11. Oktober 2016
Die mit Spannung erwartete Mitgliederversammlung des VfB Stuttgart 1893 e. V. fand vergangenen Sonntag in der Hanns-Martin-Schleyerhalle statt.
Die erste Frage, die sich mir aufwarf, war die, ob man nicht im Vorfeld einer solchen Veranstaltung, bei der theoretisch 48.000 Mitglieder oder eben auch nur 3.000 Mitglieder anwesend sein können, eine Abfrage durchführen sollte, wer es denn überhaupt vor hat, zu diesem für den Verein wichtigsten Termin des Jahres in die Landeshauptstadt anzureisen.
Für gerade einmal 3.000 Mitglieder, die sich diesen Sitzungsmarathon antun wollten, hätten sich sicherlich auch kleinere und vor allem günstigere Locations finden lassen. In Anbetracht der aufgeheizten Atmosphäre und offen zur Schau getragenen Spaltung in zwei Lager, hätte eine engere Location den positiven Nebeneffekt gehabt, näher zusammenrücken und sich in die Augen blicken zu können oder auch zu müssen.
Für mich war es seit langem mal wieder die erste Mitgliederversammlung beim VfB, da ich erst wieder eingetreten bin, um bei der Abstimmung über eine kürzlich noch im Raum stehende Ausgliederung mitbestimmen zu können.
Ich war 1998 aus dem Verein ausgetreten, als der bei mir ansonsten sehr beliebte Präsident Gerhard Mayer-Vorfelder Trainer Joachim Löw entließ, um seinen Busenfreund Winfried Schäfer an den Neckar zu holen. Von diesem Schock erholte ich mich zwar wieder und ging auch wieder ins Stadion, nachdem Schäfer entlassen war, aber, Mitglied wurde ich halt erst letztes Jahr wieder.
So fanden „meine“ letzten Mitgliederversammlungen noch im guten alten Kursaal statt, aus denen mir vor allem die Bewirtung dort und durchaus launige, wenn auch hitzige, Versammlungen in bester Erinnerung blieben.
Umso enttäuschter war ich dann, als ich schon im Vorfeld erfahren musste, dass nur alkoholfreies Bier ausgeschenkt werden würde und man nicht einmal selbst Getränke mit in die Halle bringen dürfte.
So blieb mir in der trockenen Luft nichts anderes übrig, als ein 0,5-Liter-Fläschchen Ensinger Sport für sage und schreibe 3,50 € zu erwerben. Ansonsten konnte ich es bis abends „aushalten“ und verschwendete kein weiteres Geld dort für das überteuerte und qualitativ überschaubare Schleyerhallen-Catering.
Derart lange Sitzungen „im Trockenen“ wären unter MV unvorstellbar gewesen. MV war trotz seiner Ministertätigkeit und anderer Funktionärsposten, im Gegensatz zu unserer derzeitigen Vereinsführung, immer ein Mann des Volkes und nahbar und hatte vor allem keine Angst davor, dass Mitglieder, wenn sie ein paar Bier getrunken haben, ihm an den Kragen gehen könnten.
MV stellte sich den Mitgliedern, wenngleich er Gegenargumente auf seine Art erschlagen konnte, weil er hochintelligent und immer bestens vorbereitet war. Dass er Kritiker mundtot machte, bevor sie überhaupt ihre Argumente vorbringen konnten, daran kann ich mich bei ihm nicht erinnern.
Die heutige Führungsriege erinnert da schon eher an eine deutsche Politikerin aus der Uckermark, Basta-Politik, „Wir schaffen das“, alternativlos, egal was für Auffassungen die „Untergebenen“ an der Basis haben.
So stellt für sie die einmal im Jahr stattfindende Mitgliederversammlung auch nicht eine willkommene Gelegenheit dar, ihre Arbeit zu erläutern und sich der Kritik der Basis zu stellen, sondern ist vielmehr ein unangenehmer Pflichttermin, bei dem es darum geht, möglichst ungeschoren davon zu kommen. Dabei wissen sie natürlich, dass jeder Tag endlich ist und die Mitglieder irgendwann mal nach Hause wollen, so dass sogar Zeitspiel ein probates Mittel zu sein scheint, wie bspw., wenn eine auf 15 Minuten angekündigte Pause plötzlich und ohne Begründung über 30 Minuten lang wird. Hat man diesen Tag dann herum gebracht, nicht erfolgte Entlastung in beiden Fällen inklusive, hat man dann wieder ein Jahr lang Ruhe vor dem Fußvolk.
Selbstkritik ist unserem Vorstand und Aufsichtsrat völlig fremd, „Gegner“, die sie auffordern, aus dem Abstiegsjahr Konsequenzen zu ziehen und ihren Hut zu nehmen, werden pauschal dem Ultras-Lager zugeordnet und es wird ihnen unterstellt, den Verein in Schutt und Asche legen zu wollen.
Dies allein ist schon eine Frechheit! Ich selbst bin kein Ultra, wie die meisten der knapp 40% der Anwesenden sicher auch nicht, die den Antrag auf die Abwahl des Aufsichtsrates gerne auf der Tagesordnung gehabt hätten.
Sowohl Stefan Heim in seiner Eigenschaft als Versammlungsleiter, als auch Aufsichtsratschef Martin Schäfer warnten die Mitglieder davor eindringlich und malten das Horrorszenario an die Wand, dass der VfB durch gewisse Abwahlen handlungsunfähig werden könnte. Durch solch undifferenzierte Klassifizierungen wurden die Mitglieder schon früh in der Versammlung in die Guten und die Bösen unterteilt.
Die Vereinsführung unternahm nicht im Ansatz den Versuch, den Verein, die Mitglieder zu einen, im Gegenteil, sie spaltete die Lager noch zusätzlich.
Man wehrt sich vehement gegen Vorwürfe, dass man den Abstieg entscheidend mit zu verantworten hätte, obwohl man zu einem Zeitpunkt, als noch etwas zu kitten gewesen wäre, Dutts One-Man-Show freien Lauf ließ.
Man verteidigt weiterhin die völlig hirnrissige Verpflichtung von Jos Luhukay und man hat bis heute keine schlüssige Erklärung geliefert, weshalb Jan Schindelmeiser so spät kam, obwohl er doch bei Dutts Entlassung schon auf dem Markt gewesen wäre.
Die Entscheidung für Jan Schindelmeiser war zweifelsohne die beste, die die Herren in den letzten Monaten trafen. Bereits nach der Entlassung von Fredi Bobic plädierte ich in einem Blog-Bericht für Jan Schindelmeiser, weil er nach Heldt und Bobic mal wieder ein „Gelernter“ auf dieser wichtigen Position gewesen wäre.
Aber nein, man holte sich mit Robin Dutt, trotz aller Warnungen ausgewiesener Fachleute, den nächsten Azubi mit weitreichenden Vollmachten ausgestattet ins Haus, im Aufsichtsrat damals, wie heute, Porth, Jenner, Schäfer. Das Resultat dieser Fehleinschätzung: der Abstieg!
Die einzige Sequenz auf der Mitgliederversammlung, bei der es einhelligen Applaus beider Lager gab, war jene, als Sport-Vorstand Jan Schindelmeiser und Trainer Hannes Wolf zur aktuellen sportlichen Situation interviewt wurden.
Seit Luhukays Rücktritt (oder Entlassung!?) hat der VfB drei Spiele gewonnen und in Bochum remis gespielt. Ein Aufwärtstrend im sportlichen Bereich ist ohne Zweifel erkennbar. Nach dem 4:0 gegen die SpVgg Greuther Fürth und vor allem der Art und Weise, wie dieser Sieg herausgespielt wurde, schweben der VfB und seine Fans auf einer Euphoriewelle.
Dieses „zarte Pflänzchen“ des Aufschwungs, wie es Stefan Heim nannte, müsse man am Leben erhalten und dürfe den sportlichen Erfolg durch Unruhe im Verein nicht gefährden. Schon bei den Dialogveranstaltungen im Vorfeld der Mitgliederversammlung erklärten Vereinsführung und Wolfgang Dietrich unisono, dass es nichts mehr bringe, Schuldige für den Abstieg zu suchen, sondern man nur noch nach vorne schauen solle, um Ruhe einkehren zu lassen. Interessant dabei, dass Dietrich dann doch kritisierte, dass Robin Dutt kurz vor seiner Entlassung noch drei Kader-Planer einstellen durfte, die teilweise schon wieder ihre Entlassungspapiere in Empfang genommen haben. Diese Narrenfreiheit von Robin Dutt hat sicherlich auch wieder keiner derjenigen zu verantworten, der am Sonntag auf dem Podium saß.
Unruhe in einem Verein ist nie förderlich im Fußball-Geschäft, darüber dürften sich alle Parteien einig sein. Ruhe kann aber auch nicht per Dekret von oben herab verordnet werden, schon gar nicht in einem Verein, der wir noch sind und in dem Emotionen eine nicht unbedeutende Rolle einnehmen. Zur Ruhe kann man per Konsens gelangen und nicht indem man Fan- bzw. Mitgliederlager in „die Guten“ und „die Bösen“ unterteilt und darauf hofft, dass „die Bösen“ einfach mal die Klappe halten und aufhören, zu nerven.
In der im Normalfall einmal im Jahr stattfindenden Mitgliederversammlung haben die Mitglieder, auch die Bösen, ein Anrecht Antworten auf durchaus berechtigte Fragen zu erhalten. Man will ja schließlich wissen, ob die Oberen überhaupt wissen, was denn im Abstiegsjahr schief gelaufen ist, ob sie die richtigen Schlüsse gezogen haben und vor allem, ob sie es das nächste Mal überhaupt anders und besser machen würden.
Hätten die Herren die Verantwortung für den Abstieg übernommen und der Mitgliederversammlung die Entscheidung darüber überlassen, ob sie überhaupt noch die richtigen Leute am Ruder sind, wäre eine Mitgliederversammlung im Sommer und eine nachgeschobene Mitgliederversammlung für die Präsidentenwahl im Oktober auch denkbar gewesen.
