Stuttgart International“ intoniert und das in den Katakomben in Dauerschleife, so dass wir fast noch unseren Zug zurück nach Stuttgart verpasst hätten. Einfach nur geil! Dann wurde Bremen eine Lehrstunde erteilt und viel zu niedrig mit „nur“ 2:0 besiegt, ehe das Pokal-Achtelfinale gegen Borussia Dortmund auf dem Plan stand.

Man hätte sich durchaus ein leichteres Los gewünscht und konnte es sich auch nicht so richtig vorstellen, dass wir die Dortmunder ein zweites Mal so klar dominieren könnten.

Ich hatte schon ein wenig Bammel vor dem Spiel und dachte an den angeschlagenen Boxer, nachdem wir sie wenige Wochen zuvor so demütigten. Doch, es entwickelte sich fast ein Spiel auf ein Tor und als es zur Pause immer noch 0:0 ließ ich mich zum Ausspruch hinreißen, der VfB müsse sich doch endlich belohnen. Das aus meinem Munde, wie sehr hat mich der Spruch von VfBlern in der Vergangenheit aufgeregt, wenn sie in 90 Minuten ein oder zwei Mal aufs Tor schossen und danach meinten, sie hätten sich nicht belohnt. Da fragte ich immer, für was belohnt, zum Teufel?

Anders in dem Spiel. Wie man im Bundesligaspiel gesehen hat, reicht eben ein Aussetzer um ins Hintertreffen zu geraten. Dieser passierte zum Glück nicht. Guirassy traf zehn Minuten nach der Pause und Silas machte schließlich den Deckel drauf. Ein hochverdientes Weiterkommen und die große Chance, endlich mal wieder weit zu kommen, nachdem die Bayern und Leipzig schon draußen waren. Leider bescherte uns die Losfee aber die Übermannschaft dieser Saison, Bayer Leverkusen.

Just jenes Leverkusen war dann auch der nächste Bundesligagegner. Man konnte fast schon von einem Giganten-Treffen reden. Das Top-Spiel war seit langem mal wieder eines, das den Namen echt verdiente. Ein rasantes Spiel, eine abartig geile erste Halbzeit vom VfB, eine bessere von Leverkusen in der zweiten, und fertig war das leistungsgerechte Unentschieden. Für mich war ausschlaggebend, dass der VfB in der zweiten Halbzeit nicht an die Leistung der ersten herankam, das kräftezehrende Pokalspiel. Gegen Dortmund dachte ich schon weit in der ersten Halbzeit, dass es fast unmenschlich sei, was die Jungs da laufen und auf dem Rasen abrissen. Im Pokalspiel hielten sie das Tempo über 90 Minuten hoch, deshalb denke ich, dass gegen Leverkusen irgendwann mal die Körner gefehlt haben. Es sei ihnen zugestanden. Ganz Fußball-Deutschland schwärmt mittlerweile von unserer geilen Truppe.

Dann ging es noch zu den zu den Bayern, wo es leider nichts zu ernten gab. Ausschlaggebend ganz sicher das frühe Tor schon in der 2. Minute nach katastrophalem Fehlpass von Karazor. Wenn so früh sämtliche Pläne über den Haufen geworfen sind, und das auch noch bei den Bayern, ist es schwierig dort Zählbares mitzunehmen. Zudem tat Tuchel das, was sich bislang die wenigsten trauten, und überhaupt nicht bayernlike ist. Er passte die Spielweise an die unsrige an und tat uns nicht den Gefallen, sich locken zu lassen. Muss man akzeptieren, wenngleich eine Niederlage bei den Bayern jetzt auch nicht ganz uneingeplant war.

Gegen Augsburg gab’s zum Jahresabschluss unter der Woche dann noch einen deutlichen 3:0-Sieg. Bezeichnend, dass sich unser magisches Dreieck, namentlich Undav, Guirassy und Führich, in die Torschützenliste eintrug und sich der Augsburger Kapitän Demirovic hinterher zur Aussage hinreißen ließ, er wäre noch nie so hergespielt worden.

