30. März 2024

Ein sc(Hoeneß) Jahr

Wie Ihr sicher mitbekommen habt, machte ich mich zuletzt auf dieser Plattform sehr rar. Die Gründe waren vielschichtig. Zum einen sorgte Corona für einen Bruch, dann bot das Konstrukt um Mislintat und Matarazzo lange keine allzu großen Kritikpunkte, bzw. wollte ich auf dem, was mir gegen den Strich ging und mit welchen Entscheidungen ich nicht konform war, nicht allzu sehr breittreten.

Danach gab es sicher kritikwürdige Entscheidungen, wie die Vorstellung der Beratergilde, Ernennung des Anlernlings Christian Gentner zum Leiter der Lizenzspielerabteilung, das unwürdige Theater um Mislintats Vertragsverlängerung mit wohl schon vorher feststehendem Ausgang und nicht zuletzt die Verpflichtung Labbadias zum Cheftrainer, weg von modernem Fußball, zurück in die Steinzeit.

All das juckte zwar hier und da in den Fingern, mehr als ein paar Facebook-Kommentare dazu kamen von mir aber nicht.

Bezeichnend, dass mein letzter Beitrag nach dem offenen Brief von Hitzlsperger erstellt wurde, den ich in der Art und Weise als unangebracht und auch ungerecht Vogt gegenüber hielt. Wie man heute sicher davon ausgehen kann, hatte Hitz wohl in allen Punkten Recht und kann aus heutiger Sicht als verzweifelter Hilfeschrei wahrgenommen werden.

Was es mir aber wirklich wert und auch eine Herzensangelegenheit ist, ist das sensationelle erste Jahr von Sebastian Hoeneß beim VfB. Mir ist es unbegreiflich, wie er es schaffte, wirklich jeden Spieler besser zu machen. Wie er es schafft, aus zuvor technisch unbedarften Berufsfußballern Pass- und Kombinations-Maschinen zu formen. Wie er taktisch flexibel mehrere Systeme spielen lässt und jeder auf dem Platz, und diejenigen, die eingewechselt werden, genau weiß, was er zu tun hat. Der Fußball, den Hoeneß spielen lässt, ist eine Augenweide.

In fast 50 Jahren, in denen ich dem VfB bereits treu gewogen bin, habe ich kein Team erlebt, das annähernd einen solch schönen Fußball spielte und das es gegen fast jeden Gegner schafft, die volle Kontrolle über das Spiel zu erlangen.

Der VfB bestimmt das Tempo, nimmt zur rechten Zeit den Fuß vom Gas, um dann, wenn sich eine Möglichkeit auftut blitzschnell und kombinationssicher nach vorne zu spielen. Ein Team, das sich nicht zurück zieht, wenn es führt, sondern immer weiter nach vorne spielt, den Gegner „killen“, so auch der Sprech aus der Mannschaft, möchte.

Auch wenn der Kader vor dieser Saison sinnvoll verstärkt wurde, verlor man ja im Gegenzug auch vermeintliche Hochkaräter. So ist es für mich tatsächlich unfassbar, welche Entwicklung dieses Team genommen hat.

Deshalb möchte ich an dieser Stelle DAS Hoeneß-Jahr beim VfB Revue passieren lassen.

Am 3. April 2023 verkündete der VfB nach der Entlassung von Bruno Labbadia, dass sich Sebastian Hoeneß, Sohn unseres Ex-Managers Dieter Hoeneß, fortan dem Himmelfahrtskommando, den VfB in der Bundesliga zu halten, annehmen würde.

Ich muss zugeben, dass ich nach der Demission von Pellegrino Matarazzo, als der Name Hoeneß auch schon durch die Medien geisterte, wenig von dem Gerücht begeistert war.

Nicht deshalb, weil es ein Hoeneß ist, sondern weil ich Sebastian zu seiner Hoffenheim-Zeit als ziemlich „farblos“ empfand, ich dachte, der Mann gibt nichts her und dass er nicht in der Lage sein würde, im Team das Feuer zu entfachen, das ich als nötig erachtete, um die Mannen mit dem Brustring wieder in die Spur zu kriegen.

Damals kam es ohnehin (noch) nicht zur Verpflichtung. Gemunkelt wurde seinerzeit, der VfB sei zu zögerlich gewesen und hätte nicht den Eindruck erweckt, Sebastian unbedingt haben zu wollen, woraufhin die Hoeneß-Seite ihrerseits „kein Interesse“ bekundete.
Dann kam das kurze, aber durchaus erfolgreiche, Intermezzo von Michael Wimmer, bevor schließlich Bruno, der Mann, der nach Ansicht von Wehrle & Co. alles kann, vor allem Abstiegskampf, seine zweite Amtszeit am Neckar antrat.

Ich war damals, erst recht nach dem Wintertrainingslager in Marbella, durchaus zuversichtlich, dass Labbadia den VfB vor dem Abstieg bewahren würde, jedoch zum Preis unansehnlicher Spiele, was allerdings das kleinere Übel gewesen wäre.

Nach der Winter-WM von Katar und dem Trainingslager im sonnigen Andalusien ließ es sich auch gar nicht mal schlecht an.

Zwei Unentschieden gegen Mainz und in Hoffenheim, bei denen mehr als zwei Punkte herausspringen hätten müssen, sowie eine knappe wie unglückliche Niederlage in Leipzig, wo wir leider, wie so oft in den letzten Saisons, ohne Torwart antraten.

Dann folgte die bittere Heimniederlage gegen Werder Bremen, einem Gegner, der nichts von uns wollte, den man aber trotzdem zu zwei Toren einlud. Höhepunkt des bitteren Nachmittags war die frühe verletzungsbedingte Auswechslung von Serhou Guirassy, der danach einige Wochen fehlen sollte.

Den Ausfall Guirassys allein für Labbadias Misserfolg auszumachen, ist mir zu billig. Kastanaras, seines Zeichens Nachwuchsstürmer, gab in Leipzig ein vielversprechendes Startelfdebüt und spielte danach überhaupt keine Rolle mehr.

Stattdessen sollte erst Luca Pfeiffer die Kohlen aus dem Feuer holen, ehe Labbadia zunehmend Spieler auf für sie fremden Positionen einsetzte, so Silas bspw. als Mittelstürmer. Damit schlug er gleich zwei Fliegen mit einer Klappe, er beraubte uns der Schnelligkeit auf dem Flügel und hatte einen Kollegen im Sturmzentrum herumstehen, der völlig in der Luft hing und zudem auch nie durch allzu große Torgefahr auf sich aufmerksam machte.

Auch Anton als rechten Verteidiger aufzubieten war eine Schnapsidee dieses antiquierten Trainers. Mit solchen Maßnahmen, die nicht einmal fruchten, bringt man kein Team der Welt hinter sich. Die Spiele plätscherten mit wenigen Lichtblicken (3:0 gegen karnevalstrunkene Kölner) und vielen Tiefpunkten (allen voran Schalke) vor sich hin.

Nach einem völlig indisponierten Auftritt gegen harmlose Wölfe, bekam der schöne Bruno sogar noch die Länderspielpause und danach das Spiel bei Union Berlin, ehe nach elf Bundesligaspielen und nur einem Sieg schon wieder Schluss war.

Labbadia „übergab“ den VfB auf Platz 18 liegend, mit zwei Punkten Rückstand auf den Relegationsplatz, sowie bereits fünf Punkten auf Platz 15.
Nun also sollte es Hoeneß richten, jung an Jahren, arm an Erfahrung und zudem mit einem bisherigen Trainer-Werdegang, der jeden Fußball-Traditionalisten sich zunächst einmal übergeben lässt.

Nach seinem Einstieg bei Hertha 03 Zehlendorf, heuerte er bei der Jugendakademie von Red Bull an und trainierte dort zuerst die U17, dann die U19. Von dort ging es zu den Bayern, wo er ebenfalls die U19 und später die Amateure trainierte, mit denen er 3.-Liga-Meister wurde. Nach dieser außergewöhnlichen Saison wurde Hoffenheim auf ihn aufmerksam und der gebürtige Münchner sorgte für ein Triple der besonderen Art: dritter Drecksverein in Folge, Glückwunsch!

Da mir Hoffenheim komplett egal ist und ich daher auch seine Arbeit dort nicht verfolgte, blieb einzig der Eindruck haften, den er bei seinen Interviews in Sportschau & Co. auf mich machte, der mir jedoch genügte, um diesen Trainer nicht beim VfB haben zu wollen.

Mich fragt aber ja keiner und ich bin pragmatisch genug, die Entscheidungen der Verantwortlichen zu akzeptieren und darauf zu hoffen, dass es gut gehen würde. Mehr bleibt einem Fan ja auch nicht übrig, obwohl, Winfried Schäfer, da hab ich schon einmal Dauerkarte und Mitgliedsausweis über die Theke der Geschäftsstelle gepfeffert. Aber, da gab’s ja jede Menge Vorgeschichten, die dessen Verpflichtung zu einem absoluten No-Go machten.

Wie es um meine Menschenkenntnis bestellt ist, zeigt sich im „Fall“ Hoeneß ein Jahr danach. Juckt mich in dem Fall aber wirklich nicht, eher im Gegenteil, das unterstreicht ja nur wie belanglos das Konstrukt im Kraichgau ist.

Das erste Bild von Sebastian Hoeneß konnte ich mir daher erst auf dessen Antritts-Pressekonferenz machen. Und, dieses war durchweg positiv. Nicht nur, dass das labbadia’sche klein- und schlechtreden der Mannschaft und der Bedingungen kein Thema waren. Dass er im Team durchaus etwas sah und die Überzeugung ausstrahlte, hier etwas bewirken zu können und es auch wirklich zu wollen, stimmten mich zunächst einmal positiv.

Aus dem Zitat aus der PK „Zum VfB habe ich eine große emotionale Verbindung. Ich habe schon in meiner Jugend den Verein als Fan begleitet, hier habe ich mehrere Jahre in der Jugend selbst gespielt und 1999 mit der U17 den deutschen Meistertitel gewonnen“ lese ich große Begeisterung für den Verein, die er von Tag eins an vor- und auslebte. Ihm nahm man es ab, dass der VfB tatsächlich so etwas wie eine Herzensangelegenheit für ihn ist, und, ich war mir sicher, dass er alles tun würde, nicht als Abstiegs-Trainer in die Annalen eingehen zu müssen. Irritiert hat mich allenfalls, dass es durchaus bereits Thema war, hier etwas aufzubauen, auf Platz 18 stehend und mit einer verunsicherten Mannschaft, die es richten soll. Prost, Mahlzeit, dachte ich nur.

Vom ersten Tag ging er die Arbeit beim VfB mit großer Demut an und als einer, der sich jedem, ob seinem Team, den Mitarbeitern und nicht zuletzt uns Fans verpflichtet sah.

Es darf unterstellt werden, dass sich Hoeneß im und seit dem Herbst, als schon mal eine Verpflichtung hätte zustande kommen können, ein Bild von der Mannschaft und eventuell brachliegenden Potentialen gemacht und einen Plan mitgebracht hat, wo zuerst anzusetzen wäre.

Quasi zum Warmlaufen stand bereits zwei Tage nach seiner Verpflichtung das DFB-Pokal-Viertelfinale beim Zweitligisten 1. FC Nürnberg an.
Dass man keine Wunderdinge und schon gar nicht die Handschrift des neuen Trainers erwarten können durfte, verstand sich von selbst.

Am Valznerweiher tat sich der VfB lange schwer, siegte jedoch nach zäher erster und deutlich besserer zweiter Halbzeit verdient durch das Jokertor von Enzo Millot.

Mund abwischen und weiter geht’s, nichts anderes zählt im Pokal, wenn man eine Runde weiter ist.

In der englischen Woche ging es dann zu einem echten Sechs-Punkte-Spiel nach Bochum. Der VfB Schlusslicht, Bochum hatte sechs Punkte mehr auf dem Konto und stand auf Platz 14, heißt, bei einer Niederlage wäre ein Kontrahent mehr bereits weg gewesen.

Der VfB ließ sich aber nicht beirren, dominierte die Partie, und gewann durch Tore von Ito, Vagnoman und Guirassy mit 2:3. Damit war das erste dicke Ausrufezeichen im Abstiegskampf unter Sebastian Hoeneß gesetzt.

Zudem war es der erste Auswärtssieg nach fast anderthalb (!) Jahren. Hurra, wir leben noch!

Am 28. Spieltag stand für Sebastian Hoeneß das erste Heimspiel im Neckarstadion auf dem Programme. Die Schwaben bekamen es mit Borussia Dortmund zu tun, die, punktgleich mit Spitzenreiter Bayern als Tabellenzweiter anreisten und noch um die Meisterschaft kämpften.

Als der BVB schon nach 33 Minuten mit 0:2 führte und zu allem Überfluss unser „Mentalitätsmonster“ Dinos Mavropanos sich vor der Halbzeit eine recht dämliche gelb-rote Karte einhandelte, war im Grunde der Käs gegessen, der Fisch geputzt oder wie auch immer.

Der Abstiegskandidat, der schon das Hinspiel im Westfalenstadion mit 0:5 verloren hatte, gegen den Meisterschaftsaspiranten, in Unterzahl und mit zwei Toren im Rückstand. Was sollte da noch gehen? Kaum jemand hätte einen Pfifferling auf den VfB gesetzt.

Doch, die Jungs vom Neckar zeigten plötzlich lang vermisste Stehauf-Qualitäten! Coulibaly und Vagnoman glichen aus, ehe Reyna in der Nachspielzeit den vermeintlichen und zu diesem Zeitpunkt extremst bitteren Knockout setzte.

Aber, der VfB hatte Blut geleckt und kam noch einmal zurück. Beim Ausgleich war der Fluch, dass der Ball in vielen Situationen nicht der Freund von Coulibaly ist, ein Glück, nämlich weil die Kugel erst dadurch zu Silas gelangte, der zum 3:3 einschießen konnte.

Da hatte der Tanguy Freund und Feind gleichermaßen verwirrt. Dieses Remis war ein echtes Lebenszeichen durch den VfB und, wenn es noch eines Beweises bedurfte, dass der BVB zu doof ist, Meister zu werden, hier war er!

Der VfB punktete weiter regelmäßig, remis in Augsburg, Sieg gegen Gladbach, ehe das Pokal-Halbfinale gegen die Frankfurter Eintracht anstand.

Ich hörte eine nicht unbeträchtliche Zahl an VfB-Fans jammern, dass dieser Wettbewerb zum damaligen Zeitpunkt unwichtig gewesen sei und man doch bitte auszuscheiden habe, um sich voll auf den Abstiegskampf in der Bundesliga konzentrieren zu können.

Diesen Leuten sei gesagt, fickt Euch! Ich war schon 1986 zu Zeiten des Eisernen Vorhangs beim Finale dabei, machte eine legendäre Tour mit anschließendem Pokalsieg 1997 mit, war 2007 zu Tode betrübt, 2013 ernüchtert, ein Pokalfinale in Berlin ist etwas ganz Großes, das zu erreichen in jedem Jahr erstrebenswert ist, scheißegal in welcher Situation man in der Liga steckt.

Zumal nach dem Halbfinale das Finale allenfalls in den Köpfen eine Rolle spielen könnte und wir nicht von einer Doppelbelastung reden, die ich allerdings auch noch nie gelten ließ.

Bei mir hat auch schon jeder Trainer verschissen, der den Pokal auf die leichte Schulter nahm, und sei es „nur“, den Ersatztorwart einzusetzen. Ohne Spielpraxis, ohne Abstimmung mit den Vorderleuten geht das oft genug in die Hose. Bredlow bspw., dem ich dafür überhaupt keine Vorwürfe mache, war allein zwei Mal in den Vorjahren maßgeblich an entscheidenden Gegentoren beteiligt, die jeweils den Traum von Berlin jäh beendeten.

Das Halbfinale gegen die Frankfurter Eintracht verlief für den VfB denkbar unglücklich. Nach bärenstarker erster Halbzeit und der Führung durch Tiago Tomás, kam der VfB schlafmützig aus der Kabine und lag nach 55 Minuten plötzlich mit 1:2 zurück.
Als nach 77 Minuten das 1:3 per Elfmeter fiel, schien der Widerstand gebrochen. Doch, Millot traf zum 2:3, was eine wilde Schlussphase versprach.

Sosa flog mit Gelb-Rot vom Platz und doch hätte der VfB auch an jenem Tag in Unterzahl den Ausgleich verdient gehabt. Ein vermeintliches Handspiel in der siebten Minute der Nachspielzeit reichte Schiedsrichter Schlager nicht zum Elfmeter, weil, so seine eigene Aussage, dieses Spiel nicht durch einen solchen Elfmeter beeinflusst hat werden sollen. Da hab ich beileibe schon schmeichelhaftere Elfmeterentscheidungen gesehen, als diese, wenn bei einer Hereingabe der Ball durch die Hand geblockt wird und hinten einer freie Bahn gehabt hätte.

Bislang ging ich immer davon aus, das Regelwerk sei klar formuliert und unabhängig vom Zeitpunkt in einem Spiel, der Wichtigkeit eines Spiels oder was auch immer in gleichen Situationen gleiche Entscheidungen zu treffen.

Aber, was soll man sich da noch aufregen, dem Treiben der Pfeifen setzt ohnehin keiner mehr Grenzen. Früher gab es Schiedsrichterbeobachter und es verschwand mal einer über Wochen von der Bildfläche, heutzutage dürfen sie ihren Blödsinn Woche für Woche pfeifen und mal so, mal so entscheiden, wie sie gerade lustig sind.

Natürlich ist es Spekulation, wie wir in Unterzahl in der Verlängerung bestanden hätten, trotzdem war der VfB an dem Tag nicht der verdiente Verlierer!

Mit dem Pokalspiel und dem bitteren Aus in Kopf und Knochen ging es am folgenden Wochenende ins Berliner Olympiastadion zum abgeschlagenen Schlusslicht Hertha BSC.

Nach dem Spiel auf Schalke, damals noch unter Labbadia, verpasste es der VfB bereits das zweite Mal einem direkten Konkurrenten den Todesstoß zu versetzen. Nach schwacher Leistung setzte es die erste Niederlage in der Bundesliga unter Sebastian Hoeneß. Nimmt man Frankfurt dazu, war es die zweite Niederlage in Folge. Man durfte also auf eine Reaktion darauf gespannt sein. Diese kam durchaus mittels eines achtbaren Remis gegen Bayer 04 Leverkusen und des 4:1-Auswärtssiegs bei Mainz 05, ehe am 34. Spieltag ein echtes Endspiel gegen Hoeneß’ Ex-Verein aus dem Kraichgau anstand.

Der VfB lag auf Platz 15, punktgleich mit dem 16., dem VfL Bochum, der das deutlich schlechtere Torverhältnis aufwies.

Wenn es noch eines Beweises bedurfte, dass man sich an den letzten Spieltagen nicht auf die Ergebnisse auf anderen Plätzen verlassen sollte, hier war er! Bochum siegte sage und schreibe 3:0 gegen das früh dezimierte und in der Rückrunde so auftrumpfende Team von Bayer 04 Leverkusen, während der VfB über ein Unentschieden gegen Matarazzos Hoffenheimer nicht hinauskam. Fast ärgerlicher, als dass wir in die Relegation mussten, war, dass bei VfB-Sieg dieses Schicksal den FC Augsburg ereilt hätte, auch ein Verein, den in der Liga keiner braucht, der aber einfach nicht totzukriegen ist.

Tags drauf stand dann auch schon unser Gegner in der Relegation fest. Nachdem die Unaufsteigbaren vom Hamburger SV auf dem Rasen des Sandhäuser Hardtwaldstadions wenigstens einige Minuten lang den Aufstieg feiern durften, vermieste ihnen Heidenheim in Regensburg in der 9. Minute der Nachspielzeit die länger andauernde Party.

Reichlich geknickt und sich ungerecht behandelt fühlend ging es für die Rothosen in die Relegation und das gegen einen formstarken VfB, der es unter Hoeneß trotz und wegen einer respektablen Punkteausbeute von Platz 18 auf Platz 16 schaffte und diese kleine Aufholjagd nun vergolden wollte.

Eigentlich bin ich ja Gegner dieser Relegationsspiele, in der es, Zitat Louis van Gaal, um Blut oder Gladiolen geht. Sensationshascherei für Couch-Fans, Geld von den übertragenden Sendern sowie eine künstliche Verlängerung der Saison, ein tieferer Sinn dieser Spiele erschließt sich mir nicht.