So aber baute man offensichtlich darauf, bis zum Tag der Mitgliederversammlung in ruhigeres Fahrwasser im sportlichen Bereich gekommen zu sein und darauf, deswegen um eine Generalabrechnung herumzukommen.
Dass Vorstand und Aufsichtsrat so einfach davon kommen, damit bin ich nicht einverstanden! Dass sich die Fehlentscheidungen der letzten Jahre nicht rückgängig machen lassen und dass man schon drei Jahre lang förmlich um den Abstieg gebettelt hat, ist mir klar. Dieser Abstieg kam nicht überraschend und nicht zufällig, für einen Fan wie mich war er am Ende sogar eher eine Erlösung.
Dies kann aber doch nicht für den Verein der Fall gewesen sein. Für den Verein war der Abstieg eine Katastrophe. Der Super-GAU, das im Grunde Unvorstellbare war eingetreten, die schlechteste Saison seit 41 Jahren und die Verantwortlichen wollen möglichst weiter machen wie bisher?
Bei all den möglichen Konsequenzen eines Abstiegs, der uns vermutlich selbst bei direktem Wiederaufstieg um Jahre zurückgeworfen haben dürfte, wer es schwer zu begreifen, dass von Vereinsseite nicht alles Menschenmögliche getan wurde, um den Abstieg zu versuchen zu verhindern.
Aber nein, man hatte in Robin Dutt ja den Fachmann und in Jürgen Kramny den Super-Doppel-Abstiegs-Trainer, die beiden würden das Kind schon schaukeln. Man beließ nicht nur beide im Amt, nein, sie durften sogar mitten im Abstiegskampf noch ein Trainingslager auf Mallorca ausbaldowern, von dem man, fast schon erwartungsgemäß, im Urlaubsmodus zurückkam.
Man ließ die beiden gewähren und vertraute blind darauf, die nötigen Punkte gegen den Abstieg würden schon noch eingefahren werden.
Es war offensichtlich keiner dieser Herren in der Lage zu erkennen, dass spätestens nach Augsburg klar war, dass man in der bestehenden Konstellation sang- und klanglos absteigen würde.
Aus der damals absenten Sportkompetenz in der Vereinsführung hat man inzwischen Schlüsse gezogen. Hermann Ohlicher wurde am Sonntag in den Aufsichtsrat gewählt, Thomas Hitzlsperger und Marc Kienle hat man von extern geholt. Beide übrigens, wie Luhukay, bevor der neue Sportvorstand gefunden war. Dieser grübelt seither darüber, mit welchen Aufgabengebieten er die beiden betrauen soll.
Diese Fehleinschätzungen gehören, auch nach einigen Monaten Abstand, hinterfragt. Die Mitglieder haben ein Anrecht auf Antworten, zumal sich die Fehleinschätzungen ja auch nach dem Abstieg nahtlos fortsetzten.
Dutt hatte man ohne Plan B in der Tasche zu haben den Stuhl vor die Tür gesetzt. Danach gingen die Wirtschaftsbosse vom Aufsichtsrat, Finanzvorstand Heim und Marketing-Chef Röttgermann auf Trainersuche und wurden schnell beim ausgewiesenen Aufstiegsfachmann Jos Luhukay fündig.
Dass Luhukay eigenbrötlerisch ist und dass er bereits mehrfach wegen Differenzen mit der sportlichen Leitung oder sonstigen Verantwortlichen das Handtuch geworfen hat, scheint diesem Vorstand und Aufsichtsrat, der nun flehentlich um Vertrauen wirbt, entgangen zu sein. Schon durch diese krasse Fehlentscheidung wurde das Ziel des sofortigen Wiederaufstiegs fahrlässig aufs Spiel gesetzt, hat doch der neue Trainer Hannes Wolf weder eine Saisonvorbereitung zur Verfügung noch konnte er Einfluss auf die Kaderzusammenstellung nehmen.
Bei #vfbimdialog entlarvten sich die Herren vom Aufsichtsrat ein paar Tage vor der Mitgliederversammlung dann auch noch selbst, indem sie davon abrieten, den Aufsichtsrat abzuwählen, weil ansonsten ihre Arbeitgeber ihr finanzielles Engagement beim VfB überdenken würden.
Für einen Traditionsverein wie den VfB, der sich glaubhaft von den Investoren-Clubs wie Hoffenheim und Leipzig abgrenzen möchte, wäre es ein fatales Zeichen, an Führungspersönlichkeiten nur deshalb festzuhalten, weil Geldquellen wegbrechen könnten und nicht aus dem Grund, weil sie einen guten Job für den VfB machen.
Liegt ihren Konzernen wirklich so viel am VfB, wie sie stets betonen, würden sie den Verein auch dann nicht ins Bodenlose fallen lassen, wenn ihr Vertreter aus dem Aufsichtsrat gewählt würde oder freiwillig ausscheidet, zumal Verträge einen Ad-Hoc-Ausstieg sicher auch noch verhindern würden.
So sind diese Aussagen zunächst einmal ziemlich haltlose Drohgebärde und zeigen den erhobenen Zeigefinger des Aufsichtsrats, ja nicht „falsch“ abzustimmen.
Diese versuchte Manipulation der Wählerschaft setzte sich durch weitere #vfbimdialog-Veranstaltungen und durch wohlwollend geschriebene Zeitungsartikel fort. Wie man die Schreiberlinge dazu brachte, diese für den Verein so positive Berichterstattung herauszugeben, man weiß es nicht.
Ganz koscher kam mir das alles nicht vor, lassen die Medien doch sonst kaum eine Gelegenheit aus, Unruhe hinein zu bringen. Ob man die Zeitungen aufschlug, #vfbimdialog schaute, vom VfB eine Sonderausgabe „Dunkelrot“ erhielt oder unzählige Mails im Postfach hatte, die Propagandamaschinerie war schon überwältigend, so dass es einzelnen Gruppierungen wie Commando Cannstatt oder Schwabensturm schwer fiel, dagegen zu halten und vor allem genau so viele Leute zu erreichen. Immer und überall wurden die Mitglieder davor gewarnt, den Verein ins Chaos zu stürzen, sollte man nicht den Vorschlägen der Vereinsführung Folge leisten.
Martin Schäfer legte sich dann auf der Versammlung auch noch persönlich mit den Ultras an, deren Banner ihm sauer aufstießen. Auch hier ließ Schäfer sämtliche Souveränität vermissen, indem er pauschal die Aufsichtsratskritiker als solche betitelte, die nichts anderes können würden, als „Verpisst-Euch-Plakate“ zu entwerfen.
Damit ist Schäfer eindeutig übers Ziel hinausgeschossen und hat sich pauschal mit den 40% der anwesenden Mitglieder angelegt, die zumindest gerne über die Abwahl des Aufsichtsrats abgestimmt hätten.
Wären die Herren des Aufsichtsrats und des Vorstands ernsthaft gewillt gewesen, die Mitgliederschaft zu einen, hätte man den Mitgliedern zudem davon abgeraten, nach lediglich sechs von 26 angemeldeten Redebeiträgen für eine Beendigung der Aussprache zu stimmen.
Selbstredend kann man bei derart vielen Wortmeldungen nicht jedem Redner dreißig Minuten zugestehen, so wie sie der erste Redner von der Schwäbischen Alb für sich in Anspruch nahm. Mit einer Zeitbegrenzung auf fünf Minuten, in denen jeder Redner seine wesentlichen Punkte hätte loswerden können, dafür hätte eine souveräne Versammlungsleitung meiner Ansicht nach werben müssen.
So machte man eben mir nichts dir nichts potentielle Kritiker mundtot und entzog sich dieser Aussprache, die DAS zentrale Element einer jährlich stattfindenden Mitgliederversammlung darstellt, feige!
Die vielzitierte Ruhe wird durch das Totschweigen schwelender Konflikte sicherlich nicht einkehren, im Gegenteil. Dass für diesen Antrag überhaupt eine Mehrheit zustande kam, offenbart in extremer Peinlichkeit, weshalb die Mitglieder, vornehmlich jene in den vordersten Reihen, überhaupt gekommen sind, doch dazu später mehr.
Dass die Abstimmung über den Abbruch der Aussprache sich, trotz juristischen Beistands, als formal falsch herausstellte und wiederholt werden musste, spottete zudem jeder Beschreibung und war ein weiterer Hinweis darauf, wie dilettantisch der Verein derzeit geführt wird.
Auch wenn ich gerne alle Redebeiträge gehört hätte, gab es auch bei den wenigen, die man ans Mikro ließ, das eine oder andere Highlight.
Vor allem der beim VfB nicht sehr gelittene Blogger Christian Prechtl stellte Vorstand, Aufsichtsrat und Wolfgang Dietrich knallhart berechtigte, aber eben unangenehme Fragen, deren Beantwortung man gekonnt zu umschiffen wusste.
Auch hier wurde auf Zeit gespielt, viel geschwätzt und nichts gesagt, während Wolfgang Dietrich die Beantwortung der an ihn gerichteten Fragen bei seiner späteren Rede gänzlich „vergaß“.
Auch mich würden seine Verstrickungen und Beteiligungen, die er nach wie vor bei der Quattrex Sports AG hält, interessieren. Es kamen weiter die, natürlich unbeantworteten, Fragen auf, inwiefern er sich in das operative Geschäft bei den Stuttgarter Kickers eingemischt hat, in dessen Folge einige Köpfe, unter anderem der des damaligen Trainers des Jahres, Dirk Schuster, gerollt sind.
Eine Aussprache, bei der sich die Vereinsführung nicht einmal die Mühe macht, Vorwürfe zu entkräften oder Fragen einfach plausibel zu beantworten, ist auch irgendwie sinnlos.
Dies sagt einiges über unseren derzeitigen Führungskreis aus. Kritikunfähig, beleidigt, unangenehmen Fragen aus dem Weg gehend und extrem dünnhäutig geben sich diejenigen, die es „geschafft“ haben, den Verein in seine schwerste Krise seit 41 (!) Jahren zu manövrieren. Ganz großes Kino!
