Bescheidenheit ist eine Zier. Wenn die Leistung stimmt, muss das kein Nachteil sein. Dann geht es wie selbstverständlich nach oben – für Christian Träsch womöglich bis zur WM in Südafrika. Es wäre die Krönung eines aufregenden Jahres.
Christian Träsch hat viele Vorzüge. Er ist jung (22), unbekümmert, talentiert und ehrgeizig. Er kann links wie rechts in der Viererkette spielen, und seit Christian Gross die Roten trainiert, hat er sich im defensiven Mittelfeld etabliert. Nur Steilpässe sind keine Spezialität des gebürtigen Ingolstädters: “Da muss ich mich verbessern.”
Dabei ist seine ganze bisherige Karriere ein einziger Steilpass. Immer nach oben. Wo das enden könnte, ist vielen Beobachtern klar: in Südafrika, im WM-Kader von Bundestrainer Joachim Löw. “Christian war ja nicht ohne Grund neulich beim Leistungstest der Nationalmannschaft dabei”, sagt VfB-Manager Horst Heldt, “er macht einen exzellenten Job.”
So sehen das immer mehr Experten, allen voran Joachim Löw. “Das Lob ehrt mich”, sagt Träsch, “aber ehrlich gesagt habe ich das anfangs gar nicht mitbekommen.” Jetzt ist es unüberhörbar. Und dass der Bundestrainer neulich beim Spiel gegen Dortmund auf der Tribüne saß, war für Träsch bestimmt kein Nachteil. Da lieferte er ein Glanzstück ab und krönte seine Leistung mit dem Tor zum 4:1-Endstand. Damit hat er nach seinem Treffer gegen Unirea Urziceni in der Champions League schon zweimal getroffen – doppelt so häufig wie vergangene Saison. “Tore würde ich gerne mehr erzielen”, sagt Träsch und ruft sich dann selbst zur Ordnung: “Wichtiger ist es für mich, dass erst einmal die Defensive steht.”
In seiner Obhut sind die Gegner so sicher verwahrt wie in der Bank von England. Gross weiß Träschs Zuverlässigkeit ebenso zu schätzen wie seine unaufgeregte und unauffällige Art. Unter dem Schweizer sitzt sogar der Acht-Millionen-Einkauf Zdravko Kuzmanovic auf der Ersatzbank. Stattdessen spielt der Junge, der 2007 zum Schnäppchenpreis von 1860 München II zum VfB gekommen war, der erst unter Armin Veh, dann unter Markus Babbel als Verteidiger die rechte Seite beackert hatte und dem der Wechsel ins Mittelfeld nahtlos und mühelos gelungen ist. “Ich sehe es nicht so, dass ich Kuz verdrängt habe”, sagt Träsch, “der Trainer hat sich jetzt für Sami Khedira und mich entschieden. Aber ich sehe uns drei absolut auf Augenhöhe.” Schon morgen könne er wieder draußen sitzen. Und dann? “Dann muss ich neu angreifen”, sagt Träsch.
Zu rechnen ist damit nicht. Eher damit, dass er Sami Khedira im Sommer zur WM begleitet. “Ach”, sagt Träsch und winkt ab, “da gibt es so viele Konkurrenten.” Michael Ballack, Khedira, aber schon der formschwache Thomas Hitzlsperger ist fraglich, der verletzte Simon Rolfes noch mehr. “Mit der WM beschäftige ich mich nicht”, sagt Träsch. Er nimmt es, wie es kommt.
Und wenn die WM kommt, ist er vorbereitet – anders als vor einem Jahr. Da musste er seinen Spanien-Urlaub stornieren, weil ihn Löw zur Asien-Reise eingeladen hatte, wo er gegen die Arabischen Emirate (7:2) sein bisher einziges Länderspiel machte. Diesmal hat er erst gar keinen Urlaub gebucht.
(STN online 10.2.10)