Für die teilnehmenden Vereine und deren Fans ist es die größtmögliche Belastungsprobe, für den höherklassigen Verein die große Chance eine schlechte Saison zu einem versöhnlichen Abschluss zu bringen. Der Zweitligist hingegen, der eine gute Saison gespielt hat, wird ins Duell David gegen Goliath geschickt, wo er fast nur verlieren kann, zumal die Schere zwischen erster und zweiter Liga immer weiter auseinander driftet. Kein Wunder also, dass in den letzten zwölf Jahren lediglich zwei Mal der Bundesligist den Kürzeren zog, einmal, wir erinnern uns alle, war der VfB so blöd.

Dass allenfalls Blödheit den Ausschlag geben könnte, würden wir das zweite Mal dem Zweitligisten den Vortritt lassen, war mir vor den Spielen gegen den HSV klar. Deshalb verstand ich die Angst vieler VfB-Fans auch nicht, nur weil wir 2019 gegen Union abgestiegen sind, dass uns dasselbe Schicksal auch 2023 ereilen sollte. Der HSV hat in seinen fünf Jahren Zweitklassigkeit viel an Substanz verloren und ist mittlerweile ein normaler Zweitligist, der zwei außergewöhnlich gute Tage brauchen würde, dem VfB den Garaus zu machen.

Und so machte der VfB bereits im Hinspiel, natürlich beflügelt durch das frühe Tor von Mavropanos, kurzen Prozess mit den Hanseaten und gewann 3:0. Der Klassenunterschied war in fast jeder Phase des Spiels deutlich.

Erwähnt sei der besondere Rahmen dieser beiden Spiele. Jeweils ausverkauftes Haus, jeweils prall gefüllte Gästeblöcke und Support von beiden Seiten, der einem das Blut in den Adern gefrieren lässt. Es war einfach nur geil, selbst beim Schreiben dieser Zeilen bekomme ich noch Gänsehaut. Abgesehen davon, ob man den HSV mag oder nicht, in die Bundesliga gehört der Verein und sein Anhang auf jeden Fall.

Durch das Hinspiel-Ergebnis war scheinbar die Luft raus aus dem Rückspiel. Wir hatten rund um den Volkspark einige Begegnungen mit HSV-Fans, die uns bereits zum Klassenerhalt gratulierten. Es waren Begegnungen von gegenseitigem Respekt geprägt. „We are all sitting in one boat“, wie Günther Oettinger sagen würde. Man war sich einig, dass beide Vereine in die Bundesliga gehören und es mittlerweile zu viel Einheitsbrei mit auch noch Einheitsstadien in der Bundesliga gibt, die der Liga schlechter tun, als die im Vergleich Giganten, die jetzt in der Relegation aufeinander trafen.

Im Rückspiel durfte der HSV kurz doch noch auf das Wunder hoffen, als man in der 6. Minute in Führung ging. Im Nachhinein bin ich froh darüber, denn, ich kann mich kaum erinnern, in Deutschland mal ein Stadion so laut erlebt zu haben. Faszinierend!

Mit zunehmender Spieldauer aber bekam der VfB die Partie immer besser in den Griff. Millot, unter freundlicher Mithilfe des Hamburger Torhüters, schnürte einen Doppelpack, Silas gelang in der Nachspielzeit noch das 1:3, womit der Ligaverbleib für ein weiteres Jahr endgültig gesichert wurde.

Die Erleichterung im Block nach einem abermals beschissenen Fußballjahr war zu spüren. Die Stimmung lässt sich auf der einen Seite mit der erwartbaren Niederlage, auf der anderen mit „nichts erreicht, nur verhindert“ beschreiben.

Nach dem Hinspiel lag die Wahrscheinlichkeit bei über 99%, dass die Gemütslage genau so sein würde. Jedem, der sich auch nur ein kleines bisschen mit dem Fußball und seinen Fans auseinandersetzt, war das von vornherein klar. Jedem? Nein, allein die Bullen waren ahnungslos und gingen fest davon aus, dass uns nach Platzsturm und einer „Meisterfeier“ auf dem Platz zumute sein würde.

So marschierten sie martialisch und bis unter die Zähne bewaffnet in Zuschauerbereiche ein und bauten sich im Innenraum des Stadions vor dem Block auf, was zunächst mal verhinderte, dass die Mannschaft durch kam, um sich für den Support zu bedanken.

Den Wermutstropfen zu einem Fußballfest hat also mal wieder die Obrigkeit gesetzt, die lieber eskaliert anstatt zu deeskalieren und für Sicherheit zu sorgen.

Am Rande aller Spiele finden ja im Vorfeld einige Sicherheitsbesprechungen der Protagonisten von Obrigkeit und Vereinen statt, reine Zeitverschwendung, wenn die eine Seite nur ihr eigenes Ding und sich nicht an Absprachen hält. Unsere Fanbetreuung habe ich selten so aufgebracht erlebt, wie an diesem Abend.

Nun war er also vollbracht, der Klassenerhalt! Zum zweiten Mal in Folge auf den letzten Drücker, Sebastian Hoeneß sei Dank.

Wobei, hätte man sich das Kapitel Labbadia erspart, hätte ich zumindest den Klassenerhalt auch Michael Wimmer zugetraut, der, wie wir bei der USA-Reise in Austin erleben durften, einen sehr guten Draht zur Mannschaft besaß.

Auch andere, modernere Trainer, hätten wohl mehr aus der Truppe herausgekitzelt, als es Labbadia tat. Dieser stülpte der Mannschaft ein Korsett über, mit dem sie nicht zurecht kam, während Hoeneß in der Kürze der Zeit pragmatisch aus den gegebenen Mitteln das Optimum herausholte und Spieler, die unter Labbadia überhaupt keine Rolle spielten, bestes Beispiel Enzo Millot, stärkte und Vertrauen schenkte.

Er übertrug die Last der Verantwortung auf mehrere Spieler, so dass Wataru Endo sich auf seine Kernaufgaben konzentrieren konnte, was zugleich anderen Spielern Raum zur Entfaltung bot. Viel mehr konnte Hoeneß, ohne Einflussmöglichkeit was den Kader betrifft, nicht machen und mehr durfte man auch nicht verlangen, als dass er den VfB vor dem Abstieg rettete. Für mich zunächst eine Momentaufnahme. Ich war zwar zufrieden, wie das Team sich aus dem größten Schlamassel befreite und wie Hoeneß den VfB repräsentierte, aber, als gebranntes Kind wusste man genau so gut, der nächste Herbst, der kommt bestimmt. Frei nach den Onkelz, „Nichts ist für die Ewigkeit“, gilt das in erster Linie auch für VfB-Trainer.

Die Verantwortlichen versprachen eine eingehende Saisonanalyse, um in der kommenden Saison stabiler und weniger wechselhaft unterwegs zu sein, und vor allem nicht schon wieder bis zum allerletzten Tag um den Ligaverbleib bangen zu müssen. Wie Hoeneß wirklich tickt und was er mit der Truppe wirklich vor hat, sollte sich erst in den darauffolgenden Monaten herauskristallisieren.

Bereits vor den Relegationsspielen zog der VfB die Kaufoption in Höhe von 9 Millionen Euro für Serhou Guirassy, DER Lebensversicherung der letzten Saison.

Zwar wäre alles andere auch fahrlässig gewesen, zwar sprießen die Transfergerüchte während jedes Transferfensters wieder hoch, dennoch ein wichtiger Fingerzeig für die Saisonplanung.

Serhou scheint ziemlich geerdet zu sein, mit seiner Familie fühlt er sich in Stuttgart offenbar sehr wohl, so dass vielleicht ausnahmsweise auch weiche Faktoren eine Rollen spielen, weshalb ein begehrter Spieler nicht das erstbeste, auch wenn besser dotierte, Angebot anderer Clubs annimmt.

Außerdem scheint für den Spieler auch sportlich und menschlich hier alles zu passen. Er wuchs in eine Führungsrolle hinein, wird von den Fans geliebt und performt wie auf noch keiner seiner vorigen Stationen. Das alles aufzugeben und das Risiko einzugehen, sich im gesetzteren Alter mit Frau und drei Kindern auf die nächste Odyssee zu begeben, fällt ihm offenbar schwer.

Klar ist alles nur eine Momentaufnahme, klar weiß man nicht, wie sein Berater auf ihn einredet, aber, wie wir heute wissen hielt Guirassy zumindest in den letzten zwei Transferfenstern Abwerbungsversuchen stand und ist bis heute noch da.

Unmittelbar nach der überstandenen Relegation wurde der erste echte Neuzugang für die neue Saison verkündet. Maximilian Mittelstädt, Ur-Herthaner und allein schon deshalb erst einmal kritisch beäugt. Nach vielen Jahren Hertha, in denen er hauptsächlich als Backup für Marvin Plattenhardt fungierte, und wenn er denn spielte, von den Berlinern gerne Maxi Mittelmaß genannt, zog es den Spieler nach dem Abstieg des Berliner Sportclubs raus aus der Komfortzone.

Mir klingt der Tenor vieler VfB-Fans noch in den Ohren, die den Teufel an die Wand malten und aus dem Wechsel schlossen, der VfB plane einen Zweitligakader.

Ich sah das etwas anders. Zwar beschäftigte ich mich wenig bis gar nicht mit den Spielern von Hertha BSC, ABER, nach alldem was ich in Marbella, klar, noch unter Bruno Labbadia, mitbekommen hatte, war den Verantwortlichen, auch dem neuen Sportdirektor Fabian Wohlgemuth, ein Dorn im Auge, dass auf dem Platz mehr französisch als deutsch gesprochen wurde und zudem die Altersstruktur, Stichwort Jugendwahn, nicht passen würde.

So reichten mir die Attribute Mittelalter, bundesligaerfahren, deutsch, um den Transfer als gut und schlüssig einzuordnen. Dass der Spieler dann so durch die Decke gehen würde, konnte natürlich keiner, ich auch nicht, erahnen.

Auch der 26. Juni 2023 war ein guter Tag für den VfB Stuttgart. Da kam nämlich die Meldung über die Agenturen „Florian Müller verlässt den VfB“.

Für mich mit die größte Fehleinschätzung von Sven Mislintat. Ein Zappelphilipp vor dem Herrn, der sich selbst in einem existentiell wichtigen Spiel wie dem Saisonfinale 2022 gegen Köln noch den Ball quasi ins eigene Tor boxte.

Was hab ich in den zwei Jahren diskutiert, wie ein unsicherer Torwart seine Vorderleute verunsichert, um dann gesagt zu bekommen, er hatte ja auch schon gute Spiele. Leute, das ist das berühmt berüchtigte blinde Huhn, kein Wunder, dass er auch in Freiburg hinter einem wackelnden Nachwuchstorhüter nicht zu Einsätzen kommt. Drei Kreuze, als dieses Kapitel endlich beendet war.

Als zweiter Neuzugang wurde Wooyeong Jeong präsentiert, der vom SC Freiburg an den Neckar wechselte. Jeong schoss von seinen insgesamt zehn Bundesligatoren alleine drei davon gegen den VfB, womit er auf dem Wasen schon mal nicht gänzlich unbekannt ist. Dass Sebastian Hoeneß diesen Spieler wollte, rührt aus der gemeinsamen Zeit bei den Bayern-Amateuren.

Nächster Neuzugang wurde Jamie Leweling, der von Union Berlin auf Leihbasis kam und an dem der VfB schon zu seiner Fürth-Zeit bereits schon einmal dran war.

Danach ging es ins Trainingslager nach Neukirchen am Großvenediger in Österreich, welches nach zwei Tagen wegen anhaltender Regenfälle auch schon wieder abgebrochen wurde.

Ich hatte die komplette Woche in einer schönen Ferienwohnung gebucht, und, weil bereits bezahlt und weil ich Schwabe bin, die komplette Woche durchgezogen.

Am Tag der Abreise des Teams durften die mitgereisten Fans in einem Nebentrakt des Mannschaftshotels das Essen, welches für die Mannschaft gedacht und vorbereitet war, genießen. Christian Schmidt, Alex Wehrle und Christian Gentner sind den Tag noch da geblieben, so dass wir auch ohne das Team und obwohl wir lediglich ein einziges Training, bei dem sich zu allem Überfluss Mittelstädt auch noch verletzte, gesehen haben, eine gute Zeit hatten.

Alex Wehrle ließ zudem seine, vielleicht auch die des VfB, Kreditkarte glühen, was die VfBler natürlich an dem Abend bei guter Laune hielt.

Die Ironie der Geschichte um das völlig verkorkste und letztlich abgebrochene Trainingslagers ist ja, dass wir im Anschluss die beste Saison der Vereinsgeschichte spielen, während ich zuvor etliche Trainingslager erlebt habe, die stets als die besten aller Zeiten bezeichnet wurden, um sich bei den ersten Spielen schon fragen zu müssen, ob die Kicker jemals zusammen gespielt haben. Wie der Schwabe sagt „So isch’s nô au wieder“!
Nächster Transfer war der von Alexander Nübel. Erstmals hatte man, im übrigen wenige Wochen nach dem groß verkündeten Beginn eines Weltmarken-Bündnisses, den Eindruck, dass mehr geklotzt denn gekleckert wird beim VfB.

Anfangs, als der Name Nübel ins Spiel kam, war ich skeptisch und hatte Bedenken, dass Nübel von zu großem Ehrgeiz getrieben sein könnte, was wiederum zu Leichtsinnsfehlern führt, wenn ein Torhüter mehr denkt als intuitiv handelt.

Als er 2020 von Schalke zu den Bayern wechselte, glaubte er dem Vernehmen nach ernsthaft, in einen offenen Zweikampf mit Manuel Neuer zu gehen und war sichtlich angepisst, als dem nicht so war.

Damals dachte ich, in welcher Welt lebt der denn? Nach einem Jahr ging er leihweise zur AS Monaco und schlägt nun also beim VfB die Zelte auf.

Je mehr der Name Nübel diskutiert wurde, freundete ich mich mit der Möglichkeit an und würde mich jetzt natürlich freuen, wenn er uns weiter erhalten bleiben würde.

Ob noch ein Jahr auf Leihbasis oder vielleicht sogar fest, sollten die Bayern ihn ziehen lassen und andere Pläne haben. Nübel wird im September immerhin auch schon 28 Jahre alt und hätte sicher nichts dagegen, so langsam aber sicher mal irgendwo sesshaft zu werden.
Bei Versprechen in die Zukunft, wie dem von Dennis Seimen, bin ich vorsichtig. Fußball ist Tagesgeschäft, wir leben im Hier und Jetzt, sollte sich eine Möglichkeit bei Alexander Nübel auftun, wäre das zunächst einmal eine Garantie, in den nächsten Jahren Ruhe auf dieser wichtigen Position zu haben.

Das letzte Versprechen in die Zukunft hieß übrigens Sven Ulreich, für den zwei Jahre lang Jens Lehmann als Platzhalter und Lehrmeister fungierte und dem man ohne dem Vorbehalt, dass er auch tatsächlich dazu lernt, die Nummer 1 versprochen hatte. Ulreich war für mich lange, neben Gentner, das Gesicht des Niedergangs, auch bei ihm machte ich drei Kreuze, als er endlich fort war, übrigens, Zorniger sei Dank!
Anfang August durften wir die nächste Leihe beklatschen. Deniz Undav kommt von Brighton & Hove Albion aus der Premier League. Dort hatte er immerhin in der vergangenen Saison in 30 Pflichtspielen 8 Tore erzielt und trug dazu bei, dass der vergleichsweise kleine Verein diese Saison in der Europa League spielt.

Sein Trainer dort hieß Roberto de Zerbi, seines Zeichens Italiener, und mittlerweile so etwas wie der heißeste Scheiß auf dem Trainermarkt. Bei ihm hat Sebastian Hoeneß zwischen seinen Engagements in Hoffenheim und dem VfB hospitiert, von ihm nahm er Anleihen mit, die er seinen Mannschaften gerne einzutrichtern gedachte. Was würde da näher liegen, als direkt Spieler von dort zu verpflichten, die bereits wissen, was der neue Trainer von ihnen erwartet. Wenig überraschend also, dass der einzige Winterneuzugang Mo Dahoud ebenfalls vom Club von der englischen Südküste kam.

Undav hat einen heutzutage völlig untypischen Karriereweg hinter sich. Bei Werder Bremen ausgemustert, ging es über Weyhe, Havelse, Braunschweig II, dem SV Meppen zu Union Saint Gilloise nach Belgien, wo das Team völlig überraschend nach 34 Spieltagen, mit 25 Undav-Toren, als Tabellenführer in die Meisterrunde ging, dort aber letztlich dem FC Brügge den Vorzug lassen musste. So jedenfalls wurde man in England auf ihn aufmerksam, ehe er nun, im zarten Alter von 27 Jahren, in der Bundesliga angekommen ist.

Jetzt, ein knappes dreiviertel Jahr später, könnten wir Leihgeschäfte verfluchen. Ich würde alle drei im Sommer verpflichteten Leihspieler gerne auch nächste Saison beim VfB sehen.

Vielleicht klappt es ja sogar auch, zumindest sollten wir tatsächlich die Championsleague erreichen. Wenn nicht, ist das zwar bedauerlich, aber eben Teil des Geschäfts. Solche Transfers und damit mutmaßlich auch eine solche Saison wären ohne die Leihen nicht möglich gewesen.
Also, erfreuen uns doch noch daran und nehmen die Situation im Sommer so, wie sie sich dann darstellen wird. Sollten die Spieler nicht fest verpflichtet bzw. weiter „geliehen“ werden können, ist Wohlgemuths und Hoeneß’ Kreativität eben wieder gefragt, und es kommen vielleicht noch bessere nach.

Wer weiß das schon? Ich persönlich habe überhaupt kein Problem mit Leihen, die einem kurzfristig einen riesigen Mehrwert bringen können und mit wenig wirtschaftlichem Risiko verbunden sind. Fragt mal in Bremen nach, für mich die Mutter aller Leihgeschäfte, ob es auch nur einer bereut, dass ein gewisser Kevin de Bruyne wenigstens ein Jahr lang seine Kickstiefel für grün-weiß geschnürt hat!

Anfang August stand dann der letzte Test vor dem Saisonstart an. Und was für einer! Es ging auf die Insel zum Premier League Aufsteiger Sheffield United.

Als dieser Test bekanntgegeben wurde, war es klar, dass wir dort hin reisen würden. Endlich wieder „Stuttgart International“. Es war ein klasse Trip mit vielen alten Weggefährten, ehemaligen und aktuellen Allesfahrern, sprich, man kennt sich, man schätzt sich, und man sah einmal mehr, was den VfB ausmacht.

Das Spiel beim inzwischen abgeschlagenen Schlusslicht der Premier League gewann der VfB durch drei Guirassy-Tore mit 3:0. Mehr als vom Ergebnis war ich aber zu dem frühen Zeitpunkt bereits von der Spielanlage angetan, die mich mit einem guten Gefühl in die Runde gehen ließ.
Was sich anschließend im Stadion-Pub, der nahezu komplett von VfB-Fans eingenommen worden ist, abgespielt hat, war einfach nur überragend. Die Vorfreude auf Europa ist jedenfalls jetzt schon riesig.

Die ersten beiden Spiele, das Pokalspiel in Reutlingen gegen die TSG Balingen, sowie den Bundesliga-Auftakt gegen den VfL Bochum verpasste ich urlaubsbedingt. Es ging per Kreuzfahrtschiff in den hohen Norden, wo sich guter Empfang in Grenzen hielt und ich teilweise mal wieder auf den guten alten Videotext in der Kabine angewiesen war.

Die Losfee und auch der Bundesligaspielplan meinten es ja gut mit mir. Ob in Balingen, Pfullendorf, dem Gazi-Stadion oder in Reutlingen gespielt werden würde, ein neuer Ground wäre mir so oder so nicht entgangen.

Und ein Heimspiel gegen Bochum kann man auch mal verpassen, ein geiles Auswärtsspiel hätte mich da mehr gegrämt. In Reutlingen erledigte der VfB seine Pflichtaufgabe ohne großen Glanz, aber souverän und siegte durch die Tore von Millot, Silas, Guirassy und Endo mit 4:0.
Soweit, so gut! Dass Endos 4:0 gleichzeitig das Ende seiner VfB-Aera markierte, damit war bei weitem nicht zu rechnen. Es gab ja einige potentielle Abgangskandidaten, die sich schon seit Jahren zu höherem berufen fühlten, Endo gehörte nicht dazu. Er machte zwar nie einen Hehl daraus, dass ihn die Premier League einmal reizen würde, war aber jetzt nicht der Typ Kalajdzic oder Mangala, die einzig des Geldes wegen zu mittelmäßigen englischen Clubs wechselten.

