2. Februar 2016
Nach dem vielversprechenden Auftakt in Köln, stand am zweiten Rückrundenspieltag das Wiedersehen mit Ex-Trainer Bruno Labbadia sowie Gotoku Sakai an. In der Hinrunde hatte man unverdient und äußerst unglücklich verloren, nachdem Florian Klein des Feldes verwiesen wurde. Die beiden letzten Heimspiele gegen die Rauten entschied man knapp für sich, beide Male in Spielen, in denen eine Niederlage bereits den Abstieg hätte bedeuten können. Ganz so dramatisch stellte sich die Situation relativ früh in der Rückrunde dieses Mal nicht dar und doch war es ein ganz wichtiges Spiel. Mit einem Sieg bestand die Möglichkeit an den HSV heranzurücken und diesen selbst wieder in den Abstiegskampf mit hineinzuziehen.
In der Vorrunde hätte sich der Spielfilm in etwa so abgespielt:
Der VfB mit einer großartigen Leistung und einem mitreißenden Offensivfeuerwerk, spielte den HSV über weite Strecken an die Wand, lediglich am leidigen Thema Chancenverwertung hätte man etwas aussetzen können.
Als nach unermüdlichem Anrennen und Chancen kreieren in der 66. Minute endlich das 1:0 durch ein Eigentor von Aaron Hunt gefallen war, ließ man sich von einem der wenigen Hamburger Angriffe überrumpeln. Nach einer Flanke von links vollstreckte Rudnevs, der sonst nicht einmal ein Scheunentor trifft, per sehenswertem Flugkopfball und mit seinem ersten Saisontreffer zum Ausgleich. Zweikampfmonster Niedermeier, in dieser Situation zaudernd wie ein Kätzchen, kam einen Tick zu spät.
Lediglich vier Zeigerumdrehungen später geschah dann das Unglaubliche. Ilicevic stibitzte Großkreutz den Ball und tunnelt Fehleinkauf Tytoń zum 1:2, welches das Spiel komplett auf den Kopf stellte. Nach kräftezehrendem Spiel auf nassem, tiefem Geläuf hat der VfB am Ende nichts mehr zuzusetzen. Der eingewechselte Kravets setzt einen Ball noch an die Latte, das war’s dann auch schon.
Der VfB erntet Lob, der HSV die Punkte und wusste dabei nicht, wie er mit seinen limitierten Mitteln und fast ohne Torchancen dieses Spiel gewinnen konnte. Zorniger an der Linie raufte sich die Haare, um hinterher in die Mikrofone zu raunzen, dass er nicht wisse, wo er denn noch ansetzen solle, „außer bei der Chancenverwertung“.
Spiele nach diesem Strickmuster gab es zu Beginn der Saison einige. Doch was ist anders geworden seit damals? Wie kommt es, dass wir ein im Grunde gleiches Spiel mit fast gleichem Personal jetzt mit einem neuen Mann an der Seitenlinie auf einmal gewinnen können?
Es mag eine Rolle spielen, dass die Jungs, weil sie sich nicht mehr zu Tode pressen, hinten hinaus mehr Luft und damit auch mehr Konzentration haben. Vielleicht war auch die Wintervorbereitung effektiver, als die im Sommer mit Zorniger, die Mannschaft jedenfalls machte über weite Strecken einen flinken und spritzigen Eindruck.
Kramny macht seine Sache bisher mehr als ordentlich. Er fängt wirklich an, mir zu gefallen. Mit seiner unaufgeregten und pragmatischen Art, ist er fast schon der Gegen-Zorniger. Er lamentiert nicht sondern schafft halt und lässt das spielen, was auch am Ende der Stevens-Ära tolle Spiele und vor allem Punkte brachte. Es genügten einige wenige Kniffe, um den VfB zurück in die Erfolgsspur zu bringen.
Er kommt nicht selbstherrlich rüber, bindet sein Team, einschließlich Führungsspieler, ein, und erarbeitet gemeinsam mit ihnen eine Strategie, wie der VfB im Rahmen der vorhandenen Möglichkeiten auszurichten ist. Er verfolgt dabei nicht Hirngespinste des perfekten Fußballs, sonder macht sich bewusst, dass wir noch immer gerade genug Spieler im Kader haben, die das Fußballspielen nicht erfunden haben.
Im Mittelfeld treten wir eine Spur kompakter auf. Mit Ruppinho an Stelle des verletzten Martin Harnik, setzt er auf einen dritten (eigentlich) zentralen Abräumer und zugleich Antreiber neben Serey Dié und Christian Gentner. Er holte Georg Niedermeier aus der Versenkung zurück, hat in Kevin Großkreutz einen vorbildlichen Fighter dazu bekommen und setzt offensichtlich auf Erfahrung.
Auf der einen Seite erstaunt es mich schon etwas, dass gerade er, als ehemaliger Amas-Trainer, auf keinen „seiner“ Jungs zurückgreift, Schwaab Timo Baumgartl vorzieht und auch Arianit Ferati im Moment überhaupt keine Rolle mehr spielt.
Auf der anderen Seite aber gibt der Erfolg Kramny Recht! Kramny setzt auf Erfahrung, Stabilität und ein harmonisches Miteinander. Offensichtlich schätzt er die Lage so ein, dass die Youngsters mit der derzeitigen prekären Situation mental überfordert sind und man ihnen keinen Gefallen täte, sie weiter zu verheizen. Timo Baumgartl ist so ein Beispiel, obwohl eigentlich schnell und technisch nicht schlecht, war er zum Schluss ein Sicherheitsrisiko, so dass es nachvollziehbar dass ihm derzeit der erfahrene Georg Niedermeier vorgezogen wird.
Und, was man nicht vernachlässigen darf und womit wir wieder beim ersten Abschnitt dieses Textes wären. Kramny hat das notwendige Glück zurückgebracht. Der Fußball ist zwar einfach und manchmal trotzdem nicht erklärbar. Tytoń bekam dieses Gegentor dieses Mal eben nicht durch die Hosenträger und hat sich in den letzten Monaten zum absoluten Leistungsträger und sicheren Rückhalt entwickelt. Selbst jetzt, wo Mitch Langerak einsatzbereit wäre, ist ein Torwartwechsel kein Thema mehr. Kramny hatte nicht nur das Glück, dass Tytoń den VfB im Spiel gehalten hat, er bewies auch noch ein glückliches Händchen bei seinen Einwechslungen. Für mich kamen sie zwar spät, zum Glück jedoch nicht zu spät.
Schon nach der vergebenen Großchance von Timo Werner kurz nach dem Seitenwechsel, sagte ich, dass Kramny ihn im Grunde auswechseln und gegen Kravets, der mir in Belek schon gut gefiel, ersetzen müsste.
Wer in einem Spiel so leichtfertig mit seinen Chancen umgeht, könnte an einem schlechten Tag noch zwei Stunden weiter spielen, ohne ins Tor zu treffen. Ich möchte damit nicht den Stab über Timo Werner brechen. Nach seiner Ausbootung fürs Hertha-Spiel nahm Werner eine positive Entwicklung, an guten Tagen ist er mit seiner Schnelligkeit eine echte Waffe, Samstag jedoch war nicht sein Tag.
Es dauerte noch bis zur 78. Minute, es stand inzwischen 1:1, ehe Kravets zu seinem Heimdebüt kam. Der Ukrainer hat bekanntlich das Ziel, sich über Einsätze beim VfB für eine Kader-Nominierung zur Euro 2016 in Frankreich zu empfehlen. Ein schwieriges Unterfangen, da Timo Werner im Moment kaum aus der Mannschaft wegzudenken ist und auch Daniel Ginczek in absehbarer Zeit zurückkehren dürfte.
So bedarf es schon besonderer Eigenwerbung, um diesen Widrigkeiten zu trotzen und sich in die Mannschaft zu kämpfen. Bereits seine erste Aktion hat mir imponiert. Wenn mich etwas genervt hat bei diesem Kick, war es dieses Klein-Klein-Spiel und dass bei diesem rutschigen Boden keiner (außer bei Standard Didavi) einmal aus der Distanz abgezogen hat. Kravets tat es fast mit seinem ersten Ballkontakt und zwang den guten Adler im HSV-Tor mit einem scharfen 20-Meter-Schuss zu einer Parade.
So zeigte Kravets schon in seiner ersten Szene, dass er Zug zum Tor besitzt. Das Tor wollte aber auch nach seiner Einwechslung nicht fallen. Ein 1:1 wäre psychologisch eine Katastrophe gewesen. Wenn man den Gegner über die komplette Spieldauer beherrscht, sich ein enormes Chancenplus herausspielt, in allen Belangen besser ist, sollte sich das auch im Ergebnis niederschlagen, vor allem, wenn man sich im Existenzkampf am Tabellenende befindet. Kramny sah es wohl nicht anders und setzte in der 88. Minute noch einen Akzent von der Bank aus, Alexandru Maxim kam für Daniel Didavi aufs Feld.
Der Rest ist Geschichte! Erster Ballkontakt Maxim, kurz den Kopf gehoben und Kravets dort erspäht, wo sich ein Mittelstürmer befinden muss, eine gefühlvolle Flanke und ein Kopfball wie ein Strich. Was für ein geiles Tor, was für eine Technik von Kravets, der dem Ball noch enormes Tempo mitgab. Ich hörte am Samstag vermehrt Stimmen, ein solches Tor hätten wir seit Gomez‘-Zeiten nicht mehr gesehen, dem kann ich bei näherem Betrachten nur beipflichten. Sollte dieser Kurzeinsatz Aufschluss darüber geben, was der Ukrainer drauf hat, werden wir noch viel Freude an ihm haben.
Dieses 2:1 setzte den Schlusspunkt unter ein begeisterndes Spiel im strömenden Regen. Die Stimmung auf den Rängen und auch auf dem Rasen war überragend und macht Lust auf mehr. Wie stabil der Aufschwung ist, wird sich zeigen, ich traue dem Braten jedenfalls noch nicht. Dennoch gilt es nun Punkt um Punkt mitzunehmen, um möglichst früh die 40-Punkte-Marke anzupeilen. Die letzten Auftritte stimmen mich schon weitaus optimistischer als ich noch im November war. Die Mannschaft lebt, vor allem scheint die Stimmung mittlerweile hervorragend zu sein, sicherlich nicht nur Kramnys Verdienst, der gemeinsame Abschuss seines Vorgängers schweißte sie wohl zusätzlich zusammen.
Im Februar nun haben wir plötzlich wahre Luxusprobleme und einen schon lang nicht mehr dagewesenen Konkurrenzkampf im Kader. Nicht nur im Tor beharken sich zwei überdurchschnittliche Kandidaten. Auch im Mittelfeld, aus dem es gegen den HSV sage und schreibe drei Spieler in die Sportschau-Elf-des-Tages schafften, nämlich Serey Die, Daniel Didavi und Lukas Rupp, gibt es spätestens dann ein Hauen und Stechen, wenn Martin Harnik sich für die Startelf fitmeldet, vielleicht schon fürs Frankfurt-Spiel. Zu den Dreien gesellen sich noch der ohnehin nie in Frage gestellte Kapitän Christian Gentner sowie Filip Kostic, der mehr und mehr an seine Form der letzten Spiele der Vorsaison herankommt.
Wen möchte man da also für Harnik opfern? Seinen Platzhalter Lukas Rupp vielleicht? Nein, Ruppinho, den nicht einmal „Jubel-Verletzungen“ aus der Bahn werfen, ist mittlerweile einer der Köpfe des Teams geworden.
Der andere, gegen den HSV mal wieder überragend, ist Serey Dié. Was er im strömenden Regen und auf tiefem Geläuf abspulte, unermüdlich Bälle eroberte, angetrieben und eigene Angriffe initiiert hat, war schon phänomenal.
Auch im Sturm ist die Luft für Harnik mittlerweile dünn geworden. Timo Werner sollte weiterhin seine Einsatzzeiten bekommen, ist Kravets tatsächlich das Tier, als das er sich im Samstag dargestellt hat, wird er in die erste Elf drängen und, spätestens Anfang März, sollte auch Ginni wieder ein Thema sein.
Daher wird sich Harnik zunächst einmal hintenanstellen und ähnlich zünden müssen wie Kravets am Samstag, möchte er in absehbarer Zeit seinen Stammplatz zurückerobern. Legt er weiter die Schludrigkeit bei der Ballbehandlung und im Abschluss an den Tag wie in der Vorrunde, dürfte er es schwer haben.
Bliebe noch die Abwehr, die nach wie vor die größte Bau- und Schwachstelle im Team. Wenn Kramny in der Innenverteidigung (freiwillig) auf Schwaab und Niedermeier setzt, weiß man als Beobachter was die Stunde geschlagen haben muss. Mit dieser Besetzung kann es allenfalls um Schadensbegrenzung gehen, darum, im eigenen Strafraum die Lufthoheit zu besitzen und die Bälle wegzudreschen, nicht aber um mindestens genauso wichtige Eigenschaften wie Antizipation und Spieleröffnung. Dass Schwaab sowohl Sunjic als auch Timo Baumgartl vorgezogen wurden, sagt viel darüber aus, welche Wertschätzung diese beiden bei Trainer Kramny haben müssen und ist wohl als Indiz zu werten, dass der Nebenmann des gestern verpflichteten Italieners Federico Barba eher Niedermeier als Baumgartl heißen dürfte.
Barba war zuletzt Reservist in Empoli und ist mit seinen 22 Jahren auch nicht der erfahrene Mann, den man sich gewünscht hätte. Bevor ich ihn nicht spielen gesehen habe, kann ich mir kein Urteil über ihn erlauben. Im heute kurzfristig anberaumten und mit 0:2 verloren gegangenem Test gegen die SG Sonnenhof-Großaspach gab er unter Ausschluss der Öffentlichkeit sein Debüt im VfB-Dress, wobei er sich gleich verletzte. „Verhärtung in der linken Wade“, so die offizielle Sprachregelung. Ich kann nicht sagen, wieso, aber nach dieser Meldung habe ich Barba schon mal für die halbe Rückrunde abgeschrieben, weil die Erstdiagnosen unserer Vereinsärzte zuletzt stets danebenlagen und sich die Verletzungsdauer stets als ungewöhnlich lang erwiesen hat. Sollte dies so eintreten, wäre das natürlich extrem ärgerlich, auch wenn man dann die Kaufpflicht nicht wahrnehmen müsste, weil diese an zehn Einsätze gekoppelt ist.
Großkreutz hat auf der Rechtsverteidigerposition Florian Klein ausgestochen und wird diese Rolle wohl bis auf weiteres ausfüllen. Nach Lukas Rupp hatte er erneut die zweitbeste Laufleistung und gute Zweikampfwerte zu verzeichnen. Macht er so weiter, fußballerisch und von seiner Einstellung zum Profisport her, werden wir noch sehr viel Freude an ihm haben.
Die ersten beiden Spiele der Rückrunde machen Lust auf mehr. Schon jetzt freue ich mich auf Frankfurt, das oft ein gutes Pflaster für uns war und DIE Gelegenheit ist, in der Tabelle weiter in Richtung obere Tabellenhälfte zu klettern. Nicht nur, dass wir die Frankfurter mit einem Sieg überflügeln könnten, auch die Gelegenheit Armin Veh eins auszuwischen sollte den Brustringträgern Flügel verleihen.