Klang fast wie ein Bewerbungsschreiben, als er noch hinterherschickte, wie geil es zu beobachten sei, wie man mit Plan, Geschick und den richtigen Spielern die Trendwende vom Abstiegskandidaten zu einem Top-Team werden könne. Aus der Aussage sprach ehrliche Hochachtung und der Wunsch, dass die Truppe so zusammen bleibt und die Liga noch länger so begeistern möge. Chapeau!

Der Abschluss der Vorrunde verlief dann weniger nach Wunsch. Dieser fand bereits im Januar bei Borussia Mönchengladbach statt.
Wie in München wurde es nach dem 1:0 in der 1. Spielminute schwierig gegen kompakt verteidigende Gladbacher, zumal in der 19. Minute auch schon das 2:0 fiel.

Man kam dann durch Vagnoman in der zweiten Hälfte heran, doch zum Ausgleich reichte es nicht mehr. In der Nachspielzeit fiel dann noch das 3:1. Ungünstiger Jahresauftakt, wohl deshalb, weil auf ein Trainingslager verzichtet wurde und unsere Ansprache an die Jungs offenbar fehlte. ;-)

Der Rückrundenauftakt fand dann im Bochumer Ruhrstadion statt. Bochum ist immer ein Highlight, deshalb drücke ich dem VfL auch immer die Daumen, dass sie in der Liga bleiben.

Wo hat man das sonst noch, ein Stadion mitten in der Stadt, Kneipen drum rum, kleines, enges, fast britisches Stadion und eine Fangemeinde, die zwischen den Riesen Dortmund und Schalke, ihr Dasein fristet und extrem mit dem VfL durch dick und dünn geht. Finde ich geil!
Das Spiel war leider weniger geil, es setzte die zweite Niederlage in Folge. Die Halbzeit dauerte über ein Stunde lang, weil es Diskussionen um eine Fahne im Gästeblock gegeben hat, die angeblich die Öffnung eines Fluchttores verhindert hätte.

Das war natürlich Humbug, wir beobachteten bereits vor dem Spiel, dass sich Feuerwehrleute demonstrieren ließen, dass die Türe auf geht. Wer da während der ersten Halbzeit aus dem Tiefschlaf fiel und wem nichts Besseres einfiel, als, der Banner muss weg, man weiß es nicht.
Offenbar gab es Zuständigkeitsprobleme, oder, auf deutsch, die rechte Hand wusste nicht, was die linke macht. Der schwarze Peter wurde natürlich mal wieder den pösen Ultras zugeschoben, meiner Meinung nach hat sich hier keine Partei mit Ruhm bekleckert.

Als wir uns schon mit einem Spielabbruch auseinandersetzten und uns „freuten“, womöglich noch ein zweites Mal ins Ruhrstadion zu dürfen, wurde das Spiel fortgesetzt. Die Ungewissheit und lange Pause haben dem VfB jedoch nicht gut getan und so fiel das letztlich entscheidende 1:0 kurz nach Wiederanpfiff.

Erneut zwei Niederlagen in Folge, die nicht hätten sein müssen, und wieder ein VfB, der aus dieser Misere gestärkt zurück kam.

Nachdem im Dezember der Investoren-Deal der Bundesliga in geheimer Abstimmung abgesegnet und Stimmen laut wurden, die Abstimmung sei nicht mit rechten Dingen zugegangen, gell, Herr Kind, standen die folgenden Spiele im Zeichen von enormen Fanprotesten, die teilweise fast in Spielabbrüche mündeten.

Diese erschwerten natürlich die Planung, vor allem was Auswärtsspiele anging, waren letztlich aber fast durchweg friedlich, von hoher Kreativität geprägt, und führten schließlich auch zu einem vorläufigen Ende der Diskussionen, in dem die DFL für sich beschied „so kann es nicht weitergehen“ und den Deal bis auf Weiteres abblies.