Der Porsche-Betriebsratschef Uwe Hück, der überraschend die Bühne betrat, sorgte dann für die Comedy-Einlage des Tages.
Er erklärte vorab, dass er direkt vom Porsche-6-Stunden-Lauf käme, durch den Geld für wohltätige Zwecke gesammelt werden würde. Hück machte dabei einen extrem verwirrten Eindruck, so dass man bei seiner „Rede“ lange nicht wusste, worauf er hinaus wollte und schon gar nicht, ob diese letztendlich einen Bezug zum VfB haben würde.
Er referierte, „in Deutschland haben wir Kinderarmut und das ist gut“, sprach die Mitglieder ständig mit „liebe Kolleginnen und Kollegen“ und erweckte auch sonst den Eindruck, dass der Frühschoppen nach seinem Lauf etwas zu heftig ausgefallen war. Am Schluss seiner von heftigen Buh-Rufen begleiteten Rede trat doch noch seine Intension zutage, wegen der er sich zu Wort meldete.
Der Präsidentschafts-Kandidat Dietrich stellte bei seiner Vorstellungs-Tour in Aussicht, für den Nachwuchsbereich eigene Hauptsponsoren zu suchen, um dort unabhängiger von den Ergebnissen der Profis und deren finanziellen Mitteln zu werden. Für den Nachwuchs stellte Hück ein finanzielles Engagement von Porsche in Aussicht. So hatte dieser Auftritt dann doch noch sein Gutes.
Dass von annähernd 49.000 Mitgliedern kaum einmal 3.000 den Weg in die Hanns-Martin-Schleyerhalle fanden, war mehr als enttäuschend. Immerhin standen wichtige Themen zur Diskussion in der ersten Mitgliederversammlung nach dem Abstieg, immerhin sollte zudem ein neuer Präsident gewählt und über wichtige Satzungsänderungen befunden werden.
Dass sich dabei so wenige die Mühe machten, dieser Versammlung beizuwohnen, war ernüchternd. Erschreckend für mich war, dass derart vielen der Verein egal zu sein scheint, wenn es mal nicht nur um Punkte auf dem grünen Rasen geht. Es hätte durchaus eine denkwürdige Versammlung werden können, wenn sich denn mehr Leute aufgerafft hätten.
So gelang es offensichtlich dem Verein mehr Mitglieder des Pro-Lagers zu mobilisieren, als der Kurve die Aufsichtsrat-Kritiker und derer, die Dietrich ablehnen würden. Gerade bei einer spärlich besuchten Versammlung hatte ich mir versprochen, dass es gut möglich gewesen wäre, Dietrich zu verhindern.
Die Stuttgart-21-Problematik war mir in dessen Zusammenhang egal. Dass einer für eine Sache, für die er bezahlt wird, auch einsteht, ist legitim. Dass er Ecken und Kanten hat und sich, vielleicht sogar auch innerhalb der Vereinsführung, durchzusetzen weiß, ist auch zunächst einmal nicht schlecht. MV war mir in dieser Hinsicht immer lieber als ein „weicher“ Präsident wie Bernd Wahler.
Zu den K.O.-Kriterien, die es mir unmöglich machten Dietrich zu wählen, gehörten jedoch seine möglichen Interessenskonflikte wegen der Darlehensvergaben der Quattrex Sports AG an etliche Ligakonkurrenten und dass er dort noch immer Aktienpakete halten soll. Dass die DFL grünes Licht gegeben hat und dessen Beziehungen zu den Vereinen für seine Tätigkeit als VfB-Präsident formaljuristisch als legal angesehen werden, heißt noch lange nicht, dass sich nicht doch Interessenskonflikte ergeben könnten und dies moralisch korrekt ist.
Ein Donald Trump prahlt zum Beispiel damit, dass er in den letzten Jahren kaum Steuern gezahlt habe, weil er schlau genug war sämtliche (legale) Steuerschlupflöcher auszunutzen. Ob er damit moralisch punktet, darüber gibt es wohl keine zwei Meinungen.
Weiter seien die zur Abstimmung gestandenen Satzungsänderungen Bedingung für Dietrichs Bewerbung um das Präsidentenamt gewesen. Da in diese eindeutig Passagen aus dem Aktiengesetz verankert gewesen wären, liegt es auf der Hand zu vermuten, dass der Hardliner Dietrich auserkoren wurde, um die Ausgliederung voranzutreiben und, wie von Stuttgart 21 gewohnt, sich von heftigem Gegenwind nicht beirren lassen soll.
Dies jetzt durch die Hintertür zu versuchen ist auch schon wieder so ein Punkt, an dem man sich fragt, wann man den Verantwortlichen überhaupt wieder Vertrauen wird schenken können. Ich bin nicht generell gegen die Ausgliederung, die wird irgendwann kommen müssen, schon allein weil Profivereine als Wirtschaftsunternehmen wohl nicht mehr ewig nach dem Vereinsrecht geführt werden dürfen. Dann geht es um die Art einer Ausgliederung, um die Gesellschaftsform, ob man Anteile veräußert, etc. Für die Ausgliederung, wie sie sich der Verein vorstellt, nämlich, um Geld von außen zu generieren, braucht es den richtigen Zeitpunkt, der sicherlich nicht in der schwärzesten Stunde des Vereins liegt und es braucht Vertrauen in die handelnden Personen. Beides ist derzeit nicht gegeben, so dass man dieses Thema ganz weit hinten anstellen sollte.
Jetzt kommt noch ein ganz wesentlicher Punkt, weshalb ich in Dietrich nicht den bestmöglichen VfB-Präsidenten sehe. Er scheint vom Aufsichtsrat nicht vorgeschlagen worden zu sein, obwohl er als „Spalter“ gilt, sondern weil.
Wie in der Ausgliederungsproblematik soll er dem Anschein nach auch das Fanlager eher entzweien. Äußerungen zum Fanausschuss, dass man die Fans brauche, jedoch nicht alle, lassen tief blicken und sämtliche Alarmglocken schrillen. Einen Martin Kind II brauchen wir hier im Verein nicht, einen der auf die eigenen Fans los geht und sie bis zum geht nicht mehr sanktioniert und drangsaliert. Wir brauchen einen Präsidenten, der auf die verschiedenen Gruppen zugeht und ein guter Moderator, aber auch teamfähig ist. Ob Dietrich dieser Präsident sein kann, daran habe ich große Zweifel.
Dass der Aufsichtsrat lediglich einen Kandidaten zur Wahl zugelassen hat, den man nach dem Motto „Friss oder stirb“ wählen oder auch nicht wählen kann, ist ebenfalls ein schlechtes Signal und zeugt einmal mehr nicht von einer Kultur des sich miteinander Auseinandersetzens.
Wie zu lesen war, konnte es sich der Aufsichtsrat nach Wahlers Rücktritt vorstellen, einen ehrenamtlichen Präsidenten einzusetzen. Jetzt, bei der Begründung weshalb Dietrich der einzige Kandidat war, wurde mitgeteilt, das sei so, weil er der einzige gewesen sei, der den Job kostenlos verrichtet.
Wir bekommen also einmal mehr DIE Billiglösung und nicht die möglicherweise beste Lösung zur Abstimmung. So schränkt man natürlich den Kandidatenkreis ein, die Zeiten eines MV, der den VfB noch weitestgehend „nebenher“ führte, sind mit der zunehmenden Professionalisierung längst vorbei.
Die Fronten auf der Veranstaltung waren also verhärtet, nicht umzustimmende Dietrich-Gegner und die Dauerklatscher in den vorderen Reihen. Da hat es die Vereinsführung offensichtlich geschafft, genügend ihrer Befürworter zu mobilisieren, um die Abstimmungen in ihrem Sinne ausfallen zu lassen.
Wo die alle her kamen, man weiß es nicht! Im Stadion, zumindest in den Bereichen, in denen ich verkehre, habe ich diese Herrschaften noch nie gesehen. Waren es VfB-Mitarbeiter, der VfB-Freundeskreis, die Garde sowieso, Vertreter der anderen Sportarten? Es war jedenfalls augenscheinlich, dass jeder Pups, der auf dem Podium gelassen wurde, von diesen frenetisch beklatscht wurde, während die „Gegner“ oft von diesen noch übertönt wurden.
Es war eine beklemmende Atmosphäre und so fällt es mir im Grunde auch schwer, innerhalb eines Vereins von Befürwortern und von Gegnern zu sprechen. So aber stellte sich die Lage während der gesamten Veranstaltung dar, in den Schmährufen und Verunglimpfungen standen sich beide Seiten in nichts nach.
Ohne jetzt irgendetwas unterstellen zu wollen, fühlte ich mich durch das Wahlverhalten der „Pro-Seite“ an DDR-Verhältnisse zurückerinnert.
Den vorwiegend älteren Damen und Herren aus den ersten Reihen hätte man nur noch Vorstands- und Aufsichtsrats-Fähnchen in die Hand geben müssen, um dieses Bild abzurunden. Wie auf Kommando gab es stets großen Beifall für das, was von der Gegenseite ausgebuht wurde, während man mit Schmähungen dieser Leute bedacht wurde, wenn man einen Redebeitrag oder bspw. die Fragen eines Herrn Prechtl goutierte.
Dieses groteske Szenario wurde dann noch skurriler, als just nach der Präsidentenwahl mehrere hundert dieser Damen und Herren aus den ersten Reihen offensichtlich ihre Schuldigkeit getan hatten und die Halle verließen. Vielleicht mussten sie zur Lindenstraße daheim sein, offensichtlich war, dass sie lediglich für die Präsidentenwahl herbei gerufen waren und sie die Abstimmungen zu den Satzungsänderungen nicht die Bohne mehr interessierten. Dafür hätten freilich 75% der Stimmen zusammenkommen müssen, so dass es bei der Verteilung der Lager klar war, dass auch mit ihren Stimmen nicht mehr als 60% zusammen gekommen wären.