Endo war keiner, der auf Teufel komm raus wechseln wollte. Eher so die Marke, lieber den Spatz in der Hand als die Taube auf dem Dach. So stand, seit Endo 2019 vom VV St. Truiden in Belgien zum VfB wechselte, nie ein Wechsel ernsthaft im Raum.

Unter Tim Walter noch verkannt und erst auf Druck dessen Chefs Mislintat zum Einsatz gekommen, erarbeitete sich Endo beim VfB schnell den Ruf des absoluten Musterprofis mit unbändigem Einsatzwillen. Es gab Spiele, da hatte man den Eindruck, er zerpflückte jeden Zentimeter des Rasens, stopfte jede Lücke und war zudem noch torgefährlich. Ein Spieler, als Japaner von Haus aus mit einer überragenden Disziplin ausgestattet, wie ihn sich jeder Verein nur wünschen kann. Von ihm konnte man es sich beim besten Willen nicht vorstellen, dass er mir nichts, dir nichts, und das auch noch als Kapitän, den Verein verlassen würde, schon gar nicht einen Tag vor Saisonbeginn.

Das hätte er sicherlich auch nicht getan und der VfB hätte ihn wohl auch nicht ziehen lassen, wenn denn die Motive für einen Wechsel ausschließlich monetär gewesen wären und irgendein Klepperlesverein daher gekommen wäre.

Doch, es war tatsächlich der große FC Liverpool mit seinem großartigen Trainer Jürgen Klopp, der um Endos Dienste warb, womit es um den sympathischen Japaner geschehen war. Manchmal muss einfach der Zeitpunkt passen bzw. muss man zugreifen, wenn die Möglichkeit da ist und ein Club wie Liverpool gerade Bedarf hat.

Der VfB legte Endo keine Steine in den Weg, offenbar auch, weil es sich die Engländer einiges kosten ließen, den lediglich bis Juni 2024 an den VfB gebundenen Endo zu bekommen und den VfB angemessen zu entschädigen, so dass letztlich alle Seiten zufrieden waren.

Das Medienecho in England und bei den Liverpool-Fans war gewaltig. So gut wie niemand kannte Endo, alle dachten, Kloppo wäre verrückt geworden und dass Endo den Liverpool-Ansprüchen bei weitem nicht genügen würde. Jetzt, einige Monate später, liest man nur noch „what a player“. Die Endo-Mania hat nun auch die Jungs von der Merseyside erfasst.

Ich fand es auch wirklich schade, dass uns Endo verließ, gönne ihm aber weiterhin alles, was er in England noch erreichen kann. Dennoch tu ich mich mit dem Wort Legendo schwer. Ein Spieler, der lediglich vier Jahre hier verbracht hat, als Legende zu titulierten wird denen nicht gerecht, die zehn Jahre und mehr für den VfB die Knochen hin hielten und Titel feierten. Endo wird für immer mit dem Lastminute-Klassenerhalt gegen Köln verbunden sein, das war’s dann aber fast schon wieder!

Auch ohne Endo siegte der VfB im ersten Bundesligaspiel gegen den VfL Bochum mit 5:0. Waldemar Anton wurde neuer Kapitän, Zagadou und je zwei Mal Silas und Guirassy schossen den deutlichen Sieg heraus, der den Protagonisten eher unangenehm zu sein schien.

Das Wörtchen Demut hörte man nicht nur aus des Trainers Mund, alle warnten vor einer zu großen Erwartungshaltung. Bemerkenswert war, dass Guirassy nach dem Spiel im Mannschaftskreis das Wort ergriff und die Truppe auf die kommenden Aufgaben, die zwangsweise ohne den bisherigen Kapitän Endo bewältigt werden mussten, einschwor, und sich, wenn es noch eines Beweises bedurfte, spätestens da zu einem absoluten Führungsspieler beim VfB aufschwang.

Dinos Mavropanos fehlte schon gegen Bochum und wechselte kurz darauf zum Conference League Sieger West Ham United. Nicht gerade die ganz große Hausnummer, doch, was soll’s, Reisende soll man nicht aufhalten. Der Grieche war, im Gegensatz zu Endo, schon einer, dem der VfB nie gut genug zu sein schien, so dass sein Abgang weder sonderlich überraschte, noch schmerzte.

Am Tag des Leipzig-Spiels wurde der mutmaßliche Nachfolger von Endo auf der Doppel-Sechs verpflichtet, Angelo Stiller. Der 22-jährige, der sämtliche Nachwuchsmannschaften des FC Bayern durchlaufen hat, kam von der TSG Hoffenheim und hat dort trotz seines jungen Alters bereits 47 Bundesligaspiele bestritten. Wie Jeong, hat auch Stiller bereits unter Sebastian Hoeneß trainiert und das sowohl bei den Bayern-Amateuren, als auch in Hoffenheim.

Als Hoeneß rief, stand für Stiller fest, dass er dem Lockruf seines Mentors folgen wollte, eine Konstellation, die den Wechsel wohl erst möglich machte. Zum einen war er bei Hoffenheim kein Wechsel-Kandidat, zum anderen hätte man ihn zu diesem Preis wohl auch nicht bekommen, wenn der Spieler selbst nicht seinen Wechsel vehement forciert hätte.

Ich finde solche Konstellationen spannend, wenn ein Trainer Spieler hat, die ihm, wohin auch immer, folgen wollen. Beide Parteien wissen, was sie aneinander haben, Hoeneß wusste offenbar, dass Stiller DAS Puzzleteil ist, das ihm noch fehlt. So sehr man Endo mochte, wer redet heute noch von ihm, wer vermisst ihn ernsthaft. Stiller schwang sich in kürzester Zeit zum Taktgeber und Spielmacher auf und ist für mich neben Nübel der beste Transfer seit Jahren.

Nach dem 1:5 in Leipzig trotz einer sensationell starken ersten Halbzeit machten die Brustringträger auch beim zweiten Heimspiel gegen den einstigen Angstgegner SC Freiburg kurzen Prozess. Wieder hieß es 5:0! Und wieder hieß es, der VfB sei auf einen Gegner mit einem rabenschwarzen Tag getroffen. Diese Betrachtung von außen sollte den VfB noch weit in die Vorrunde hinein begleiten.

Noch vor dem Freiburg-Spiel, am letzten Tag der Transferperiode, zog es Borna Sosa zu Ajax Amsterdam. Sven Mislintat, damals noch in Diensten von Ajax, erinnerte sich offenbar an seine Zusage im Abstiegskampf, Sosa solle doch bitte bleiben, und er könne dann noch immer bei entsprechendem Angebot wechseln. Da möchte ich nicht wissen, was unter der Hand lief, um in grauer Vorzeit gegebene Zusagen einzuhalten, möglicherweise mit ein Grund, weshalb Mislintat mit Schimpf und Schande von Ajax davon gejagt wurde.

Letztlich für mich, ähnlich wie bei Dinos, endlich der Abgang. Ständige Wechselgerüchte nerven, außerdem ist es nicht gerade leistungsfördernd, wenn man mit den Gedanken permanent quasi schon weg ist und seinen Teamgefährten den Eindruck vermittelt, dass sie ja eigentlich unter ihrem Niveau sind. Einen Zugang gab es auch noch zu vermelden, Anthony Rouault, dessen Leihe sich inzwischen zu einer Festverpflichtung gewandelt hat, kam aus Toulouse zum VfB.

Nach dem überragenden Sieg gegen den SC Freiburg folgte zunächst einmal die Länderspielpause. War es „früher“ ein Problem, wenn der Flow durch diese unsäglichen Pausen unterbrochen wurde, macht der VfB in dieser Saison einfach weiter.

Beim Abstiegskandidaten Mainz 05 zeigte sich der VfB widerstandsfähig und bewies nach dem Ausgleich Comeback-Qualitäten, so dass durch drei Guirassy-Tore der erste Auswärtssieg der Saison heraussprang. Dabei zeigte der Guineer seine Vielseitigkeit, in dem er ein Tor mit rechts, eines mit links und eines mit dem Kopf erzielte. Vor allem vom 1:2 bin ich bis heute angetan, als er wie eine Gazelle enormen
Gleichgewichtssinn bewies und nach schöner Vorarbeit von Mittelstädt Zentner im Mainzer Tor umkurvte und überlegt einschob. Damit stand Guirassy nach vier Spieltagen bereits bei acht (!) Saisontoren.

Danach siegte man Freitagabends gegen Darmstadt 98 mit 3:1. Auch da bewies die Mannschaft Widerstandsfähigkeit und kam nach frühem 0:1-Rückstand schnell zurück. Biss man sich vor nicht allzu langer Zeit noch gegen tiefstehende Gegner die Zähne aus, ist mittlerweile eine spielerische Leichtigkeit und auch Geduld vorhanden, jeden Gegner auseinander zu spielen.

Und wenn’s vielleicht mal schwierig wird, packt Guirassy von der Strafraumgrenze und quasi aus dem Stand den Hammer aus. Ich stand im Stadion und dachte nur „Wow“. Da blieb einem echt die Spucke weg.

In Köln, gegen den dritten Abstiegskandidaten in Folge, hielt der VfB den Kölner Angriffsbemühungen stand und es trat erstmals Deniz Undav als Torschütze in Erscheinung, und das gleich doppelt.

Wenn’s läuft, dann läuft’s halt, auch in Spielen, in denen man nicht unbedingt besser ist als der Gegner. Köln war so ein Spiel, das man in den Vorjahren wohl verloren hätte. Der VfB unter Hoeneß will immer gewinnen. Das war beileibe nicht immer so. „Früher“ hätte man vermutlich in einem zähen Spiel versucht, das 0:0 über die Runden zu bringen, um am Ende doch noch den Knockout hinnehmen zu müssen.

Vor der nächsten Länderspielpause stellte sich der VfL Wolfsburg im Neckarstadion vor. Mannschaften von Nico Kovac sind traditionell schwer zu bespielen, erst recht, wenn man in Rückstand gerät. 70 Minuten lang sah der VfB quasi kein Land gegen diszipliniert verteidigende Wölfe, ehe die große Guirassy-Show einsetzte.

Wie schon in Mainz war ich tief beeindruckt, von der Entwicklung und auch der Führungsstärke, die bei Guirassy eingesetzt hat. In einem Spiel, in dem wirklich gar nichts ging, holte er den Elfmeter heraus, der den Wendepunkt markieren sollte. Wie er das tat, war für mich an Cleverness kaum zu überbieten. Die Szene hatte ich durch meinen Platz in der Untertürkheimer Kurve gut im Blick. Für mich sah es so aus, dass er nicht zwingend abheben musste. Es ratterte aber wohl eine Zehntelsekunde lang in seinem Kopf, da er einen Tritt gespürt hatte, ehe er sich hinwarf, im Wissen, dass die Szene gecheckt werden würde. So gab es den Elfmeter, den er in Panenka-Manier versenkte. Ähnlich elegant wie beim 2:1 in Mainz erzielte er auch das 2:1 gegen die Autostädter, ehe er seine Top-Leistung krönte und fast wie früher Jay-Jay Okocha die halbe Abwehr narrte und überlegt zum 3:1 einschob.

Für mich stellte dieses Spiel einen Wendepunkt dar. Ich ließ mir zwar die Ergebnisse bislang bzgl. leichtem Startprogramm nie kleinreden. Es gibt ja viele sinnbefreite Fußball-Floskeln, an einigen ist jedoch auch Wahres dran. Ein Gegner spielt immer so stark, wie man es selber zulässt, ist bspw. so eine Floskel, mit der sich die bisherige Serie erklären ließ. Kein einziges Bundesligaspiel ist eine Selbstverständlichkeit, es zu gewinnen, deshalb war ich auch vor dem Wolfsburg-Spiel schon sehr angetan von der bisherigen Saisonleistung. Wolfsburg aber war ein Spiel, wo Resilienz gezeigt wurde. Es war mitunter verdammt schwierig, den Spagat zu schaffen, zwischen Rückstand aufholen und sich ja kein zweites Gegentor einzufangen. Es war greifbar, wie die Truppe nach Lösungen suchte, wie sie sich rein arbeitete, wie sie sich abarbeitete am Gegner, um ihn schlussendlich zu killen. Ab da war klar, dass die bisherigen Ergebnisse kein Zufall mehr sein können und dieses Team in dieser Saison mit dem Abstiegskampf nichts zu tun haben würde.

Sebastian Hoeneß hat einen Spielstil beim VfB etabliert, der in der Liga, von Leverkusen abgesehen, seines Gleichen sucht. Lassen wir mal die Neuzugänge außen vor, doch, was hat Hoeneß mit den Jungs gemacht, die bereits hier waren? Jahrelang regte ich mich über technische Unzulänglichkeiten auf, regte mich auf, wenn ein 5-Meter-Pass zehn Meter vom Fuß wegspringt, wenn einfachste Bälle nicht an den Mann gebracht werden, dass man nur am hinterherlaufen war, dass Torchancen Mangelware waren, etc. pp.

All das hat sich ins Gegenteil umgekehrt, der VfB hat Passmaschinen herangezüchtet, hat eine überragende Raumaufteilung, es finden sich immer Anspielstationen, meist sogar mehrere, es werden Torchancen kreiert und, wenn mal nicht alles nach Wunsch funktioniert, verliert das Team nicht den Kopf und spielt geduldig seinen Stiefel weiter.

Hoeneß hat jeden Spieler besser gemacht. Millot möchte ich da gar nicht aufführen in dem Zusammenhang, der war für mich schon immer ein überragender Fußballer, leider vorher eben mit den falschen Trainern. Welche Entwicklung aber Führich und Karazor in dieser Saison durchlaufen haben, ist für mich unbegreiflich. Beide haben schon immer hier und da gewisses Potential gezeigt, waren aber zu inkonstant und vor allem Führich zu oft in der Entscheidungsfindung falsch gelegen.

Chris Führich ist mittlerweile Nationalspieler geworden und gibt dem VfB-Spiel wertvolle Impulse. Er hat das Gespür, wann er Linie gehen und wann nach innen ziehen muss und hat jetzt schon mehr Scorer-Punkte gesammelt, als in seinen bisherigen Jahren beim VfB.
Karazor genauso. Wie schlecht sah man sich aufgestellt, als Endo von heute auf morgen den Verein verließ. An der Seite von Stiller machte Karazor jetzt noch einen riesen Schritt nach vorn und ist aus der Stammelf nicht mehr wegzudenken.

Ich gebe es gerne immer wieder und unumwunden zu. In den Jahren, am Rand der Zweitklassigkeit, waren Führich und Karazor die Spieler, die genau das verkörperten. Ich bezeichnete beide als typische Zweitligaspieler, für die die Bundesliga eine Nummer zu groß sei. Dass sie eine solche Entwicklung nehmen und vor allem, dass ein Trainer eine derartige Steigerung bewirken kann, ist für mich genauso unglaublich wie faszinierend.

Außer Nübel, dem perfekten Torwart für diesen Ballbesitzfußball ist natürlich auch Angelo Stiller ein absoluter Volltreffer. Der Junge ist Taktgeber und Spielmacher zugleich und hat ein Gefühl für den Ball und den Raum, wie ich es selten bei einem Spieler seines Alters gesehen habe. Zudem ist er technisch und taktisch auf allerhöchstem Niveau, so dass auch an ihm der Bundestrainer über kurz oder lang nicht mehr vorbeikommen wird.

Unter Hoeneß ist der VfB brutal variabel geworden und in der Lage situativ sein Spielsystem anpassen. Eine sehr wichtige Rolle nimmt hier aber immer der Torwart ein, der auch mal eine halbe Minute mit dem Fuß auf dem Ball stehen bleibt, wenn auf dem Feld keine Bewegung ist. So wird der Gegner herausgelockt, ehe einer der immer anspielbaren Verteidiger ins Spiel eingebunden wird und den Ball weiter trägt. Sei es zurück zum Torwart oder, wenn sich Lücke bieten, schnell nach vorne. Der VfB hat so einen Spielstil entwickelt, der ganz eindeutig die Handschrift des Trainers trägt.

Auch aus dieser Länderspielpause kam der VfB mit einer Selbstverständlichkeit raus, die langsam schon unheimlich wurde. Bei Union Berlin gelang der erste Sieg überhaupt in Köpenick. Großer Wermutstropfen allerdings die Verletzung von Serhou Guirassy. Zunächst bereitete er sein 0:1 noch selbst vor, indem er zu Rouault passte, der wiederum punktgenau flankte und Guirassy dann per Kopf traf. Danach musste er mit einer Muskelverletzung raus und sollte die nächsten Spiele ausfallen. Silas und Undav erzielten die weiteren Tore beim verdienten 0:3. Gerade auf Letzteren würde es nun erstmals so richtig ankommen.

Die Heimniederlage gegen Hoffenheim gab all jenen Nahrung, die schon munkelten, ohne Guirassy sei der VfB allenfalls nur die Hälfte wert. Wie wenn man dies noch unterstreichen wollte, verschoss Undav nach einer halben Stunde beim Stand von 0:2 übermotiviert einen Elfmeter. Dennoch war man zu jeder Zeit gut im Spiel und verlor bei 23:7 Torschüssen unglücklich und unverdient.

Als das danach folgende Bundesligaspiel (zuvor gab’s ein 1:0 im Pokal gegen Union Berlin) in Heidenheim ebenfalls verloren wurde, wurden bei Hoeneß bereits Parallelen zu seiner Hoffenheim-Zeit gesucht, in der er den Absturz nach gutem Start und dem Rutschen in eine Negativspirale nicht mehr verhindern konnte. Auf der Ostalb war es klar, dass es eine ganz unangenehme Aufgabe werden könnte und sich ein Spiel dort auch nicht gerade nach Bundesliga anfühlt.

Zudem spielte den Heidenheimern dann auch noch das nasskalte Ostalb-Wetter in die Karten, just in der Übergangszeit, als vom Winter in Stuttgart noch keine Spur war. Und doch muss der VfB per Elfmeter in Führung gehen (diesmal verschoss Silas) und hätte in der Nachspielzeit durch den Debütanten Raimund fast noch den Ausgleich erzielt. Ein Spiel also, das man auch nicht verlieren musste, wenngleich der Heidenheimer Sieg auch nicht unverdient war. Ein schlechteres Spiel darf man dieser Mannschaft schon auch mal zugestehen.

Einen kleinen Hoffnungsschimmer gab es vor der Partie gegen Borussia Dortmund zu vermelden. Serhou Guirassy saß bereits wieder auf der Bank. Ob als Finte, um den gegnerischen Trainer etwas zu verunsichern oder als ernsthafte Option, man wird es sehen. Wer bis zum Dortmund-Spiel noch geglaubt hatte, der VfB hätte seine Punkte gegen formschwache Gegner eingeheimst oder spiele konstant über seine Verhältnisse, sah sich während des Spiels eines Besseren belehrt.

Selten hab ich es erlebt, dass ein Dortmunder Team so hergespielt wurde. Zunächst verschoss Führich noch in der Anfangsphase den dritten Elfmeter in Folge.

Doch, auch das warf den VfB nicht aus der Bahn. Er spielte Dortmund an die Wand, nahezu die kompletten 90 Minuten über. Dennoch ging der BVB in der 36. Minute in Führung, als der ansonsten so stabil gewordene Ex-Dortmunder Zagadou kurzzeitig seine langen Haxen nicht sortiert bekam und Füllkrug dankend einschob. Dieser Nackenschlag bewirkte weder beim BVB, dass er vielleicht etwas mehr am Spiel teilnehmen wolle, noch beim VfB, dass man den Kopf in den Sand stecken würde.

Undav gelang noch vor der Pause der hochverdiente Ausgleich. Mitte der zweiten Halbzeit dann wurde Guirassy unter tosendem Applaus eingewechselt und wurde prompt zum Matchwinner. Silas holte mit seiner Schnelligkeit den zweiten Elfer im Spiel heraus, den Guirassy scharf und sicher verwandelte. Besser so, kein Panenka gegen Kobel, den einzigen Dortmunder mit Normalform. Am Ende standen 22:5 Torschüsse und ein hochverdienter Sieg gegen den Beinahe-Meister.

Danach war wieder Länderspielpause. Diesmal jedoch nicht für uns. Das erste Auswärtsspiel in Berlin gegen die Türkei ersparten wir uns noch, beim zweiten Auftritt in Wien gegen Österreich waren wir dann aber zugegen. Die letzten Länderspiele hab ich meist nur nebenher, auf dem Handy daddelnd, verfolgt.

Nun, erstmals seit langem wieder ein Spiel in voller Länge, das mich wirklich erschüttert hat. Ein Spiel wie zu düstersten VfB-Zeiten, keiner wollte den Ball, jeder versteckte sich, keine Führung auf dem Feld.