Aufgrund der Vorkommnisse beim Spiel gegen Darmstadt 98 werden wir auf einen leeren Frankfurter Fanblock treffen. Da der Block 40 der Eintracht-Fans gesperrt ist, werden sie sich wohl auf der Gegengerade niederlassen und somit noch näher an die VfB-Anhänger heranrücken. Ob da einer diese Kollektivstrafe zu Ende gedacht hat? Ich glaube es nicht.
Und dann war da gestern noch der sogenannte Deadline-Day. Immer wieder verwundert es einen, wie ein Pleiteverein wie der HSV bspw. Drmic von Mönchengladbach loseisen konnte und sich auch noch fast Sanogo von den Young Boys Bern geangelt hätte. Ähnlich wie bei der Posse um Kevin Großkreutz im Sommer, erreichten den HSV die Unterlagen einige Minuten zu spät, so dass der Wechsel platzte. Nichtsdestotrotz, Kühne scheint einmal mehr die Schatulle weit geöffnet zu haben.
Einen solchen Gönner hat der VfB nicht zu verzeichnen, so dass nach der Verpflichtung von Großkreutz und der Leihe von Kravets, allenfalls noch eine weitere Leihe möglich war. Dies wurde kurz vor Ultimo dann bekanntlich Barba, ich bin gespannt auf den Jungen und hoffe auf eine schnelle Integration, auf und neben dem Platz.
Doch, nicht nur Zugänge hatten wir zu verzeichnen, auch Abgänge und dabei zum Glück keinen unserer Leistungsträger. Die Vereinslegende Adam Hlousek, in dem Zorniger schon den nächsten Weltklasseinnenverteidiger gesehen hatte, verließ uns in Richtung Legia Warschau, obwohl er die Woche zuvor noch eine herzzerreißende Liebeserklärung in Richtung VfB und uns Fans abgegeben hat. Dass diese innige Liebe eher einseitig war, zeigte sich dann zum Glück in diesen Tagen. Damit fand Robin Dutt für einen weiteren Einkauf der Kategorie „What the fuck“ aus der Bobic-Ära einen Abnehmer, Chapeau!
Völlig überraschend wurde dann gestern noch kurz vor Schließung des Transferfensters die Bayer-Leihgabe Robbie Kruse an seinen Stammverein „zurückgegeben“. Kruse wurde im Sommer, wohl überstürzt, geholt als Reaktion auf den Ibisevic-Abgang. Ausgiebig gescoutet scheint er nicht geworden zu sein, es war wohl eher ein Transfer aus der Rubrik „nicht schnell genug auf dem Baum gewesen“. Einen Spieler, der in den letzten eineinhalb Jahren gerade einmal zu drei Kurzeinsätzen für Bayer kam und zudem in einem erbärmlichen körperlichen Zustand an den Neckar kam, hätte man sicherlich nicht genommen, wenn genügend Zeit gewesen wäre, dass er sich vorstellen und vorspielen hätte können.
Einen solchen Hänfling habe ich selten auf einem Fußballplatz gesehen. Von einem schwäbischen Bundesligisten, der seiner Fürsorgepflicht nachkommt, hätte ich es fast schon erwartet, dass man ihm jeden Tag eine Schüssel Spätzle mit Soß verabreicht und ihn so Stück für Stück aufpäppelt. Sei’s drum, unter dieses Missverständnis wurde nach fünf Kurzeinsätzen der Schlussstrich gezogen.
Dann war da noch am Deadline-Day der Wechsel unseres Ex-Kapitäns Serdar Tasci zu den Bayern. Durch die russisch-türkischen politischen Spannungen und der Ankündigung Putins, weder Vertragsverlängerungen mit türkischen Spielern zuzulassen noch weitere Türken ins Land zu lassen, erklärte sich Tasci, trotz seines deutschen Passes, schon Ende letzten Jahres solidarisch und kündigte seinen baldigen Abschied an.
Fast zwangsläufig brachte man ihn dann auch mit dem VfB in Verbindung, der ja händeringend auf der Suche nach einem Innenverteidiger ist bzw. war. Aussagen Tascis, wonach er sich eine Rückkehr zum VfB gut vorstellen könne, befeuerte die Gerüchteküche zusätzlich, so dass die ersten Nostalgiker bereits auf den Plan gerufen wurden und den VfB für verrückt erklärten, würde er sich nicht um den gebürtigen Esslinger bemühen.
Dass Tascis Liebe zum VfB schnell wieder erkalten würde, wenn ihm Dutt erklären müsste, dass er allenfalls noch die Hälfte seines früheren Gehalts für ihn bezahlen könnte, damit müssen sich die selbsternannten Fifa-Manager ja nicht auseinandersetzen.
Fakt ist, dass eine Rückkehr Tascis überhaupt nur möglich gewesen wäre, wenn er auf viel Geld verzichtet hätte, welcher Profi macht das schon. Schalke buhlte außerdem mit um Tascis Dienste, so dass königsblau um einiges wahrscheinlicher gewesen wäre, als eine Rückkehr zum VfB, ganz unabhängig davon, ob er sportlich überhaupt ein Gewinn geworden wäre.
Ich bin nicht traurig darüber, dass dieser Wechsel nie ernsthaft ein Thema war und habe daher auch keinen Schmerz, dass er schließlich bei den Bayern gelandet ist.
Im Gegenteil, unverhofft kommt selten oft. Ohne die Verletzungen Boatengs und kurzfristig noch von Martinez wäre Tasci auch bei den Bayern nie ein Thema gewesen.
Selbst in dieser Konstellation jetzt ist Tasci mehr Notnagel als einer mit der Chance auf einen Stammplatz im Münchner Starensemble. Vielleicht tue ich ihm ja unrecht, weil ich ihn seit seinem Abgang nicht mehr spielen gesehen habe. In Anbetracht seiner damaligen Schnelligkeitsdefizite und seines damaligen Leistungsstands müsste sich bei den Bayern schon auch Badstuber noch verletzen, was ja leider nicht einmal so abwegig ist. Den Posten neben dem einzigen etatmäßigen Innenverteidiger können immer „fachfremde“ Mannen wie Xabi Alonso, Alaba oder auch Kimmich bekleiden, so dass für Tasci meist nur die Bank bleiben dürfte.
Somit hat er für die verbleibenden 15 Bundesligaspiele, plus Pokal, plus Champions League, einen Vertrag als Standby-Profi unterschrieben, fürstlich dotiert und mit der Chance sich ein, zwei oder drei Titel auf seine nächsten Autogrammkarten schreiben zu dürfen. Besser konnte es für ihn kaum laufen, zumal Kumpel Ulle sicher dafür sorgen wird, dass sie auf der Bank nebeneinander sitzen dürfen. Dieses Standing traue selbst ich Ulle zu, es sich in den letzten Monaten erarbeitet zu haben. Ich gönne es Serdar, dass er zumindest raus aus Russland ist, wo er sich zuletzt weder wohl noch sicher gefühlt hatte und hege überhaupt keinen Groll, dass er „ausgerechnet“ zu den Bayern gewechselt ist.
Anders als einige Trolls im Netz, die ihn schon jetzt als geldgeilen Söldner beschimpfen, weil er nicht zum geliebten VfB zurückgekommen ist und auch weil der VfB in dieser Personalie nicht in Konkurrenz zu den Bayern getreten ist.
Dieselben Trolle sind es dann wohl auch, die Cacaus Rückkehr zum VfB II bejubeln und ihn schon wieder auf dem Sprungbrett zu den Profis wähnen.
Cacaus Zeit in der Bundesliga ist jedoch schon lang abgelaufen. Mich wundert es immer wieder, wie schnell der Fan vergisst.
Schon vergessen, wie seine Leistungen förmlich explodiert sind, als der VfB drauf und dran war, ihm keinen Vertrag mehr zu geben? Wie er um Wertschätzung flehte, um einen hoch dotierten, weil letzter großer, Vertrag kämpfte?
Wie er seit seiner Vertragsunterschrift mehr und mehr abbaute und zum Schluss fast nur noch verletzt war? Er stieg zu einem der Top-Verdiener im Verein auf und brachte so gut wie keine Gegenleistung mehr?
Selbst als dieser Vertrag endlich ausgelaufen war, heulten noch viele herum, weil man ihn nicht noch einmal verlängerte.
Wie für Tasci, so gilt auch für Cacau: man küsst das Wappen „seines“ Vereins, solang dieser ordentlich, wenn nicht überbezahlt. Sobald man aber dem Leistungsabfall und Alter entsprechend das Gehalt gravierend nach unten anpassen möchte, ist es vorbei mit der großen Liebe.
Deshalb zog Cacau gen Japan, wurde dort allerdings nicht glücklich. Seither hält er sich mehr oder weniger regelmäßig bei unseren Amateuren fit und unterschrieb folgerichtig jetzt einen Vertrag bei den Amas. Das aber sicherlich auch nicht nur, weil er den VfB außerordentlich liebt, sondern weil er keine in Frage kommende Alternative gefunden hatte.
Einige sollten sich von der Romantik im Profifußball wirklich mal verabschieden.
Nicht dass man mich falsch versteht. Ich bin selbst Cacau-Fan und kann nichts Schlechtes über ihn sagen. Es ist ja nicht so, dass er nach der Vertragsverlängerung mit Absicht schlecht gespielt hätte oder für seine Verletzungen etwas konnte. Selbst die Wertschätzungs-Debatte damals konnte ich nachvollziehen, wenn Cacau als Teil der Meistermannschaft von 2007 gerade mal ein Drittel oder die Hälfte dessen überwiesen bekam, was man Marica und Pogrebnjak in den Rachen schmiss.
Aber, die Zeit lässt sich halt nicht zurückdrehen. Ich finde es schön, dass er jetzt für die Amas aufläuft, vielleicht verhilft er ihnen zu einem Schub, vielleicht auch zu endlich besseren Zuschauerzahlen. Nur, Cacau jetzt dafür zu preisen, dass er wieder nach Hause gekommen ist und Tasci ist der Söldner, weil er zu den Bayern wechselte, darüber kann ich schmunzeln und würde mit einem Augenzwinkern glatt behaupten, hätte Cacau ein Angebot der Bayern vorliegen gehabt, würde er heute seinen Spind an der Säbener Straße einräumen.
Und dann ist da dieser Tage auch noch Fredi Bobic, der für Sky den Deadline-Day kommentierte. Dabei trat er abermals gegen den VfB nach. Zorniger ist weg, also, neue Zielscheibe, Kramny. Die Stuttgarter Nachrichten zitieren den Einzelhandelskaufmann aus dem Hallschlag wie folgt“ „Ich halte ihn für einen guten Trainer, aber ich habe ihn jetzt in der Bundesliga nicht für den Trainer gehalten.“ Was seine Persönlichkeit und die Weiterentwicklung des Fußballs angehe, müsse Kramny noch ein bisschen mehr bringen. „Das wird die Frage sein – wird er diesen nächsten Schritt machen können?“
Da können wir doch nur hoffen, dass sich Kramny in Bobic‘ Fehleinschätzungen der letzten Jahre einreiht und als Bundesligatrainer durchstartet. Bobic lässt keine Gelegenheit aus, seinen früheren Arbeitgeber zu diskreditieren. Ich hoffe, man verfolgt in der Branche seinen zur Schau getragenen schlechten Charakter mit Stinkstiefelmentalität ganz genau und hält weiter sämtliche Türen für ihn geschlossen.
Eine Legende demontiert sich mehr und mehr selbst. Leuchteten vor Jahren noch meine Augen, als ich Bobic hörte und an das magische Dreieck dachte, ist mittlerweile nur noch Verachtung übrig geblieben für die beleidigte Leber-, ähm, Bratwurst.
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5. Oktober 2015
Das Spiel an der Autobahnraststätte war noch keine fünf Minuten aus. Jeder, der mit Herzblut dabei ist, steht noch unter dem Eindruck des späten Ausgleichs und der von Timo Werner kläglich vergebenen Siegchance, so dass man das Geschehene erst einmal sacken lassen muss. Als Fan hat man in diesem Moment nur einen Gedanken: Bier her!
Alexander Zorniger, dem viele vorwerfen, unflätige Stammtischparolen einer gewählten Ausdrucksweise vorzuziehen, würde in diesem Moment wohl gerne mit uns tauschen, ein Bierchen trinken und sich dabei auskotzen, wie wir es eben auch tun.
Stattdessen steht auf der Agenda eines Bundesligaspiels nicht etwa „Herunterfahren“ sondern ein Interview-Marathon. Sky, Sport1, SWR, die Kollegen der schreibenden Zunft. Jeder möchte, so schnell wie möglich, so authentisch wie möglich, möglichst auch so skandalös wie möglich einen O-Ton erhaschen, bei dem Zorniger, am besten noch auf hochdeutsch, zum x-ten Mal erklären soll, weshalb Spieler XY aus drei Metern das Tor nicht trifft oder der letzte Mann im eigenen Strafraum ein Luftloch schlägt.
Dass Zorniger noch kein Medienprofi ist, weiß man. Dass es den Reportern ein ums andere Mal gelingt Alex Zorniger aufs Glatteis zu führen, ist bedauerlich aber auch schon wieder sympathisch. Er lebt den Fußball und sagt, was er denkt, was auf Dauer sicherlich gesünder ist, als die Wahrheiten, die man in diesem „Saubermanngeschäft“ eigentlich nicht aussprechen sollte, in sich hineinzufressen und ständig von seinem virtuellen Spickzettel abzulesen, was man sagen darf und was nicht.
Da wir auch noch sportliche Sorgen haben, ist es zwar ärgerlich, wenn ganz Fußball-Deutschland (Dirk Schuster, Strunz uvam.) meint, über den Führungsstil von Alexander Zorniger urteilen zu müssen und dadurch Nebenkriegsschauplätze eröffnet werden, auf der anderen Seite ist es die ehrliche und direkte Art Zornigers seinem Unmut Luft zu machen.
Dass sich aber nun erneut Fredi Bobic in seiner Eigenschaft als Sport1-„Experte“ die Frechheit erlaubt, Zornigers Tauglichkeit für das Haifischbecken Bundesliga in Frage zu stellen, ist an Dummheit kaum zu überbieten. Was – erlaube – Bobic??? Steht er eigentlich noch auf der Gehaltsliste vom VfB? Falls ja, spätestens jetzt wäre es an der Zeit, ihn wegen Verunglimpfung seines Arbeitgebers fristlos zu kündigen.
Eigentlich ist es der Einzelhandelskaufmann aus dem Hallschlag gar nicht wert, sich über solche Aussagen aufzuregen und vor allem zu wundern, hat er doch die aalglatten Vertreter auf der Trainerbank bevorzugt, die morgens den Diener machen und vor allem ihren Mund halten. Stevens wurde vom Aufsichtsrat durchgedrückt, wäre es nach Bobic gegangen, wäre seine Kumpanei mit der Verpflichtung von Balakow in die nächste Runde gegangen. Nicht auszudenken, in welchen Niederungen wir uns bewegen würden, hätte man ihn damals nicht gebremst. Dutt und Zorniger sind derzeit verzweifelt dabei, den Scherbenhaufen aufzuräumen, den Bobic zu verantworten hat und jetzt stellt sich diese Person (fast hätte ich „blinde Bratwurst“ geschrieben“) hin und meint, er müsse dem VfB Ratschläge geben.