Passend zu diesen, meinen subjektiven Eindrücken, war dann noch, dass sich der SWR darüber beklagte, dass nur wenige Szenen zur Veröffentlichung freigegeben wurden, vornehmlich einen strahlenden Herrn Dietrich nach seiner Wahl und der Rest der Fernsehbilder der Zensur zum Opfer fiel.
Diese ca. 500 Leute genügten, um das Zünglein an der Waage zu spielen, Vorstand und Aufsichtsrat einen angenehmen Tag zu bescheren und schließlich auch noch deren Präsidenten ins Amt zu hieven. Haben die Ultras zu wenige Leute mobilisiert? Mir kam es so vor, dass relativ wenige anwesend waren. Aber auch Otto-Normal-Bruddler, der das ganze Jahr eine große Klappe hat und mit seiner Anwesenheit etwas bewirken hätte können, hat gefehlt.
Als Demokrat akzeptiere ich natürlich den Wahlausgang und die Beschlüsse, auch wenn ich mich damit nicht so überhaupt nicht anfreunden kann. Wolfgang Dietrich wurde mit 57,2% der abgegebenen Stimmen zum neuen VfB-Präsidenten gewählt, was nur knapp 3,5% der Gesamtmitgliederschaft entspricht. Bei solchen Zahlen werden natürlich Rufe nach einem Briefwahlrecht laut, das schon einmal von der Versammlung abgelehnt wurde. Dieses war nun Bestandteil des Satzungsänderungspaketes, über das man nur in seiner Gesamtheit hat abstimmen können und das abgelehnt wurde.
Ich bin gegen ein Briefwahlrecht bei eingetragenen Vereinen, weil bei „normalen“ Versammlungen die Redebeiträge im Zuge der Aussprache oftmals den Ausschlag zugunsten oder gegen eine Entscheidung geben und man als Verein ja auch wenigstens einmal im Jahr zusammenkommen können sollte.
Eher noch könnte ich mir einen Live-Stream für Mitglieder und die Möglichkeit zur Online-Abstimmung vorstellen, wenn diese unter notarieller Aufsicht durchgeführt werden könnte (Stichwort Vertrauen).
Allerdings verlören dann solche Versammlungen viel von ihrem ursprünglichen Charakter. Auch ich würde mich dann lieber mit Laptop und ein paar Freunden in das verrauchte Hinterzimmer der Kneipe meines Vertrauens verziehen, anstatt im Mief der Schleyerhalle noch einmal einer solch traurigen Veranstaltung wie am Sonntag persönlich beizuwohnen.
Aber, um solche wichtigen Beschlüsse zu fassen, muss man über Passagen in der Satzung getrennt abstimmen können und vor allem sollten sich jene Leute wenigstens einmal her bewegen, denen diese Änderungen wichtig sind.
Für mich war der Tag und die Wahl Dietrichs zum neuen VfB-Präsidenten kein guter Tag für den VfB Stuttgart. Beleidigungen, Pfiffe, Diffamierungen und das ständige Unterbrechen von Rednern der Gegenseite sprechen nicht für eine besonders kultivierte Diskussionsfähigkeit. Großen Anteil daran hat auch hier wieder die Vereinsführung, die es tatsächlich „geschafft“ hat, den Verein in zwei Lager zu spalten, wie ich es beim VfB so noch nie erlebt habe.
Mit dem Spalter Dietrich als Präsidenten, der als Vorbild einer Führungspersönlichkeit ausgerechnet das Gesicht des Abstiegs, Christian Gentner, nennt. Da Gentner in der 2. Liga eine ordentliche Saison bisher spielt und ihm zu Bundesligazeiten gerade jene Führungsfähigkeiten abgesprochen wurden, ist anzunehmen, dass Dietrich sich trotz 42-jähriger Mitgliedschaft erst in den letzten Wochen wieder etwas ausgiebiger mit dem VfB beschäftigt hat.
Ich wünsche ihm ein gutes Händchen bei seinen Entscheidungen und hoffe, dass all meine Befürchtungen nicht eintreten.
Ja, der Verein braucht Ruhe, aber nicht so! Wie diese Gräben, die die Vereinsführung ausgehoben hat, schnell wieder zuzuschütten sein sollen, kann ich mir mit den noch frischen Eindrücken der Mitgliederversammlung noch nicht vorstellen. Bevor das eintritt, gewöhnen sich die Herren von Aufsichtsrat und Vorstand wohl noch eher an Banner, auf denen sie namentlich erwähnt werden.
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29. September 2014
Eine turbulente Woche geht zu Ende. Fredi Bobic ist Geschichte beim VfB und der VfB hat mit vier Punkten aus zwei Spielen zuletzt scheinbar die Kurve gekriegt.
Gegen Hannover 96 spielten wir seit einer gefühlten Ewigkeit mal wieder hinten zu null und ließen so gut wie nichts anbrennen. Endlich entschloss sich Armin Veh zum Torwartwechsel. Für mich eine überfällige Maßnahme, hat Ulle zuletzt doch mehr und mehr gravierend gepatzt. Seine Schwächen konnte er eine zeit lang noch gut kaschieren, holte er doch auf der Linie manch einen Ball spektakulär, hielt aber auch zu dieser Zeit keine „Unhaltbaren“ oder hielt die Mannschaft mal im Spiel, wenn es nicht so lief. Oft war es der erste Torschuss, der drin war und das Spiel gleich in Bahnen lenkte, die kein VfB-Fan haben wollte. Vielleicht fehlte im zuletzt auch einfach das Glück, sei’s drum, ich bin froh über diese Maßnahme, weil Sven Ulreich für mich nie ein sehr guter Bundesligatorwart werden wird. Dafür fehlt ihm zu viel Grundsätzliches am Torwartspiel. Daher hoffe ich, dass Kirsche keine Zweifel aufkommen lässt, wer die wahre Nummer 1 ist und wenn, dass man alternativ entweder einem Youngster es zutraut oder sich nach einer Nummer 1 umschaut. Das aber ist Zukunftsmusik, der Anfang ist gemacht. Auch wenn Kirsche gegen Hannover nicht viel auf den Kasten bekam, hat mir seine Ausstrahlung gefallen. Hatte Ulle in Dortmund eine Passquote von lediglich knapp über 50% kam Kirschbaum gegen Hannover auf 77%. Augenscheinlich war, dass wir auch nach langen Bällen in Ballbesitz geblieben sind. Denke, wenn er richtig im Kasten angekommen ist, kann dies unser Spiel schneller machen. Daher, Chapeau, Armin Veh, alles richtig gemacht!
Ob es Zufall ist, dass dieser Torwartwechsel unmittelbar nach der Demission von Fredi Bobic erfolgt, vermag ich nicht so recht zu glauben. Oft hatte ich den Interessenkonflikt angesprochen, in dem Fredi Bobic durch seine geschäftliche Verbandelung mit Jürgen Schwab, dem Berater von Sven Ulreich und Christian Gentner, steckte. Habe hinein interpretiert, dass womöglich Bobic, als Freundschaftsdienst sozusagen, diese beiden stets geschützt und zu Leadern im Team beschworen hat, um seinem Kumpel Schwab deren Marktwert nicht zu versauen. Dass es schon lang nicht mehr nach Leistung ging auf dem Wasen, sondern der spielte, der die mächtigsten Fürsprecher hatte – diese Mutmaßungen bekommen jetzt ganz neue Nahrung. Wurde erst Bobic zur heiligen Kuh hochstilisiert (“absolut der Mann unseres Vertrauens”), waren es zuletzt noch Kapitän Gentner und eben Sven Ulreich, der auch von der Kurve nach wie vor großen Zuspruch erfährt.
Dass die Entlassung von Bobic richtig und einem neuen Leistungsklima förderlich ist, davon bin ich überzeugt. Allein der Zeitpunkt ist Schwachsinn. Wenn man das Herumgeeiere unseres Vorstands und Aufsichtsrats auf der Pressekonferenz und in den Tagen danach so sieht, muss man den Transparenten in der Kurve vom Samstag Recht geben – die Vereinsspitze hat schlicht geschlafen und es laufen gelassen.
Wurde der Zeitpunkt des offenen Briefes des CC kritisiert, kann ich dieser Kritik Stand jetzt zustimmen. Man hätte nämlich damit schon im Mai auf die Barrikaden gehen und dem Vorstand und Aufsichtsrat die Aufarbeitung der Vorsaison abnehmen müssen, dann wäre uns womöglich dieser abermals schlechte Saisonstart erspart geblieben. Wie schon die Entlassung von Labbadia wurde die von Bobic zu lang aufgeschoben und gezaudert statt gehandelt.
Jetzt hoffe ich, dass das Tandem Schneider/ Veh die Geschicke einige Zeit leiten wird, bestenfalls bis zum Ende der Saison. Mitten in der Serie bekommt man einfach keinen vernünftigen Mann. Dieser nämlich würde aus Loyalität zum bisherigen Arbeitgeber nicht alles stehen und liegen lassen, um beim VfB den Dienst anzutreten. Kritisiert man auf der einen Seite Spieler für ein solches Vorgehen, verurteilt man bei Trainern diese Söldnermentalität wie damals Magath, der quasi übergangslos von Wolfsburg nach Schalke wechselte, sollte man einen Manager, der so agiert, von vornherein äußerst kritisch beäugen und seinen Charakter in Frage stellen. Wer das tut, bei dem kann man auch nicht sicher sein, ob er den VfB beim nächstbesseren Angebot nicht auch sofort wieder im Stich lassen würde.