Schon da sagte ich, dass, wenn es denn etwas mit der Euro im eigenen Land werden soll, das Gerüst der Truppe aus den formstärksten Teams der Liga, dem VfB und Bayer 04 Leverkusen, gebildet werden müsse. Wie es aussieht, hat mich der Bundestrainer erhört, wenn man sich die letzte Nominierung ansieht.

Nach der Pause trat der VfB bei der Frankfurter Eintracht an, die sich anschickte die Europapokal-Plätze anzugreifen. Kaum angepfiffen, führte der VfB auch bereits 0:1 durch Undav. Der Ausgleich wurde einmal mehr gut weggesteckt und kurz vor der Pause mit dem 1:2, wiederum durch Undav, wurden die Weichen auf Sieg gestellt.

Nach diesem Spiel wurde nach meinem Empfinden zum ersten Mal „Europapokal, Europapokal, nach all der Scheiße, geht’s auf die Reise, Stuttgart International“ intoniert und das in den Katakomben in Dauerschleife, so dass wir fast noch unseren Zug zurück nach Stuttgart verpasst hätten. Einfach nur geil! Dann wurde Bremen eine Lehrstunde erteilt und viel zu niedrig mit „nur“ 2:0 besiegt, ehe das Pokal-Achtelfinale gegen Borussia Dortmund auf dem Plan stand.

Man hätte sich durchaus ein leichteres Los gewünscht und konnte es sich auch nicht so richtig vorstellen, dass wir die Dortmunder ein zweites Mal so klar dominieren könnten.

Ich hatte schon ein wenig Bammel vor dem Spiel und dachte an den angeschlagenen Boxer, nachdem wir sie wenige Wochen zuvor so demütigten. Doch, es entwickelte sich fast ein Spiel auf ein Tor und als es zur Pause immer noch 0:0 ließ ich mich zum Ausspruch hinreißen, der VfB müsse sich doch endlich belohnen. Das aus meinem Munde, wie sehr hat mich der Spruch von VfBlern in der Vergangenheit aufgeregt, wenn sie in 90 Minuten ein oder zwei Mal aufs Tor schossen und danach meinten, sie hätten sich nicht belohnt. Da fragte ich immer, für was belohnt, zum Teufel?

Anders in dem Spiel. Wie man im Bundesligaspiel gesehen hat, reicht eben ein Aussetzer um ins Hintertreffen zu geraten. Dieser passierte zum Glück nicht. Guirassy traf zehn Minuten nach der Pause und Silas machte schließlich den Deckel drauf. Ein hochverdientes Weiterkommen und die große Chance, endlich mal wieder weit zu kommen, nachdem die Bayern und Leipzig schon draußen waren. Leider bescherte uns die Losfee aber die Übermannschaft dieser Saison, Bayer Leverkusen.

Just jenes Leverkusen war dann auch der nächste Bundesligagegner. Man konnte fast schon von einem Giganten-Treffen reden. Das Top-Spiel war seit langem mal wieder eines, das den Namen echt verdiente. Ein rasantes Spiel, eine abartig geile erste Halbzeit vom VfB, eine bessere von Leverkusen in der zweiten, und fertig war das leistungsgerechte Unentschieden. Für mich war ausschlaggebend, dass der VfB in der zweiten Halbzeit nicht an die Leistung der ersten herankam, das kräftezehrende Pokalspiel. Gegen Dortmund dachte ich schon weit in der ersten Halbzeit, dass es fast unmenschlich sei, was die Jungs da laufen und auf dem Rasen abrissen. Im Pokalspiel hielten sie das Tempo über 90 Minuten hoch, deshalb denke ich, dass gegen Leverkusen irgendwann mal die Körner gefehlt haben. Es sei ihnen zugestanden. Ganz Fußball-Deutschland schwärmt mittlerweile von unserer geilen Truppe.

Dann ging es noch zu den zu den Bayern, wo es leider nichts zu ernten gab. Ausschlaggebend ganz sicher das frühe Tor schon in der 2. Minute nach katastrophalem Fehlpass von Karazor. Wenn so früh sämtliche Pläne über den Haufen geworfen sind, und das auch noch bei den Bayern, ist es schwierig dort Zählbares mitzunehmen. Zudem tat Tuchel das, was sich bislang die wenigsten trauten, und überhaupt nicht bayernlike ist. Er passte die Spielweise an die unsrige an und tat uns nicht den Gefallen, sich locken zu lassen. Muss man akzeptieren, wenngleich eine Niederlage bei den Bayern jetzt auch nicht ganz uneingeplant war.

Gegen Augsburg gab’s zum Jahresabschluss unter der Woche dann noch einen deutlichen 3:0-Sieg. Bezeichnend, dass sich unser magisches Dreieck, namentlich Undav, Guirassy und Führich, in die Torschützenliste eintrug und sich der Augsburger Kapitän Demirovic hinterher zur Aussage hinreißen ließ, er wäre noch nie so hergespielt worden.

Klang fast wie ein Bewerbungsschreiben, als er noch hinterherschickte, wie geil es zu beobachten sei, wie man mit Plan, Geschick und den richtigen Spielern die Trendwende vom Abstiegskandidaten zu einem Top-Team werden könne. Aus der Aussage sprach ehrliche Hochachtung und der Wunsch, dass die Truppe so zusammen bleibt und die Liga noch länger so begeistern möge. Chapeau!

Der Abschluss der Vorrunde verlief dann weniger nach Wunsch. Dieser fand bereits im Januar bei Borussia Mönchengladbach statt.
Wie in München wurde es nach dem 1:0 in der 1. Spielminute schwierig gegen kompakt verteidigende Gladbacher, zumal in der 19. Minute auch schon das 2:0 fiel.

Man kam dann durch Vagnoman in der zweiten Hälfte heran, doch zum Ausgleich reichte es nicht mehr. In der Nachspielzeit fiel dann noch das 3:1. Ungünstiger Jahresauftakt, wohl deshalb, weil auf ein Trainingslager verzichtet wurde und unsere Ansprache an die Jungs offenbar fehlte. ;-)

Der Rückrundenauftakt fand dann im Bochumer Ruhrstadion statt. Bochum ist immer ein Highlight, deshalb drücke ich dem VfL auch immer die Daumen, dass sie in der Liga bleiben.

Wo hat man das sonst noch, ein Stadion mitten in der Stadt, Kneipen drum rum, kleines, enges, fast britisches Stadion und eine Fangemeinde, die zwischen den Riesen Dortmund und Schalke, ihr Dasein fristet und extrem mit dem VfL durch dick und dünn geht. Finde ich geil!
Das Spiel war leider weniger geil, es setzte die zweite Niederlage in Folge. Die Halbzeit dauerte über ein Stunde lang, weil es Diskussionen um eine Fahne im Gästeblock gegeben hat, die angeblich die Öffnung eines Fluchttores verhindert hätte.

Das war natürlich Humbug, wir beobachteten bereits vor dem Spiel, dass sich Feuerwehrleute demonstrieren ließen, dass die Türe auf geht. Wer da während der ersten Halbzeit aus dem Tiefschlaf fiel und wem nichts Besseres einfiel, als, der Banner muss weg, man weiß es nicht.
Offenbar gab es Zuständigkeitsprobleme, oder, auf deutsch, die rechte Hand wusste nicht, was die linke macht. Der schwarze Peter wurde natürlich mal wieder den pösen Ultras zugeschoben, meiner Meinung nach hat sich hier keine Partei mit Ruhm bekleckert.

Als wir uns schon mit einem Spielabbruch auseinandersetzten und uns „freuten“, womöglich noch ein zweites Mal ins Ruhrstadion zu dürfen, wurde das Spiel fortgesetzt. Die Ungewissheit und lange Pause haben dem VfB jedoch nicht gut getan und so fiel das letztlich entscheidende 1:0 kurz nach Wiederanpfiff.

Erneut zwei Niederlagen in Folge, die nicht hätten sein müssen, und wieder ein VfB, der aus dieser Misere gestärkt zurück kam.

Nachdem im Dezember der Investoren-Deal der Bundesliga in geheimer Abstimmung abgesegnet und Stimmen laut wurden, die Abstimmung sei nicht mit rechten Dingen zugegangen, gell, Herr Kind, standen die folgenden Spiele im Zeichen von enormen Fanprotesten, die teilweise fast in Spielabbrüche mündeten.

Diese erschwerten natürlich die Planung, vor allem was Auswärtsspiele anging, waren letztlich aber fast durchweg friedlich, von hoher Kreativität geprägt, und führten schließlich auch zu einem vorläufigen Ende der Diskussionen, in dem die DFL für sich beschied „so kann es nicht weitergehen“ und den Deal bis auf Weiteres abblies.

Natürlich war es auch für die Spieler unbefriedigend und führte zu Brüchen im Spiel, oft auch von dem vom VfB, aber, Ende gut, alles gut! Insgesamt hatte ich den Eindruck, wie auch bei den Diskussionen um die Fahne in Bochum, dass sich der geneigte Fernsehzuschauer mehr darüber echauffierte als das Publikum im Stadion, welches die Situationen besser einordnen konnte.

Gegen Red Bull Fuschl setzte der VfB dann das nächste dicke Ausrufezeichen in dieser hervorragenden Saison. Guirassy, Ito und Jeong weilten weiter bei Afrika- und Asien-Cup, so dass Undav mal wieder in die Bresche springen musste und dies mit einem Dreierpack eindrucksvoll tat. Zuvor hatte Millot den VfB per Strafstoß in Führung gebracht, der erste verwandelte Elfer, der nicht von Guirassy geschossen wurde. RB kam zwei Mal vors Tor und nutzte beide Chancen. Bei 18:4 Torschüssen hätte der Sieg noch weitaus höher ausfallen können. Erwähnenswert auch noch, dass dem bereits als Chancentod verschrieenen Leweling sein erstes Tor für den VfB glückte. Damit ließ man also dem nächsten Topteam der Liga keine Chance und bezwang zudem den Brauseclub zum allerersten Mal in der Bundesliga. Dieser VfB pulverisiert diese Saison einfach jede Serie.

In Freiburg, vor dieser Saison auch noch ein Angstgegner, führte man durch Undav und Führich bereits nach 7 Minuten mit 0:2. Als man nach 18 Minuten auch noch in Überzahl spielte, war es fast klar, dass nichts mehr anbrennen würde und man sich so langsam für den Pokal-Kracher in Leverkusen schonen kann. Ganz so einfach wurde es dann nicht. Der Anschluss kurz vor der Pause saß, es dauerte noch bis zur 75. Minute ehe Mittelstädt frech über den Freiburger Keeper lupfte und den Deckel drauf machte. Dieser Sieg stand im Zeichen der Anteilnahme an der schweren Verletzung von Daxo Zagadou. Der Pechvogel, zuletzt mehr und mehr DER Turm in der Schlacht, zog sich erneut einen Kreuzbandriss zu und fällt den Rest der Saison aus.

Inzwischen war der VfB in aller Munde und das Pokal-Spiel gab es natürlich im Free-TV zu bestaunen. Auch dieses Spiel hielt, was es versprach. In atemberaubendem Tempo lieferten sich die beiden spielerisch besten Teams der Saison einen offenen Schlagaustausch und ein Duell auf Augenhöhe.

Trotz zweimaliger Führung durch Anton und Führich zog man in letzter Minute den Kürzeren, weil Tah einen Kopfball in die Maschen setzte. Sehr ärgerlich dabei, dass Andrich mit Gelb-Rot vom Platz fliegen muss, kurz bevor er den 1:1-Ausgleich erzielte.

Wie schon beim Halbfinale gegen Frankfurt hieß der Schiedsrichter Schlager, der offenbar zum zweiten Mal selbst bestimmen wollte, wie ein Pokalspiel verdammt nochmal entschieden werden soll. Was – erlaube – Spieler!

Beim Halbzeit-Interview stand Rudi Völler, bis vor kurzem bei Bayer 04, mittlerweile DFB-Sportdirektor, Rede und Antwort. Und, er schwärmte vom VfB in höchsten Tönen, dass es außergewöhnlich sei, ein so gut spielendes Team mit derart vielen deutschen Spielern.

Und, dass er es sich gut vorstellen könne, dass „einige“ bei der nächsten Kader-Nominierung dabei sein könnten. Da sich Völler und Nagelsmann sicherlich auch über Personalien austauschen, war es mir fortan fast klar, dass sich der Wind drehen würde, was die Nominierungen angeht. Weg von einstigen Stützen, hin zu formstarken und gierigen Jungs, die ihr letztes Hemd für einen Einsatz im Trikot mit dem Bundesadler geben würden.

Danach folgte wieder der Abstiegskandidaten-Dreierpack mit Siegen gegen Mainz 05 und in Darmstadt, sowie einem Remis zuhause gegen den 1. FC Köln. Natürlich sollte man nicht zufrieden sein, wenn der Dritte gegen den Drittletzten zuhause nicht gewinnt.

Aber, wir sind gebrannte Kinder und können uns nur zu gut daran erinnern, dass wir solche Spiele in der Vergangenheit eher verloren haben. Hoffnung stiftend war zudem die schonungslose Offenheit und Selbstkritik der Jungs, die sich selbst ein arrogantes Spiel attestierten. Ich sah das Unentschieden jedenfalls nicht als Beinbruch an, vor allem auch, weil man ja aus einer guten Serie kommt. Klar, hätte man in Darmstadt verloren, wäre ein Sieg Pflicht gewesen, so aber, Shit happens. Man kann schließlich auch nicht jedes Spiel gewinnen!

Das tat man dann aber auch schon wieder in Wolfsburg in überzeugender Manier. Guirassy, längst wieder vom Afrika-Cup zurück, per Doppelpack, sowie der immer stärker in Form kommende Vagnoman, auch so ein Kandidat für die Nationalelf, steuerten die Tore zum 2:3 in der Autostadt bei.

Danach schlug man Union Berlin zum dritten Mal in dieser Saison und gewann beim Heimspiel in Sinsheim mit 0:3. Damit revanchierte man sich nicht nur für die Hinspielniederlage, sondern legte einen Auftritt hin, der einer neuerlichen Machtdemonstration glich. Auf dem Platz gedemütigt, auf den Rängen sowieso, meldet Euch am besten ab liebe Dorftrottel und erspart euch weitere peinliche Auftritte auf den Rängen.
Die Dominanz auf dem Rasen war frappierend, das Spiel kann gut und gerne auch 0:8 ausgehen, vor allem nach der ersten Halbzeit muss man eigentlich mit 5:0 in Führung liegen.

Nun also die nächste Länderspielpause. Die Spatzen pfiffen es bereits von den Dächern. Sage und schreibe vier Nationalspieler, die gegen Frankreich in der Schlussphase gar alle zusammen auf dem Platz standen, stellt der VfB auf einmal. Natürlich ist das der Verdienst von Sebastian Hoeneß und seinem Team.

Maxi Mittelstädt, 500.000-Euro-Schnäppchen von der Berliner Hertha, schoss gar sein erstes Länderspiel-Tor und war Spieler des Spiels beim 2:1 gegen die Niederlande. Er dürfte seinen Stamm- und Startplatz bei der Euro im eigenen Land sicher haben, vorausgesetzt natürlich, er verletzt nicht und bricht leistungsmäßig nicht ein. Selbiges gilt für die anderen Nominierten. Führich wird wohl auch ziemlich sicher dabei sein, bei Undav und Anton habe ich auch ein gutes Gefühl.

Es waren ja nicht nur die zwei Siege und eine deutliche Leistungssteigerung gegenüber den letzten Länderspielen. Es war auch ein neuer Teamspirit erkennbar, auch was die Reservisten anging und da bringen unseres VfBler vieles mit, was jeder Mannschaft gut tut.

Zum einen herrscht auch beim VfB derzeit eine überragende Atmosphäre, die die Jungs in die Welt hinaustragen. Nagelsmann hat ja bereits angekündigt, dass sich der Kader nur noch in Nuancen ändern dürfte, von daher ist die Hoffnung groß, dass alle vier VfBler, und dafür lediglich ein Dortmunder dabei sein werden.

Wäre schön, Nagelsmann zöge diese Linie durch. Die Dortmunder stehen für mich schon seit langem für eine gewisse Loser-Mentalität. Jeder für sich erhebt aber den Anspruch dann auch zu spielen, weil sie unter völliger Verblendung leiden und ihre „Leistung“ null einschätzen können.
Dortmund ist für mich seit Jahren ein Sinnbild des Champions-League-Modus, wonach man nicht einmal mehr Meister werden muss, um an die ganz großen Fleischtöpfe zu gelangen. Wenn man es sich, wie Dortmund seit Jahren, auf den Plätzen zwei bis vier bequem macht, um es hinterher als großen Erfolg zu verkaufen, egal welche großen Sprüche man vorher geklopft hat, wo soll da die Gier herkommen, auch mal Erster zu werden, wie es bei der Euro möglicherweise gefragt sein wird.

Bevor man Hummels, Schlotterbeck und Süle aus der Versenkung ausgräbt, die sich alle selbst überschätzen, sollte Nagelsmann lieber einen Anton mitnehmen, formstark, als Persönlichkeit gewachsen, der froh ist, dabei zu sein, bereit ist, wenn er gebraucht wird, und ansonsten ein absoluter Teamplayer ist.

Auf die anderen Ausgemusterten wie Emre Can und Julian Brandt kann ebenfalls getrost verzichtet werden. Das sind genau die Typen Spieler, die Deutschland dort hin gebracht haben, wo es heute im Fußball steht. Kein Biss, verstecken sich, wenn es ungemütlich wird, sprich, die braucht kein Mensch bei dieser Nationalmannschaft.

Mit dem, was bei den jüngsten beiden Länderspielen auf dem Platz stand, gehe ich weitestgehend d’accord. Die Kroos-Rückkehr hab ich von Anfang an gefeiert. Er ist der erfolgreichste deutsche Fußballer aller Zeiten und bis heute sehr wertgeschätzter Taktgeber bei Real Madrid.
Auf ihn zu verzichten, wäre großer Luxus gewesen. Kroos schwang sich im wahrsten Sinne des Wortes von der ersten Minute an zum eigentlichen Kapitän auf, wobei sich mir die Frage aufdrängt, wozu brauchen wir noch Gündogan?

Dass Nagelsmann dessen Kapitänsamt direkt nach seiner Verpflichtung bestätigt hat, damit hat er sich meines Erachtens keinen Gefallen getan. Eigentlich sollte der Kapitän immer spielen.

Mir würde es besser gefallen, Musiala rücke von links in die Mitte anstelle von Gündogan und Führich käme dafür auf links von Beginn an zum Einsatz. Wie gut er mit Mittelstädt harmoniert, sieht man jede Woche in der Bundesliga. Auch bei den Länderspielen hatte Maxi sichtlich ein besseres Gefühl, nachdem Führich eingewechselt wurde.

Mit Andrich neben Kroos kann ich gut leben, wenngleich ich auch Stiller diese Rolle zutrauen und gönnen würde. Kimmich auf rechts hat ganz ordentlich gespielt. Erstmals seit Jahren hatte ich bei ihm den Eindruck, dass auch er um seinen Platz sprichwörtlich kämpft und genau erkannt hat, was die Stunde geschlagen hat. Diese Länderspiele haben Hoffnung gemacht, ich freue mich auf die Euro und werde bei den Deutschland-Spielen im Stadion sein.

So gut es auf dem Rasen läuft, es wäre nicht der VfB, wenn es nicht doch Theater geben würde.

Vereinsmeier sehen die 50+1-Regelung in Gefahr bzw. schon untergraben, die Investorenseite sah sich hingegen nicht in der Lage mit dem Aufsichtsratsvorsitzenden Claus Vogt zusammenzuarbeiten und ließ sich VOR der Fixierung des sog. Weltmarkenbündnisses zusichern, dass Vogt auf den Vorsitz verzichten solle, was dieser offenbar zugesichert hat, um den Deal nicht zu gefährden.

Diese Zusage hätte Vogt so nie treffen dürfen, ohne sich das Votum der Mitglieder einzuholen. Ob ihm das nicht klar war, oder ob er bewusst Nebelkerzen gezündet hat, um jetzt, wo der Deal in trockenen Tüchern ist, zurückzurudern, beides wäre extrem unprofessionell und eines Aufsichtsratsvorsitzenden einer AG nicht würdig.