Natürlich war es auch für die Spieler unbefriedigend und führte zu Brüchen im Spiel, oft auch von dem vom VfB, aber, Ende gut, alles gut! Insgesamt hatte ich den Eindruck, wie auch bei den Diskussionen um die Fahne in Bochum, dass sich der geneigte Fernsehzuschauer mehr darüber echauffierte als das Publikum im Stadion, welches die Situationen besser einordnen konnte.

Gegen Red Bull Fuschl setzte der VfB dann das nächste dicke Ausrufezeichen in dieser hervorragenden Saison. Guirassy, Ito und Jeong weilten weiter bei Afrika- und Asien-Cup, so dass Undav mal wieder in die Bresche springen musste und dies mit einem Dreierpack eindrucksvoll tat. Zuvor hatte Millot den VfB per Strafstoß in Führung gebracht, der erste verwandelte Elfer, der nicht von Guirassy geschossen wurde. RB kam zwei Mal vors Tor und nutzte beide Chancen. Bei 18:4 Torschüssen hätte der Sieg noch weitaus höher ausfallen können. Erwähnenswert auch noch, dass dem bereits als Chancentod verschrieenen Leweling sein erstes Tor für den VfB glückte. Damit ließ man also dem nächsten Topteam der Liga keine Chance und bezwang zudem den Brauseclub zum allerersten Mal in der Bundesliga. Dieser VfB pulverisiert diese Saison einfach jede Serie.

In Freiburg, vor dieser Saison auch noch ein Angstgegner, führte man durch Undav und Führich bereits nach 7 Minuten mit 0:2. Als man nach 18 Minuten auch noch in Überzahl spielte, war es fast klar, dass nichts mehr anbrennen würde und man sich so langsam für den Pokal-Kracher in Leverkusen schonen kann. Ganz so einfach wurde es dann nicht. Der Anschluss kurz vor der Pause saß, es dauerte noch bis zur 75. Minute ehe Mittelstädt frech über den Freiburger Keeper lupfte und den Deckel drauf machte. Dieser Sieg stand im Zeichen der Anteilnahme an der schweren Verletzung von Daxo Zagadou. Der Pechvogel, zuletzt mehr und mehr DER Turm in der Schlacht, zog sich erneut einen Kreuzbandriss zu und fällt den Rest der Saison aus.

Inzwischen war der VfB in aller Munde und das Pokal-Spiel gab es natürlich im Free-TV zu bestaunen. Auch dieses Spiel hielt, was es versprach. In atemberaubendem Tempo lieferten sich die beiden spielerisch besten Teams der Saison einen offenen Schlagaustausch und ein Duell auf Augenhöhe.

Trotz zweimaliger Führung durch Anton und Führich zog man in letzter Minute den Kürzeren, weil Tah einen Kopfball in die Maschen setzte. Sehr ärgerlich dabei, dass Andrich mit Gelb-Rot vom Platz fliegen muss, kurz bevor er den 1:1-Ausgleich erzielte.

Wie schon beim Halbfinale gegen Frankfurt hieß der Schiedsrichter Schlager, der offenbar zum zweiten Mal selbst bestimmen wollte, wie ein Pokalspiel verdammt nochmal entschieden werden soll. Was – erlaube – Spieler!

Beim Halbzeit-Interview stand Rudi Völler, bis vor kurzem bei Bayer 04, mittlerweile DFB-Sportdirektor, Rede und Antwort. Und, er schwärmte vom VfB in höchsten Tönen, dass es außergewöhnlich sei, ein so gut spielendes Team mit derart vielen deutschen Spielern.

Und, dass er es sich gut vorstellen könne, dass „einige“ bei der nächsten Kader-Nominierung dabei sein könnten. Da sich Völler und Nagelsmann sicherlich auch über Personalien austauschen, war es mir fortan fast klar, dass sich der Wind drehen würde, was die Nominierungen angeht. Weg von einstigen Stützen, hin zu formstarken und gierigen Jungs, die ihr letztes Hemd für einen Einsatz im Trikot mit dem Bundesadler geben würden.