Der VfB soll sich Zeit lassen damit und möglichst nach Heldt und Bobic nicht schon wieder ein Greenhorn in den Ring schicken. Natürlich hat man jetzt mit Veh einen Fachmann an der Linie, sogar mit Crashkurs als Manager in Wolfsburg, ansonsten aber fehlt es nach wie vor an sportlicher Kompetenz in Aufsichtsrat und Vorstand. Da sitzt zwar ein Hansi Müller, der jedoch genauso wenig wie alle anderen die Fehlentwicklungen der letzten Jahre verhindert hat. Die Herren kommen mir vor wie Grüßgott-Onkel, die die Vorzüge des Funktionär-Lebens genießen, sich jedoch nicht befähigt oder bemüßigt sehen, auch einmal ihr Veto-Recht einzusetzen. Für die Musik zuständig ist einzig und allein der Aufsichtsratsvorsitzende. War es früher Dieter Hundt, der scheinbar die Geschicke des Vereins lenkte, ist es jetzt Dr. Schmidt. So jedenfalls mein Eindruck von der Pressekonferenz. Der Aufsichtsrat per se hat Prüfungs- und Überwachungspflichten, die Geschäftsführung jedoch sollte dem Vorstand vorbehalten sein. Beim VfB scheint es andersherum zu sein. Der Aufsichtsrat bestellt lediglich Vorstände, mit denen er Hugoles treiben kann und nicht solche, die sich auch mal aus Überzeugung durchzusetzen vermögen. Bernd Wahler hat mich bisher sehr enttäuscht, sah ich in ihm anfangs doch die eierlegende Wollmilchsau. Als Adidas-Manager in Berührung gekommen mit sämtlichen relevanten Personengruppen im Bereich des Sports. Mit Sportmanagern, mit Sportlern, Trainern, Funktionären, Sponsoren und nicht zuletzt mit den Endkunden. Daher versprach ich mir gute Kontakte und eine gute Kommunikation sowie den Blick fürs gesamte Konstrukt. Dass er aber trotzdem Bobic weiter wursteln und den Verein nahe ans Verderben führen ließ, das kreide ich ihm an. Bobic war eben nicht nur der nette Junge aus dem Hallschlag, er war ein misstrauischer Sturkopf, der andere Auffassungen kaum gelten ließ und seine alten Seilschaften beim VfB neu aufleben ließ. Hatte nur zu „seinen“ Leuten Vertrauen und vergraulte alte Institutionen im Verein, die nach und nach das Weite suchten. Hier ist der Verein jetzt gefordert, die Uhr ein wenig auf 2010 zurückzudrehen, um zu kitten, was zu kitten ist.
Ob dieser Befreiungsschlag auf Vorstandsebene zur sportlichen Trendwende geführt hat, lässt sich zumindest nicht gänzlich ausschließen. Schon lang empfand ich die Nähe von Bobic zur Mannschaft einfach nur schädlich, schon lang vertrat ich die Auffassung, die Ansprache an die Mannschaft sollte einzig und allein dem Trainer vorbehalten sein. Ein Manager kann ein, zwei Mal die Saison eine Brandrede halten, wenn es die Situation erfordert, sollte sich aber ansonsten fein heraushalten. Ein Schlüssel des Klassenerhalts in der Vorsaison war doch auch, dass just als Huub Stevens das Zepter übernahm, Bobic die Spiele schön von der Tribüne aus verfolgen durfte.
Hat der VfB bereits in Dortmund mit der Hereinnahme von Gruezo zu einer neuen Stabilität gefunden, setzte sich diese gegen Hannover, immerhin als Tabellendritter angereist, nahtlos fort. Natürlich kann man sagen, Hannover hat ja gar nichts gemacht, um uns in Verlegenheit zu bringen. Andererseits, Köln hat ja auch nichts gemacht und Hoffenheim auch nicht. Bei diesen Heimniederlagen fehlte die Präsenz im Mittelfeld, die wir gegen Hannover hatten. Ballsichere Spieler wie Romeu, Gruezo und zuletzt auch Leitner tun unserem Spiel sichtlich gut. Die erneute Auswechslung von Gentner wiederum signalisiert, dass Veh durchaus auch bereit ist, an dieser Stellschraube noch zu drehen. Die letzten Jahre gehören aufgearbeitet und hinterfragt und dabei natürlich an vorderster Front diejenigen Spieler, die immer dabei waren. Dass Gentner kein Kapitän im eigentlichen Sinne ist, dürfte hinlänglich bekannt sein. Veh arbeitet an einer neuen Hierarchie, gespannt darf man sein, ob sich diese innerhalb des vorhandenen Kaders herauskristallisieren kann oder ob man im Winter nachkaufen muss. Mir fällt leider auch keiner ein, der das Kapitänsamt aufgrund seiner Persönlichkeit für sich beanspruchen könnte.
Von der derzeitigen Präsenz her sicherlich Gruezo oder Romeu, die allerdings der deutschen Sprache nicht mächtig sind und, wie Romeu, auch nur ausgeliehen sind. Wer mich in den letzten Wochen positiv überrascht, ist Antonio Rüdiger. Auch ich war einer, der ihn liebend gern für das viele gebotene Geld verkauft gesehen hätte, habe aber jetzt den Eindruck, dass er in Sachen Nationalelf Morgenluft wittert und seit seiner Anwesenheit im Kreis der Elitekicker als ein anderer Toni zurückkam. Seine Fehlerquote hat er minimiert und besticht durch körperliche Präsenz und Einsatzwillen. Wenn er so weiter macht, haben wir einen Top-Mann in unseren Reihen. Wie genau es im Kreise der Nationalmannschaft zugeht, weiß man als Außenstehender natürlich nicht. Aber, es ist ja kein Geheimnis, dass Löw und Bierhoff großes Interesse daran haben, dass sich Nationalspieler wie Nationalspieler benehmen und der Öffentlichkeit vor allem kein Futter für Negativberichterstattung liefern. Auf die Etikette kommt es an und gerade hier hatte ich bei Rüdiger große Defizite festgestellt. Wenn er als Persönlichkeit des öffentlichen Lebens daran arbeitet, sich seiner Verantwortung und seines Standings, aber natürlich auch seines großen Glücks Berufsfußballer zu sein bewusst wird, Autogrammwünsche in Gottes Namen als „dazu gehörend“ akzeptiert, ist bei ihm schon viel gewonnen. Bis vor kurzem habe ich ihn als arroganten Schnösel wahrgenommen und auch schon selbst so erlebt. Gerne aber beobachte ihn weiter und revidiere meine Meinung über ihn. Zuletzt hat mir sehr gut gefallen.
Nach dem Hannover-Spiel habe ich seit längerem mal wieder das Neckarstadion rundum zufrieden verlassen. Schönheitspreise erwarten wir ja schon lang nicht mehr. Der Dreier war eminent wichtig, sonst nichts. Ich hätte auch mit einem 0:0 leben können, wenn sich diese Chance zum Siegtreffer eben nicht geboten hätte. Hannover stand ja so tief, da ist es für jede Mannschaft schwer, durchzukommen, für den VfB im Jahr 2014 erst recht. So war es in erster Linie wichtig, selbst nichts zuzulassen, den Hannoveranern keine Möglichkeit zu bieten, ihrerseits das Tor zu machen. Die wollten den einen Punkt und hofften vielleicht insgeheim, dass wir den entscheidenden Fehler schon machen würden. Hoffenheims Trainer Gisdol hat schließlich vor Wochenfrist vorgeführt, wie dem VfB eigentlich immer beizukommen ist und auch keine Gelegenheit ausgelassen, dies der breiten Öffentlichkeit kundzutun. Daher ist es schon naheliegend, dass sich Korkut sicher war, im Neckarstadion mit der Hoffenheim-Taktik die drei Punkte entführen zu können. Weit gefehlt, es tut sich was beim VfB, was interessiert uns das Gegurke von vor einer Woche.
Der Rahmen an diesem ersten Wasen-Samstag passte zudem. Herrliches Frühherbstwetter und eine tolle Choreo in der Cannstatter Kurve nach dem Motto „Wenn die ganze Kurve tobt, schlägt mein Herz in weiß und rot“. Begleitet von unzähligen Spruchbändern verschiedenster Fanclubs und –organisationen, die den Zusammenhalt innerhalb der Kurve und seiner verschiedensten Gruppierungen zementierten. Man kann dem Verein ja tatsächlich vorwerfen, was auch naheliegt, sich dem tobenden Mob in der Kurve gebeugt zu haben. Vier Punkte später aber muss man tatsächlich konstatieren, dass der Zeitpunkt so falsch nicht gewesen sein kann und es ein Wachrüttler fünf vor zwölf gewesen ist.
Vor der Saison hatte ich uns die ersten fünf Spiel Zeit gegeben, gar prognostiziert, dass wir womöglich danach mit null Punkten dastehen könnten, und dann eben mit dem punkten angefangen werden muss. Ferner räumte ich ein, dass Veh nicht von heute auf morgen alles über den Haufen werfen könne und er Zeit benötige, den Bock umzustoßen. Das war natürlich auch in gewissem Maße Zweckoptimismus, einfach, weil hier nicht immer der Trainer schuld sein kann, und die Probleme tiefer sitzen. Zum anderen auch, weil ich den Typen Veh mag und er wirklich ein netter Mensch ist, wie ich im Zillertal und kürzlich auch auf dem Kabinenfest feststellen durfte. Eines der größten Probleme des Vereins wurde am Mittwoch eliminiert, die anderen in den Führungsgremien sollten tunlichst und unverzüglich angegangen werden. Sportlich darf’s jetzt gerne so weiter gehen.
Am Freitag in Berlin bietet sich die Gelegenheit nachzulegen. Freue mich wie die Sau auf das lange Wochenende. Am Freitag Hertha-VfB, Samstag dann St. Pauli-Union Berlin, Fußballerherz was willst Du mehr?
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20. September 2014
Fredi Bobic ist not amused über den offenen Brief des CC. Hätte mich auch gewundert, wenn es anders wäre, ist er doch die Kritikresistenz in Person. Natürlich kann man über den Zeitpunkt vor einem solch wichtigen Spiel streiten. Andererseits, wann ist der richtige Zeitpunkt? Der Verein hat während der Sommerpause seine Hausaufgaben nicht gemacht. Obwohl Wahler schon weit vor Ende der letzten Saison beteuert hat, „ein weiter so wird es nicht geben“, machen sie gerade so weiter.