Die Cannstatter Kurve, man beachte, nicht „nur“ die Ultras, hat ein bemerkenswertes Statement herausgegeben und fordert das gesamte Präsidium zum sofortigen Rücktritt auf. Diese Erklärung wurde von unzähligen offiziellen Fanclubs unterzeichnet, was unterstreicht, dass es sich dabei schon um eine breite Meinung handelt.

Die Statements, offene Briefe, Interviews, etc. überschlagen sich in den letzten zwei Wochen. Es ist dabei immer schwierig, richtig einzuordnen, wem man überhaupt noch Glauben schenken darf, wo Intrigen gesponnen oder gar Verschwörungstheorien in die Welt gesetzt werden. Claus Vogt bspw. hat offenbar ohne Absprache mit Verein und Medienabteilung in einem Interview für den Kicker zum Rundumschlag ausgeholt und quasi alle als Intriganten, die ihn los werden möchten, tituliert. Ob Investoren, Vorstand oder Präsidiumskollegen, alle sind die bösen, nur der kleine Claus, der nicht. Damit erweckt er den Eindruck des Geisterfahrers, dem „hunderte“ entgegen kommen.

Der Vorstand um Alex Wehrle und Rouven Kasper hat sich dann gestern in den Stuttgarter Nachrichten einem Interview gestellt und in bislang nicht gekannter Form scharf gegen Vogt geschossen. Dass Vogt dem VfB durch sein Verhalten in letzter Zeit und vor allem das Interview im Kicker großen Schaden zugefügt hat, sehe ich genauso. Er täte gut daran, nicht weiter an seinem Stuhl zu kleben und den Weg für einen Neuanfang in den Gremien freizumachen, wenn ihm denn tatsächlich etwas am VfB liegt. Es dürfte die einzige Möglichkeit sein, die Situation zu befrieden, um sich wieder gänzlich dem in dieser Saison so ausgezeichnet vorgetragenem Sport zu widmen.

Das Bild, das der VfB nach außen abgibt, ist erbärmlich und an Peinlichkeiten kaum zu überbieten. Fußball-Deutschland rätselt, wie es sein kann, dass ein sportlich so auftrumpfender Verein wie der VfB Stuttgart, sich gerade jetzt in den Gremien selbst zerlegt. Wenn Vogt das einzige Problem ist, soll er zurücktreten, am besten noch vor dem Heidenheim-Spiel.

Da sind nämlich Protestaktionen zu erwarten, über deren Dimension nur gemutmaßt werden kann. Hat es sich mit deutlichen Bannern in Richtung Vereinsführung und Gremien, oder stört man den Ablauf massiv? War der Aufruf „alle in schwarz“, den es so auch noch nicht gab, schon alles und setzt man auf diesen optischen Effekt, oder gibt es einen Stimmungsboykott, zumindest in den ersten zehn Minuten, wie ich es auch schon gehört habe?

Persönlich wäre es mir lieber, man würde die Proteste nicht ins Stadion tragen, sondern lieber unter der Woche auf der Geschäftsstelle vorstellig werden, um den Forderungen (gewaltfrei) Nachdruck zu verleihen. Das so konstant performende Team auf dem Platz hat es jetzt einfach nicht verdient, durch irgendwelche unbedachte Aktionen, aus dem Konzept gebracht und runter gezogen zu werden.

Morgen steht also das letzte Spiel innerhalb des ersten Jahres von Sebastian Hoeneß an. Da ich in den nächsten zwei Wochen vermutlich weder Zeit noch einen Kopf haben werde, auch dieses noch in den Jahresrückblick zu packen, kommt dieser etwas verfrüht. Vielleicht ergänze ich ja zu gegebener Zeit noch um ein paar Zeilen.

Es steht das Duell Landeshauptstadt gegen die Ostalb an, oder auch der VfB gegen den 1. FC Heidenheim. Ich habe großen Respekt vor dem, was in Heidenheim entstanden ist und vor allem vor Frank Schmidt. Dieser leitet seit 2007 die Geschicke dort und übernahm den Club in der Oberliga. Im selben Zeitraum kommt der VfB auf sage und schreibe 23 Trainer. Daher gönne ich Heidenheim, dass sie die Klasse halten, wovon nach derzeitigem Stand auch auszugehen ist.

Nichtsdestotrotz muss natürlich für den VfB der Sieg und damit auch der Ausbau der Serie her. Der VfB kann bereits diese oder nächste Woche den sicheren Einzug nach Europa, woran ohnehin keiner mehr zweifelt, klar machen.

Wenn man aber einmal Blut geleckt hat, möchte man natürlich mehr. Auch wenn die Reisen in Conference- oder Europaleague sicherlich reizvoller sind, ist inzwischen das große Ziel die Championsleague mit ihrem neuen, durchaus interessanten, Modus. Diese würde dem VfB finanziell neue Möglichkeiten schaffen und wäre womöglich der Grundstein dafür, die Mannschaft, einschließlich der Leihspieler, zusammenhalten zu können.

Natürlich ist das dann auch eine Gratwanderung, wenn Begehrlichkeiten, was das Gehaltsniveau angeht, steigen, Stichwort Champions-League-Falle, in die wir ja schon einmal getappt sind. Ideal wären dabei Vertragsgestaltungen, die das Team an den Champions-League-Einnahmen partizipieren lassen, jedoch wieder auf ein Normalmaß schrumpfen, wenn denn nicht mehr international gespielt wird.
Um die Champions League zu erreichen, muss der VfB in den kommenden Wochen genau so weiter performen.

Dazu gehört natürlich zunächst ein Sieg gegen Heidenheim, auch wenn der VfB erstmals ohne Karazor auskommen muss. In den Zweitligaduellen siegte der VfB zwei Mal, spielte einmal remis und verlor auch einmal. Vor allem die Niederlage, ausgerechnet am Geburtstag des VfB, dem 09.09.2016, ist in schlechter Erinnerung.

Nach all den Tiefpunkten in den 2010er-Jahren war das der gefühlt tiefste Tiefpunkt, hatte aber auch etwas Gutes, nämlich, dass das Trainer-Missverständnis Luhukay danach beendet wurde. Morgen aber gehen wir als haushoher Favorit in die Partie und sollten in der Lage sein, diesen unbequemen Gegner durch unsere Spielstärke zu beherrschen und schließlich auch zu schlagen.

Es geht auch um eine gute Ausgangsposition für nächste Woche, wenn im Westfalenstadion zu Dortmund das nächste Ausrufezeichen gesetzt werden kann.

Egal, wie die Saison auch enden wird, es ist schon jetzt grandios, was Sebastian Hoeneß in kürzester Zeit aus unserem VfB gemacht hat. Der VfB hat eine Handschrift, spielt mit den schönsten Fußball der Liga, hat wieder deutsche Nationalspieler und ist in aller Munde.
Möge die Erfolgsstory weiter geschrieben werden. Ein gutes Zeichen ist natürlich auch die Vertragsverlängerung mit Hoeneß, womit den Spekulationen um ein mögliches Engagement bei den Bayern ein Ende gesetzt wurde.

Für mich war dieses Szenario ohnehin unwahrscheinlich. Hoeneß hat sich zunächst einmal mit Haut und Haaren dem VfB verschrieben und ist hier auch noch nicht fertig.

Sein Auftreten, sein Stolz nach Auftritten wie in Sinsheim, seine Niedergeschlagenheit, wenn der VfB mal nicht so performt hat, sein Verantwortungsbewusstsein für den VfB, sein Bewusstsein für die Größe der Aufgabe, all das spricht dafür, dass Hoeneß keinen Gedanken daran verschwendet, sein Wirken hier bald beenden zu wollen. Er ist geerdet, demütig und tut dem VfB einfach gut.

Dennoch ist seine Vertragsverlängerung natürlich ein wichtiges Zeichen an seine Mannschaft und an mögliche Neuzugänge, wenn jeder weiß, woran er ist, wenn der Chef Vereinsverbundenheit vorlebt.

Möge das Märchen weiter geschrieben werden, danke für ein herausragendes Jahr, Sebastian Hoeneß.

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4. Mai 2020

Nur mal kurz das Geld retten!

Eines muss man der Deutschen Fußball Liga (DFL) ja in Zeiten von Corona lassen. Sie tut alles und ist sich für beinahe nichts zu schade, um den Ball und damit auch den Rubel alsbald wieder rollen zu lassen.

Es werden Töne angeschlagen, die man von diesem Paralleluniversum überhaupt nicht gewohnt ist. Von Demut ist die Rede, von Solidarität sprechen sie plötzlich und sie stellen Millionen-Beträge für Vereine der Dritten und der Frauenfußball-Bundesliga zur Verfügung. Man gibt sich geläutert, will glauben machen, dass sich nach der Krise einiges ändern müsse und werde und gibt sich verwundert darüber, dass der DFL mehr Häme als Applaus entgegenschlägt, angesichts des verzweifelten Versuchs die Finanzblase nicht platzen zu lassen.

Dabei stellte Seifert die rhetorische Frage „was haben wir nur falsch gemacht?“ Die Frage beantwortet er sich im Grunde selbst. Explodierende Spielergehälter und Beraterhonorare, das Entfernen von der Basis und der Lebensrealität seiner Fans, immer höher, immer weiter, immer mehr. Das Profigeschäft ist geprägt von Raffsucht und Gier und bekommt jetzt, meiner Meinung nach überfällig, die Quittung präsentiert.

Einsicht ist der erste Weg zur Besserung, sollte man meinen. Geredet allerdings wurde in der DFL schon immer viel, so dass jetzt nur Taten zählen.

Man kommt angekrochen, macht hier ein Zugeständnis, gelobt dort Besserung, um am Ende, wenn weiter gekickt werden darf, genauso weiter zu machen.

Oder glaubt jemand im Ernst, dass Leute wie Rummenigge und Watzke nach der Krise einen Solidarpakt mit dem Rest des deutschen Fußballs zu schließen bereit sind, einer gerechteren Verteilung der Fernsehgelder zustimmen und sich, sollte der bisherige Wahnsinn in den anderen europäischen Top-Ligen weitergehen, einfach so abhängen lassen?

Ich glaube nicht daran, denn, dann müsste man sich von den internationalen Fußball-Verbänden abgrenzen und auch mal einen Kirmes-Wettbewerb auszulassen bereit sein. Jetzt präsentieren uns die Protagonisten warme Worte, um am Ende des Tages vorzuschieben, dass „uns“ angesichts der Pläne von UEFA und FIFA die Hände gebunden seien.

Die DFL hätte in den letzten 20 Jahren viele Möglichkeiten gehabt, auf die Basis zuzukommen, auf Wünsche einzugehen und ein Wir-Gefühl zu vermitteln. Meinte es das Kartellamt gut und verbot das Monopol bei den Übertragungsrechten, nahm die DFL dies zum Anlass mehreren Anbietern Exklusivrechte zu verscherbeln, was nicht nur zur Folge hatte, dass Pay-TV-Kunden mehrere Abonnements abschließen mussten, um alle Spiele zu sehen, sondern den Spielplan noch mehr als ohnehin schon zerstückelte, um mehr Exklusiv-Sendeplätze zu schaffen. An den Fan, der zu den unmöglichsten Zeiten und Wochentagen quer durch die Republik reist, dachte dabei niemand.

Stets wurde beim Aushandeln der Verträge die internationale Wettbewerbsfähigkeit vorgeschoben, obwohl diese für rund zwei Drittel der Bundesliga und hundert Prozent der 2. Liga allenfalls sekundär ist.

Als Fan einer, inzwischen, Fahrstuhlmannschaft interessieren mich die Spieltermine, die Entfernungen, die ich an einem Wochentag zurücklegen muss, die Behandlung der Fans an den Spielorten und ob es Vollbier im Stadion gibt. Und hier gibt es in allen Punkten Nachbesserungsbedarf.

Solange jeder zusätzlich eingenommene Euro über die Faninteressen gestellt wird, wird sich am Fußball nichts ändern, auch dann übrigens nicht, wenn ein Salary-Cap kommen sollte. Dann fließen eben noch mehr Handgelder als ohnehin schon in die Taschen von Spielern und deren Berater, werden „Steuersparmodelle“ erfunden, Briefkastenfirmen gegründet oder sonstige Hintertürchen entdeckt, der verlogenen Branche dürfte einiges einfallen, damit keiner schlechter gestellt ist als vor der Krise.

Wie weit sich der Fußball bereits von seiner Basis entfernt hat, offenbart, dass der Fußball seine einzige Überlebenschance darin sieht, diejenigen auszuschließen, die ihn zu dem machen, was er ist. Dass sich die Herren da nicht schämen!

In Zeiten, in denen Kontaktverbote und Abstandsregelungen gelten, und dort, wo man sich zu nahekommt, Gesichtsmasken getragen werden müssen, in Zeiten, in denen Kindergärten, Kindertagesstätten und Schulen keinen Regelbetrieb haben dürfen, wo Bolzplätze und Sporthallen geschlossen bleiben, möchte die DFL, dass „ein wenig Lebensfreude in die Wohnzimmer kommt“ (Watzke). Rummenigge setzt dem die Krone auf, indem er meint „Ich mag das Wort Geisterspiel nicht. Ich würde lieber sagen: Wir spielen Fußball im Geiste unserer Fans.”

Jener Rummenigge also, der vor gut zwei Monaten mit Dietmar Hopp am Mittelkreis stand und Beifall klatschte, als sich Hoffenheim und Bayern die Bälle zuschoben, weil die „hässliche Fratze“ des Fußballs derselben den Spiegel vorgehalten hat, kommt sich bei solch einer Aussage wohl noch nicht einmal blöd vor.

Die „hässliche Fratze“ von damals, jene im Gästekäfig natürlich, sowie Ultras von vielen anderen Vereinen landauf landab, engagiert sich derzeit für das Gemeinwohl und packt an, wo es in der Krise erforderlich ist, während der Fußball verzweifelt versucht, sein krankes Business am Laufen zu halten.

Die DFL hat ein Maßnahmenpaket vorgestellt, nach der auch in Zeiten von Corona Bundesligafußball möglich sein soll. Eine große Koalition aus Bundesliga, Politik, TV-Anstalten und der BILD-Zeitung, eine Ansammlung von Hobby-Medizinern also, erklärt das Konzept für tragfähig, so dass im Laufe der Woche damit zu rechnen ist, dass dem Vorhaben grünes Licht erteilt wird.

Mancher Virologe äußert zwar Bedenken, doch, es scheint die Devise zu gelten, no risk, no fun! In der Schule nannte man es Mut zur Lücke, bei der DFL dürfte man schweißgebadet dem Mittwoch entgegenblicken und beten, dass bis dahin keine größeren Infektionsketten bekannt werden.

Mit einem austarierten Medizinkonzept und ausreichend Testkapazitäten, an die systemrelevante Mitbürger, bspw. aus Alten- und Pflegeheimen, mangels finanzieller Mittel nicht herankommen, versucht die DFL die Politik zu überzeugen, der Virus selbst aber ist weder käuflich noch bestechlich und macht, „was erlaube Corona“, sein eigenes Ding.

So brachten bereits die ersten Tests drei Infektionen mit dem Corona-Erreger beim 1. FC Köln zutage. Kölns belgischer Ex-Nationalspieler Birger Verstraete wunderte sich über den laxen Umgang mit den Infektionen durch Verein und Gesundheitsamt und sorgte sich öffentlich um seine herzkranke Freundin, da er regen Kontakt mit den Infizierten gehabt hätte. Nur einen Tag später relativierte er seine Aussagen auf dem Twitter-Account des 1. FC Köln, man könnte auch im Dietrich-/ Reschke-Jargon sagen, der Spieler wurde eingenordet. Beim VfB ist von einer „unklaren“ Testung die Rede, man darf gespannt sein, was dabei herauskommt.

Heute, ganz aktuell, stellte Kalou von Hertha BSC ein Video online, in dem sich nicht „nur“ über deren 11%igen Gehaltsverzicht lustig gemacht wird, sondern auch zu sehen war, dass sämtliche Abstands-, Kontakt- und Hygienevorschriften missachtet wurden.

Daraus kann man jetzt schließen, dass das Hygienekonzept der DFL lediglich der Beruhigung der Öffentlichkeit dient, hinter verschlossenen Türen jedoch nicht gelebt wird. Kalou relativierte, völlig überraschend, seine Aussagen, wurde von Hertha BSC zum Einzelfall erklärt und wurde suspendiert, the show can go on.

Vielleicht aber war dieses Vorpreschen Kalous auch „nur“ ein Hilferuf eines Spielers, der funktionieren muss, ob er will oder nicht. Gestern erschien im Berliner Kurier ein ziemlich reflektiertes Interview eines mitdenkenden 34-jährigen, von dem man nicht erwarten würde, dass er völlig unbedacht ein Video dieser Tragweite ins Netz stellen würde. (https://www.berliner-kurier.de/hertha/salomon-kalou-ich-liebe-fussball-aber-li.82665″)

Diese Vorfälle zeigen, sich kritisch äußernde Spieler werden umgehend „eingefangen“ und mit einem Maulkorb belegt. So die Strategie der DFL und ihrer angeschlossenen Vereine. Auf der einen Seite angekrochen kommen und Besserung geloben, auf der anderen Seite fleißig am Vertuschen. Ich lach mich gleich tot über derlei Dreistigkeit!

Es ist also ein äußerst schmaler Grat, auf dem die DFL mit ihrer Strategie wandelt. So macht es auf jeden Fall Sinn, dass bei den Vereinen mindestens zwei Trainingsgruppen getrennt voneinander trainieren und die DFL ihren Vereinen im Maßnahmenpaket nahelegt, für ausreichend große Kader für den Saisonendspurt zu sorgen. Wer weiß, vielleicht schlummern ja auch noch irgendwo Trainingsgruppen drei und vier, aus U19 und U17 zum Beispiel, die herangezogen werden könnten, sollten ersten beiden in Quarantäne geschickt werden müssen.

Auch das würde wohl hingenommen, solang Sky überträgt und das Geld auf die Konten der Vereine fließt. Um den sportlichen Wert von Geisterspielen geht es ja ohnehin nicht. Das Spiel wird einen völlig anderen Charakter bekommen, Mannschaften, die vom Pushen ihrer Fans Motivation ziehen, haben sportlich gesehen die Arschkarte gezogen.

Für das ausstehende Geld dürfte der DFL keine Anordnung lächerlich genug sein, sie nicht umzusetzen. Kommt die Auflage, mit Gesichtsmaske und Schutzanzug spielen zu müssen, würde man diese Pille wohl auch noch schlucken.

Diese DFL macht mir keine Angst, wenn sie davor warnt, man werde die Bundesliga in ihrer jetzigen Form nicht wiedererkennen, sollte die Saison abgebrochen werden müssen.

Dass am System etwas nicht stimmen kann, erkennt man doch schon, wenn es trotz des hoch gelobten Lizenzierungsverfahrens Vereine gibt, die in ihrer Existenz bedroht sind, wenn ein, zwei Monate lang der Spielbetrieb ruht, und das obwohl die „normalen“ Mitarbeiter Kurzarbeitergeld von der Bundesanstalt für Arbeit beziehen und den Vereinen damit nicht auf der Tasche liegen.

Das verdeutlicht, dass die ausstehende TV-Rechte-Rate lediglich einer lebensverlängernden Maßnahme gleichkäme, der Patient sich danach aber noch immer auf der Intensivstation befindet.

Mit Vereinen, die stets auf Kante gewirtschaftet oder zu erwartende Einnahmen bereits verpfändet haben, hätte ich kein Mitleid, sollten sie in die Insolvenz gehen.

Um deren „normale“ Mitarbeiter müsste man sich allenfalls sorgen, genauso wie um die Vereine unterhalb der beiden ersten Ligen und aus anderen Sportarten, für die Geisterspiele nicht die Lösung sind.

Sollte die DFL die TV-Rate noch retten können, müsste schon von dieser ein Löwenanteil an die Genannten gehen, um dem Irrsinn noch Positives abgewinnen zu können. Wie unsolidarisch die Gesellschaft ist, zeigt sich darin, dass Leute aus kleinen Vereinen austreten, weil diese während der Krise keine Sportangebote anbieten dürfen. Diese kämpfen wirklich um die Existenz, weit mehr als Fußball-Unternehmen, die Kapital in Form überbezahlter Spieler besitzen und sich zunächst von diesen trennen könnten.

Um Gelder freizusetzen und anderen Verbänden und Vereinen zukommen lassen zu können, wäre eine breit angelegte Solidarität der Spieler notwendig, die derzeit leider nur marginal zu erkennen ist.