Danach folgte wieder der Abstiegskandidaten-Dreierpack mit Siegen gegen Mainz 05 und in Darmstadt, sowie einem Remis zuhause gegen den 1. FC Köln. Natürlich sollte man nicht zufrieden sein, wenn der Dritte gegen den Drittletzten zuhause nicht gewinnt.

Aber, wir sind gebrannte Kinder und können uns nur zu gut daran erinnern, dass wir solche Spiele in der Vergangenheit eher verloren haben. Hoffnung stiftend war zudem die schonungslose Offenheit und Selbstkritik der Jungs, die sich selbst ein arrogantes Spiel attestierten. Ich sah das Unentschieden jedenfalls nicht als Beinbruch an, vor allem auch, weil man ja aus einer guten Serie kommt. Klar, hätte man in Darmstadt verloren, wäre ein Sieg Pflicht gewesen, so aber, Shit happens. Man kann schließlich auch nicht jedes Spiel gewinnen!

Das tat man dann aber auch schon wieder in Wolfsburg in überzeugender Manier. Guirassy, längst wieder vom Afrika-Cup zurück, per Doppelpack, sowie der immer stärker in Form kommende Vagnoman, auch so ein Kandidat für die Nationalelf, steuerten die Tore zum 2:3 in der Autostadt bei.

Danach schlug man Union Berlin zum dritten Mal in dieser Saison und gewann beim Heimspiel in Sinsheim mit 0:3. Damit revanchierte man sich nicht nur für die Hinspielniederlage, sondern legte einen Auftritt hin, der einer neuerlichen Machtdemonstration glich. Auf dem Platz gedemütigt, auf den Rängen sowieso, meldet Euch am besten ab liebe Dorftrottel und erspart euch weitere peinliche Auftritte auf den Rängen.
Die Dominanz auf dem Rasen war frappierend, das Spiel kann gut und gerne auch 0:8 ausgehen, vor allem nach der ersten Halbzeit muss man eigentlich mit 5:0 in Führung liegen.

Nun also die nächste Länderspielpause. Die Spatzen pfiffen es bereits von den Dächern. Sage und schreibe vier Nationalspieler, die gegen Frankreich in der Schlussphase gar alle zusammen auf dem Platz standen, stellt der VfB auf einmal. Natürlich ist das der Verdienst von Sebastian Hoeneß und seinem Team.

Maxi Mittelstädt, 500.000-Euro-Schnäppchen von der Berliner Hertha, schoss gar sein erstes Länderspiel-Tor und war Spieler des Spiels beim 2:1 gegen die Niederlande. Er dürfte seinen Stamm- und Startplatz bei der Euro im eigenen Land sicher haben, vorausgesetzt natürlich, er verletzt nicht und bricht leistungsmäßig nicht ein. Selbiges gilt für die anderen Nominierten. Führich wird wohl auch ziemlich sicher dabei sein, bei Undav und Anton habe ich auch ein gutes Gefühl.

Es waren ja nicht nur die zwei Siege und eine deutliche Leistungssteigerung gegenüber den letzten Länderspielen. Es war auch ein neuer Teamspirit erkennbar, auch was die Reservisten anging und da bringen unseres VfBler vieles mit, was jeder Mannschaft gut tut.

Zum einen herrscht auch beim VfB derzeit eine überragende Atmosphäre, die die Jungs in die Welt hinaustragen. Nagelsmann hat ja bereits angekündigt, dass sich der Kader nur noch in Nuancen ändern dürfte, von daher ist die Hoffnung groß, dass alle vier VfBler, und dafür lediglich ein Dortmunder dabei sein werden.

Wäre schön, Nagelsmann zöge diese Linie durch. Die Dortmunder stehen für mich schon seit langem für eine gewisse Loser-Mentalität. Jeder für sich erhebt aber den Anspruch dann auch zu spielen, weil sie unter völliger Verblendung leiden und ihre „Leistung“ null einschätzen können.
Dortmund ist für mich seit Jahren ein Sinnbild des Champions-League-Modus, wonach man nicht einmal mehr Meister werden muss, um an die ganz großen Fleischtöpfe zu gelangen. Wenn man es sich, wie Dortmund seit Jahren, auf den Plätzen zwei bis vier bequem macht, um es hinterher als großen Erfolg zu verkaufen, egal welche großen Sprüche man vorher geklopft hat, wo soll da die Gier herkommen, auch mal Erster zu werden, wie es bei der Euro möglicherweise gefragt sein wird.