Dann, finde ich, ist es auch das Recht der zahlenden Kundschaft Unmut zu äußern und, wenn es schon von innen nicht geschieht, von außen Zeichen zu setzen, dass man nicht weiterhin bereit ist, ohne größeres Murren Auftritte wie in Bochum, gegen Köln und in München einfach so hinzunehmen. Der Verein gehört wachgerüttelt, sonst gehen wir irgendwann in derer Selbstherrlichkeit und Selbstzufriedenheit unter. Man kann einfach nicht davon ausgehen, dass es ein zweites Mal gut geht. Die harte Hand von Stevens am Saisonende 13/14 war genau das, was dieses Sammelsurium an Einzelspielern braucht. Mit Hätscheln und Tätscheln oder wie Bobic gestern im Interview der STN zum Besten gab, „seine schützende Hand befände sich vor Mannschaft und Trainer“ ist es nicht getan. Die Jungs brauchen Feuer im Arsch um sie zum Laufen zu bringen und keinen Puder.
Gerade heute wäre es fatal, einen erneut blutleeren Auftritt hinzulegen. Gerade gegen den Emporkömmling von der Autobahnraststätte Kraichgau MUSS bis zum letzten Blutstropfen gekämpft werden und MUSS sich jeder konzentrieren und am Riemen reißen. Ich hoffe, Veh stellt diejenigen auf, die dem Druck noch am ehesten gewachsen sind und lässt die Heulsusen und Weicheier draußen. Sollten sich die unterirdischen Darbietungen heute fortsetzen, könnte es unschöne Szenen wie zuletzt 2009 geben.
Natürlich hat das CC durch den offenen Brief möglicherweise einige angestachelt, Grenzen zu überschreiten. Ich hoffe sehr, dass die Leute vernünftig bleiben. Gegen eine Protestkundgebung vor der Haupttribüne ist ja nichts einzuwenden, der Versuch diese zu stürmen oder dergleichen, bleibt hoffentlich aus und könnte vor allem kontraproduktiv sein!
Der Verein täte gut daran, die Leute endliche einmal ernst zu nehmen. Was, lieber Fredi Bobic, ist daran auszusetzen, vor dem vierten Spieltag ein Horrorszenario an die Wand zu malen? Es ist doch nur die Folge dessen, dass der Verein aus der letzten Saison nichts, aber auch gar nichts, gelernt hat. Für mich ist heute gefühlt nicht der vierte Spieltag sondern der 38. der Vorsaison.
Der Verein muss uns ernst nehmen und vor allem dankbar sein, dass wir das Neckarstadion nicht zu einem Geisterstadion (gut, sie können es auch mal probieren, die Pforten zu schließen, damit unsere Sensibelchen nicht nervös werden…) machen. Gut 30.000 treue Fans sind immer da und die haben verdammt nochmal ein Recht darauf, dass uns für das viele Geld, das sie uns Jahr für Jahr aus der Tasche ziehen, auch eine Mannschaft präsentiert wird, die bereit ist für ihre fürstliche Entlohnung alles zu geben und wir haben auch ein Recht auf eine sportliche Leitung, die eine Mannschaft zusammenstellt, in der die Mischung aus jungen, hungrigen Talenten und erfahrenen Haudegen, die Verantwortung übernehmen, stimmt. Nichts von alledem ist zu sehen. Mittlerweile kann man in fast jedes Stadion der Liga blicken, wo temporeicherer und leidenschaftlicherer Fußball gespielt wird, als bei uns. Unsere Spiele, zum Gähnen, und das schon seit Jahren.
Dann stellt sich der Herr Sportdirektor hin und erzählt, wie sie am Unterbau und den Strukturen arbeiten, und dass, wenn diese mal greifen, wir zukunftssicher aufgestellt seien. Bei anderen Vereinen läuft so etwas nebenher, ohne dem zahlenden Kunden jahrelang Grottenkicks darzubieten. Sähe man sich als Kunde und nicht als Fan, dessen Herzblut in diesem Verein (nicht bei den handelnden Personen!) steckt, würde man eben dann wiederkommen, wenn alles greift und man für sein Geld wieder eine Gegenleistung erwarten kann. Genau das machen nämlich die restlichen 30.000, die das Stadion voll machen könnten. Die kaufen sich sporadisch eine Karte (manche sagen schon vor dem Spiel „nie wieder“, nachdem sie mit dem Ticketing und den Verkaufskiosks kundenunfreundliche Erfahrungen machten) und kommen danach lang nicht mehr, weil es eben mit Fußball wenig zu tun hat, was sich da auf dem Rasen abspielt.
Wenn jetzt noch die Treuesten der Treuen zu Sündenböcken hochstilisiert werden ist das auch für mich der Tropfen, der das Fass zum überlaufen bringt. Das geht gar nicht, zumal die Pfiffe NACH dem Spiel gegen Köln bzw. NACH der Auswechslung von Ibisevic erfolgten. Während der Spiele erstarrt man allenfalls auf dem Platz in Anbetracht der frostigen Auftritte, gepfiffen wird da kaum. Meiner Meinung nach müssen das Profis, die „ihr Können“ vor zig tausend Menschen vorführen, auch aushalten können.
Als Fazit kann ich festhalten, dass ich es also richtig finde, ein Zeichen von außen zu setzen. Ich habe allerdings nach wie vor großes Vertrauen in Armin Veh, dass er das Gesicht der Mannschaft verändern wird und wir spätestens zur Rückrunde auch wieder besseren Fußball zu sehen bekommen. Ihm muss man die Zeit einräumen, erste mutige Zeichen wurden ja in München gesetzt, ich hoffe, er bleibt da knallhart. Diese „Mannschaft“, die seit Jahren den Brustring spazieren trägt, gehört auf mindestens 5-6 Positionen verändert.
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28. April 2013
Gestern war wieder einer dieser Tage bei dem ich ein deutliches Kribbeln verspürte. Das Hannover-Spiel, Sonntag 17.30 Uhr, hatte ich leider sausen lassen müssen, da es mit dem Job nicht vereinbar war. So war das letzte Auswärtsspiel schon wieder eine gefühlte Ewigkeit her. Es stand so etwas wie ein (schwäbisches) Derby an, wenn auch ein ganz junges. Gegen den FCA hatte der VfB noch nie verloren, weder in der Bundesliga noch in den 70er-Jahren in der 2. Liga Süd. Zugegebenermaßen lief man sich aber auch noch nicht allzu oft auf Augenhöhe über den Weg. Beim VfB gibt die Entwicklung der letzten Wochen durchaus Anlass zur Hoffnung auf bessere Zeiten. Seit dem Frankfurt-Spiel, als Arthur Boka erstmals als Sechser den in dieser Saison schwach agierenden William Kvist ersetzte, als Alexandru Maxim, damals Reservist, sich als Standardspezialist in die Stammelf spielte, ist spürbar eine Weiterentwicklung festzustellen. Seitdem ist so etwas wie Spielkultur zu erkennen und die Ergebnisse stimmen auch. Der Ausfall von Kapitän Serdar Tasci konnte durch Antonio Rüdiger gut kompensiert werden. Georg Niedermeier schwang sich zum Turm in der Schlacht auf, natürlich mittlerweile durch den Abgang von Maza wieder gestärkt und unumstrittene Stammkraft und Abwehrchef. Diese Entwicklung gab mir Anlass zur Hoffnung, dass sich das Team zum Saisonende hin weiter steigern kann, und womöglich noch Chancen auf die Qualifikation für die Europa League über die Liga schaffen kann. Dies könnte keine oder eine verkürzte Qualifikationsphase zur Europa League nach sich ziehen, als wenn wir als unterlegener Pokalfinalist teilnehmen würden.
Los ging es gestern gegen 10.30 Uhr mit dem RWS-Bus. Wir erreichten das Stadion schon sehr frühzeitig gegen 13 Uhr. Da es in Augsburg am Stadion, wie eigentlich rund um alle neuen „Arenen“, so gut wie nichts gibt, wo es sich aufzuhalten lohnen würde, entschloss ich mich noch in die Stadt zu fahren und Kumpels zu treffen, die zudem noch meine Eintrittskarte bei sich hatten. Ich machte mich also auf zur Tram-Station, wo allerdings gähnende Leere herrschte und es eine gefühlte Ewigkeit dauerte, bis die erste Bahn ankam. Als diese an mir vorbei fuhr, sah es aus, als ob die Leute teilweise „quer liegen“ würden, andere waren an die Scheiben gepresst, total überfüllt, ob dies den Sicherheitsauflagen entspricht, wage ich mal zu bezweifeln. Zunächst sah ich diese Überfüllung als Folge davon an, dass ewig keine Bahn gen Stadion fuhr und sicherlich an allen Haltestellen das Gedränge groß gewesen wäre. Als dann aber die Polizei auffuhr und sich zur Eskorte formierte, war mir schnell klar, dass hier das Commando Cannstatt und andere Insassen des Sonderzugs eintrafen. Ein Bekannter sprang mir schnell entgegen, der aufgrund der heißen Temperaturen in der Bahn glitschig wie ein Aal war.