Beim VfB steht ein Gehaltsverzicht von 10-20% zur Debatte, 20% im Falle des Aufstiegs, was mir zu wenig erscheint. „In der Krise beweist sich der Charakter“ ist ein Zitat von Altkanzler Helmut Schmidt. Diesen gilt es nun zu beweisen, sägt doch jeder Spieler, der zu keinen oder nur geringen Einbußen bereit ist, am Ast, auf dem er sitzt.

Dank des Instruments Kurzarbeitergeld, dessen sich auch der VfB bedient, bleiben wenigstens die Arbeitsplätze (zunächst) erhalten. Ich hoffe für die Angestellten, dass der VfB dieses, wie viele andere Unternehmen auch, auf nahe 100% aufstockt.

Der VfB „ermutigt“ Dauerkartenbesitzer und Kartenkäufer auf eine Rückerstattung der Eintrittsgelder im Falle des Abbruchs der Saison oder der Austragung von Geisterspielen zu verzichten. Diesem Wunsch kommen nach Angaben des VfB schon sehr viele Leute nach, die ihren Herzensclub in der schwersten Krise der Nachkriegszeit nicht im Stich lassen möchten.

Ich tue mich schwer damit, da bei der Mannschaft die Bereitschaft zum Verzicht eben nicht sehr ausgeprägt zu sein scheint. Ein 20%iger Gehaltsverzicht bedeutet bei Top-Verdiener Mario Gomez noch immer geschätzte 150.000 Euro netto im Monat, so dass ich es schon etwas dreist finde, die Treuesten der Treuen, von denen viele von Kurzarbeit oder Jobverlust betroffen sind, um Almosen zu bitten.

Es gibt Hilfsaktionen für Amateurvereine wie #spendedeinetrikotnummer, unsere Ultras https://blog.schwabensturm02.net/ und https://www.cc97.de/ sammeln Spenden, um Bedürftigen und Obdachlosen zu helfen, Kneipen und Gastwirte, z. B. https://www.gofundme.com/f/pfiff (ab 33 Euro mit Supporter-Shirt) und https://www.gofundme.com/f/vfbtreff-schwemme-bad-cannstatt-vfbtreffsupport freuen sich über einen Obolus, und, und, und.

Da spende ich doch lieber für Zwecke, bei denen ich mir sicher sein kann, dass das Geld ankommt, und nicht an eine Fußball-AG, in der im Zuge der Ausgliederungs-Veranstaltungen noch erzählt wurde, dass der Ticketkäufer und Bierkäufer im Stadion immer weniger zählt und man deshalb auf Investoren angewiesen sei. Sollen sie doch dort hausieren gehen!

Es passt für mich übrigens auch nicht zusammen, dass kurz nach der Mail bzgl. des Verzichts auf Ticketrückzahlungen, die Festverpflichtung Endos für 1,7 Millionen Euro verkündet wird. Wenn ich kein Geld habe oder mir die Ungewissheit über die zukünftigen finanziellen Möglichkeiten schlaflose Nächte beschert, halte ich mich in solchen Angelegenheiten eben zunächst einmal zurück, auch wenn ich die Verpflichtung vom Grundsatz her begrüße.

Die Geisterspiele scheinen also ausgemachte Sache zu sein. Verhindern könnten diese meiner Ansicht nach höchstens noch das Virus selbst und die Angst, dass es am Rande der Spiele zu Menschenansammlungen kommen könnte.

Der Chef der Polizeigewerkschaft hat Bedenken geäußert, dass systemrelevante Beamte, die übrigens auch nicht alle auf Corona getestet werden, sich einer unnötigen Gefahr vor den Stadien aussetzen müssten und an anderen Orten dann fehlen würden.

Bezüglich der Ultras ist diese Befürchtung sicherlich unbegründet. Sie verkündeten bereits frühzeitig, etwaige Geisterspiele nicht als Gruppe besuchen zu wollen. Grotesk ist eben der Gedanke, dass sie die Geisterspiele, gegen die sie eintreten, verhindern könnten, würden sie sich entgegen ihrer Überzeugung und gegen die Vernunft dennoch vor den Stadien treffen.

Diese „Gefahr“ sehe ich als sehr gering an, viel eher ist damit zu rechnen, dass sich Gruppen zum gemeinsamen Fernsehschauen treffen, vor allem, wenn irgendwann auch die Kneipen wieder geöffnet haben sollten.

Sollte es zu den Geisterspielen kommen, werden sie mich gewiss nicht vom Hocker reißen. Fußball ist im Stadion, Freunde treffen, Touren, Atmosphäre! Solang Beschränkungen Realität sind, die all dies nicht zulassen, macht mir, und sehr vielen anderen auch, der Fußball keinen Spaß.

Jetzt setze ich mich mit einer Tüte Popcorn darnieder und warte auf weitere Meldungen vom Komödienstadl DFL. Kalou wird wohl nicht der Letzte sein, weitere Hilferufe sollten folgen.

In diesem Sinne, bleibt gesund und passt auf Euch auf!

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22. August 2017

Endlich wieder Bundesliga!

Exakt 462 Tage nach dem Abstieg beim VfL Wolfsburg am 14. Mai 2016 kehrte der VfB auf die große Bundesliga-Bühne zurück.

Nach der kräftezehrenden Busfahrt in der Vorwoche an die polnische Grenze nach Cottbus, stand gleich zum Bundesligaauftakt die nach Hamburg weiteste Reise in der Liga an. Als das Hertha-Spiel terminiert wurde, befand ich mich gerade mit dem VfB im Trainingslager in Grassau und buchte, schnell schnell, eine Bahnfahrt, nichts ahnend, dass ich mit meiner tollen Verbindung bis zum Schluss alleine da stand.

Da ich nach Samstag-Spielen auch mal froh bin, sonntags zu Hause zu sein, mich von der Auswärtsfahrt erholen und in Ruhe die Bilder machen und einen Blog anfangen zu können, entschied ich mich für eine 22-Stunden-Tour mit Hin- und Rückfahrt am selben Tag. Weil ich bereits unzählige Male in Berlin war, hatte ich keine große Lust, dort zu übernachten.

Da sehne ich schon fast das einige Jahre traditionell am Freitagabend stattfindende Spiel Hertha BSC gegen den VfB herbei, wo es sich immer anbot, die Nacht beim in Berlin ansässigen OFC „Cannstatter Kurve Berlin ’08“ in deren Vereinslokal „Rössle“ in Neukölln durchzumachen und Samstag früh mit dem ersten ICE zurückzufahren.

Vom Stuttgarter Hauptbahnhof aus startete ich meine (Tor-)Tour mit Direktverbindung um 6.51 Uhr. Möchte man ohne Umwege zum Olympiastadion gelangen, empfiehlt sich der Ausstieg bereits in Berlin-Spandau, von wo aus man in wenigen Minuten mit der S-Bahn das Ziel erreicht.

Leider gab es jedoch einige Idioten, die mir und vielen anderen Reisenden einen Strich durch diese Rechnung machten. Da in Berlin-Spandau für diesen Samstag ein Neonazi-Aufmarsch im Gedenken an Rudolf Heß angekündigt war, legten Linksextremisten mittels Brandsätzen die wichtigsten Bahntrassen von und nach Berlin lahm, um noch mehr Neo-Nazis an der Anreise zu hindern.

Dass sie damit nicht „nur“ ein paar hundert Unverbesserliche trafen, sondern tausende andere Bahnreisende auch und diese massiv in ihrer geplanten Freizeitgestaltung hinderten, ist logisch. Ich hoffe, diese selbsternannten Weltverbesserer werden geschnappt und bekommen die Rechnung für den entstandenen Schaden präsentiert.

Im Gegensatz zu vielen, die aus Richtung Hamburg anreisten und das Spiel wegen diesen Chaoten verpassten, kam ich dabei noch glimpflich davon. Mein Zug wurde über Magdeburg und Potsdam umgeleitet, so dass der Halt in Spandau entfiel und ich etwa 45 Minuten später als geplant zum Vorglühen im Biergarten direkt am Stadion eingetroffen bin. Das war aber natürlich trotzdem ärgerlich für mich und verkürzte meinen Kurzaufenthalt in Berlin noch mehr.

Auch nach dem Spiel war von Normalität noch keine Spur. Im Stadion erklangen Durchsagen, die von Problemen am Bahnhof Spandau berichteten, die ich leider nicht genau mitbekam, so dass mir Bekannte rieten, doch lieber mal schnell zum Hauptbahnhof zu fahren. Ich wollte zwar am S-Bahn-Halt Olympiastadion noch verifizieren, ob in Spandau tatsächlich noch immer keine Züge halten, doch traf ich keinen einzigen Bahnbediensteten an, der überhaupt von Problemen am Bahnhof Spandau wusste (!).

Wegen überfüllter und nur im Schritttempo verkehrender Bahnen in Richtung Hauptbahnhof erreichte ich meinen Zug gerade noch so, um dann, noch etwas außer Atem, festzustellen, dass dieser doch in Spandau hielt.

Die Rückfahrt hielt für mich Umstiege in Hannover und Frankfurt bereit, geplante Ankunft in Stuttgart um 3.20 Uhr. Der Plan sah vor, in Hannover 58 Minuten Aufenthalt zu haben, worauf ich mich richtig freute. Von einigen anderen Fahrten wusste ich, dass es sich im Bahnhof oder auch nahe des Bahnhofes ordentlich speisen lässt, was mir sehr entgegen kam, hatte ich doch außer der obligatorischen Stadion-Currywurst bislang nur flüssige Nahrung zu mir genommen.

Dieser Plan wurde jäh durchkreuzt, weil der ICE von Berlin nach Hannover auf eine eigentlich Regionalbahnen zugedachte Strecke ausweichen musste und für diese eine geschlagene Stunde länger brauchen sollte. Anstatt gemütlich zu schlemmen und ein kühles Gilde zu genießen, hieß es in Hannover, die Füße in die Hand zu nehmen und im Laufschritt zur Abfahrt des nächsten Zuges zu eilen.

Dort angekommen, platzierte ich mich umgehend im Bordrestaurant, in der Hoffnung auf etwas Essbares. Obwohl die Uhr erst 21.30 Uhr anzeigte und das Bordbistro bzw. -restaurant um 22.00 Uhr offiziell schließt, nahm der Kellner weder im Bordrestaurant noch im -bistro Bestellungen mehr auf. Seine Begründung, er sei alleine, was meinen Unmut aber natürlich nicht schmälerte.

Jedenfalls war es das mit Essen auf der Heimfahrt gewesen, es waren ja auch nur noch gut sechs Stunden, bis ich zu Hause sein würde. Natürlich beschwerte ich mich bei dem Kollegen und erinnerte ihn an das Chaos an diesem Tag, doch, keine Chance, keine Flexibilität, ein typischer (Bahn-) Beamter halt!

Bei nahezu jeder Bahnfahrt, von der Rückfahrt vom Spiel bei Union Berlin hatte ich ja berichtet, werde ich mit unsouveränem und überfordertem Personal konfrontiert, so dass ich mich schon frage, ob die Bahn irgendwelche Kriterien wie „in Stresssituationen kühlen Kopf bewahren“ als Einstellungsvoraussetzung vorgibt und sein Personal dahingehend auch prüft, bevor man es auf die Kundschaft loslässt oder ob dort jeder genommen wird, der nicht bei drei auf dem Baum ist.

Nach etlichen derartiger Erfahrungen lache ich laut schallend über Zeitungsberichte wie von diesem Wochenende, als eine Zugbegleiterin die Notbremse gezogen haben soll, weil sie sich von „angetrunkenen“ FCK-Fans belästigt gefühlt habe. Da sich die Bahn, wie sich bei Beschwerden u. a. nach dem Union-Spiel herausgestellt hat, vorbehaltlos und ohne Prüfung hinter ihr Personal stellt und Vorwürfe der Kundschaft als aus der Luft gegriffen darstellt, schenke ich solchen Berichten keinerlei Glauben.

Apropos FCK: zur zweiten DFB-Pokal-Hauptrunde bescherte uns die Losfee Carolin Kebekus bei der Auslosung auswärts den 1. FC Kaiserslautern. Ein geileres Los kann ich mir kaum vorstellen. Sicher wäre auch ein Heimspiel gegen einen machbaren Gegner ganz nett gewesen, doch, wer weiß, wann wir das nächste Mal wieder auf den Betzenberg kommen.

In der 2. Liga war das Spiel auf dem „Betze“ ein absolutes Highlight, das wir aufgrund der Spielansetzung samstags auch gleich zu einem gefühlten Heimspiel machten. Geschätzt zwischen 15.000 und 20.000 VfBler waren damals vor Ort und trugen zu einem wunderbaren Rahmen beim 2:0-Auswärtssieg bei. Es spricht auch dieses Mal einiges dafür, alle Hebel in Bewegung zu setzen und sich diesen Pokalkracher nicht entgehen zu lassen. Ein absolutes Traditions-Duell zweier befreundeter Fanszenen in einem der stimmungsvollsten Fußballtempel überhaupt, dazu eine auch unter der Woche machbare Entfernung, wenn einem der Schichtplan nicht gerade einen Strich durch die Rechnung macht, daher sollte am 24. oder 25. Oktober die nächste weiß-rote Invasion die A6 entlang rollen.

So gern man auf das Aufeinandertreffen mit den Pfälzern und so gut wie allen Zweitligapartien zurückblickt, so schön und wichtig ist es jetzt, wieder im Konzert der Großen mitspielen zu dürfen. Irgendwie fühlt es sich dann doch so an, dass man nie richtig weg gewesen wäre. Außer den kleineren Stadien im Unterhaus erinnerte so gut wie überhaupt nichts an 2. Liga. Der VfB war „in“, sorgte für einen phänomenalen Zuschauerrekord, war in den Medien omnipräsent und sorgte für eine Euphorie, ja, fast Hysterie, wie sie beim Abstieg in Wolfsburg wohl kein Mensch für möglich gehalten hätte.

Nach Jahren des Dahinsiechens, die von Dauerfrust und schlechter Laune geprägt waren, wollte einem im Zweitligajahr das Dauergrinsen partout nicht aus dem Gesicht weichen. Weshalb man sich während dieser Zeit wie in einem schönen Traum wähnte, lag mit daran, dass die Qualität der Gegner meist zu wünschen übrig ließ und man auch schlechtere Spiele für sich entschied und Rückstände scheinbar mühelos zu drehen vermochte.

Spätestens nach dem Hertha-Spiel hieß es dann „aufwachen“ aus diesem Traum! Der Bundesligaalltag hat uns schneller wieder, als uns lieb ist. Dass Berlin ein schwerer Auftakt sein würde und uns dort nichts geschenkt werden würde, befürchtete man im Vorfeld schon. Dass der Hertha aber ein absolut durchschnittlicher Auftritt genügen und das Spiel nach dem Rückstand quasi gelaufen sein würde, das war dann doch ernüchternd.

In einem ereignisarmen Spiel, das man zur Halbzeit als typisches 0:0-Spiel eingeordnet hatte, befand sich der VfB gedanklich noch in der Pause, als die Hertha das Spiel mit einem Einwurf schnell machte, Ailton sich von Leckie ausspielen ließ, und dieser frei vor Zieler zur Hertha-Führung einschob. Hertha hatte zwar bis dahin mehr Spielanteile, da der VfB hinten aber stets Überzahl herstellen konnte und Hertha nicht viel einfiel, den Riegel zu knacken, kam es zu kaum brenzligen Situationen.

Der VfB beschränkte sich dabei für meinen Geschmack zu sehr auf das Verteidigen des eigenen Tores und suchte nicht konsequent genug den Weg nach vorne. Das von unserem Claim abgewandelte „mutlos und scheu“ kam mir dabei mal wieder in den Sinn. Die Offensive fand über weite Strecken der ersten Halbzeit nicht statt.

In einem Spiel bislang ohne Torchancen, war es dann bezeichnend, dies der große Unterschied zur 2. Liga, dass gleich der erste Fehler der Stuttgarter Hintermannschaft bestraft wurde.

Dieser Treffer gab den heimstarken Berlinern mit ihrer eingespielten Mannschaft die nötige Sicherheit. Ausgerechnet Leckie möchte man meinen, dem im Vorjahr für Ingolstadt bei 30 Einsätzen kein einziger Treffer gelang und der im Jahr zuvor gerade einmal drei Treffer (einen davon beim 3:3 in Ingolstadt gegen den VfB) zustande brachte. Dass einem der harmlosesten aktuellen Bundesligastürmer überhaupt nach einem Eckball aus dem Gewühl heraus gar noch ein zweiter Treffer gelang, spottete jeder Beschreibung.

Nach dem 2:0 nach gut einer Stunde war das Spiel dann gelaufen. Das sah auch Hannes Wolf so, kaum anders ist es zu erklären, dass er defensiv wechselte und Dennis Aogo und Holger Badstuber zu ihren ersten Einsätzen für den VfB verhalf. Diese beiden durften Spielpraxis sammeln und verhalfen der VfB-Defensive auf Anhieb zu mehr Stabilität, so dass beide wohl Kandidaten für die Startelf gegen Mainz 05 sind. Der VfB hatte zwar in der Schlussphase durch Asano und Donis, die beide das Außennetz trafen, noch zwei Torchancen, doch insgesamt fehlte es an Durchschlagskraft, um die Hausherren ernsthaft zu gefährden.

Der insgesamt eher biedere Auftritt im Berliner Olympiastadion offenbarte, dass noch viel Arbeit vor Hannes Wolf und Michael Reschke liegt. Das Duo auf der Doppelsechs, das sich während der Trainingslager für die Liga heraus kristallisiert hatte, wurde komplett gesprengt. Burnić stand wegen einer laut Hannes Wolf schlechten Trainingswoche nicht im Kader, Ofori, der in Cottbus als alleiniger Sechser auf verlorenem Posten stand, saß zunächst auf der Bank, so dass Mangala und Gentner die defensive Schaltzentrale bekleideten.

Da man auch diese beiden nicht als der Weisheit letzten Schluss ansieht und Sarpai und Grgic verliehen werden sollen, wird weiter nach einem aggressiven Sechser Ausschau gehalten. Der 20-jährige Argentinier Santiago Ascacíbar soll bereits in Stuttgart sein und in Kürze als Neuzugang Nummer acht vorgestellt werden.

Dass nicht nur zentral defensiv sondern auch zentral offensiv Verstärkung willkommen wäre, zeigte der lange Zeit harm- und ideenlose Auftritt in Berlin. Auf den Außen sind wir zwar gut besetzt, doch verpufft deren Wirkung, wenn die Unterstützung der Kollegen fehlt und keine zündenden Ideen aus dem zentralen Mittelfeld kommen.

Da ist es doch gut, dass wenigstens Alexandru Maxim am Samstag wieder im Neckarstadion aufläuft, nur, eben auf der anderen Seite. Diesen nicht annähernd ersetzt zu haben wird Jan Schindelmeiser hauptsächlich vorgeworfen, deshalb hat man Michael Reschke geholt, um unter anderem diesen Fehler auszumerzen.

Bis sich eine Stammmannschaft gefunden hat, wird noch viel Wasser den Neckar hinunter laufen. Durch den Sportdirektoren-Wechsel scheint sich auch ein Paradigmenwechsel vollzogen zu haben. Das Anforderungsprofil bei Neuzugängen, das bislang hieß „jung und entwicklungsfähig“, änderte sich schlagartig. Die Transfers von Badstuber und Aogo und der möglicherweise in Kürze von Erik Durm, stehen eher für Erfahrung und Spieler, die ihre besten Zeiten möglicherweise schon hinter sich haben. Dazu sind alle diese Transfers extrem risikobehaftet, haben doch alle in jüngster Vergangenheit eine lange Verletzungsgeschichte vorzuweisen. In dieses Beuteschema würde wiederum Daniel Didavi ganz gut passen, sollte er denn tatsächlich zu haben und an einer Rückkehr interessiert sein. Für den Kreativsektor wäre frisches Blut hilfreich, denn, ob Donis, Asano oder wie jüngst Akolo den Zehner mimen, das wirkt doch alles zu sehr improvisiert.

Etwas traurig aber nicht mehr zu ändern ist es, diesen Wechsel der Philosophie so spät vollzogen zu haben. Jetzt, wo die Saison begonnen hat, muss sich die Mannschaft erst noch finden und einspielen, womit die Vorbereitung, außer des Schaffens der konditionellen Grundlagen, so ziemlich für die Katz war. Da kann man nur hoffen, dass, bis sich die Mannschaft endgültig gefunden hat, auch der eine oder andere Punktgewinn herausspringt.

Dass wir in Berlin nicht die schlechtere Mannschaft waren, dafür können wir uns leider nichts kaufen. Die Punkte sind unwiederbringlich weg, was so richtig wehtun dürfte, sollte gegen Mainz 05 kein Heimsieg gelingen. Dann stünde man bereits auf Schalke mit dem Rücken zur Wand und der Fehlstart bekäme Konturen.