In Sinsheim zog sich Timo Werner Zornigers Unmut zu, indem er ihm Unkonzentriertheit vorwarf, wegen der er die klare Siegchance kläglich vergab. „Werner konnte das Tor nicht machen, weil er gedanklich noch mit Küsschen, Küsschen beschäftigt war“. Der Trainer steht unter Druck, der Trainer ist auf 180, dem Trainer geht vor allem die Situation nicht am Arsch vorbei sondern er leidet mit. Da ist eben in dem Moment der Ärger über die vergebene Chance größer als die Freude über Timos Ausgleichstreffer.
Es ist selbstredend nicht die feine englische Art Zornigers, seine Spieler öffentlich an den Pranger zu stellen, allerdings, bei Timo Werner hat ja schon die „Kindermädchen“-Geschichte offensichtlich gefruchtet. Nach seiner Ausbootung gegen Hertha BSC rutschte Werner flugs wieder ins Team und weiß seither sogar auch wieder, wo das Tor steht.
Zorniger hat den Spieler gekitzelt, gereizt, und Werner hat verstanden. Wir wissen alle nicht, ob Zorniger schon, bevor er mit seiner Schelte an die Öffentlichkeit geht, gebetsmühlenartig intern auf den Spieler eingeredet und nichts gefruchtet hat.
Dann ist es meiner Meinung nach schon auch ein probates Mittel, dem Spieler Beine zu machen, indem man zu unpopuläreren Maßnahmen greift.
Bei uns in Stuttgart ist doch nur deshalb der Aufschrei ob solcher „O-Töne“ so laut, weil wir es gewöhnt sind, Bobic und Labbadia lassen grüßen, die Spieler in Watte zu packen und über jede öffentliche Kritik erhaben sein zu lassen.
Dann wundert man sich aber wieder, dass keine Führungsspieler heranwachsen und sich jeder weg duckt, wenn es ungemütlich wird. Die Spieler müssen im Stadion vor 60.000 „Trainern“ ihren Mann stehen, dem Druck gewachsen sein, also, wo ist das Problem, wenn der Trainer kundtut, was er von seinen Jungs erwartet und sie mal nicht ganz so zimperlich anpackt.
Nichtbeachtung seitens des Trainers wäre doch viel schlimmer, so lang er seine Energie dafür aufwendet, den Spieler zu kritisieren und ihn nicht links liegen lässt, so lang hat er auch vor, den Spieler voranzubringen und besser zu machen. Bei Timo steht der nächste Schritt an, im letzten Jahr ist er in seiner Entwicklung stagniert, jetzt, und ich sage das im Brustton der Überzeugung Dank Zorniger, zeigt seine Formkurve wieder nach oben.
Etwas anders gelagert ist der Fall Georg Niedermeier, der zwar am Samstag auf der Bank saß, nach wie vor aber keine Rolle mehr spielt. Sollte Zorniger es letzte Woche tatsächlich so gesagt haben „komme mir aber jetzt keiner mit Georg Niedermeier“, ist diese Aussage respektlos in Anbetracht Schorschs Verdienste um den VfB. Dass er nicht mehr die allererste Geige spielt, ist sportlich nachzuvollziehen. Menschlich aber, die erneute Wahl in den Mannschaftsrat belegt das, steht der Schorsch in der teaminternen Hierarchie weit oben. Hier muss Zorniger aufpassen, dass er die Mannschaft nicht gegen sich aufbringt, dann wäre er irgendwann nicht mehr zu halten, hat es dieses Team doch immer wieder mal geschafft, einen unliebsamen Übungsleiter loszuwerden.
Zorniger ist ein Trainer, der den VfB lebt und der beim VfB seinen Traumjob vorgefunden hat. Aus seinem Umfeld ist zu erfahren, mit welcher Verbissenheit er die Probleme anpackt und wie sehr dieser Negativlauf an ihm nagt. Er ist der erste, der sich selbst hinterfragt und am liebsten alles anders machen würde, wenn es denn garantiert Punkte einbringen würde.
Hätte jemand einen Grund, wegen fehlenden Glückes hinzuschmeißen, wäre es wohl Zorniger. Er wird jedoch, hoffentlich, einen Teufel tun und den VfB ähnlich schäbig im Stich lassen, wie es vor Jahresfrist Armin Veh getan hat.
Alex Zorniger ist ein Typ wie Du und ich, volksnah und möglicherweise auch ein Stück weit zu ehrlich für dieses verlogene Bundesligageschäft. Man sollte bei ihm nicht alles, was er von sich gibt, auf die Goldwaage legen, sondern sich daran erfreuen, dass man einen echten Typen als Trainer hat, der sein Herz auf der Zunge trägt und nicht einen Weichspüler, der einen Woche für Woche mit den gleichen sinnfreien Phrasen abspeist. Natürlich hat Zorniger medial noch Luft nach oben und sollte auch einmal ein Fettnäpfchen auslassen, verbiegen lassen darf er sich aber nicht. Dann wäre er sofort unglaubwürdig, was ihm dann wohl auch noch negativ ausgelegt werden würde.
Im Moment kann er wohl machen, was er will, seine Gegner finden immer ein Haar in der Suppe. Sei es Kritik an seinen Spielern oder der Kaderzusammenstellung, wofür er sich allerdings auch schon bei der Mannschaft entschuldigt hat, sei es seine „Unerfahrenheit“ oder seine Red Bull Vergangenheit. Trifft ein Spieler aus zwei Metern das Tor nicht, spielt ein anderer einen schlampigen Pass, der zum Konter führt oder spielt der Torwart Harakiri, an allem ist Zorniger schuld.
Ich frage mich, was der VfB-Fan will. Soll es ewig so weitergehen wie in den letzten Jahren, alle paar Monate ein neuer Trainer, weiterhin ein Sammelsurium von Wunschspielern verschiedener Trainer, die nächste Abfindungszahlung an der Backe und nach drei Monaten, wenn weiterhin die Ergebnisse fehlen sollten, der Nächste bitte? Ich habe keine Lust mehr darauf, sich ständig im Kreis zu drehen und hoffe sehr, dass wir mit der Konstellation Dutt/ Zorniger die Kurve kriegen und Ruhe und Kontinuität in den Laden hineinbekommen. Für mich hat die Lösung mit Zorniger inzwischen einen gewissen Charme, er spricht unsere Sprache, kommt authentisch rüber, ist auf seine Art ein Verrückter und steht für mitreißenderen Fußball, als den, den wir in den letzten Jahren vorgesetzt bekamen.
Ich heiße auch nicht alles und jedes Interview gut, das Zorniger gibt und denke mir das eine oder andere Mal, hätte er doch dieses oder jenes Thema besser umschifft. Wie im realen Leben aber auch nehme ich die Menschen wie sie sind und hinterfrage oder kritisiere nicht jeden Wesenszug. Ich versuche damit klar zu kommen, ohne die Menschen ändern zu wollen und so nehme ich Alex Zorniger wie er ist. All das wäre ja auch überhaupt kein Thema, wenn die Ergebnisse stimmen würden.
Ich sage bei weitem nicht, dass Zorniger für uns das Nonplusultra darstellt und dass er alternativlos ist. Was mich viel mehr beschäftigt ist aber, welche Alternative wir denn hätten und vor allem, wer dann garantieren würde, dass alles besser wird!
Natürlich würde auch ich Jürgen Klopp mit Kusshand nehmen, bin aber Realist. Auch wenn er schon verkündete, ggf. auch einen „kleineren“ Verein zu übernehmen und Aufbauarbeit zu leisten, dann sicherlich nicht während einer Saison, wo er so gut wie keinen Einfluss auf die Planungen nehmen kann, abgesehen davon, dass er sich auch nicht mit einem Bruchteil des Gehalts abspeisen lassen würde, das er in Dortmund jeden Monat überwiesen bekam. Absolut unrealistisch. Ich wünsche mir schon fast, dass er in Liverpool unterschreibt, einfach deshalb, damit auch der letzte VfB-Fan einsieht, dass Kloppo reines Wunschdenken war.
Genauso wie wohl auch Lucien Favre, den ich nicht so einschätze, als dass er nach vier intensiven Jahren in Mönchengladbach ein paar Wochen später schon wieder die Vereinsfarben wechseln würde. Er, introvertiert wie er ist, muss das Geschehene sacken lassen und seinen Akku wieder aufladen.
Danach bleiben die üblichen Verdächtigungen, auf die ich nicht näher eingehen möchte. Jedenfalls verspricht keiner derer auf der Liste der arbeitslosen Fußballtrainer, dass er Zornigers Job besser machen würde. So ist übrigens auch die Mourinho-Aussage zu interpretieren, die Zorniger auch schon nachgetragen wird und die manch einer so verstanden haben möchte, Zorniger stelle sich auf eine Stufe mit Mourinho. Die Aussage sollte nur das widerspiegeln, was wir schon einige Male im Stadion erlebt haben, nämlich, dass der VfB einen klasse Fußball spielt, der Trainer also seinen Job gemacht und die Mannschaft richtig eingestellt hat, und uns dann stets individuelle Fehler um den Lob der Arbeit brachten. Auch ein Mourinho kann letzten Endes die Tore nicht selbst schießen.
Aller Anfang ist schwer, so auch der Beginn von Zornigers Bundesligatrainer-Karriere.
Gerade in der letzten Woche, als wir wieder einmal den (12.) Jahrestag des legendären 2:1 gegen die Startruppe von Manchester United feiern durften, kamen Erinnerungen an bessere Zeiten wieder hoch. Es war phantastisch, wie unter anderem Andi Hinkel, Kevin Kuranyi, Alex Hleb, Timo Wenzel und Timo Hildebrand die Fußballwelt im Sturm eroberten und als Junge Wilde Vol. 1 in die Geschichte eingingen. Felix Magath war seinerzeit Trainer dieser Rasselbande und ließ sich für diesen Jugendstil feiern. Kein Gedanke mehr daran, dass Magath die Jungen notgedrungen von der Leine lassen musste, weil kein Geld für Neuverpflichtungen da war und Jahre davor ein gewisser Ralf Rangnick hervorragende Vorarbeit geleistet hatte.
Die Jungen Wilden waren Produkt des Nachwuchskonzeptes, welches Rangnick während seiner Zeit als VfB-Trainer auf den Weg gebracht hatte. Rangnick war, ähnlich wie Zorniger jetzt, als Fußball-Professor und Fußball-Verbissener verschrien, der es sich mit seinen vermeintlichen Stars, allen voran Krassimir Balakow, schnell verscherzte. Wie Zorniger heute wurde dieser neunmalkluge Ralf Rangnick von Beginn an vom Umfeld kritisch beäugt und quasi bei „erstbester“ Gelegenheit wieder entsorgt. Auch er kam, etwas grün hinter den Ohren, daher, als habe er die Weisheit mit Löffeln gefressen und eckte ein ums andere Mal an. Wie man heute zu schätzen weiß, lag Rangnick mit vielem, das er damals anpackte und noch anpacken wollte, richtig, weshalb ich es auch Zorniger zutraue, zusammen mit Dutt den VfB zu erneuern und mittel- und langfristig zu verbessern, zumal Zorniger durch die Rangnick-Schule ging und Rangnick ihn sicher nicht geholt hätte, wenn er nicht seinem Ideal des Trainers entsprochen hätte oder dem zumindest nahe gekommen wäre.
Damals wie heute muss das Fundament im Nachwuchsbereich gelegt werden, damals wie heute wird sich der Erfolg nicht von heute auf morgen einstellen, damals wie heute erfordert es einfach Geduld und auch Vertrauen in die handelnden Personen ohne ständig jeden Handgriff und jedes Statement zu hinterfragen.
Da es seit Hansi Müllers Demission aus dem Aufsichtsrat keinen Maulwurf mehr zu geben scheint, Robin Dutt seine Transfers im stillen Kämmerlein und inkognito tätigt, drohten den Schreiberlingen schon die Geschichten auszugehen. Wie gut, dass es jetzt den Zorniger gibt, der es sich erlaubt, öffentlich den Finger in die Wunde zu legen und Spieler zu kritisieren.
Vor allem die Stuttgarter Blätter, die eigentlich das ureigene Interesse eines Stuttgarter Bundesligisten haben sollten, lassen keine Gelegenheit aus, Unruhe und Unzufriedenheit in die Mannschaft hineinzuschreiben. Dabei ist dann jedes Mittel Recht, Spieler und Trainer werden gegeneinander ausgespielt, die Berater dürfen ihren Senf noch dazu geben und wenn diesbezüglich alles ausgelutscht ist, werden halt Transfergerüchte in die Welt gesetzt. Alles wohl nur mit dem einen Ziel, Unruhe und Unzufriedenheit zu schüren. Ich erspare mir mittlerweile einen Großteil dieser Artikel, da sie dem so verpönten Boulevard-Journalismus inzwischen sehr nahe kommen.
Für die latente Unzufriedenheit und das lauter werdende Murren vieler Fans habe ich durchaus Verständnis, weil wir eben jüngst wieder einmal die rote Laterne übernommen haben. Auf der anderen Seite muss man aber halt auch berücksichtigen, was in den letzten Jahren so alles (schief) gelaufen ist. Inzwischen sehen wir, vor allem in den Heimspielen, attraktiven Fußball wie schon lange nicht mehr. Mit dieser Spielweise muss man sich, abgesehen von den Bayern, gegen keinen Gegner verstecken und kann sich in jedem Spiel eine Chance ausrechnen. Wann gab es das zuletzt, dass man samstags durchaus optimistisch ins Stadion gepilgert ist und sich auf die Spiele richtig gefreut hat?
Leider haben wir noch immer die Krankheit, dass vorne klarste Chancen en masse versiebt werden und hinten fast jede Chance des Gegners zum Gegentor führt.
Gerade im Defensivverbund scheint es gerade so zu sein, dass einer mit seiner Unsicherheit den anderen ansteckt. Konnte man vor vier Wochen noch hoffen, Timo Baumgartl würde an der Seite von Toni Sunjic zu alter Sicherheit zurückfinden, hat man nun den Eindruck, Sunjic wäre nach wenigen Wochen schon auf das Niveau seiner Kollegen heruntergezogen worden. War Insúa in den letzten Wochen noch ein Ruhepol, ließ sich dieser in Sinsheim auf das derzeitige Niveau von Flo Klein herab.
Und, dahinter irrt mit Tytoń ein Keeper im Strafraum umher, der den Beweis seiner Bundesligatauglichkeit bisher mehr als schuldig blieb. Dass Teile der Fans ihn in Sinsheim nach seinem Fehler zum 2:1 ausgepfiffen haben fand ich allerdings nicht gerade förderlich. Mildernde Umstände kann man Tytoń zu Gute halten, da das Abwehrverhalten der Mannschaft insgesamt schwach ist. Dennoch erscheint er mir inzwischen zu sehr verunsichert und trifft dadurch zu oft falsche Entscheidungen.