Skandalöse Umstände wenn hier Fußballfans wie Vieh behandelt werden und diese bis zum geht nicht mehr in eine Straßenbahn gepresst werden. Dass der eine oder andere, aufgrund von Platzangst, von Erstickungsängsten, Hitzewallungen oder Geruchsbelästigungen mit Reaktionen wie Sachbeschädigungen oder Beleidigungen reagiert, kann ich nachvollziehen. Ich war auch schon mal, in Nürnberg, zur falschen Zeit am falschen Ort und wurde ebenfalls, wo ich nur auf eine Bahn wartete, aufgrund meiner VfB-Utensilien gegen meinen Willen in eine Bahn gepresst, woraufhin auch meine gute Laune verflogen war. Die ganzen Umstände, rund um eine Auswärtsfahrt, werden immer menschenunwürdiger, es scheint fast, als würde man seine Menschenrechte beim Verlassen der eigenen Stadt zurücklassen. Sei es, dass man gezwungen wird, in dieser einen Bahn mitzufahren, ob man möchte oder nicht, sei es auch dass Strafen ohne Verfahren und Ermittlungen verhängt werden, sei es, dass man sich von auswärtigen Ordnungsdiensten und –hütern alles gefallen lassen muss, weil sie doch „am längeren Hebel“ sitzen und man sich nach Widersetzungen gegen noch so irrsinnige Anweisungen des Ground verwiesen werden könnte und ein Verfahren, das ein Stadionverbot nach sich ziehen könnte, am Hals hätte. Also, gilt es Ruhe zu bewahren und alles in sich hinein zu fressen. Hier bin ich ehrlich gesagt froh schon ein gesetzteres Alter erreicht zu haben und ruhiger zu sein, als vor 20 Jahren. Damals war der Rebell in mir noch weitaus ausgeprägter als heute, wo ich es, wenn auch sehr zähneknirschend, einsehe, dass man bestimmte Dinge einfach nicht zum positiven ändern kann, so schwachsinnig sie sind, welch Schikane sie auch darstellen.
Den Tramfahrer konnte ich überreden, mit der Bahn in die Stadt zurück fahren zu dürfen, obwohl es eigentlich eine Leerfahrt hätte werden sollen und die Tram offensichtlich abgestellt und einer Grundreinigung unterzogen werden sollte. Aufgrund dieser Verzögerungen, war es leider schon 14.30 Uhr als ich im Brauhaus 1516 ankam, wo meine Kumpels bereits warteten. Viel Zeit war also nicht mehr, zumal sich der Weg vom Stadion in die Innenstadt als zeitaufwändiger als gedacht erwies. Kurz nach 15 Uhr entschlossen wir uns dann, eines derer Taxis zu nehmen, die scharenweise am Bahnhof auf Kundschaft warteten. Ich hatte die Hoffnung noch nicht gänzlich aufgegeben, rechtzeitig zum Intro auf den Rängen meinen Platz eingenommen zu haben. Der Taxifahrer machte uns allerdings wenig Hoffnung auf ein schnelles Ankommen, er fuhr diese Tour zum vierten Mal an diesem Tag und war spürbar genervt, von den Staus, die er schon hinter sich hatte. Also motivierten wir ihn, sein Bestes zu geben und auf die Tube zu drücken. Unser Kutscher, ein Kroate, tat sein Bestes, uns auf dem schnellsten Weg zum Stadion zu bringen. Wir hatten großes Glück, kein Stau weit und breit, wir wurden direkt vors Stadion gefahren, gerade einmal 20 Meter neben unserem Eingang. Die Einlasskontrolle war zu meiner großen Freude sehr relaxt, nicht einmal meine Kamera wollten sie sehen, was heutzutage leider nicht mehr selbstverständlich ist. Pünktlich zur Zelebration der Augsburger Mannschaftsaufstellung nahmen wir unsere Plätze ein. Beim Verlassen des Brauhauses hätte ich mir dies nie und nimmer vorstellen können.
Nachdem der VfB wieder einigermaßen in der Spur zu sein schien, gab Trainer Labbadia dem Kader (und sicherlich sich selbst auch!) drei Tage frei, um nach der englischen Woche mit dem Einzug ins Pokalfinale, die Köpfe frei zu bekommen und regenerieren zu können.
Gut, hinterher ist man immer schlauer, nach dem gestrigen Spiel kann man zu der Ansicht gelangen, dass die Jungs innerlich schon auf Urlaub getrimmt waren und vor allem das Spiel in Augsburg als unwichtig erachteten. Der VfB begann mit derselben Aufstellung wie beim letzten Spiel gegen Freiburg, dieselbe Einstellung jedoch fehlte von Beginn an. Dem FCA merkte man gleich an, dass sie um jeden Zentimeter fighten würden und sich mit Vehemenz gegen den drohen Abstieg stemmen würden. Der VfB dagegen begann wieder einmal viel zu abwartend und überließ dem Gegner die Initiative, was bei uns einfach selten erfolgversprechend ist. So ließen die ersten guten Chancen der Gastgeber nicht lange auf sich warten und die Brust wurde noch breiter. Breit genug war sie eigentlich sowieso schon, weil eine hervorragende Rückrunde hingelegt wird und zwei Wochen davor Eintracht Frankfurt aus dem Stadion gefegt wurde. Dies war dem VfB jedoch nicht Warnung genug, zu behäbig wurde zu Werke gegangen. Nach dem Spiel sind die Augsburger schon die viertbeste Rückrundenmannschaft, und weisen nach jämmerlichen neun Punkten in der Vorrunde, eine Bilanz auf, die aller Ehren wert ist.
Der Auftritt des VfB dagegen erinnerte eher an einen lustigen Betriebsausflug. Sie ließen sich den Schneid abkaufen und machten nicht den Eindruck, als würden sie es schaffen, die Spannung (bis zum Pokalfinale) hochzuhalten. Dies wäre eine Charakterfrage gewesen, offensichtlich ist dieser Charakter bei unserer Truppe jedoch nicht vorhanden, was wir allerdings schon vorher wussten, wenn man sich diese Saison re vu passieren lässt. Daher können wir wirklich froh sein, wenn die Saison zu Ende ist und wir nicht noch ernsthaft unten rein rutschen. Es kann uns ja theoretisch noch der Relegationsplatz drohen, auch wenn nicht unbedingt davon auszugehen ist, dass Augsburg bei den Bayern gewinnt. Von der notwendigen Grundspannung für den Ligabetrieb war gestern wenig zu spüren. Klar hatte der VfB die eine oder andere Chance und hätte kurz nach der Pause durch Martin Harnik in Führung gehen müssen. Klar hat Schiedsrichter Gräfe wieder einmal ein Spiel zerpfiffen. Wenn man aber ehrlich ist, war das Spiel nur deshalb bis weit in die zweite Hälfte offen, weil die Augsburger einmal mehr ein Problem mit der Chancenverwertung hatten. Bei einem Torschussverhältnis von 22:7 für einen Abstiegskandidaten kann man nicht wirklich von einer unglücklichen Niederlage reden.
In Augsburg waren einfach zu viele Spieler überfordert, dem Kampfgeist der Augsburger etwas entgegen zu setzen und luden sie schließlich durch haarsträubende Fehler zum Tore schießen ein. Angefangen bei Ulle, der (mindestens) am ersten Gegentor schuld war, Rüdiger, dieses Mal schwach, leitete das zweite ein, Okazaki, nach seiner Einwechslung nicht bundesligatauglich, schließlich verlor den Ball zum endgültigen Knockout. Harnik schon seit Monaten nur noch ein Schatten seiner selbst. Natürlich hat er die Messlatte letzte Saison hoch gelegt, so dass man von ihm mehr erwartet, als er in den letzten Monaten auf den Platz bringt. Er selbst sieht sich wohl schon in England und kokettiert immer wieder mit einem Wechsel auf die Insel. Gemessen am gestrigen Spiel ließe sich noch der eine oder andere ebenfalls aufführen.
Labbadia höchstpersönlich gab Mitte der zweiten Halbzeit dann noch das komplett falsche Signal, in der er die beiden einzigen Aktivposten Traore und Maxim auswechselte und sein Team damit unnötig schwächte.
Letztendlich war es viel zu wenig, was uns die Jungs geboten haben. Uns und natürlich auch den anderen Kandidaten im Abstiegskampf. Dass Hoffenheim durch unsere Niederlage auf dem Abstiegsplatz verbleibt, ist eine positive Begleiterscheinung, die wohl jeder VfB-Fan goutieren wird. Vereinen wie Werder Bremen und Fortuna Düsseldorf haben wir jedoch einen Bärendienst erwiesen. Die sind jetzt wieder mittendrin statt nur dabei im Abstiegskampf. Ich bin grundsätzlich weder Freund eines Auslaufenlassens am Ende der Saison, wenn es um nichts mehr geht, genauso wenig wie der eines übertriebenen Rotationsprinzips, wie es Bayern und Dortmund momentan an den Tag legen. Deren Qualität ist allerdings groß genug, ihre Spiele trotzdem zu gewinnen, so dass von Wettbewerbsverzerrung keine Rede aufkommen muss. Wenn aber ein VfB so leidenschaftslos daherkommt, zudem nach einer dem Vernehmen nach nicht (ausreichend) vorhandenen Vorbereitung, kann ich den Unmut der anderen Abstiegskandidaten verstehen, haben wir doch Augsburg zum Rekordsieg ihrer Bundesligazugehörigkeit verholfen. Andererseits bräuchte sich gerade Werder Bremen nicht darüber zu beklagen, hatten sie doch 2004 als feststehender Meister ein 2:6 zu Hause gegen Leverkusen, das mit uns um die CL-Qualifikation buhlte, hingelegt, ein Ergebnis, das zwei Wochen zuvor natürlich nie und nimmer zustande gekommen wäre. Am letzten Spieltag dann überholte uns Leverkusen schließlich im direkten Duell, dem letzten mit Felix Magath auf unserer Trainerbank, bevor er zu den Bayern wechselte. Wenn man sich die finanzielle Diskrepanz zwischen Champions League und dem damaligen UEFA-Cup anschaut, hat uns diese Abschenken der Bremer richtig Geld gekostet.
Spätestens seit damals ärgert es mich sehr, wenn sich Mannschaften, für die es um nichts mehr geht, einfach hängen lassen.
Beim VfB muss diese Saison nach dem Finale in Berlin gnadenlos aufgearbeitet und tunlichst vermieden werden, dieser Saison Schönes abzugewinnen, weil wir ins Finale eingezogen und für die Europa League qualifiziert sind. Zu gut meinte es die Losfee in beiden Wettbewerben mit uns, um dass man das Erreichen des Pokalfinales im DFB-Pokal bzw. des Achtelfinals in der Europa League überbewerten sollte. Der Alltag in der Bundesliga war trist, die Leistungen oft erschreckend schwach, sowohl spielerisch als auch vom Engagement her, dazu wurden einige sang- und klanglose Niederlagen hingenommen, die richtig weh taten.