Deshalb ist jede vergebene Chance zu punkten sehr ärgerlich, auch die am Samstag, obwohl wir uns in Berlin traditionell schwer tun, die Hertha heimstark und Europaleague-Teilnehmer ist. Das alles darf nicht als Alibi herhalten, Punkte leichtfertig herzuschenken. Ich hoffe, das Team zieht daraus seine Lehren und investiert, vor allem in seine Offensivbemühungen, zukünftig auch auswärts mehr.

Zunächst steht aber das erste Heimspiel an, auf das ich mich sehr freue. Vor dem Spiel findet wie immer zum ersten Heimspiel die „Karawane Cannstatt“ statt. Das diesjährige Motto heißt „Den Fans gehört das Spiel“, der Dresscode dazu lautet „Alle in Weiß“.

Stoßt alle dazu, singt Euch ein, bringt Euch in Stimmung, hüpft und schreit, was das Zeug hält, aber, lasst bitte Eure Kameras stecken. Vor allem die Armada derer, die vor der Karawane herumturnen und nicht mitlaufen, stört den Ablauf seit Jahren massiv. Respektiert die Anweisungen der Ordner und leistet ihnen Folge, sie sind es letztlich, die für einen reibungslosen Ablauf verantwortlich zeichnen. Überlasst das Knipsen und Filmen den in der Szene bekannten Stadionfotografen, auf deren Webseiten die schönsten Fotos zeitnah präsentiert werden.

Reiht Euch also ein und konzentriert Euch auf den bedingungslosen Support. Das Ziel muss es sein, eine Dezibel-Zahl auf die Mercedesstraße und ins Stadion zu bringen, bei der die Mainzer vor Ehrfurcht erstarren und die Katakomben am liebsten überhaupt nicht verlassen wollen. Wir benötigen die Punkte, wir holen die Punkte, wir sind der 12. Mann!

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18. August 2017

Mit einem blauen Auge davon gekommen

Auch eine gute Woche nach dem Rausschmiss von Jan Schindelmeiser wirkt das Beben nach. Wurde nach dem Votum für die Ausgliederung von allen Seiten propagiert, das demokratisch zustande gekommene Ergebnis akzeptieren zu wollen und sahen es die meisten ein, dass die verhärteten Fronten wieder zueinander finden müssen, spaltet die Demission Schindelmeisers die Fangemeinde erneut aufs Schärfste.

Die einen akzeptieren den Standpunkt des Vereins und kritisieren an Jan Schindelmeisers Transferpolitik vor allem, dass er es bis Anfang August immer noch nicht geschafft hatte, die Problemzone Innenverteidigung erfolgsversprechend zu verstärken und auch nicht der Eindruck erweckt wurde, die dringend benötigten Verstärkungen seien im Anflug. So, die Befürchtungen, werde es schnurstracks zurück in die 2. Liga gehen.

Die andere Seite, zu der ich mich auch zähle, übte sich hingegen in Geduld und vertraute Schindelmeiser, dass er bis zum Transferschluss schon noch eine schlagfertige Mannschaft auf die Beine stellen würde. Ich sehne mich nach Kontinuität in meinem Herzensverein und hatte die große Hoffnung, dass diese mit dem Gespann Schindelmeiser/ Wolf auf längere Zeit gegeben sein könnte. Daher liegt mir der Rausschmiss noch immer schwer im Magen.

Von außen betrachtet hat Schindelmeiser für mich keine schlechte Arbeit abgeliefert. Er hat den Umbau im Verein vorangetrieben, im Unterbau nachjustiert, er hat aus den finanziellen Möglichkeiten nach dem Abstieg das Optimum, nämlich den Aufstieg, herausgeholt und eine spannende Transferpolitik an den Tag gelegt. Mit Spielern, ob bei den Amateuren oder bei den Profis, welchen man keine kurzfristige Perspektive bieten konnte, wurde Klartext gesprochen und sich voneinander getrennt, anstatt sie jahrelang durchzuschleppen, wie es in den vergangenen Jahren beim VfB Usus war.

Natürlich lässt sich über die bisherigen Neuzugänge dieses Sommers streiten. Viele junge, bundesligaunerfahrene Akteure unterschiedlichster Nationalitäten, ein Sprachengewirr auf dem Trainingsplatz, überhaupt nicht blond und blauäugig. Doch, kann man dies Schindelmeiser zum Vorwurf machen und ist es nicht vielleicht sogar besonders kreativ, Spieler zu holen, hinter denen (noch) nicht die Top-Vereine her sind? In Anbetracht der explorierenden Ablösesummen in diesem Transfersommer und der noch immer begrenzten finanziellen Möglichkeiten der VfB Stuttgart AG, fand ich den eingeschlagenen Weg vernünftig. Letzten Endes ist es mir in dieser Phase der Konsolidierung, nach fast zehn Jahren Misswirtschaft, egal, welche Spieler uns wieder nach oben bringen. Haben wir den Anschluss mal wieder geschafft, dürfen es gerne auch deutsche Nationalspieler in unseren Reihen sein, gerne aus dem Nachwuchsleistungszentrum, doch bis dorthin ist es noch ein weiter Weg, der vor allem Geduld erfordert.
Geduld, die man in der AG offensichtlich nicht hat(te). Ob Schindelmeiser ein gutes Händchen mit seinen Einkäufen hatte und wie seine diesjährige Transferbilanz ausfällt, hätte man frühestens am 01. September, wenn das Transferfenster geschlossen ist, beurteilen können. In den beiden Trainingslagern in Grassau und in Neustift im Stubaital war ich von den Neuen sehr angetan. Was die Jungs an Schnelligkeit und auch an taktischer Intelligenz einbringen, ist schon klasse. Wie schnell sie sich an das Haifischbecken Bundesliga gewöhnen und ob sie die Liga aufmischen können, wie sie mit Rückschlägen umgehen, muss sich erst noch zeigen. Dass es ein Risiko ist, mit einer solch jungen Mannschaft ins Rennen zu gehen, steht außer Frage. Es ist auf der anderen Seite aber auch eine Chance, an der die Jungs wachsen und ihren Marktwert steigern können und könnte ein Faustpfand gegen Spielende werden, wenn die Jungs noch immer alles in Grund und Boden rennen.

Daher sehe ich die bisherige Transferbilanz lang nicht so kritisch wie die AG. Den Sportdirektor, der eine Hundertprozentquote bei seinen Transfers vorweisen kann, muss man mir erst noch zeigen. Dass bei der Verpflichtung von vielen jungen Spielern der eine oder andere durch den Rost fällt, ist, wie ich finde, völlig normal. Bislang fallen mir hier nur Onguéné und Julian Green ein, die Sommerneuzugänge sind noch nicht zu bewerten.

Schindelmeiser wurde ferner vorgeworfen, zu viele Spieler auszuleihen und dass man mit dieser Philosophie Jahr für Jahr ein neues Team aufbauen müsse. Auch hierfür hatte ich Verständnis, weil man Spieler von der Qualität eines Mané oder Brekalo sonst überhaupt nicht bekommen hätte. Solang der Trainer Freude hat, mit den Jungs zu arbeiten, sie fit für eine große Karriere zu machen und sich damit arrangiert, dass die Arbeit im nächsten Jahr von vorn beginnt, sehe ich nichts Verwerfliches daran, in einer Zeit, in der man finanziell Lichtjahre von den Großen entfernt ist.

Da die Transferbemühungen Anfang August noch bei keinem Verein gänzlich abgeschlossen sind, sah ich die bisherigen Zugänge auch nicht als das Ende der Fahnenstange, sondern war mir sicher, dass man am dringend benötigten gestandenen Innenverteidiger und einem erfahrenen Sechser dran sein würde. Daher kam für mich die Schindelmeiser-Entlassung aus dem Nichts und zur Unzeit.

Nach meinem aus der Emotion geschriebenen letzten Blog, hatte ich danach Gelegenheit, mir auch die „andere Seite“, nämlich die Sicht aus der Perspektive der AG anzuhören.

Dort ist der Tenor einhellig, dass die Entlassung Schindelmeisers alternativlos gewesen sei und dem Vernehmen nach sogar ohne Abfindungszahlung vonstattenging, weil es durchaus auch um Vertragsverstöße gegangen sein soll.

Demnach hätte sich der Streit am Transfer von Maxim entladen, für den Schindelmeiser die Vorgabe gehabt haben soll, ihn allenfalls gegen eine stattliche Ablöse ins Ausland und auf keinen Fall für vergleichsweise kleines Geld an einen Ligakonkurrenten abgeben zu dürfen.

Des Weiteren war man mit den Einkäufen nicht einverstanden, weil, das muss man wohl unter dem Vorwurf der vogelwilden Transferpolitik verstehen, lediglich Spieler geholt wurden, die gerade zufällig auf dem Markt waren und nicht für Positionen, wo der Schuh am meisten drückt. So habe man zwar ein Überangebot an Flügelflitzern, die Defensive aber wurde noch immer nicht verstärkt.

Zudem habe man Schindelmeiser vorgeworfen, sich nicht um Abgänge gekümmert zu haben, wodurch Sorgen aufkamen, den Kader zu sehr aufzublähen. Schindelmeiser sei ein schwieriger Mensch, kein Teamplayer, und habe bei den letzten Transfers die Kontrollinstanzen der AG elegant umschifft.

Er sei nur auf seinen Jugendwahn fixiert gewesen, so dass er andere Optionen überhaupt nicht geprüft und einigen Spielerberatern, ohne sie anzuhören, den Weg zur Tür gewiesen haben soll. Gerüchten zufolge sollen ihm u. a. Träsch, Didavi und Bičakčić angeboten worden sein, die Schindelmeiser von vornherein nicht haben wollte, weil sie, vor allem die Erstgenannten, den VfB schon einmal im Stich gelassen hatten.

Die Kommunikation mit den Vorstandskollegen habe nicht gestimmt, weil er den sportlichen Bereich ausschließlich für sich proklamiert und es daher auch nicht für nötig gehalten habe, überhaupt zu berichten, was er vor hatte und an wem er gerade dran wäre. Gegen den Vorwurf, Alleingänge betrieben zu haben wehrt sich Schindelmeiser vehement, kein Transfer sei ohne Zustimmung der Gremien zustande gekommen.

Da steht also Aussage gegen Aussage, die Wahrheit werden wir wohl nie erfahren, so dass weiteren Spekulationen Tür und Tor geöffnet sind. Offensichtlich war kein Vertrauen mehr vorhanden, die Chemie stimmte nicht mehr und wegen Schindelmeisers getätigter Transfers herrschte große Unzufriedenheit (was Dietrich in Öffentlichkeit jedoch dementierte).

Für mich bleiben dennoch einige Fragen offen. Ist Machtmensch Schindelmeiser am Machtmensch Dietrich gescheitert, weil dieser am längeren Hebel sitzt? Begegnete die AG-Seite gar jenen Geistern, die man mit der Ausgliederung der Profiabteilung in eine AG rief?

Im Organigramm sind auf der Vorstandsebene, auf der der Sportdirektor angesiedelt ist, nur der Marketing- und der Finanzvorstand zu finden. Genauso wenig wie der Sportdirektor dem Finanzvorstand in die Finanzierung von Bauprojekten reinredet, sollte sich der Finanzvorstand anmaßen, ob eine geplante Verpflichtung sinnvoll ist oder nicht. Trainer Hannes Wolf und Jan Schindelmeiser sollen gut zusammengearbeitet haben, sollten die beiden in Sachen Kaderzusammenstellung auf einer Linie gelegen haben, wäre doch im Grunde alles gut gewesen! Lag das Zerwürfnis am Ende „nur“ daran, dass Schindelmeiser Heim und Röttgermann links liegen ließ und sie überhaupt nicht an seinen Plänen teilhaben ließ, fehlt mir das Verständnis, dass erwachsene Männer solche Probleme nicht wie Männer aus der Welt schaffen konnten oder wollten.

Dann ging es tatsächlich um die verletzte Eitelkeit Einzelner und das Ganze zu Lasten des VfB Stuttgart.

Eine weitere Frage, die sich mir stellt, ist die, wer Gunter Barner (Stuttgarter Nachrichten) mit jenen Informationen fütterte, um Jan Schindelmeiser bereits Mitte Juli anzuzählen. Wurde das von AG-Seite mit dem Ziel lanciert, den Rauswurf im Nachhinein als plausibel und sich abzeichnend verkaufen zu können? Weshalb stehen seit geraumer Zeit anstehende Wechsel, wie beispielsweise der von Aogo, tagelang vorher in der Presse? Das war man, seit Schindelmeiser das Zepter schwang, nicht mehr gewohnt. Für mich bleibt das Gschmäckle eines abgekarteten Spiels.

Für die Werbung zur Ausgliederung hat man Schindelmeiser noch gebraucht, ohne Hannes Wolf und ihn wäre diese sicher nicht so reibungslos durchgegangen. Daher hat man ihn wohl nicht schon vorher entsorgt, obwohl es im Gebälk dem Vernehmen nach schon ordentlich knisterte.

Hat tatsächlich der Maxim-Transfer zur Eskalation geführt, wäre eine zeitnahe Entlassung danach oder sogar, um den Transfer zu verhindern davor, logisch gewesen. Doch seinerzeit, am 27.06., lief ja noch die Einspruchsfrist gegen die Ausgliederung!

Nun begründet der VfB die Entlassung damit, dass die dringendsten Baustellen im Kader auch Anfang August noch nicht abgearbeitet gewesen seien. Jürgen Klopp hat im ZDF-Interview im Vorfeld des Championsleague-Qualifikations-Spiels gegen Hoffenheim einen interessanten Ausspruch getätigt, denn, auch Liverpool sucht bislang (erfolglos) nach weiteren Verstärkungen. Er sagte, in Anbetracht der Wahnsinns-Summen die in diesem Sommer vom einen zum nächsten Verein transferiert werden: „Es gibt mehr Vereine, die Spieler suchen, als welche, die Geld brauchen“. Soviel zum Thema. Gerade gute und erfahrene Innenverteidiger sind sehr gefragt und schwierig zu bekommen, zumindest noch zum jetzigen Zeitpunkt.

Für welche Philosophie Michael Reschke steht, ist mir auch nach seiner Vorstellungs-Pressekonferenz Anfang dieser Woche noch nicht klar. Er lobte die Bayern über den grünen Klee, über den VfB sprach er weniger, außer, dass er tief beeindruckt sei, was für tolle Menschen beim VfB unterwegs seien. Die Schleimspur zog sich bis hinauf nach Vaihingen…

Sollten Badstuber und Aogo die Kategorie Transfers sein, mit denen sich Reschke zu schmücken vermag, dann gute Nacht. In Fankreisen macht schon der Begriff von der „Reschkerampe“ die Runde. Um auf diese Namen zu kommen, bedarf es nicht der Phantasie eines ausgewiesenen Fachmanns, auf diese Spieler wäre die Putzfrau wohl auch noch gekommen.

Ob sie uns weiterhelfen können, steht auf einem anderen Blatt. Bleibt Badstuber fit, ist er mit Sicherheit eine Verstärkung für die löchrige Abwehr. Aogo ist als Platzhalter für Insúa gedacht und muss beweisen, ob er es noch einmal wissen will. Auf seiner Pressekonferenz in dieser Woche machte er auf mich einen aufgeräumten, intelligenten und auch motivierten Eindruck.

Dass nicht nur junge Spieler ein Risiko darstellen, sondern auch Ex-Nationalspieler hat der VfB mit Kevin Großkreutz jüngst ja selbst erfahren. Er blieb am Ende sportlich alles schuldig, was man sich vom Weltmeister erhofft hatte und war mit seinen 28 Jahren und seiner Verletzungshistorie längst ein Auslaufmodell.

Parallelen zu Badstuber und Aogo wären rein zufällig. Erik Durm soll der Nächste in der Reihe werden, auch er ist nur zu haben, weil er zuletzt viel verletzt war und er es in Dortmund schwer haben dürfte, den Anschluss wieder zu schaffen. Dass uns bei so viel (Verletzungs-)Risiko nicht am Ende doch noch die Jungen die Kohlen aus dem Feuer holen müssen…

Das Sportliche rückte durch den Wechsel auf dem Sportdirektoren-Posten erst einmal weit in den Hintergrund. Dabei stand letztes Wochenende bereits die erste Runde im DFB-Vereinspokal an.
Uns Allesfahrern wird gleich zu Beginn der neuen Runde viel abverlangt. Binnen sechs Tagen erst Cottbus, dann Berlin. Das Spiel mit der weitesten Entfernung der Pokalrunde wurde auf Sonntag, 18.30 Uhr gelegt, fanfreundlich geht anders.

Daher blieb, wollte man nicht kurz vor der polnischen Grenze auch noch übernachten, nur die Möglichkeit mit dem PKW oder dem Bus anzureisen. Ich entschied mich für die Busfahrt mit dem RWS Berkheim, verließ das Haus um 8 Uhr morgens und war montagmorgens gegen 6 Uhr zurück. Eigentlich bin ich ja zu alt für diesen Scheiß, aber, was tut man nicht alles für seinen Herzensverein und um jedes Mal dabei sein zu können.

Die beiden jüngsten Neuzugänge standen in Cottbus nicht zur Verfügung, Badstuber gesperrt, Aogo angeschlagen. Da Ailton mit Trainingsrückstand ebenfalls nicht mit in die Lausitz gereist war und sich zu allem Überfluss Timo Baumgartl nach dem Aufwärmen aufgrund von Schwindelgefühlen abmeldete, musste Hannes Wolf kurzfristig improvisieren.

Kapitän Gentner, eigentlich für die Bank vorgesehen, rückte in die Anfangsformation und Pavard, zunächst als Linksverteidiger gedacht, in die Innenverteidigung. Für ihn spielte Dženis Burnić auf der ungewohnten Position hinten links und zahlte bei seinem ersten Pflichtspiel für den VfB reichlich Lehrgeld.

Das Spiel begann für den VfB denkbar ungünstig. Bereits in der 6. Spielminute legte eben jener Burnić unfreiwillig für den Cottbusser Viteritti vor, der zur vielumjubelten Führung der Hausherren einschoss. Gut zwanzig Minuten später foulte der als alleiniger Sechser überforderte Ofori den Ex-VfBler Mamba, woraus der sehenswerte Freistoß zum 2:0 resultierte.

Beim ersten Gegentor wirkte die Abwehr wie ein Hühnerhaufen, bei zweiten ließ man sich per Sonntagsschuss düpieren, für einige Grund genug „Zieler raus“ zu schreien. Leute, habt ihr sie noch alle? Die Entscheidung des Trainers pro Zieler gilt es zu akzeptieren, das ständige Zieler-Gebashe und der Hype um Langerak helfen keinem weiter, am wenigsten dem VfB. Ein Torwart braucht das Vertrauen des Trainers und auch des Umfelds. Wird er vehement niedergemacht, ob im Stadion oder auch auf seiner Facebook-Seite, ist das kontraproduktiv und wird ihm nicht helfen, zu alter Stärke zurückzufinden.
Ich verstehe es ohnehin nicht, welchen Narren viele VfB-Fans an Langerak gefressen haben. Er war jahrelang die Nummer zwei in Dortmund und kam an Weidenfeller, der auch nicht gerade der Über-Torwart war, nie vorbei.

Dann wechselte er zum VfB, verletzte sich direkt und stand in der Abstiegssaison fast überhaupt nicht zur Verfügung. Ihm jetzt zugute zu halten, dass er dem VfB in der 2. Liga die Treue gehalten hat, ist für mich zu hochgegriffen. Welche Alternativen hatte er denn? Der VfB verkaufte jeden, für den er einigermaßen Geld bekam, für Langerak gab‘s demnach wohl keine Interessenten, wobei der VfB das Heft des Handelns sowieso selbst in der Hand hatte, weil dem Vernehmen nach alle Verträge für die 2. Liga Gültigkeit besaßen.

In der 2. Liga hatte Langerak, wie alle anderen auch, seinen Anteil am Aufstieg, mehr aber auch nicht. Alles andere als der Aufstieg wäre peinlich gewesen, so dass für mich keiner der Aufstiegsmannschaft in den Heldenstatus erhoben wird, schon gar nicht Langerak, der zwar auf der Linie stark ist, in der Spieleröffnung und Strafraumbeherrschung aber ähnliche Defizite wie Ulreich hat. Unvergessen seine Orientierungslosigkeit gegen Hannover 96, die uns die sicher geglaubte Herbstmeisterschaft gekostet hat.