Auch wenn ich die Misere nicht an ihm festmache, könnte man ernsthaft darüber nachdenken gegen Ingolstadt Vlachodimos ins kalte Wasser zu schmeißen. Des Rückhalts der Fans könnte er sich schon mal sicher sein. Mit seinen 21 Jahren kann es eigentlich nur heißen, „Jetzt oder nie“. Ewig wird man ihn nicht als Nummer 3 bei Laune halten können und dann auch nie festgestellt haben, ob womöglich doch ein Leno in ihm steckt, wie viele weismachen möchten. Mich hat er bislang noch nicht so überzeugt, weil zu schmal und sehr riskant in seinem Spiel, aber, schlimmer kann’s fast nimmer werden.
Auch beim Rest der Startelf gab es Samstag so gut wie keinen Lichtblick. Harnik rückte ins Team und nicht nur das, er gab auch noch den Ersatzkapitän. Das mag so manchen verwundert haben, war er doch zuletzt außen vor und durfte lediglich wieder ran, weil Daniel Ginczek verletzt ausfiel. Harnik muss das 0:1 machen, dann läuft das Spiel wohl schon früh in unsere Richtung.
Maxim für Kostic, mit Didavi zusammen funktioniert (leider) nicht, es scheint, als würden in dieser Konstellation beide ihrer Stärken beraubt. Lukas Rupp als Vertreter von Christian Gentner konnte ebenfalls keine Eigenwerbung betreiben. Sollte Gentner weiter ausfallen, würde ich gerne einmal Carlos Gruezo an der Seite von Serey Dié sehen.
Fehler im Spielaufbau und viele einfache Unzulänglichkeiten auf beiden Seiten, so dass es nicht verwunderlich ist, dass beide Teams jeweils erst ein Spiel für sich entscheiden konnten. Das Spiel war, entsprechend der Tabellenkonstellation „Not gegen Elend“. Umso ärgerlicher, dass es der VfB nicht schaffte, die Gunst der Stunde zu nutzen und diesen schwachen Gegner aus dem Stadion zu schießen.
Wie wenn der VfB derzeit nicht schon genug Probleme hätte, schlägt nun auch noch das Verletzungspech erbarmungslos zu. Der langfristige Ausfall Langeraks hat uns bereits ins Mark getroffen und mutmaßlich den einen oder anderen Punkt gekostet. Robbie Kruse kämpft seit er hier ist, mit muskulären Problemen. Bei beiden kann man die medizinische Abteilung einmal kritisch hinterfragen, die für die Verpflichtungen grünes Licht gegeben hat. Gerade bzgl. Langerak kursiert das Gerücht, in Dortmund wundere dessen langer Ausfall Niemanden.
Kostic zog sich gegen Gladbach einen Muskelfaserriss zu, Kapitän Genter laboriert an Achillessehnenproblemen und fiel aus. Serey Dié plagte sich unter der Woche mit einer Magen-Darm-Geschichte herum, meldete sich aber einsatzbereit und ging auch in dieser Schlacht als Vorbild voran.
Das alles sind jedoch Kinkerlitzchen im Vergleich zu dem, welche Diagnose Daniel Ginczek ereilte: Bandscheibenvorfall im Halswirbelbereich, Ausfall möglichweise bis zur Winterpause. Ihm kann man nur einen guten Heilungsverlauf wünschen und dass die konservativen Behandlungsmethoden anschlagen. Ohne größere medizinische Kenntnisse kommt in mir die Befürchtung hoch, dass, sollte Ginni unters Messer müssen, eine noch viel längere Pause bis hin zum Karriereende im Raum stehen könnte.
Dass die Mannschaft unter dem Eindruck dieser Hiobsbotschaft in Sinsheim ihr bislang schlechtestes Spiel hinlegte, ist fast schon nachvollziehbar. Paradox dabei ist, dass der VfB seine vier Punkte in den schlechten Spielen holte und nach guten Leistungen stets leer ausging.
Erst durch den Dreifachwechsel ging ein Ruck durchs Team und vor allem Kliment und Ferati taten sich positiv hervor. Kliment traf per Kopf unmittelbar nach seiner Einwechslung, Ferati schlug in der Nachspielzeit eine Flanke butterweich auf den Kopf von Timo Werner und hatte somit maßgeblichen Anteil am Punktgewinn.
Es gibt sie also, die Hoffnungsschimmer. Arianit Ferati zum Beispiel, der nach misslungenem Flankenversuch von Harnik an den Ball kam und es besser machte. Diese Situation könnte fast Sinnbild einer Wachablösung sein, wenn sich Harnik nicht schon sehr bald steigert und zu alter Leistungsstärke zurück findet.
Zufrieden konnte man mit der Darbietung vom Samstag nicht sein, zu fahrig das Spiel. Da das Team es aber auch schon besser auf den Platz brachte und gegen Ingolstadt voraussichtlich Filip Kostic zurückkehren wird, kann man das Positive mitnehmen. Die Mannschaft ist nach zweimaligem Rückstand zurückgekommen und stand am Ende als moralischer Sieger da, auch wenn ich bis heute nicht so sicher bin, ob ich den Punkt als Punktgewinn oder als Punktverlust einordnen soll.
So oder so, diesen Punkt gilt es nach der Bundesligapause zu vergolden, indem gegen Ingolstadt der erste Heimsieg eingefahren wird.
Vorher aber steht zunächst einmal die Mitgliederversammlung an. Eine gute Möglichkeit für die Vereinsführung, ob sie will oder nicht, sich endlich mal wieder aus der Deckung zu wagen und darzulegen, welche Fortschritte sie erkennen und wie groß das Vertrauen in Alex Zorniger noch ist. Wenn ich mich durch die VfB-Foren klicke und Stimmungen persönlich einfange dürften die Zorniger-Befürworter und –Gegner etwa pari liegen und bei weitem nicht jeder den großen Rundumschlag herbeisehnen. Es dürfte hitzig werden!
Ich dagegen bin nach diesen mageren Wochen erst einmal reif für die Insel – für die grüne Insel, Irland is calling, Länderspieltime!
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26. Mai 2015
Totgesagte leben länger, der VfB hat doch tatsächlich nochmal die Kurve gekriegt. Nach dieser so unterirdisch schlechten Saison grenzt diese Tatsache schon fast an ein Wunder. Auch drei Tage nach Paderborn kann ich es noch nicht so richtig fassen, was in der Benteler-Arena geschehen ist.
Erst der frühe Rückstand, der einmal mehr offenbarte, dass wir im Grunde ohne Abwehr durch die Saison stolperten, dann die Willensleistung von Daniel Didavi, der sich, wie schon in der Vorsaison, gerade noch rechtzeitig einsatzbereit meldete, um großen Anteil daran zu haben, den Super-GAU abzuwenden. Und schließlich das tolle 1:2 durch Daniel Ginczek, der erneut seinen immensen Wert für den VfB unterstrich und gerade noch rechtzeitig auf Touren kam.
Dass der VfB letztendlich gewann und den Klassenerhalt aus eigener Kraft schaffte, lag an der herausragend guten Offensive. Wie Filip Kostić Gegenspieler um Gegenspieler verschliss, sie alle wie Anfänger aussehen ließ und immer wieder bis zur Grundlinie durchstieß, war fast schon Weltklasse. Lernt er bei allem Eifer noch das punktgenaue Flanken haben wir ein wirkliches Juwel in unseren Reihen. Seine Leistung in den letzten Spielen kann man nicht genug würdigen, bindet er doch die halbe gegnerische Abwehr, wodurch automatisch Räume für die Mitspieler geschaffen werden. André Breitenreiter, Coach des SC Paderborn, stellte fest, dass Filip Kostić der mit Abstand beste Spieler war, der in dieser Saison in Paderborn seine Visitenkarte abgab und das obwohl dort auch Spieler wie Robben, Ribery und Reus vorspielten. Noch hervorzuheben, bevor er zu kurz kommt, Alexandru Maxim, der diesen Zuckerpass auf Ginczek spielte und damit ebenfalls maßgeblichen Anteil am Klassenerhalt hat.
Für diese Gefühlswelt, die man an einem solch entscheidendem Spieltag im Stadion durchlebt, tut man sich das Ganze wohl Jahr für Jahr, Woche für Woche an. Unglaubliche Emotionen wurden freigesetzt, gestandene Mannsbilder liegen sich heulend in den Armen, Erleichterung allerorten und eine unfassbare Freude und Stimmung. Das ganze Spiel über bot der Gästebereich sein komplettes Repertoire auf, so dass man sich keinen schöneren Ort vorstellen konnte, das Wochenende zu verbringen. Ein prall gefüllter Block, eine unfassbare Lautstärke, die eine oder andere Pyro-Einlage und schließlich tumultartige Szenen bei den Toren und erstrecht beim Abpfiff. Auch wenn ich inständig hoffe, eine solche Zittersaison nicht noch einmal erleben zu müssen, ertappe ich mich tatsächlich beim Gedanken, dass mir dieses Gefühlschaos tausend Mal lieber ist, als wenn ich zur selben Zeit meine 25. Meisterschaft feiern und mich darüber ärgern „müsste“, dass nicht mehr daraus geworden ist.
So groß die Freude darüber ist, dass wir auch in der nächsten Saison im Oberhaus spielen dürfen und vor allem dass nicht alles auseinander gerissen wird, was die letzten Wochen so gut funktioniert hat, muss von nun an der Blick nach vorne gerichtet werden. Es ist zu hoffen, dass Eckpfeiler des Aufschwungs wie Serey Dié, Daniel Didavi, Filip Kostić, Daniel Ginczek, auch Martin Harnik und Alexandru Maxim gehalten werden können. Offensiv sind wir richtig gut aufgestellt. Ein Backup noch für Ginczek, sollte man für Ibisevic einen Abnehmer finden, dann wären wir sehr gut aufgestellt.
Martin Harnik wird sich hoffentlich nicht für Schalke entscheiden, sondern hier bleiben. Allerdings müsste man dann seinen Vertrag noch in der Sommerpause verlängert bekommen, bevor wir Gefahr laufen, dass er im nächsten Jahr ablösefrei geht. Dies kann und darf sich ein Verein wie der VfB im Grunde nicht (mehr) leisten, so dass es mir dann sehr leidtun würde, stünden die Zeichen auf Abschied. Harnik ist eines der wenigen Gesichter des VfB der Gegenwart, für mich noch mehr als unser Kapitän Gentner, so dass ich sehr hoffe, dass mit ihm eine Vertragsverlängerung erzielt werden kann. Natürlich durchlebte auch er zuletzt schwache Phasen, verlor zeitweise jeden Ball und konnte kaum mehr einen Ball stoppen, dennoch ist er wichtig für die Mannschaft, mit seiner Schnelligkeit durchaus eine Waffe, ein Kämpfer, der nie aufgibt und zudem auch immer klare Worte findet. Kurz gesagt, er ist einer dieser Typen, wie wir sie in unserem Kader sonst vergeblich suchen.
Im Defensivbereich müssen dagegen endlich Verstärkungen her. Ein moderner Torwart, ein gestandener Innenverteidiger und ein oder zwei Außenverteidiger sind nötig, um in der nächsten Saison wieder besser schlafen zu können.
Dass Antonio Rüdiger möglicherweise von seiner Ausstiegsklausel Gebrauch machen würde, war gestern zu lesen. Etwas schade zwar, aber, auf der anderen Seite aber, käme dies Timo Baumgartl durchaus zugute, wenn ein erfahrener Mann für den VfB gewonnen werden könnte, von dem er lernen und zu dem er aufschauen könnte. Bei allen Bemühungen, die Truppe schlagkräftiger zu machen, darf man aber unseren eigenen Talenten, wie bspw. auch Timo Werner, den Weg ins Team nicht verbauen.
Gestern fand sie also statt, die so sehnlich erwartete Saisonabschluss-Pressekonferenz, die Robin Dutt schon vor Wochen angekündigt hat und uns auch wissen lassen hat, dann seine Eindrücke der ersten fünf Monate seiner Amtszeit schonungslos vorzutragen. Zunächst bemerkenswert, Bernd Wahler gab zu, die Fanproteste und die Banner in der Cannstatter Kurve gegen seine Person und die seiner Kollegen in Vorstand und Aufsichtsrat nicht nur wahrgenommen, sondern sich auch zu Herzen genommen zu haben. Nicht nur das, er gab ihnen recht, offenbarte, dass sie in den letzten Jahren planlos unterwegs waren, was einem Armutszeugnis gleich kam, aber auch erkennen ließ, dass sie Besserung geloben wollen.
Robin Dutt wurde noch deutlicher und kritisierte, ohne Namen zu nennen, Vorgänger Fredi Bobic harsch. Es werde keine One-Man-Show mehr geben, die Kaderplanung lasse ebenso wenig einen Plan erkennen wie das Scouting. Dort wären keine Leitlinien, keine Vorgaben vorhanden gewesen, sprich, es habe jeder vor sich hin gewurstelt, ohne Gehör „von oben“ gefunden zu haben. Von einer einheitlichen Spielphilosophie, die man sich schon Ende der 1990er-Jahre unter Ralf Rangnick auf die Fahnen geschrieben habe, wäre ebenso abgerückt worden wie von der Verzahnung des Jugend- und Amateurbereichs zu den Profis. Man habe in den letzten Jahren keine Transferüberschüsse eingefahren, sämtliche Spieler, die von außen geholt wurden, haben an Marktwert verloren und mussten schließlich oft und zu allem Überfluss gegen eine Abfindungszahlung von der Gehaltsliste herunter gebracht werden. Transfers wurden planlos getätigt, ohne überhaupt zu überprüfen, ob man nicht im Nachwuchsbereich ein entsprechendes Talent für die Planstelle habe, so dass wir nach und nach einen Kader aufblähten, wie wir ihn heute vorfinden und Nachwuchsspieler Frust schieben, weil ihnen ständig durchschnittliche und besserverdienende Spieler vor die Nase gesetzt wurden.
Schon am Tag nach dieser denkwürdigen PK bekommen Dutt und auch Wahler („wir haben an bestimmten Personen zu lange festgehalten“) für die öffentliche Schelte kräftig auf die Ohren. Es mag im ureigenen Interesse der Medienlandschaft liegen, Kriegsschauplätze aufzumachen und eine Reaktion von Fredi Bobic herauszufordern, ich fand die deutliche Kritik angebracht. Man kann nicht auf der einen Seite eine schonungslose Aufarbeitung verlangen, um dann pikiert zu sein, wenn diese kommt und transparent offengelegt wird.
Fredi Bobic wird diese Kritik schon aushalten können und auch müssen. Er hatte vier Jahre lang Zeit zu gestalten, wohin seine Amtszeit geführt hat, sieht man nun in schonungsloser Deutlichkeit. Der einst so stolze Verein dümpelt in den Niederungen der Liga herum und hat das zweite Mal in Folge die Klasse nur mit sehr viel Glück gehalten. Bobic zeichnet für diesen Niedergang maßgeblich mitverantwortlich, hauptsächlich weil er stur und beratungsresistent war. Vetterleswirtschaft wie noch nie, die sogar bis in die Mannschaftsaufstellung hineinreichte, erhielt mit Bobic Einzug, gute Kumpels wurden Experten vorgezogen. Schlimm genug und daher natürlich auch nicht von Kritik freizusprechen, seine Vorstandskollegen und der ach so tolle Aufsichtsrat, die diesem Treiben weitestgehend tatenlos zusahen. Bobic entließ gleich zu Beginn unseren besten Trainer der letzten Jahre Christian Groß, unter ihm verließen Urgesteine im Nachwuchsbereich wie Albeck und Schrof den Verein, weil sie kein Gehör fanden, was zur Folge hat, dass mehr und mehr Talente dem Verein den Rücken kehren und bei Red Bull Leipzig anheuern. Aufkeimende Kritik, intern wie extern, schmetterte er genauso harsch darnieder, wie sie ihm jetzt entgegenschlägt. Und, zu guter Letzt hält Bobic, obwohl dem Vernehmen nach noch auf der Gehaltsliste, mit Kritik an seinem früheren Arbeitgeber auch nicht hinterm Berg, so dass sich hier eigentlich niemand künstlich aufregen muss.