Bevor man Hummels, Schlotterbeck und Süle aus der Versenkung ausgräbt, die sich alle selbst überschätzen, sollte Nagelsmann lieber einen Anton mitnehmen, formstark, als Persönlichkeit gewachsen, der froh ist, dabei zu sein, bereit ist, wenn er gebraucht wird, und ansonsten ein absoluter Teamplayer ist.

Auf die anderen Ausgemusterten wie Emre Can und Julian Brandt kann ebenfalls getrost verzichtet werden. Das sind genau die Typen Spieler, die Deutschland dort hin gebracht haben, wo es heute im Fußball steht. Kein Biss, verstecken sich, wenn es ungemütlich wird, sprich, die braucht kein Mensch bei dieser Nationalmannschaft.

Mit dem, was bei den jüngsten beiden Länderspielen auf dem Platz stand, gehe ich weitestgehend d’accord. Die Kroos-Rückkehr hab ich von Anfang an gefeiert. Er ist der erfolgreichste deutsche Fußballer aller Zeiten und bis heute sehr wertgeschätzter Taktgeber bei Real Madrid.
Auf ihn zu verzichten, wäre großer Luxus gewesen. Kroos schwang sich im wahrsten Sinne des Wortes von der ersten Minute an zum eigentlichen Kapitän auf, wobei sich mir die Frage aufdrängt, wozu brauchen wir noch Gündogan?

Dass Nagelsmann dessen Kapitänsamt direkt nach seiner Verpflichtung bestätigt hat, damit hat er sich meines Erachtens keinen Gefallen getan. Eigentlich sollte der Kapitän immer spielen.

Mir würde es besser gefallen, Musiala rücke von links in die Mitte anstelle von Gündogan und Führich käme dafür auf links von Beginn an zum Einsatz. Wie gut er mit Mittelstädt harmoniert, sieht man jede Woche in der Bundesliga. Auch bei den Länderspielen hatte Maxi sichtlich ein besseres Gefühl, nachdem Führich eingewechselt wurde.

Mit Andrich neben Kroos kann ich gut leben, wenngleich ich auch Stiller diese Rolle zutrauen und gönnen würde. Kimmich auf rechts hat ganz ordentlich gespielt. Erstmals seit Jahren hatte ich bei ihm den Eindruck, dass auch er um seinen Platz sprichwörtlich kämpft und genau erkannt hat, was die Stunde geschlagen hat. Diese Länderspiele haben Hoffnung gemacht, ich freue mich auf die Euro und werde bei den Deutschland-Spielen im Stadion sein.

So gut es auf dem Rasen läuft, es wäre nicht der VfB, wenn es nicht doch Theater geben würde.

Vereinsmeier sehen die 50+1-Regelung in Gefahr bzw. schon untergraben, die Investorenseite sah sich hingegen nicht in der Lage mit dem Aufsichtsratsvorsitzenden Claus Vogt zusammenzuarbeiten und ließ sich VOR der Fixierung des sog. Weltmarkenbündnisses zusichern, dass Vogt auf den Vorsitz verzichten solle, was dieser offenbar zugesichert hat, um den Deal nicht zu gefährden.

Diese Zusage hätte Vogt so nie treffen dürfen, ohne sich das Votum der Mitglieder einzuholen. Ob ihm das nicht klar war, oder ob er bewusst Nebelkerzen gezündet hat, um jetzt, wo der Deal in trockenen Tüchern ist, zurückzurudern, beides wäre extrem unprofessionell und eines Aufsichtsratsvorsitzenden einer AG nicht würdig.