Ins Spiel biss sich der VfB zurück und kam durch den auffälligen Brekalo und ein Eigentor der Cottbusser zum schmeichelhaften Ausgleich. Auch in der Folgezeit war der VfB weder tonangebend noch dem Viertligisten spielerisch überlegen. Selbst die Kondition schien bei den Brandenburgern besser zu sein als jene vom VfB, so dass sich eher der VfB ins Elfmeterschießen rettete als das die Cottbusser taten. In dieser Lotterie schließlich hatte der VfB das bessere Ende für sich und zog überaus glücklich in die nächste Pokalrunde ein.

Abgesehen von der Leistung vom VfB genoss ich diesen langen Trip, wenn man einmal von der zähen und langwierigen Heimfahrt absieht. Endlich wieder Stadion, ein volles Haus, freundliche Gastgeber und unzählige Freunde und Bekannte getroffen. Da wir direkt vor dem Gästeeingang aus dem Bus aus- und wieder einstiegen kann ich nicht beurteilen, ob es zu irgendwelchen unschöneren Szenen rund ums Stadion oder in der Stadt gekommen ist, gehört habe ich davon nichts. Nach dem Pokalsieg 1997 gegen eben jenen FC Energie entstanden ja einige Fanfreundschaften, so dass auch kein größerer Trouble zu erwarten war. Die Ordner am und im Block waren freundlich, Vollbier gab es auch, kein Grund zu klagen also.

Erstrundenspiele im Pokal, vor allem wenn es gegen Drittligisten oder einen gefühlten Drittligisten wie Energie Cottbus geht, sind immer schwer. Die Gegner stehen bereits voll im Saft während man selbst noch nicht weiß, wo man steht und ins Ungewisse startet. Hat man dann noch kurz vor dem Spiel solche Ausfälle zu beklagen und gerät aufgrund dieser Umstellungen früh in Rückstand, wird es ungleich schwerer. Dann ist das Publikum, das nach dem bezahlten Fußball lechzt, voll da und pusht sein Team nach vorne, so dass sich deren Jungs die Lunge aus dem Leib laufen.

Angesichts dieser Umstände bewerte ich das Auftreten von Cottbus nicht über. Auch Hertha BSC, der Gegner vom Samstag, hat am Montag in Rostock keine Bäume ausgerissen. In Berlin werden hoffentlich Badstuber, Baumgartl und Aogo zur Verfügung stehen, so dass das VfB-Spiel an Stabilität gewinnen sollte. Nach vorne haben wir ohnehin unsere Waffen, vor allem Brekalo macht schon den ganzen Sommer über einen hervorragenden Eindruck, auch A. Donis konnte in Cottbus nach seiner Einwechslung Akzente setzen.

Wichtig ist, dass im Verein Ruhe und Normalität einkehrt und alle an einem Strang ziehen. Es ist in meinen Augen weder förderlich, wenn von Vereinsseite Schindelmeisers Einkäufe diskreditiert werden und den Jungs somit ein Stück ihres Selbstwertgefühls genommen wird, noch ist es hilfreich, wenn Fans einen Reschke ablehnen, bevor er richtig angekommen ist, Zieler ablehnen, weil Langerak so süß ist, Aogo ablehnen, weil er in den letzten Jahren nichts gerissen hat und Badstuber ablehnen, weil er sowieso nur verletzt ist.

Ich gehe da pragmatisch ran, da ich an den Personalentscheidungen des Vereins sowieso nichts ändern kann und jedem Neuen eine faire Chance gebe, mich zu überzeugen, auch wenn ich im Vorfeld skeptisch sein sollte.

Noch immer ist mein großer Wunsch, dass beim VfB endlich Ruhe und Kontinuität einkehren und Hannes Wolf noch lange unser Trainer sein wird. Voraussetzung dafür wäre, dass er zu Michael Reschke ein ähnlich vertrauensvolles Verhältnis aufbaut, wie er es zu Jan Schindelmeiser hatte und die Verantwortlichen in der AG wegen möglicher schlechter Resultate nicht zu schnell die Nerven verlieren.

Der Start hat es schließlich in sich. Ausschließlich undankbare Aufgaben in den ersten fünf Spielen, in denen sowohl in die eine als auch in die andere Richtung alles passieren kann. So trifft den VfB eine mittlerweile schon unfassbare Verletzungsmisere zur denkbar ungünstigsten Zeit.

Ich bin sehr gespannt, wer in Berlin morgen alles auflaufen kann und wie sich das Team schlagen wird. Danach kommt Mainz mit einem sicherlich bis in die Haarspitzen motivierten Maxim, ehe es in die Turnhalle nach Gelsenkirchen geht. Diese Spiele sollten als erste Standortbestimmung dienen und aufzeigen, wie konkurrenzfähig der VfB nach dem Wiederaufstieg tatsächlich ist. Alles andere war Vorgeplänkel, lasset die Spiele beginnen!

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19. August 2011

Der Ball rollt wieder!

Zunächst einmal muss ich mich an dieser Stelle entschuldigen, da ich in den letzten Wochen und Monaten nicht dazu gekommen bin, den einen oder anderen Bericht zu verfassen.

Die Sommerpause in diesem Jahr war recht kurzweilig. Nach der nervenzehrenden letzten Saison und der endgültigen Rettung am vorletzten Spieltag, war erst einmal „Herunterkommen“ angesagt. Während die Spieler in den letztendlich wohlverdienten Urlaub aufbrachen, vertrieb sich der gemeine Fußballfan die Zeit mit Pokalendspiel, Relegationsspielen, Champions-League-Finale sowie den zum Saisonabschluss angesetzten Länderspielen. Den Jux-Kick in Sinsheim gegen Uruguay musste ich nicht live gesehen haben, das darauf folgende EM-Quali-Spiel in Wien gegen Österreich dagegen schon. Als Mitglied im Fanclub Nationalmannschaft war es ein leichtes an Karten zu kommen und so drückten wir der deutschen Mannschaft, wie schon vor drei Jahren bei der Euro 2008 im Wiener Ernst-Happel-Stadion die Daumen.

Gute zwei Wochen später bereits nahm der VfB-Tross, noch ohne seine Nationalspieler, den Trainingsbetrieb wieder auf. Die ersten Eindrücke konnten wir dann bereits am 24.6. beim Test in Brackenheim gewinnen, wo aufgrund der Abwesenheit zahlreicher Kaderspieler auch einige „Jungspunde“ zum Einsatz kamen. Am 9. Und 13.7. schauten wir uns noch die Tests in Kirchheim und bei den Kickers an, ehe es am 14.7. bereits zum Trainingslager nach Längenfeld ging. Dort weilten wir für die gesamte Dauer des VfB-Trainingslagers und waren auch natürlich auch bei den während des Aufenthalts angesetzten Testspielen mit von der Partie. Höhepunkt des Trainingslagers war natürlich das Fanfest, zu dem sich erstmals das komplette Team inklusive des Trainerstabs einfand und aus dem Nähkästchen plauderte. An unseren Tisch gesellten sich Sven Ulreich, Georg Niedermeier und der neue Torwarttrainer Andreas Menger.

Als Bruno Labbadia im Dezember als neuer VfB-Trainer vorgestellt wurde, war ich zunächst sehr skeptisch, ob er der richtige wäre. Für mich war er eher ein Sprücheklopfer, eher ein Lebemann, als einer, der den verfahrenen Karren wieder in die richtige Richtung steuern könnte. Doch, wie jedem Trainer, der beim VfB auf die Kommandobrücke tritt, gab ich ihm natürlich eine faire Chance und hoffte, dass er Erfolg haben würde. Schließlich war er nach 12 Punkten aus 16 Spielen und zwei verschlissenen Trainern so etwas wie die letzte Patrone, die Fredi Bobic hatte. Dass Bruno Labbadia mit seinem Trainerteam den VfB mit einer starken Rückrunde vor dem Abstieg rettete rechne ich ihm unheimlich hoch an. Labbadia predigte von Beginn an, das Team und die Fans müssten wieder zu einer Einheit werden und es ginge nur ZUSAMMEN. Dass diese Worte keine leeren Worthülsen sind, erfuhren wir im Trainingslager, um wieder zum vorigen Thema zurück zu kehren. Dass zum Fanfest der komplette Tross anrückte, war Bruno Labbadia zuzuschreiben, ebenso der unheimlich offene Umgang mit den Fans während der Zeit in Längenfeld sowie der unkomplizierte Umgang der Spieler mit den Anwesenden. Man merkte, dass er eine positive Grundstimmung verbreitet und mit gutem Beispiel voran geht. Es sind Kleinigkeiten, wie, dass die Trainer vorne weg marschieren, wenn es die etwa 300-400 Meter vom Mannschaftshotel zum Sportplatz und wieder zurück geht, und nicht mit dem Bus fahren, wie noch in Donaueschingen bspw. unter Gross. Ich habe noch keinen Trainer erlebt, der so akribisch auf dem Trainingsplatz arbeitet und auch so viele Übungen selbst mitmacht, um nach der Einheit noch ein Kleinfeld aufzubauen, auf dem er mit Eddy Sözer Fußballtennis spielt, während sich der Rest im Hotel bereits auf das Abendessen freut. Von seiner offenen Art war ich sehr angetan und so nahm er auch auf dem Fanfest kein Blatt vor den Mund. Diesem Trainer drücke ich wirklich die Daumen, dass er zunächst einmal den Herbst beim VfB übersteht und möglichst noch lange das Sagen beim VfB hat. Ich denke, zusammen mit Fredi Bobic, könnte er, mit ein bisschen Glück, eine kleine Ära prägen.

Am Ende des Trainingslagers nahmen wir auf der Rückfahrt dieselbe Route wie das Team, nämlich nach Aalen, um dem Test gegen den englischen Zweitligisten Nottingham Forrest beizuwohnen. Knapp eine Woche später fand dann bereits der Pflichtspielauftakt in die Saison 2011/12 mit dem Pokalspiel in Wiesbaden statt. Der VfB gewann mit 2:1 und stand in der 2. Runde. Ich, der auch vor Jahresfrist in Babelsberg Augenzeuge war, fand den Auftritt relativ souverän und sah uns während der 90 Minuten nie ernsthaft in Gefahr. Im Vergleich zu anderen oberklassigen Teams, allen voran Leverkusen, Wolfsburg und Bremen, gaben wir uns zum Auftakt keine Blöße und dürfen weiterhin vom Pokalsieg träumen. Der nächste Gegner FSV Frankfurt dürfte auch keine größere Hürde auf dem Weg dorthin sein.

Und schon ging sie also richtig los, die neue Saison. Am 6.8.2011, jenem für den VfB so historischen Tag, rollte zunächst die inzwischen schon traditionelle Karawane Cannstatt gen Stadion. Es war erneut ein sehr farbenfroher, stimmungsvoller Auftakt in die Heimspielsaison. Die Fans zogen ein in die neue Cannstatter Kurve, die von nun an als weiße Wand von sich reden machen soll. Nach zwei Jahren Baustelle und dadurch recht trister Stimmung machte schon der erste Einsatz Lust auf mehr. Das Stadion ist ein richtiges Schmuckkästchen geworden und hat das Zeug dazu, eine Festung zu werden. Die Stimmung war schon vor dem Spiel prächtig, was aber während der 90 Minuten im Spiel gegen Schalke 04 abging, übertraf meine Erwartungen. Der Schalker Anhang war während des gesamten Spiels kaum zu hören, erst recht nicht, nachdem wir ihnen zum Auftakt drei Buden eingeschenkt hatten und nach dem ersten Spieltag von der Tabellenspitze grüßten. Das Team war im Vergleich zur Vorsaison nur um Nuancen verändert. Ein Christian Träsch, in den letzten beiden Jahren noch der Inbegriff des Arbeitstiers, wurde überhaupt nicht vermisst, was mich schon zu der rhetorischen Frage hinreißt, „Who the fuck is Träsch?“. Sowohl Boulahrouz, der die Position des Rechtsverteidigers inzwischen auch im Kopf angenommen hat, als auch William Kvist als Partner von Kuzmanovic auf der Doppel-Sechs, boten eine starke Leistung. Maza, der kurzfristig für die Innenverteidigung verpflichtete Mexikaner, harmonierte mit dem nach Verletzung zurückgekehrten Serdar Tasci so prächtig, dass es nicht auffiel, dass die beiden erstmals zusammen spielten. Auf den weiteren Positionen spielten ausschließlich Akteure, die bereits im Vorjahr zum Team gehörten. Trotzdem wirkt die Mannschaft viel stabiler als in der letzten Saison. Es scheint, als habe man den Zusammenhalt im Team und die Form der Rückrunde, in die neue Saison hinüber retten können. Auch der Zusammenhalt ist ein Schlüssel des Erfolgs von Labbadia. In der Vorrunde noch ein zerstrittener Haufen von Ich-AG’s, schaffte man es, auch mit einer Maßnahme wie der Suspendierung von Marica, dass wieder an einem Strang gezogen wird. Es erwartet ja kein Mensch, dass elf Freunde auf dem Platz stehen. Erwarten darf man aber, dass alle nach demselben Ziel streben und sich auf dem Platz helfen. Labbadia gibt sowohl das Ziel als auch den Weg dorthin vor, was die Spieler auf dem Fanfest auch bestätigten. Wenn die Mannschaft so auftritt wie über weite Strecken gegen Schalke, dürfen wir uns auf eine schöne und vor allem entspanntere Saison als die letzte freuen. Es erwartet ja kein Mensch, dass wir sofort wieder ganz oben angreifen, was der Fan aber erwarten kann, ist, dass die Spieler dem Profifußball alles unterordnen und als Team auftreten. Hier sehe ich die Mannschaft auf einem guten Weg. Ein großes Plus ist dazu natürlich das fertige Stadion. Ich hoffe, dass fast alle Spiele ausverkauft sein werden und die Stimmung das Team weiter pusht, um endlich wieder eine Heimmacht zu werden. Der gelungene Auftakt ist schon einmal Gold wert, um mit Selbstvertrauen an die nächsten Aufgaben heranzugehen.

Beim ersten Auswärtsspiel der Saison, Samstag Abend in Mönchengladbach, waren wir (natürlich) auch mit von der Partie. Die Erinnerungen an unseren letzten Auftritt im Borussia-Park im Februar waren noch mehr als präsent. Bei einem 0:2-Pausenrückstand und dem 18. Platz in der „Blitztabelle“ fand bei der Halbzeitanalyse mit vielen bekannten Leidensgenossen bereits der Abgesang auf Liga 1 statt. Nach einer phänomenalen Aufholjagd gewannen wir noch 3:2 und die Gladbacher lagen am Boden. Dass am Ende beide die Klasse halten würden, darauf hätte an diesem Abend sicher niemand gewettet. So standen wir beide uns am Samstag unter gänzlich anderen Vorzeichen gegenüber. Der VfB nach dem Sieg gegen Schalke, Gladbach nach dem Überraschungsdreier in München, jeweils mit breiter Brust. Dass es nicht leicht werden würde, war mir von vornherein klar. Seit Favre bei Gladbach das Zepter übernommen hat, kommt die Borussia gut organisiert daher. Aus der Schießbude Borussia ist ein schwer bezwingbares Bollwerk geworden. Vor dem Spiel kassierte Gladbach saisonübergreifend in acht Spielen gerade einmal drei Gegentore. Großen Anteil an dieser Serie hat der junge Torhüter Marc-Andre ter Stegen, den Favre Ende der letzten Saison ins kalte Wasser schmiss und der großen Anteil am Klassenerhalt der Borussia hatte. Erwartet schwer wurde der Auftritt auch. In einem offenen Spiel zweier Mannschaften mit Selbstvertrauen hatte der VfB ein optisches Übergewicht, was aber leider nicht in Tore umgemünzt werden konnte. Die Gladbacher gingen durch einen zweifelhaften Elfmeter in Führung, den Kvist an dem bekanntermaßen schnell fallenden Reus verursacht haben soll. Geht das schon wieder los, mag man sich als VfB-Fan angesichts der Fehlentscheidungen zu Ungunsten des VfB in der Vorsaison fragen. Doch anders als in der letzten Saison wirkt der VfB so stabil, einen Rückstand wegstecken zu können und so dauerte es keine fünf Minuten ehe der VfB durch Cacau nach intelligenter Vorarbeit von Gentner ausgleichen konnte. Danach hatte man den Eindruck, der VfB begnüge sich lieber mit dem Spatz in der Hand, als risikoreich nach der Taube auf dem Dach zu streben und war mit dem einen Punkt zufrieden. Auch nach der gelb-roten Karten zehn Minuten vor Schluss für Brouwers wollte oder konnte der VfB den Schalter nicht mehr umlegen, und den Sieg erzwingen. Gladbach stand weiterhin gut und ließ den VfB zu keinen weiteren Chancen kommen. Alles in Allem kann der VfB auch gut mit dem Punkt leben. Der VfB hat nach zwei Spieltagen vier Punkte gesammelt, so viele wie in der letzten Saison nach acht Spieltagen eingefahren waren. Auch hier halte ich es mit Labbadia und finde, nach den Erfahrungen des letzten Jahres tut uns ein wenig Demut gut. Noch weiß keiner wie sich die Saison entwickeln wird, allererstes Ziel sollte sein, mit dem Abstieg nichts zu tun zu haben. Dann spielt man in dieser engen Liga automatisch in der oberen Tabellenhälfte mit.

Bereits morgen steht der nächste Härtetest an. Gegen Bayer Leverkusen setzte es in der letzten Saison eine 1:4-Heimniederlage, wir sollten also gewarnt sein. Leverkusen ist sehr holprig in die Saison gestartet. Einem 0:2 in Mainz folgte ein glückliches 1:0 gegen Bremen. Dutt scheint noch nicht recht in Leverkusen angekommen, so dass ich mir die Frage stelle, ob ein Championsleague-Teilnehmer für ihn nicht eine Nummer zu groß ist. Gegenüber Stars wie Ballack („es muss eine Ehre sein, bei Bayer auf der Bank zu sitzen“) oder Rolfes (Dutt schmeckte die Kritik nach dem Mainz-Spiel nicht) spielt er gekünstelt den dicken Maxe, so dass er mich mit seinem Verhalten stark an Ralf Rangnicks Anfangszeiten und seine Dissonanzen mit Krassimir Balakov erinnert. Sehr nervös agierte er auch in der Torwartfrage. Leverkusen verpflichtete als Ersatz für den noch lange verletzten Rene Adler Yelldell aus Duisburg, den Dutt schon von seiner Zeit bei den Stuttgarter Kickers kennt. Als dieser im Pokalspiel patzte, stand in Mainz die bisherige Nummer 2 Giefer zwischen den Pfosten. Dieser leitete dann durch einen schlimmen Fehler die Niederlage ein, woraufhin man auf einmal beim VfB vorstellig wurde und Bernd Leno bis zum Jahresende ausgeliehen bekam. Ich wünsche Bernd Leno in der Bayer-Stadt viel Glück, dass er sich auf höchstem Niveau beweisen kann und dass er noch stärker wieder zurückkehrt. Nicht auszudenken aber, sollte Leverkusen am Samstag durch eine schlechte Torhüterleistung, den Kürzeren ziehen. Die Transferperiode läuft ja noch knapp zwei Wochen, vielleicht wird dann einfach Torwart Nummer fünf geholt, die Werksclubs sind in Sachen Kadergröße ja nicht so zimperlich. So hat Leverkusen also jede Menge (hausgemachte) Probleme und wird sicherlich nicht mit übergroßem Selbstvertrauen in unsere schmucke Arena reisen. Dies gilt es auszunutzen. Der VfB muss von vornherein zeigen, wer Herr im Haus ist und dass es für Bayer nichts zu holen gibt. Wenn der VfB von vornherein mit dem bislang gezeigten Willen, der Mentalität und Konzentration zu Werke geht, ist mir nicht bange. Spielen lassen dürfen sie sie aber nicht. Leverkusen hat auch nach dem Abgang von Vidal noch exzellente Einzelspieler, die es in Schach zu halten gilt.

Wir Fans werden den VfB auch morgen, bei den zu erwartenden schwül-heißen Temperaturen, nach vorne pushen und unser Möglichstes tun, damit wir auch morgen um 17.20 Uhr noch eine makellose Heimbilanz vorweisen können. Unsere Spieler sollen, wie schon gegen Schalke, beim Einlauf aufgrund der Atmosphäre eine Gänsehaut bekommen und im Spiel, für sich, für den Verein und nicht zuletzt für uns Fans, alles geben und das Spiel für sich entscheiden. Ich bin guter Dinge, auf geht’s VfB!

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