Dutt stellte klar, dass zukünftig die Vereinsphilosophie über allem stehen muss. Es müsse wieder erkennbar sein, für welchen Fußball der VfB stehe und danach werde das Personal ausgesucht. Es würden in allen Bereichen nur noch Trainer eingestellt werden, die diesen Stil voll mit zu tragen bereit seien. So wurden im U19- und im U17-Bereich Sebastian Gunkel und Kai Oswald als neue Trainer vorgestellt.
Vorgesetzter aller Trainer soll künftig der Cheftrainer der Profis sein. Erwartungsgemäß heißt dieser Alexander Zorniger, wie Dutt gestern erstmals öffentlich bestätigte.
Mir unverständlich, dass man in dieser Personalie bereits Ende Februar, Anfang März Nägel mit Köpfen machte und nicht den weiteren Saisonverlauf abwartete. Schon damals schien das Vertrauen in Huub Stevens nicht besonders groß gewesen zu sein. Laut Dutt war Stevens zwar damals bereits in diese Gedankenspiele eingebunden, ob er sie goutierte ließ Dutt jedoch offen. Die Einigung mit Zorniger dürfte zeitlich in etwa damit zusammengefallen sein, als Dutt erstmals öffentlich Kritik an der defensiven Ausrichtung der Mannschaft äußerte, was ein Huub Stevens sicherlich als Majestätsbeleidigung angesehen haben dürfte. Ob Stevens so verbohrt gewesen wäre diese mit acht Defensivspezialisten auf dem Platz bis zum Saisonende durchzuziehen und er sich reinreden lassen hat, was uns möglicherweise gerade noch den Allerwertesten gerettet hat, darüber zu spekulieren wäre hypothetisch. Auch ich hielt in jener Zeit, spätestens nachdem Stevens in Sinsheim zugab mit seinem Latein am Ende zu sein, einen neuerlichen Trainerwechsel nicht mehr für ausgeschlossen. Da man sich in der Trainerfrage aber so früh festgelegt hatte, war dieser de facto nicht mehr möglich. Das Risiko wäre zu groß gewesen. Hätte man Zorniger gleich geholt und dieser wäre abgestiegen, wäre er für einen Neuanfang in Liga 2 kaum mehr vermittelbar gewesen. Wäre ein externer Feuerwehrmann geholt worden und man hätte überzeugend die Klasse gehalten, wäre eine Ablösung durch Zorniger nach Saisonende ebenso schwer zu verrargumentieren gewesen. So hat sich der VfB völlig unnötig der letzten Patrone beraubt und spielte mehr oder weniger mit dem Feuer.
Nach den letzten Spielen, die sicherlich nicht nur der Weisheit eines Huub Stevens wegen gut bestritten wurden, sondern auch weil sich Didavi fit meldete, Ginczek zu alter Stärke fand und die Außenspieler Kostić und Harnik ihren Anteil am guten Offensivspiel hatten, finde ich es äußerst schade, dass man sich mit Stevens nicht auf eine Ausdehnung seines Engagements geeinigt hat. Mir gefällt seine knurrige und doch humorige Art, wie er mit den Medien spielt und auch wie er die Mannschaft im Griff hat(te). Er findet das richtige Maß zwischen Zuckerbrot und Peitsche, hat das Gespür, wann er mahnen und wann er trösten muss. Ihn hätte ich gerne mal in einer Sommervorbereitung erlebt und ihm eine Sommer-Transferperiode zugestanden, um zu sehen, wie sein Kaderumbau ausgesehen hätte.
Es nützt alles nichts, Huub Stevens ist (leider) Geschichte beim VfB, man kann ihm nicht genug Dank zollen, für das was er in den letzten beiden Jahren hier geleistet und dass er uns zwei Mal vor dem Abstieg bewahrt hat.
Bei all meiner Wertschätzung für Huub Stevens und dem Unverständnis darüber, wie früh man sich auf Zorniger festgelegt hat, könnte dies auch für ein neues konsequentes Handeln, eben einen Plan, sprechen. Wenn Zorniger tatsächlich DER Mann ist, der die Spielidee, für die der VfB zukünftig stehen möchte, in sich vereint, war es schon wieder logisch just in dem Moment zuzupacken, als dieser frei wurde.
Ich denke da eher pragmatisch und sehe den Fußball als Tagesgeschäft und keine Planwirtschaft an. Dieses zuletzt doch funktionierende Gebilde auseinanderzureißen und ins Risiko zu gehen birgt Gefahren, wie man beim Wechsel von Stevens zu Veh gesehen hat, wobei man Veh wohl eher wegen der guten alten Zeit und nicht aufgrund eines ausgefeilten Zukunftsplans zurückgeholt hat.
Zorniger ist zwar nicht mein Wunschkandidat, als Co-Trainer fand ich ihn 2009 eher unscheinbar, seine Tätigkeit beim Brausehersteller machte ihn nicht sympathischer. Aber, wie jedem neuen, den der VfB vorstellt, gebe ich auch ihm vorbehaltlos die Chance mich zu überzeugen und wünsche uns allen, dass er für einen erfolgreichen Neuanfang beim VfB stehen wird.
Ob er im Gegensatz zu Leuten wie Thomas Tuchel, die auch im Gespräch waren, die für die Vereinsführung bequemere Lösung sein wird, glaube ich nicht einmal. Er hatte schon immer seinen eigenen Kopf und kann richtig unbequem werden zu Leuten, die nicht mitziehen oder seine Vorstellungen konterkarieren. Er steht für modernen Fußball mit schneller Balleroberung, schnellem Umschaltspiel und auch schnellen Abschlüssen, was sicher Zeit und auch geeignetes Personal erfordert, um dem VfB in naher Zukunft ein Facelifting zu verpassen.
Der Kaderumbau indes muss bereits vor dem ersten Training am 29.06.2015 vorangetrieben werden. Sensationell charmante Worte fand Dutt ja für die Ladenhüter, für die man bereits im Winter vergeblich Abnehmer suchte. Er nannte sie, Spieler, für die es keinen Markt gibt, man könnte auch sagen, der VfB war lange ein Auffangbecken für gestrandete Fußballer. Diese anzupreisen, neue zu holen, die für die neue Spielphilosophie stehen (sofern man im Unterbau keine findet) ist die vordringlichste Aufgabe im Sommer. Eine Frage auf der PK war auch, ob auf der Torhüterposition Handlungsbedarf bestehe, da Ulle ja nicht gerade für das schnelle, moderne Torwartspiel stehe, die Dutt allerdings erfolgreich und ohne eine Antwort darauf zu geben umschiffte. Zorniger wird auch hier hoffentlich eine klare Vorstellung haben, nur so zur Erinnerung, als Zorniger 2009 beim VfB war, hieß der Torwarttrainer Ebo Trautner, vielleicht eine Überlegung, ihn, der beim aufwärmen stets der erste war, dem Anfeuerungsrufe entgegenschallten, zurückzuholen, da sich alle Torhüter, die Andi Menger anvertraut wurden, meiner Meinung nach zurückentwickelt haben.
Als Co-Trainer bringt Zorniger André Trulsen mit, den ehemaligen Assistenten von Holger Stanislawski, der mittlerweile Filialleiter eines Hamburger Supermarktes ist. „Truller“ kenne ich hauptsächlich als St. Pauli-Ikone und Kultfigur, ob er ein guter Co-Trainer ist, wird sich zeigen. Als „Co“ muss er ohnehin vorwiegend dem Chef-Trainer zuarbeiten und sollte möglichst einen guten Draht zur Mannschaft aufbauen. Ein positiver Typ ist er und er wird auch keine allzu großen Akklimatisierungsprobleme bekommen, lebt er doch ohnehin bereits in Stuttgart.
VfB-Legende Günther Schäfer tauscht seinen Posten bei der VfB-Fußballschule gegen den des neu geschaffenen Teammanagers. Dabei soll er koordinative Aufgaben bei den Profis übernehmen, sich um Top-Talente des Nachwuchsleistungszentrums ebenso wie um ausgeliehene Spieler kümmern. Eine Aufgabe, die die ihm auf den ersten Blick wie auf den Leib geschneidert zu sein scheint. Schäfer verkörpert wie kaum ein anderer das VfB-Gen, von dem Dutt gestern immer sprach. Er ist sicherlich prädestiniert dafür, dieses Gen den Hoffnungsträgern von morgen einzuimpfen und sie zugleich auf dem Weg zum Profi begleiten und ein Auge darauf haben, dass sie bodenständig bleiben. Genauso wichtig ist es, verliehenen Spielern stetig klarzumachen, dass sie weiterhin ein Teil vom VfB sind und entgegen zu wirken, dass sie sich entfremden. Man hat es bei Kimmich gesehen, bei Schieber, bei Holzhauser, keiner wurde nach der Leihe wieder richtig warm mit dem VfB. Didavi bildet wohl auch nur deshalb eine Ausnahme, weil der VfB ihn nach seinen schwersten Verletzungen nicht fallen lassen hat und immer zu ihm stand. Die Gefahr war auch bei ihm groß, wusste Labbadia seinerzeit doch nichts mit ihm anzufangen.
Der ehemalige Bundesliga-Torwart Philipp Laux, unter anderem beim SSV Ulm 1846 aktiv, wurde zudem als Sportpsychologe vorgestellt. Bemerkenswert, dass der VfB sich modernen Herangehensweisen nicht mehr verschließt, gab es doch in der letzten Saison einige Momente, bei denen man den Eindruck hatte, „es helfe nur noch ein Psychologe“. Besonders veranschaulicht wurde uns dies bei diversen Interviews, wenn von mentalen Blockaden die Rede war.
Das Management-Team wird um Joachim Cast, der Scouting-Bereich um Guido Buchwald erweitert, wobei Buchwald vorwiegend den asiatischen Markt im Auge behalten und die Internationalisierung vorantreiben soll. Im Finanzressort wird es organisatorische Änderungen geben, im Aufsichtsrat der Nachfolger für Hansi Müller noch gesucht.
Und, schließlich wurde mit Philip Heise auch der erste Neuzugang für die kommende Saison bekanntgegeben. Der 23-jährige Linksverteidiger kommt vom 1. FC Heidenheim und soll auf Sicht eine der größten Schwachstellen im Team beheben.
Bis die tiefgreifenden Umstrukturierungsmaßnahmen erste Früchte tragen, wird (natürlich) einige Zeit ins Land ziehen. Diesen Scherbenhaufen, den wir ständig wechselndem Personal zu verdanken haben, aufzukehren, das geht leider nicht von heute auf morgen, so dass wir noch von mindestens einem weiteren Übergangsjahr ausgehen müssen. Als Saisonziel wurde ein gesicherter Mittelfeldplatz ausgegeben, von mehr zu träumen verbietet sich in Anbetracht der letzten Jahre ohnehin.
Der Verein stellt sich neu auf, hoffentlich der Aufsichtsrat auch. Es kann nicht sein, dass ein Dr. Joachim Schmidt als heimlicher Präsident in der Außendarstellung wahrgenommen wird, weil er, wie nach der Bobic-Entlassung gesehen, auch so auftritt. Der Aufsichtsrat muss sich auf seine eigentlichen Aufgaben rückbesinnen, den Vorstand zu kontrollieren und bestenfalls noch den finanziellen Rahmen vorgeben und ansonsten einfach mal die Klappe halten. Wer von diesen Herren den Stuttgarter Medien bereits Anfang März ausgeplaudert hat, dass Zorniger als Trainer feststehe, muss gefunden und zur Rechenschaft gezogen werden. Der Aufsichtsrat muss des Weiteren zukünftig ausschließlich zum Wohle des Vereins agieren, es muss aufhören, dass jeder sein eigenes Süppchen kocht und lediglich das Beste für seinen ursprünglichen Arbeitgeber im Blick hat. Zahlt Porsche als Hauptsponsor eines Tages wirklich mehr als der Daimler, dann müssen gewisse Personen eben über ihren Schatten springen oder den Posten beim VfB aufgeben, bevor sie Interessenskonflikten unterliegen.
Der Nachfolger von Hansi Müller, bei dem es mich noch immer brennend interessieren würde, welchen Teufel ihn geritten hat bei Servus-TV den zukünftigen VfB-Trainer auszuplaudern, wird noch gesucht. Zumindest dementiert wurde der Name Thomas Hitzlsperger nicht. Ich würde mich freuen, ihn wieder beim VfB begrüßen zu dürfen, habe aber meine Zweifel, ob dieser Posten tatsächlich das ist, was er machen möchte, in noch relativ jungen Jahren. Müller ist für mich trotzdem so etwas wie das Bauernopfer, die wahren Probleme im Aufsichtsrat stecken tiefer, der Maulwurf vermutlich noch immer da.
Das Commando Cannstatt stellt in seinem Saisonfazit, wie bereits zum Ende der letzten Saison, fest, dass nichts erreicht sondern nur verhindert wurde. Wahre Worte! Sie stellen den unglaublichen und gelebten Zusammenhalt in der gesamten Fanszene heraus, dessen Anteil am Klassenerhalt nicht zu unterschätzen ist. Welch ein beeindruckendes Bild, „ganz in rot“ auf Schalke oder „ganz in weiß“ gegen den HSV, welche Lautstärke im Neckarstadion herrschte, wie knapp 2.000 VfBler am Samstag das Spiel in Paderborn fast zu einem Heimspiel werden ließen, das war schon tief beeindruckend und bestärkt einen immer wieder darin, Teil des geilsten Clubs der Welt zu sein.
Das CC strich auch heraus, was ich schon vor ein paar Wochen geschrieben habe, dass wir Fans es uns nicht länger bieten lassen sollten, dass ewig so weiter gewurstelt wird und wir dem Verein bei der Aufarbeitung dieser Saison tunlichst mehr auf die Finger schauen sollten als zuletzt.
Die gestrige Pressekonferenz war ein erster Schritt in die richtige Richtung. Dem „Bla-Bla“ müssen jetzt jedoch Taten folgen. Dutt als der neue starke Mann, der gestern auf mich einen guten Eindruck machte, muss sich jetzt beweisen, von nun an werden wir auch ihn an seinen Taten messen. Wie Zorniger auf seinem Posten, hat nämlich auch Dutt als Sportdirektor noch nichts erreicht, seine Nagelprobe kommt jetzt, beginnend mit dem gestrigen Tag. Auch durch die vernichtende Kritik seiner Vorgänger hat er die Messlatte für sich sehr hoch gelegt, die Nachhaltigkeit der eingeleiteten Maßnahmen wird zu gegebener Zeit zu überprüfen sein.