Die Cannstatter Kurve, man beachte, nicht „nur“ die Ultras, hat ein bemerkenswertes Statement herausgegeben und fordert das gesamte Präsidium zum sofortigen Rücktritt auf. Diese Erklärung wurde von unzähligen offiziellen Fanclubs unterzeichnet, was unterstreicht, dass es sich dabei schon um eine breite Meinung handelt.

Die Statements, offene Briefe, Interviews, etc. überschlagen sich in den letzten zwei Wochen. Es ist dabei immer schwierig, richtig einzuordnen, wem man überhaupt noch Glauben schenken darf, wo Intrigen gesponnen oder gar Verschwörungstheorien in die Welt gesetzt werden. Claus Vogt bspw. hat offenbar ohne Absprache mit Verein und Medienabteilung in einem Interview für den Kicker zum Rundumschlag ausgeholt und quasi alle als Intriganten, die ihn los werden möchten, tituliert. Ob Investoren, Vorstand oder Präsidiumskollegen, alle sind die bösen, nur der kleine Claus, der nicht. Damit erweckt er den Eindruck des Geisterfahrers, dem „hunderte“ entgegen kommen.

Der Vorstand um Alex Wehrle und Rouven Kasper hat sich dann gestern in den Stuttgarter Nachrichten einem Interview gestellt und in bislang nicht gekannter Form scharf gegen Vogt geschossen. Dass Vogt dem VfB durch sein Verhalten in letzter Zeit und vor allem das Interview im Kicker großen Schaden zugefügt hat, sehe ich genauso. Er täte gut daran, nicht weiter an seinem Stuhl zu kleben und den Weg für einen Neuanfang in den Gremien freizumachen, wenn ihm denn tatsächlich etwas am VfB liegt. Es dürfte die einzige Möglichkeit sein, die Situation zu befrieden, um sich wieder gänzlich dem in dieser Saison so ausgezeichnet vorgetragenem Sport zu widmen.

Das Bild, das der VfB nach außen abgibt, ist erbärmlich und an Peinlichkeiten kaum zu überbieten. Fußball-Deutschland rätselt, wie es sein kann, dass ein sportlich so auftrumpfender Verein wie der VfB Stuttgart, sich gerade jetzt in den Gremien selbst zerlegt. Wenn Vogt das einzige Problem ist, soll er zurücktreten, am besten noch vor dem Heidenheim-Spiel.

Da sind nämlich Protestaktionen zu erwarten, über deren Dimension nur gemutmaßt werden kann. Hat es sich mit deutlichen Bannern in Richtung Vereinsführung und Gremien, oder stört man den Ablauf massiv? War der Aufruf „alle in schwarz“, den es so auch noch nicht gab, schon alles und setzt man auf diesen optischen Effekt, oder gibt es einen Stimmungsboykott, zumindest in den ersten zehn Minuten, wie ich es auch schon gehört habe?

Persönlich wäre es mir lieber, man würde die Proteste nicht ins Stadion tragen, sondern lieber unter der Woche auf der Geschäftsstelle vorstellig werden, um den Forderungen (gewaltfrei) Nachdruck zu verleihen. Das so konstant performende Team auf dem Platz hat es jetzt einfach nicht verdient, durch irgendwelche unbedachte Aktionen, aus dem Konzept gebracht und runter gezogen zu werden.

Morgen steht also das letzte Spiel innerhalb des ersten Jahres von Sebastian Hoeneß an. Da ich in den nächsten zwei Wochen vermutlich weder Zeit noch einen Kopf haben werde, auch dieses noch in den Jahresrückblick zu packen, kommt dieser etwas verfrüht. Vielleicht ergänze ich ja zu gegebener Zeit noch um ein paar Zeilen.

Es steht das Duell Landeshauptstadt gegen die Ostalb an, oder auch der VfB gegen den 1. FC Heidenheim. Ich habe großen Respekt vor dem, was in Heidenheim entstanden ist und vor allem vor Frank Schmidt. Dieser leitet seit 2007 die Geschicke dort und übernahm den Club in der Oberliga. Im selben Zeitraum kommt der VfB auf sage und schreibe 23 Trainer. Daher gönne ich Heidenheim, dass sie die Klasse halten, wovon nach derzeitigem Stand auch auszugehen ist.