Der VfB wird runderneuert, wir befinden uns in der Stunde null, auch wenn der Super-GAU gerade noch abgewendet wurde. Getreu dem Motto „Jeder Tag ist ein neuer Anfang“ hat auch unsere (neue) Führungscrew diese neue Chance verdient. Auf der PK wurde das Vorhaben geäußert wieder näher an die Basis heranzurücken und transparenter zu arbeiten, so dass wir hoffentlich über die Fortschritte der einzuleitenden Maßnahmen auf dem Laufenden gehalten und genau beobachten können, wie die Erfolgskontrolle und ggf. Korrekturmaßnahmen aussehen. Nur wenn hier vehement am Ball geblieben wird, die sich auf die Fahnen geschriebenen neuen Leitsätze konsequent verfolgt werden und das Personal, das diese umsetzen soll, permanent und kontinuierlich hinterfragt wird und sich auch selbst hinterfragt, wird es wieder aufwärts gehen und nur dann werden wir zukünftig wieder mehr Freude an und mit unserem VfB haben.
Nicht nur die Herren Profis haben sich nach dieser Saison Urlaub und Erholung verdient, auch wir Fans. Das Gefühlschaos in den letzten Wochen war anormal und einfach nur anstrengend. Trotzdem graut es einen schon wieder vor elf Wochen Bundesligapause. Die Hoffnung ist zwar da, dass es eine kurzweilige Zeit wird, weil der VfB für knapp zehn Spieler, die keine Zukunft beim VfB mehr haben sollen, doch einen Markt findet, weil man einige Spieler, die tatsächlich auch für Aufbruch in ein neues Zeitalter stehen, für sich gewinnen kann. Ob es sich bewahrheitet und es noch vor Amtsantritt Zornigers Vollzugsmeldungen kommen, wird man sehen. Bis Mitte Juni stehen zumindest noch die Relegationsspiele sowie DFB-Pokal- und Championsleague-Endspiel wie auch noch Länderspiele auf dem Programm, so dass es bis dahin nicht langweilig werden dürfte.
Vor allem auf die Relegation bin ich sehr gespannt. Es ist diese Konstellation, die ich mir wünschte, zumindest nachdem klar war, dass der KSC Zweiter oder Dritter wird, da ich, bei allem Respekt, weder Darmstadt 98 noch dem 1. FC Kaiserslautern es zugetraut hätte, den HSV zu besiegen. Mit dem KSC, so meine ich, könnten die Hamburger richtige Probleme bekommen.
Daher haben wir jetzt eine Konstellation, bei der ich, so komisch es klingen mag, für keinen aber gegen beide bin. Beim KSC freue ich mich, wenn er in der 2. Liga hängen bleibt und weiter an Boden auf uns verliert, beim Abstieg des HSV fiele endlich diese blöde Bundesliga-Uhr und das Dino-Gehabe weg. Wie der VfB im Grunde auch, hätte der HSV den Abstieg mittlerweile mehr als verdient. Auf der anderen Seite würde mir das Auswärtsspiel in meiner deutschen Lieblingsstadt sehr fehlen, so dass ich ihnen höchstens ein Jahr Abstinenz vom Oberhaus gönnen würde.
Auf der anderen Seite ist der Reiz eines Derbys gegen den KSC in der nächsten Saison groß. Diese Spiele sind doch das Salz in der Suppe. Leider wurden diese Spiele, vor allem seit Ende der 1990er-Jahre, immer mehr zu einem Krieg hochstilisiert, so dass man sich vor allem im Wildpark seines Lebens kaum mehr sicher sein kann, wenn man daran denkt, was schon 2009 dort ablief und die gegenseitige Abneigung seither eher noch größer geworden ist. Für mich hört da der Spaß auf, meinetwegen können sich Gleichgesinnte die Köpfe einschlagen, wenn sie eben Unbeteiligte, die lediglich ihre Farben vertreten und Fußball schauen möchten, in Ruhe lassen.
Am 10.06. folgt dann bereits die erste Weichenstellung für die kommende Saison, die erste DFB-Pokalrunde wird in Reutlingen ausgelost. Auch auf diesen Tag fiebere ich hin und hoffe auf ein kultiges Stadion. Erstrundenspiele bei unterklassigen Vereinen üben auf mich einen großen Reiz aus. Der Fußball ist dort meist ursprünglicher, das Bier billiger, der VfB Gast zum Spiel des Jahres und hoch gewonnen wird auch noch meistens.
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2. Dezember 2014
Auch noch gut acht Tage nach dem Rücktritt von Armin Veh, kann ich das Geschehene nicht so recht einordnen. Ist Veh tatsächlich freiwillig zurückgetreten oder hat man ihm den Rücktritt doch nahegelegt, um den Schein nach außen zu wahren, damit niemand sein Gesicht verliert?
Überall wo Veh bisher Dienst tat, kokettierte er über kurz oder lang mit seinem Abschied, wenn nicht alles so lief, wie er es sich vorstellte und wie seine (zu hohen?) Ansprüche an sich selbst sind. In dieser Hinsicht ist er ein typischer Wassermann, freiheitsliebend, motiviert, wenn er sich selbst verwirklichen kann, aber eben auch frustriert, wenn er nicht so kann, wie er gerne möchte und wenn es nicht so läuft, wie er es sich wünscht. Dann neigt er aus diesem System auszubrechen und sich seine Freiheit wieder herzustellen. Ein wenig mehr Gelassenheit täte da Not, kann er doch als Trainer auch nicht alles selbst beeinflussen. Was kann ein Trainer beispielsweise dafür, wenn ein Sven Ulreich in Bochum den Ball völlig unmotiviert in die Mitte zum von drei Gegenspielern umringten Romeu passt und somit die nächste Zittersaison maßgeblich einleitet, wenn man sich gegen Wolfsburg durch einfache Ballverluste in der eigenen Hälfte öfter dilettantisch auskontern lässt, in Bremen bei zwei Standards pennt oder gegen Augsburg von den Schiedsrichtern benachteiligt wird. Was kann Armin Veh dafür, dass der fällige Torwartwechsel zum Eigentor wird, weil Thorsten Kirschbaum sich noch schlechter präsentiert als Sven Ulreich in den letzten zweieinhalb Jahren.
Dass das Umkrempeln des VfB nicht von heute auf morgen geht, dürfte allen klar gewesen sein. Daher war das Umfeld bisher auch wohltuend ruhig, obwohl man auf dem 18. Platz angekommen war. Das Vertrauen in den Meistertrainer von 2007 war also durchaus vorhanden.
Den Rücktritt mit mangelndem Glück zu begründen, halte ich für Quatsch. Allerdings werfe ich Veh auch nicht Fahnenflucht vor oder dass der Kapitän das sinkende Schiff verlassen hat.
Die (wahren) Gründe muss man in der Person Vehs suchen. Veh war schon immer einer, der durch Charme, Charisma und Lockerheit faszinierte und Zuhörer in seinen Bann ziehen konnte. Dies kehrte er jedoch nur nach außen, innen sieht es wohl anders. Die Situation vom VfB und dass er keine Mittel hatte (kurzfristig) dem Trend entgegenzuwirken nagte sichtlich an ihm und ließ ihn schließlich resignieren. Schon nach der Meisterschaft und vor allem gegen Ende seiner ersten Amtszeit war zu beobachten, dass es Veh nicht schaffte, sich auf schwierige Situationen ein- und in gewisser Weise auch umzustellen. Er macht sein Ding und hat keinen Plan B in der Tasche, dann läuft er lieber davon. Seinerzeit hatte Veh Horst Heldt als Freund und Manager an seiner Seite hatte und auch einen Erwin Staudt als Präsident, der sich um das Betriebsklima und die Sorgen und Nöte seiner Angestellten scherte.
Jetzt, in seiner zweiten Amtszeit, hatte Veh jedoch weder Heldt noch Leute wie Hübner und Bruchhagen um sich, die ihn in schweren Zeiten an die Seite nahmen und auf andere Gedanken brachten oder auch mal einfingen. Ich denke, Veh ist ein Mensch, der das hin und wieder mal braucht, der harmoniebedürftig ist und dem interner Zuspruch durchaus wichtig ist. Bernd Wahler möchte ich nicht unterstellen, dass ihm ein gutes Betriebsklima nicht auch am Herzen liegen würde, er ist jedoch mehr als Krisenmanager denn als Seelenmasseur gefragt in diesen Tagen. Und, Jochen Schneider ist zu unerfahren, um die Zeichen der Zeit der rechtzeitig erkannt zu haben.
Am Sonntag hatte Veh noch einen Auftritt bei Sky 90, den ich mit Spannung erwartete. Die offizielle Sprachregelung blieb bestehen, nämlich die, dass allein das fehlende Glück, welches Veh auf sich projiziert, den Ausschlag für den Rücktritt gegeben habe. Vielleicht erfahren wir in fünf Jahren einmal mehr, was diese Mission tatsächlich zum scheitern brachte. Ansonsten erläuterte Veh noch einmal, dass sich der Verein verändern muss, dass man über einige der Protagonisten der letzten Misserfolgs-Jahre nachdenken müsse, ob sie den Verein noch weiterbringen. Ein Jahr im Tabellenkeller könne Zufall sein, der Trend nach unten, den der VfB seit Jahren aufweist, jedoch nicht mehr. Was mich aufhorchen ließ, war die Aussage, dass 2007 mit 70 Mitarbeitern 130 Millionen Umsatz erwirtschaftet wurden und es heuer mit 160 Mitarbeitern gerade einmal 100 Millionen Umsatz sind. Gesundes Wachstum sieht anders aus.
Und, Veh erklärte noch einmal, dass er nach drei Jahren Eintracht Frankfurt eigentlich Trainerpause machen und bei Sky als Experte anheuern wollte, bis eben der VfB kam. Diesen Verein liebt er noch immer, schien aber doch mehr in der Vergangenheit zu schwelgen als die Gegenwart zu realisieren. Unser VfB ist leider mit dem von 2007 nicht mehr zu vergleichen, wir haben uns seither dramatisch zum Nachteil entwickelt. Dessen war sich Veh wohl nicht bewusst, als er auf dem Wasen unterschrieb. Er schätzte den Kader stärker ein als er tatsächlich ist, was ich ihm nicht einmal vorwerfe. Alle unseren Spieler zeigen ja hier und da starke Spiele und was sie wirklich drauf haben. Dass aber gute Einzelspieler noch keine Mannschaft ausmachen, dass man nicht nur das fußballerische Können sondern auch den Charakter der Spieler betrachten muss, bevor man sich ein Urteil bildet, dürfte Veh jetzt erkannt haben. Das sehen wirklich nur die, die tagtäglich mit der Truppe arbeiten und auch noch eher wir Fans, die sich ständig mit dem VfB beschäftigen.
Veh rate ich, als Nostalgiker der er ist, sein Vorhaben aus der HSV-Zeit wahr zu machen und auf den Job des Sportdirektors umzusatteln. Dort ist er weniger dem tagtäglichen Druck der Öffentlichkeit ausgesetzt, wird nicht jeder Schritt und Tritt beobachtet, ist er nicht von der Gunst seiner Spieler abhängig und kann vor allem gestalten anstatt sich mit dem zu begnügen, was ihm der Verein vorsetzt.
Wenn Veh diese Erkenntnis für sich nicht erlangen sollte, kann man im Grunde jeden Verein nur davon warnen, Armin Veh als Trainer zu holen. Nach Rostock und Reutlingen tat er es beim VfB bereits zum dritten Mal, „seinen“ Verein mitten in der Saison zu ver- und ein großes Vakuum zu hinterlassen. Seine anderen Vereine verließ Veh meist freiwillig zum Vertragsende, weil er frei sein möchte und nicht gefangen im Haifischbecken Bundesliga oder im Korsett eines Vereins.
Ein Club, der nach Kontinuität strebt, wird daher in naher Zukunft sicherlich nicht bei Veh anrufen, um ihn zu verpflichten. Meiner Meinung schadet dieser neuerliche Rücktritt seinem Ruf als Trainer. Abschließend wünsche ich Armin Veh, dass er sich die Sinnfrage stellt und sich genau überlegt, was er in Zukunft noch machen möchte und wie er sich sein nächstes Engagement vorstellt. Ich mag Veh nach wie vor, als Meistertrainer ist er sowieso für die VfB-Fangemeinde unsterblich, behalte ihn aber auch als freundlichen Menschen in Erinnerung, der immer ein offenes Ohr hatte. Klingt fast wie ein Nachruf, soll aber keiner sein. Ab jetzt oder besser gesagt seit letztem Freitag ist wieder „Huubschraubereinsatz“ auf dem Wasen.
Huub Stevens ist wieder da, ein knappes halbes Jahr nach dem Spiel im Schlienz-Stadion, als der VfB zum Saisonabschluss gegen eine Fanauswahl antrat und Stevens feierlich und mit viel Tam-Tam verabschiedet wurde. Ich hatte mir damals gewünscht, man würde zusammen weiter machen, fand dann aber Veh noch die charmanteste und mit die beste aller möglichen Nachfolge-Lösungen und bin auch jetzt froh, dass sich Stevens zum zweiten Mal bereit erklärt hat, dem VfB aus der Patsche zu helfen.
Huub Stevens ist das Gegenstück zu Armin Veh. Versuchte es Veh mehr mit Lockerheit, unserem „Kindergarten“ beizukommen, ist Stevens für seinen harten Stil und als Disziplinfanatiker bekannt. Wer ausschert und nicht mitzieht, hat bei ihm verloren. Wer mehr mit Schönspielerei als durch Kampf auffällt, für den ist kein Platz in der Stammelf. Stevens bringt Erfahrung und Eigenschaften mit, die dieser Mannschaft gut tut, wie man bereits in der Rückrunde der letzten Saison feststellen konnte. Hat uns tatsächlich zuletzt das Quäntchen Glück gefehlt, Stevens wird sich dieses sprichwörtlich versuchen zu erarbeiten, da er nicht an Zufälle glaubt. Eigentlich stellen wir jetzt zurück auf Mai 2014, eine Tatsache, die der VfB und Huub Stevens sich hätten ersparen können, wenn man sich bereits damals auf eine Weiterbeschäftigung verständigt hätte. Auch wenn es nicht zielführend ist, in den Sünden der Vergangenheit zu wühlen, mich würde es doch sehr interessieren, wie und warum es letztendlich zur Trennung kam. War es Huub Stevens, der nach seinem Saloniki-Engagement und dem Abstiegskampf mit uns eine Pause brauchte, in Ordnung und akzeptiert. Lieber sich selbst eine Pause verordnen, anstatt wider der inneren Stimme auf Teufel komm raus Raubbau am eigenen Körper zu betreiben und sich das erst einzugestehen, wenn man mitten im nächsten Engagement steckt.
Wenn aber der Abschied auf Zeit auf der Miste des VfB gewachsen sein sollte, ist diesem nicht mehr zu helfen. Das kann dann eigentlich nur damit zusammenhängen, dass der ehrenkäsige Fredi Bobic Huub Stevens nicht weiter beschäftigen wollte, weil die beiden wohl in diesem Leben keine Freunde mehr werden. Bei der Verpflichtung von Stevens setzten sich Aufsichtsratsvorsitzender Schmidt und Wahler gegen Bobic durch, der ja gerne Krassimir Balakov zurück an den Neckar gelotst und damit seinem nächsten Kumpan einen Posten zugeschachert hätte. Stevens verbannte Bobic gleich zu Beginn (zu Recht) auf die Tribüne, bereits zu Bobic‘ aktiver Zeit bei der Berliner Hertha rasselten die beiden ja aneinander. So scheint es einmal mehr, dass Bobic eigene, persönliche Interessen über die des Vereins stellte. Eine andere mögliche Variante, weshalb man Stevens nicht das Vertrauen für die jetzige Saison aussprach, wäre die, dass man bei Veh schon länger im Wort stand.
Nicht nur aufgrund der jetzigen Umstände wäre die beste Lösung gewesen, Huub Stevens im Amt zu behalten und stattdessen Fredi Bobic bereits im Mai zu entlassen, dann wäre uns womöglich einiges Ungemach erspart geblieben. Stevens hätte dann schon seine eigene (dem Vernehmen nach auf dem Papier sogar schon vorhandene) Saisonplanung umsetzen können. Er wusste ja bereits, auf welche Spieler er setzt, auf welchen Positionen wir für ihn zufriedenstellend besetzt sind und wo man hätte etwas tun müssen. Eines wäre so sichergestellt gewesen, so naiv wie mit Armin Veh und dessen Einschätzung der Mannschaft wären wir nicht in die Saison gegangen.
Mit Stevens auf der Bank hatte ich am Freitag gleich ein gutes Gefühl. Die Mannschaft kennt ihn weitestgehend, er die Mannschaft. So erschien es mir durchaus im Bereich des Möglichen, dass vier Tage im Kreis der Mannschaft ausreichen könnten, um die Sinne neu zu schärfen und die Mannschaft gut für das Freiburg-Spiel ein- und aufstellen zu können. Hat man bei einigen unserer Spieler öfter mal den Eindruck, dass sie nicht die Hellsten sind und die Situation verkennen, weil sie sich stärker einschätzen als sie, wie an der Tabelle abzulesen ist, tatsächlich sind, wird die Trainerkabine neu bezogen, erkennen auch diejenigen, dass es wieder einmal fünf vor zwölf ist und sie plötzlich kein Alibi mehr haben.
Den Freiburg-Trip, zum Heimspiel unserer Freunde von den Murgtalschwaben, dehnten wir ein wenig aus und planten ihn von vornherein mit einer Übernachtung, um den so sehnlichst gewünschten Auswärtssieg danach gebührend feiern zu können. Bereits gegen 12 Uhr stellten wir das Auto in Weisenbach im Murgtal ab, stärkten uns noch für den langen Tag und machten uns dann mit der Bahn auf den Weg nach Freiburg. Gegen 16 Uhr kamen wir am Hauptbahnhof an und besuchten zunächst den Weihnachtsmarkt auf dem Münsterplatz, wo wir mit Bekannten verabredet waren. Nach drei Gläsern Glühwein und sehr wohlgestimmt ging es weiter in den Schwarzwaldblick, in Sichtweite des Schwarzwaldstadions, wo wir jedes Mal hingehen, wenn der VfB seine Visitenkarte im Breisgau abgibt. Ein Wahnsinn, wie viele Bekannte man bei Auswärtsspielen immer trifft und welche Gaudi man zusammen immer hat. So vergaß man fast die Zeit, sie rannte sprichwörtlich weg. Gerade noch pünktlich zum Einlauf der Mannschaften erreichten wir unseren Platz auf der Gegentribüne. Besser geht es kaum zu sitzen, Reihe 5 mit super Sicht aufs Spielfeld und auch auf unseren Fanblock. Für mich zwar immer schade, wenn ich das Intro und bei Auswärtsspielen die gegnerische Schalparade respektive in Freiburg das Badener Lied verpasse, aber, wir hatten beim Vorglühen richtig Spaß, so dass ich das verschmerzen konnte, verpasste ich ja vom Spiel nichts.
So saßen wir also auf der Gegentribüne, auf der unser Platz stolze 57 Euro kostete, ich kann mich nicht erinnern, jemals für ein Bundesligaspiel mehr bezahlt zu haben. Mein Allzeitrekord liegt zwar bei 240 Euro für ein Ticket, aber, es handelte sich schließlich um das Halbfinale der WM 2006 Deutschland-Italien in Dortmund und es war der reguläre FIFA-Preis für diese Kategorie bei einem Halbfinale.
Als ich den Preis das erste Mal hörte (Karten mussten ja über unsere badischen Freunde besorgt werden, mit württembergischer Postleitzahl geht beim SCF überhaupt nichts) musste ich mir erst einmal bewusst werden, ob ich zur Championsleague in einen Fußballtempel oder zu einem Aufeinandertreffen zweier Abstiegskandidaten in die Freiburger Bruchbude gehen würde, aber, sei’s drum. Bevor ich etwa 40 Euro für einen Sitzplatz im Gästebereich berappe und, wie schon vorgekommen, hinter einer Plexiglasscheibe sitze und nur alkoholfreies Bier verabreicht bekomme, dann doch lieber zu diesem Preis hinein unters Freiburger Volk.
Zu Beginn war dem VfB die Verunsicherung, die die rote Laterne einfach mit sich bringt, anzumerken. Freiburg griff beherzt an und hatte mehrfach die Führung auf dem Fuß. Umso verwunderlicher, dass nach einer halben Stunde plötzlich der VfB durch die Sturmspitze Martin Harnik in Führung ging. Diese Führung stellte den Spielverlauf auf den Kopf. Gute zehn Minuten später aber, ich verrichtete gerade meine Notdurft, brandete großer Jubel auf, denn, Freiburg traf aus 25 Metern zum 1:1. Natürlich habe ich auch dieses Tor inzwischen gesehen und bin der Meinung, abgesehen davon, dass man den Schuss nicht einmal versucht hatte zu verhindern, dass Ulle den Ball normalerweise haben muss. Er wirkt zwar erleichtert, dass der böse Veh weg ist, ein besserer Torwart ist er dadurch leider noch lange nicht. Es gab im Spiel noch zwei, drei weitere Situationen, in denen er nicht gut aussah, so dass sich unser Torwartproblem fortsetzt.
Nach dem 1:1 hatten wir bei einem Lattenschuss noch Glück, so dass das 1:1 zur Pause für den VfB schmeichelhaft war. Zu Beginn der zweiten Halbzeit war der VfB in puncto Balleroberung präsenter und fand in Mitrovic sein Opfer. Ein Ballverlust des Serben an Sararer führte über Gentner und den wuchtigen Nachschuss von Carlos Gruezo zum 1:2. Dass Gruezo bei Stevens wieder schlagartig bessere Karten als unter Armin Veh haben würde, war mir ziemlich klar.
Wie der Holländer die Doppel-Sechs endgültig zu besetzen gedenkt, wird man vielleicht schon gegen Schalke sehen, wenn Oriel Romeu wieder einsatzberechtigt ist. Durch seine Sperre stellte sich die defensive Schaltzentrale mit Gruezo und Leitner fast von selbst auf. Gespannt darf man auch darauf sein, ob Leitner in Freiburg als Lückenbüßer herhalten musste oder ob er den zweiten Anlauf unter Stevens besser meistert als den ersten, wo er meist nur auf der Bank saß. Stevens steht eben mehr auf Malocher als auf Schönwetterfußballer. In Freiburg gefiel mir Leitner phasenweise richtig gut, war es doch auch, der Werner mit einem mustergültigen Pass auf die Reise schickte, und dieser wiederum Bürki zum 1:3 tunnelte. Nach Notbremse und folgerichtigem Platzverweis für Mitrovic war es dann Harnik, der seinen Doppelpack schnürte und zum 1:4 traf.
Das Glück war uns dieses Mal also hold, hätte der Schuss in der ersten Halbzeit durchaus auch nach hinten los gehen können. Veh befand bei Sky 90 sofort, mit ihm wäre auch dieses Spiel verloren gegangen, hypothetisch natürlich, und wenig zielführend. Ob wir gewonnen haben, weil Stevens das Glück mit an den Neckar brachte, Freiburg das Tor nicht traf, der VfB in Mitrovic einen Gönner fand oder wir einfach einmal vorne die Kisten machten, ist mir ziemlich schnuppe. Fußball ist erwiesenermaßen kein Glückspiel, es gibt zwar die eine oder andere Strähne, der man entgegenwirken kann, wenn man die regelmäßigen Trainingseinheiten dazu nutzt, an den vorhandenen Defiziten zu arbeiten und sich Woche für Woche zu verbessern. Dafür haben wir jetzt den richtigen Mann, Marke Fußballlehrer, an der Seitenlinie. Er würde sich persönlich beleidigt fühlen, gäbe es nichts zu verbessern, daher dürften die kommenden Monate das reinste Vergnügen für ihn als VfB-Trainer werden.
Dem VfB gelang es mit dem Auswärtssieg auf den Relegationsplatz 16 mit nunmehr zwölf Punkten zu klettern. Es war allemal ein Auftritt, der Mut macht für die nächsten schwierigen Aufgaben. Mit Siegen steigert sich automatisch auch wieder das Selbstvertrauen, das Vertrauen in ihren neuen alten Trainer ist ohnehin gegeben. Nun heißt es zuhause gegen den Lieblingsheimgegner Schalke 04 nachzulegen. In seiner ersten Amtszeit schaffte es Stevens, eine neue Heimstärke (unter anderem auch gegen seine alte Liebe Schalke) zu generieren, die jetzt wieder bitter nötig wäre, um die nötigen Punkte im Kampf um den Klassenerhalt zu erringen. Aus den vier verbleibenden Spielen bis zur Winterpause sollten möglichst noch zwei Siege herausspringen, dann, mit 18 Punkten, hätte man eine vernünftige Basis für die Aufholjagd in der Rückrunde gelegt.
Für uns ging es nach dem Spiel noch einmal in den Schwarzwaldblick, wo die Sky-Sendung „Mein Stadion“ mit Uli Potofski zu Gast war. Fast als die letzten Gäste und zu später Stunde begaben wir uns schließlich auf die Suche nach dem Auto unserer Rückfahrgelegenheit. Da mittlerweile keine Bahn mehr zu jenem Park & Ride Platz fuhr, irrten wir in etwa eine geschlagene Stunde herum, und fanden das Vehikel dann auch schließlich. Für diese verlorene Zeit wurden wir insofern entschädigt, dass wir, entgegen des Plans uns nach Bühl zur S-Bahn zu chauffieren, mit Tempo 220 im Audi AS bis vor die Haustür nach Weisenbach gefahren wurden, die wir gegen 3 Uhr morgens erreichten. Total kaputt zwar, aber, mit dem ungewohnten Gefühl eines Sieges, der auch heute noch unheimlich gut tut.
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24. November 2014
Die Fußballwelt ist doch so schnelllebig. Regte ich mich heute früh noch über einen Pfeifenmann namens Kinhöfer auf, ist das Spiel gestern und sind die Umstände, die zur Niederlage geführt haben, schon so gut wie in Vergessenheit geraten.
Kurz nach 11 Uhr heute Morgen platzte die Bombe. Armin Veh hat seinen sofortigen Rücktritt erklärt. Bang! Auch jetzt noch macht mich diese Nachricht fassungslos und lässt mich in Schockstarre verfallen. Dennoch versuche ich hier, meine Gedanken zum Besten zu geben.
Mit Armin Veh hatte ich zum ersten Mal seit Christian Gross (Stevens ausgenommen) wieder ein gutes Gefühl, dass er uns dort hin führen kann, wo wir dem Selbstverständnis des Vereins nach stehen müssten. Nach 4 ½ Jahren Bobic, in denen Kritikresistenz und Vetterleswirtschaft Hochkonjunktur hatten, spürte ich, seitdem Veh das Zepter schwang, dass sich etwas bewegt auf dem Wasen. Er legte den Finger in die Wunde, probierte fiel aus, traute sich an verkrustete Strukturen heran, auch wenn er sich damit nicht immer nur Freunde machte.
Es ist aber doch verständlich, dass man nach Jahren der Erfolgslosigkeit und spielerischer Armut zuerst die Schuld bei denen suchen muss, die schon eine gefühlte Ewigkeit den Brustring spazieren tragen. Dass der Schuss des Torwartwechsels nach hinten los ging, konnte keiner ahnen. Auch ich hatte Thorsten Kirschbaum stärker eingeschätzt und bin enttäuscht darüber, dass er, vor allem mental, dem Druck im Haifischbecken Bundesliga nicht standgehalten hat. Jetzt aber Ulle wieder zum Messias hochzuheben, davon halte ich nichts. Für mich hat sich das Problem durch die (vorgeschobene?) Verletzung Kirsches und damit der Rückgängigmachung des Wechsels nicht gelöst. Gegen Augsburg war Ulle fast nicht zu bewerten. Einen Ball, kurz nach dem Platzverweis, hält er herausragend, einmal, in der zweiten Halbzeit, kommt er raus, lässt sich ausspielen und hat Glück, dass Baumgartl auf der Linie klärt. Wäre ein Tor gefallen, würden wir an dieser Stelle über einen Torwartfehler sprechen müssen. Ansonsten hielt er, was ein Bundesligatorhüter halten muss und offenbarte erneut seine Schwächen in der Spieleröffnung, wo ihm Handlungsschnelligkeit fehlt und ihm die altbekannte Lahmarschigkeit vorgeworfen werden muss. Natürlich hoffe auch ich, dass sich Ulle stabilisiert und zu einem Rückhalt wird, wie er es vor etwa dreieinhalb Jahren schon war, auf Sicht muss aber ein guter Torwart geholt oder von den Nachwuchsteams hochgezogen werden.
Unter der Leitung von Veh wurden die Auftritte peu à peu ansehnlicher, was sich leider nicht am Punktekonto ablesen lässt. Es nützt eben alle Schönspielerei nichts, wenn gravierende individuelle Fehler zu einer Vielzahl an Gegentoren führen. Gestern wurden diese Fehler minimiert, aber, das Unvermögen oder besser die Dummheit Daniel Schwaabs brachten uns letztendlich auf die Verliererstraße. Ab diesem Zeitpunkt rückte der Heimsieg zumindest in weite Ferne. Daniel Ginczek, der bis dahin ein vielversprechendes Comeback ablieferte, fiel der taktischen Umstellung zum Opfer, unsere Offensive fand danach so gut wie nicht mehr statt. Schwaab also, der sich schon mal mit den Fans anlegt, foult zwei Mal nahe der Mittellinie gelbwürdig. Natürlich war die gelb-rote Karte zu hart, natürlich würden die Bayern einen solchen Platzverweis nicht bekommen, dennoch war das Einsteigen Schwaabs ungestüm und unnötig. Natürlich hätte Kinhöfer, beträfe das zweite Foul einen Bayern-Spieler, Guardiola signalisiert, „nimm ihn runter, sonst fliegt er beim nächsten Foul“. Aber, wir sind eben nur der VfB, da macht das Draufhauen besonders Spaß. So war schon frühzeitig die Hoffnung auf den Heimsieg wie weggepfiffen. Da die Augsburger die Vorlage des Platzverweises nicht aus dem Spiel heraus verwerteten, legte das Schiedsrichtergespann nach, und schenkte Augsburg den Elfer zum Siegtreffe. Die Handspielregel nervt extrem und sorgt Woche für Woche für Diskussionen. Angelegt, angeschossen, unnatürliche Handbewegung, Vergrößerung der Körperfläche, etc. pp. Wenn der Ball die Hand Hlouseks traf, war es angeschossen und nie und nimmer ein Elfmeter, er versucht sie ja noch wegzuziehen. Das passt natürlich auch noch ins Bild. Man ist drauf und dran seit einer gefühlten Ewigkeit mal wieder zu null zu spielen und dann so etwas. Was soll da ein Trainer noch machen, der kann doch nur an der Linie verzweifeln.