Nichtsdestotrotz muss natürlich für den VfB der Sieg und damit auch der Ausbau der Serie her. Der VfB kann bereits diese oder nächste Woche den sicheren Einzug nach Europa, woran ohnehin keiner mehr zweifelt, klar machen.

Wenn man aber einmal Blut geleckt hat, möchte man natürlich mehr. Auch wenn die Reisen in Conference- oder Europaleague sicherlich reizvoller sind, ist inzwischen das große Ziel die Championsleague mit ihrem neuen, durchaus interessanten, Modus. Diese würde dem VfB finanziell neue Möglichkeiten schaffen und wäre womöglich der Grundstein dafür, die Mannschaft, einschließlich der Leihspieler, zusammenhalten zu können.

Natürlich ist das dann auch eine Gratwanderung, wenn Begehrlichkeiten, was das Gehaltsniveau angeht, steigen, Stichwort Champions-League-Falle, in die wir ja schon einmal getappt sind. Ideal wären dabei Vertragsgestaltungen, die das Team an den Champions-League-Einnahmen partizipieren lassen, jedoch wieder auf ein Normalmaß schrumpfen, wenn denn nicht mehr international gespielt wird.
Um die Champions League zu erreichen, muss der VfB in den kommenden Wochen genau so weiter performen.

Dazu gehört natürlich zunächst ein Sieg gegen Heidenheim, auch wenn der VfB erstmals ohne Karazor auskommen muss. In den Zweitligaduellen siegte der VfB zwei Mal, spielte einmal remis und verlor auch einmal. Vor allem die Niederlage, ausgerechnet am Geburtstag des VfB, dem 09.09.2016, ist in schlechter Erinnerung.

Nach all den Tiefpunkten in den 2010er-Jahren war das der gefühlt tiefste Tiefpunkt, hatte aber auch etwas Gutes, nämlich, dass das Trainer-Missverständnis Luhukay danach beendet wurde. Morgen aber gehen wir als haushoher Favorit in die Partie und sollten in der Lage sein, diesen unbequemen Gegner durch unsere Spielstärke zu beherrschen und schließlich auch zu schlagen.

Es geht auch um eine gute Ausgangsposition für nächste Woche, wenn im Westfalenstadion zu Dortmund das nächste Ausrufezeichen gesetzt werden kann.

Egal, wie die Saison auch enden wird, es ist schon jetzt grandios, was Sebastian Hoeneß in kürzester Zeit aus unserem VfB gemacht hat. Der VfB hat eine Handschrift, spielt mit den schönsten Fußball der Liga, hat wieder deutsche Nationalspieler und ist in aller Munde.
Möge die Erfolgsstory weiter geschrieben werden. Ein gutes Zeichen ist natürlich auch die Vertragsverlängerung mit Hoeneß, womit den Spekulationen um ein mögliches Engagement bei den Bayern ein Ende gesetzt wurde.

Für mich war dieses Szenario ohnehin unwahrscheinlich. Hoeneß hat sich zunächst einmal mit Haut und Haaren dem VfB verschrieben und ist hier auch noch nicht fertig.

Sein Auftreten, sein Stolz nach Auftritten wie in Sinsheim, seine Niedergeschlagenheit, wenn der VfB mal nicht so performt hat, sein Verantwortungsbewusstsein für den VfB, sein Bewusstsein für die Größe der Aufgabe, all das spricht dafür, dass Hoeneß keinen Gedanken daran verschwendet, sein Wirken hier bald beenden zu wollen. Er ist geerdet, demütig und tut dem VfB einfach gut.

Dennoch ist seine Vertragsverlängerung natürlich ein wichtiges Zeichen an seine Mannschaft und an mögliche Neuzugänge, wenn jeder weiß, woran er ist, wenn der Chef Vereinsverbundenheit vorlebt.

Möge das Märchen weiter geschrieben werden, danke für ein herausragendes Jahr, Sebastian Hoeneß.

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