Auch ich verstand während des fünfmonatigen Wirkens von Armin Veh einige Maßnahmen nicht unbedingt, zum Beispiel, weshalb Gruezo unter ihm keine Rolle mehr spielte, Gentner und Leitner jedoch in schöner Regelmäßigkeit zur Startformation gehörten. Auch gestern musste ich zunächst ungläubig schlucken, als ich sah, dass sich die einzige Konstante unserer Viererkette, Florian Klein, auf der Bank wieder fand. Auf der anderen Seite bemängelte ich es jahrelang, dass die erste Elf eine nahezu geschlossene Gesellschaft war, der Leistungsgedanke außer Kraft gesetzt war und unser Spiel für den Gegner viel zu einfach ausrechenbar war. Deshalb sah ich diese Wechsel durchaus als positiv an, sah Bewegung, einen Ansporn für die Reservisten, Gas zu geben, weil jeder seine Chance bekam. Selbst Sercan Sararer, vor Saisonbeginn zu den Amas verbannt, wurde für seine guten Leistungen dort belohnt und stand zuletzt gar mehrmals in der Anfangsformation.
Ich war hoffnungsfroh, mit Veh auf dem richtigen Weg zu sein. Es ging darum, noch den einen oder anderen Punkt zu verbuchen und in der Winterpause aufzurüsten. Dann muss auch dem letzten im Verein klar geworden sein, dass man die Versäumnisse aus der Sommerpause nachholen und dem Kader Qualität in der Defensive und, wenn möglich auch ein erfahrener Führungsspieler, auf den die jungen hören, zuführen muss, um die Chancen auf den Klassenerhalt zu erhöhen. Selbst mit der jetzigen Führung hatte ich Hoffnung, dass sie bis dahin erkannt haben, dass man Geld in die Hand nehmen muss, um den Abstieg zu vermeiden. Selbst, wenn, wie zu erwarten ist, kein Geld für Verstärkungen da ist, man würde sich Geld leihen müssen, denn ein Abstieg käme uns ein Vielfaches teurer zu stehen. Veh wäre da eigentlich in einer guten Position gewesen.
Was gestern nach dem Spiel vorgefallen ist, ich hoffe, man klärt uns zeitnah auf. Ich kann es mir nicht vorstellen, dass Veh, als er beispielsweise verkündete, Ulle stünde auch in Freiburg im Tor, schon im Kopf hatte, den Bettel hinzuschmeißen. Da man beim VfB eher Verschleierungstaktik als Offenheit an den Tag legt, ist Spekulationen Tür und Tor geöffnet. Irgendetwas muss vorgefallen sein. Ich befürchtete ja schon länger, Veh wäre unter Vorspiegelung falscher Tatsachen zurück an den Neckar gelockt worden. Vielleicht ging es darum, dass Veh, der ein grundehrlicher Mensch ist, langsam aber sicher die Öffentlichkeit informieren wollte, wie er sich den VfB 2014/2015 vorgestellt hat, welche Änderungen er vornehmen wollte und für was alles kein Geld zur Verfügung stand. Vielleicht war er um seinen guten Ruf besorgt, und wollte reinen Tisch machen, um nicht hinterher als blauäugiger Depp dazustehen.
Es passt zu Veh, dass er, wie schon bei Rostock und Reutlingen, von sich aus hinwirft. Diese Befürchtung hatte ich bereits vor einigen Wochen geäußert. Hier verhält sich Veh wie ein Ehrenmann und geht unter völligem Verzicht weiterer Bezüge, einfach weil ihm der Verein am Herzen liegt, weil er uns nicht auf der Tasche liegen möchte. Ich empfinde seinen Abgang nicht als feige sondern eher als konsequent. Angenommen wir stünden, mit Veh, in zwei bis drei Wochen noch immer mit neun Punkten auf dem letzten Tabellenplatz, sähe sich der Verein möglicherweise zum Handeln gezwungen und wir hätten wieder einmal millionenteure Abfindungszahlungen an der Backe.
Ich danke Veh für sein Herzblut, das er investiert hat. Ob bei den Trainingslagern im Sommer, beim Kabinenfest oder auch bei seinen Interviews, immer war ich beeindruckt von dem „Bock“, den er auf die Aufgabe hatte. Ich hatte mehrmals die Gelegenheit mit ihm zu sprechen und war jedes Mal fasziniert von seiner Lockerheit, seinem Charme und seinem Witz und bin sehr traurig, dass es nicht hat sein sollen. Unvergessen natürlich die Meisterschaft 2007, die für immer und ewig mit seinem Namen verbunden sein wird.
Jetzt stehen wir also da, ohne Sportdirektor, ohne Trainer. Unser Präsident Bernd Wahler steht nach der Entlassung „des Mannes unseres absoluten Vertrauens“ und dem Rücktritt von „Wunschtrainer“ Armin Veh mehr denn je in der Pflicht den Vorschusslorbeeren gerecht zu werden, die ihm bei seiner Wahl im Sommer 2013 vorauseilten. Auf mich machte er auch heute einen eher rat- und planlosen Eindruck. Diese Suppe aber hat er sich selber eingebrockt.
Anstatt man die Missstände der Vorsaison, wie versprochen, schonungslos zur Sprache brachte, die Saison aufarbeitete und notwendige Schlüsse zog, präsentierte man den Messias Veh als Trainer und dachte naiv, alles würde gut werden. Wie, wenn 32 Punkte, die wohl nie mehr wieder zum direkten Klassenverbleib reichen werden, nicht Warnung genug gewesen wären, machte man einfach so weiter.
Dass ein gestandener Abwehrrecke schon in der letzten Saison fehlte, ignorierte man einfach. Rüdiger/ Schwaab, die schon bei der beispiellosen Negativserie unter Thomas Schneider meist das Innenverteidiger-Duo bildeten, wurde vertraut, auf die Verpflichtung des so wichtigen Abwehrchefs, der bspw. Rüdiger anleiten und führen könnte, verzichtet. Am Ende der Transferperiode stand für diese Personalie angeblich kein Geld mehr zur Verfügung, dann frage ich mich, weshalb man auf Teufel komm raus einen Traore-Ersatz gesucht und in Kostic schließlich auch gefunden hat und etwa 8 Millionen Euro für ihn ausgibt, wenn es viel größere Schwachstellen zu beheben galt.
Weshalb noch einen Mittelfeldspieler, wenn unserer Abwehr die Bundesligatauglichkeit fehlt? Für mich ist Kostic ohnehin eher Spielmacher denn Außenbahnspieler, daher umso kritischer zu hinterfragen dieser Transfer, da wir auf der zehn mit Didavi und Maxim schon (quantitativ) ausreichend besetzt sind. Nicht, dass ich etwas gegen Kostic hätte, für mich wurde hier lediglich das spärlich vorhandene Budget falsch eingesetzt. Ich halte ihn sonst für einen guten, wenn auch sehr eigensinnigen Spieler. Wobei man zu letzterem auch werden kann, wenn man keine guten Mitspieler hat, ich meine mich erinnern zu können, dass er am Anfang öfter versuchte, einen Doppelpass zu spielen, als er das gestern oder auch schon in Bremen tat.
Wahler muss diese vakanten Posten schnellstens bestmöglich besetzen. Ich halte nichts von der internen (Billig-)Lösung Jochen Schneider zum Sportdirektor zu befördern, einfach, weil ich ihm Betriebsblindheit unterstelle und es ihm nicht zutraue, sich gegen unseren mächtigen Aufsichtsrat und Spardirektor Ulrich Ruf durchzusetzen. Jener Ruf, der als oberster Controller des Vereins noch immer auf die Dienste eines Computers verzichten soll und daher mutmaßlich erst dann über die Finanzen des Vereins voll im Bilde zu sein scheint, wenn es kein Geld mehr von der Bank gibt. Der neue starke Mann muss auf Augenhöhe mit Aufsichtsrat und Vorstand diskutieren und verhandeln können. Er muss klare Vorstellungen haben, wie er den Karren wieder flott bekommt, wissen, an welchen Schrauben er zu drehen hat, welche Investitionen notwendig sind und vor allem auch, wen vom jetzigen Kader man schleunigst vom Hof jagen sollte. Es muss jeder auf den Prüfstand und dabei nicht nur sein bei schönem Wetter fußballerisches Können hinterfragt werden, sondern auch Eigenschaften wie Führungsstärke, Teamfähigkeit und Charakter durchleuchtet werden. Es geht im Mannschaftssport nur über das Kollektiv und hier hat Bobic bei der Mannschaftszusammenstellung kläglich versagt. Es gilt noch immer die Scherben aufzukehren, für die Bobic verantwortlich zeichnet. Diesen zu finden ist mitten in der Saison natürlich schwierig. Ich hatte gehofft, Veh würde den Posten bis Saisonsende in Personalunion bekleiden können, um dann bspw. einen Schmadtke oder einen anderen unter Vertrag stehenden Manager loseisen zu können. Jetzt bekommt auch diese Personalie wieder höchste Priorität, außer Schindelmeiser fällt mir hier so gut wie niemand ein, der sich in dem Job schon besondere Meriten erworben hat.
Der Aufsichtsrat, allen voran dessen Vorsitzender Schmidt, muss sich auf seine Kontrollaufgaben konzentrieren und weniger ins Tagesgeschäft einmischen. Noch jeder fähige, aber auch unbequeme Mann wurde abserviert, weil persönliche Eitelkeiten stets wichtiger waren als der Erfolg des Vereins. Die Strukturen und mangelnde Fachkompetenz im gesamten Verein müssen hinterfragt werden, ein „Weiter so“ darf es nicht geben, meinte Wahler schon in der letzten Saison.
Der neue Trainer dagegen hat nur diese eine Aufgabe, den Abstieg zu vermeiden. Dies dürfte mit dem vorhandenen Kader schwer genug werden. Perspektivisch etwas aufzubauen, einen Plan zu verfolgen, ist also wieder nicht möglich. Wieder einmal ist der VfB gezwungen zu reagieren anstatt selbst die Richtung vorzugeben. Wie es zur Stunde die Medien meinen zu wissen, wird der Nachfolger von Veh dessen Vorgänger.
Jener Huub Stevens also, der im Sommer angeblich eine Pause benötigte, dem man die Fähigkeit abgesprochen hatte, perspektivisch arbeiten zu können, er soll den Abstieg ein zweites Mal verhindern. Das wäre sicherlich nicht die schlechteste Lösung, passt aber wieder zur Konzeptlosigkeit unserer Vereinsführung. Wäre man nicht schon sehr früh bei Armin Veh im Wort gestanden, hätte man Anstrengungen unternommen, Stevens unbedingt halten zu wollen, möglicherweise wäre uns einiges erspart geblieben. Aber, damals stand ja auch noch Fredi Bobic in der Verantwortung, der von Stevens gleich zu Beginn seiner Amtszeit ordentlich in die Schranken verwiesen wurde. Ich war damals sehr enttäuscht, dass es mit Stevens nicht weiter ging, weil mir seine Art und sein (distanzierter) Umgang mit der Mannschaft gut gefiel.
Wir werden sehen, ob in Freiburg Reutershahn/ Geyer oder doch ein neuer Mann auf der Bank sitzen werden. In erster Linie steht die Mannschaft in der Pflicht, die uns in diese Situation gebracht und Veh zum Rücktritt genötigt hat. Die Herren in kurzen Hosen müssen es richten, sich 90 Minuten lang konzentrieren, nicht ablenken lassen und alles dem Beruf unterordnen. Und, sie müssen verdammt nochmal daran arbeiten, ein Kollektiv zu werden und sich auf dem Platz gegenseitig helfen. Das ist noch immer das Hauptmanko und von keinem Trainer der Welt auf Knopfdruck abzustellen.
Bis gestern war ich recht optimistisch, was die Fahrt nach Freiburg anging. In den letzten Jahren haben wir dort meist nicht schlecht ausgesehen, auch in der letzten Saison die drei Punkte mitgenommen. Ob die Unruhe in dieser Woche der Sache förderlich ist, bezweifle ich einmal. Schon deshalb wäre es gut, frühzeitig Klarheit, wenigstens auf dem Trainerposten, zu haben.
Auch wenn der VfB derzeit ein Komödienstadel sondergleichen ist, die leise Hoffnung, Thomas Tuchel könnte in der nächsten Saison als Trainer zum VfB zurückkehren, habe ich noch nicht aufgegeben. Natürlich stehen ihm alle Türen offen, natürlich hätte er das Zeug dazu bei einem ganz Großen anzuheuern, sollte jedoch noch ein klein wenig Verbundenheit zu dem Verein vorhanden sein, bei dem er den Trainerberuf erlernte, wäre es fahrlässig vom VfB, sich nicht um eine Verpflichtung zu bemühen. Dafür müssten jetzt schon Nägel mit Köpfen gemacht und müsste demzufolge der Kontrakt mit dem Veh-Nachfolger bis zum 30.6.2015 befristet sein. Ob sich Stevens oder ein Anderer darauf einlassen würde, steht auf einem anderen Blatt. Dies wäre ausnahmsweise eine von Weitblick getragene Entscheidung, die ich unserer derzeitigen Führungscrew schon einmal nicht zutraue. Auf der anderen Seite, nur wenn man als Verein selbst klare (realistische) Vorstellungen und Visionen hat und diese auch vorlebt und die Personalentscheidungen danach ausrichtet, ist die Voraussetzung gegeben, dauerhaft eine klare Linie und keinen Schlingerkurs an den Tag zu legen. Derzeit noch ist das Gegenteil der Fall, es wird in den Tag hinein gelebt und dann zieht einem ein Vorfall wie der Rücktritt von Armin Veh erst einmal den Boden unter den Füßen weg und ehe man sich versieht steht man vor Fernsehkameras und trägt diese Ratlosigkeit in die Welt hinaus.
Es ist zum heulen, was aus dem VfB geworden ist. Derzeit sind wir wirklich der Chaos-Verein Deutschlands schlechthin, selbst der HSV kommt da nicht mehr mit. Wenigstens diese rote Laterne sollte alsbald weitergegeben werden. Momentan wird man als VfB-Fan überall nur noch belächelt oder, was noch viel schlimmer ist, bemitleidet. Dieser Zustand ist fast unerträglich. Auch wenn heute ein schwarzer Tag in der VfB-Historie ist, jeder Tag ist ein neuer Anfang, morgen zum Beispiel, möglicherweise schon mit neuem altem Trainer.
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