Trotzdem soll dies die Vorfreude auf das große Finale in Berlin nicht schmälern. Wenn ich denn aus der Ticketlotterie erfolgreich herausgehen werde, wird es nach 1986, 1997 und 2007 mein viertes Finale mit dem VfB werden. Die Aussichten auf „meinen“ zweiten Pokalsieg nach 1997 sind sicherlich überschaubar, doch muss auch dieses Spiel erst einmal gespielt werden. Um den in dieser Saison übermächtigen Bayern ernsthaft Paroli bieten zu können, muss auf jeden Fall ein Sahnetag her. Es muss der gleiche Biss an den Tag gelegt werden wie gegen den BVB vor ein paar Wochen, auch wenn es den großen Bayern weh tun sollte. Legt man eine Passivität an den Tag wie in beiden bisherigen Saisonduellen gegen die Bayern oder wie auch gestern, dann werden wir wohl einer historischen Schmach beiwohnen müssen. Bis dahin jedoch ist es noch ein weiter Weg. Einiges dürfte auch vom Abschneiden der Bayern in der Champions League abhängen. Nach einer Final-Niederlage in Wembley gegen den BVB könnten unsere Chancen sprunghaft ansteigen, weil dann bei dem einen oder anderen Bayern-Spieler die große Leere aufkommen dürfte. Auch wird man bis dahin sehen, ob es der VfB schafft, die Spannung hochzuhalten. Der VfB hat nach dem letzten Spieltag zwei Wochen Zeit, sich auf Berlin vorzubereiten. Ich hoffe, sie nutzen diese Zeit, um zu trainieren, trainieren, trainieren. Freie Tage scheinen das falsche Signal ans Team zu sein!
Wenn man sich die Namen vor Augen führt, die beim VfB schon so gut wie fix sein sollen für die kommende Saison, macht es mir durchaus Hoffnung, dass die mageren Jahre vorbei sein könnten. Leute wie Schwaab, Rausch, Leitner und Lasogga haben zum Teil schon das Zeug dazu, die Qualität anzuheben und den Konkurrenzkampf auf einem höheren Niveau anzuheben. Spannend würde dann werden, wer uns im Gegenzug verlassen wird. Allerdings hege ich immer große Zweifel, wenn ich höre, an wem Interesse bestehen würde, jedoch noch kein Vertrag unterzeichnet ist. Dieser Status ruft bekanntlich andere Vereine auf den Plan, die ein paar Euro fuffzig mehr bieten können und die Spieler zum „umdenken“ bewegen könnten.
Wenigstens ist Sararer bereits fix. Aus dem Frankenland, von Leuten, die den Spieler besser kennen als ich, wurde mir bereits zu diesem Transfer gratuliert und in Aussicht gestellt, dass wir uns auf ihn freuen dürften.
Für mich war das Augsburg-Spiel das letzte Auswärtsspiel des VfB in dieser Saison, Schalke lasse ich aus, da wir sonntags am Millerntor beim Spiel FC St. Pauli (mit Paddy Funk) gegen das seit diesem Wochenende als Aufsteiger feststehenden Eintracht Braunschweig (Glückwunsch Ermin Bičakčić!) zu Gast sein werden. Ich war lange am überlegen, samstags noch Schalke mitzunehmen und von dort aus nach Hamburg zu fahren. Das wäre insgesamt jedoch ziemlich stressig geworden. Außerdem ist in Hamburg an besagtem Wochenende auch einiges, wie u. a. der Hafengeburtstag geboten und zählt auch die Turnhalle nicht unbedingt zu meinen Lieblingsstadien. Angesichts der Leistung von gestern hält sich meine Enttäuschung heute auch in Grenzen, mich so entschieden zu haben.
Auch danach warten noch einige Highlights, auf die ich mich freue, wie die inzwischen schon traditionelle Floßtour mit dem OFC Leintalpower 05 vor dem letzten Heimspiel, dem Champions League Finale in London, wofür ich in der Verlosung endlich einmal erfolgreich war und schließlich das DFB-Pokalfinale in Berlin.
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11. November 2012
„Stuttgart international, kann man nur besoffen sehn“, ein inzwischen geflügeltes Wort unter den Fans, die den VfB öfter auch über die Landesgrenzen hinaus begleiten. Eine Floskel, die durchaus wiedergibt, welch unnötige Niederlagen im Gepäck gegen nicht unbedingt als stärker einzuschätzende Teams man des Öfteren eingesteckt hat, wenn es wieder auf die Heimreise geht. „Stuttgart international, kann man nur besoffen sehn“ kommt einem auch wieder in den Sinn, wenn man sich die Gruppengegner bewusst macht, und dass man gegen diese nach drei Spielen gerade mal zwei läppische Pünktchen auf der Haben-Seite hat. Noch bei der Auslosung sagte fast jeder, gut, die Gegner nicht besonders attraktiv, dafür ist das Weiterkommen kein Problem. Fahren wir eben in der nächsten Runde nach Liverpool oder Mailand….
Die Auswärtstouren an sich wollen ja frühzeitig, bestenfalls direkt nach der Auslosung, gebucht werden, da man schon am Tag der Auslosung stündlich beobachten kann, wie die Preise bei den Flugsuchmaschinen in die Höhe schnellen. Nachdem Molde bei mir leider zeitlich nicht hinhaute, entschied ich mich dafür, dann wenigstens Kopenhagen und Bukarest einzutüten. Lange musste ich also warten, auf die erste Auswärtstour nach Lissabon im Februar 2011. Meine größte Sorge war, dass nach dem Spiel in Kopenhagen in der Gruppe schon alles vorbei sein könnte und wir nur noch zum „Betriebsausflug“ ohne sportlichen Anreiz nach Bukarest reisen würden.
Doch, wie es auch für das Team gilt, sollte man zunächst den ersten Schritt bewältigen, bevor man an den zweiten denkt. Also ging es für uns am Mittwoch erst einmal in die dänische Hauptstadt. Ich freute mich wie ein kleines Kind darauf, endlich wieder international unsere Farben in die Welt hinaus zu tragen und darauf, mit etwa 2.500 Gleichgesinnten, die dänische Hauptstadt in ein weiß-rotes Meer zu tauchen. Wir buchten einen Flug ab Stuttgart, mit Umstieg in Amsterdam bei der Königlich Niederländischen Fluggesellschaft KLM. Der Rest unserer Clique nahm einen Direktflug vom Euroairport Basel-Mulhouse-Fribourg. Uns war dieser Weg zum Flug dieses Mal zu weit, flogen wir doch bereits nach Barcelona und Lissabon von diesem Airport ab und steckten auf der Rückfahrt jeweils freitags stundenlang im Wochenend- und Feierabendverkehr auf der A5 und A8 fest. So fanden wir uns am Mittwoch pünktlich gegen 13.45 Uhr am Boarding-Gate ein, um zu erfahren, dass der Flug aus Amsterdam erst gut zwei Stunden später als geplant eintreffen würde. Wie es dann weiter gehen würde, würden wir erst in Amsterdam erfahren, das konnte, wollte oder durfte uns das Stuttgarter Bodenpersonal nicht sagen. Für den ungeplanten, längeren Aufenthalt in Stuttgart erhielten wir jeweils einen 5-Euro-Gutschein, mit dem man bei den Preisen dort oben nicht weit kommt, blätterte ich doch schon für eine halbe Bier 5,70 € hin. Eine weitere Verzögerung in Stuttgart blieb uns erspart. In Amsterdam angekommen, machten wir uns am riesigen Amsterdamer Flughafen Schiphol auf den Weg, einen KLM-Schalter zu finden, leider erfolglos. Auf Nachfrage wurden wir zu Automaten gelotst, an denen wir erfuhren, dass wir auf den Flug um 20.55 Uhr umgebucht wurden. Neben dem Flugticket bekamen wir dort noch einen 10-Euro-Verzehrgutschein, einen 50 Euro-KLM-Fluggutschein sowie einen Voucher für eine niederländische Telefonkarte mit ausgedruckt, den wir am Flughafen hätten einlösen können. Da aber überall freies WLAN vorhanden war und wir niemanden groß zu informieren hatten, verzichteten wir darauf, diesen einzulösen. Bei den Preisen am Flughafen waren auch die 10 Euro nicht unbedingt das wert, was wir „draußen“ dafür bekommen hätten, aber immerhin. Wir „gönnten“ uns auf Kosten von KLM ein Menü beim dortigen Burger King und kamen wenigstens nicht hungrig in Dänemark an. Später erfuhr ich dann, dass der Rest unserer Truppe unweit des Hotels in Kopenhagen ein indisches Buffet zu sich nahm, was es mich auf einmal positiv sehen ließ, dass wir beim Burger King noch „gewohnte“ Kost zu uns nehmen konnten. Statt um 18.15 Uhr sollten wir knapp vier Stunden später als geplant in Kopenhagen eintreffen. Den Weg zum Hotel hatte ich bereits zu Hause verinnerlicht, so dass wir am Kopenhagener Airport Kastrup schnurstracks in Richtung Bahnhof liefen und von dort die etwa 10-minütige Fahrt zum Hauptbahnhof antraten. Dank Google Streetview liefen wir bereits im Hauptbahnhof in die richtige Richtung, so dass wir bereits knapp 45 Minuten nach der Landung im Copenhagen Crown Hotel einchecken konnten. Wenn man in einer großen Gruppe unterwegs ist und diese möglichst alle im selben Hotel untergebracht sein wollen, muss man sicherlich den ein- oder anderen Abstrich machen. So auch bei diesem Hotel, das für dänische Verhältnisse günstig war und zentral gelegen ist, Stichwort „kurze Wege“. Die sanitären Einrichtungen jedoch waren stark renovierungsbedürftig und nicht wirklich sauber. Das Frühstück sehr spartanisch und der Kaffee für mich ungenießbar. Als Kaffeejunkie, der einfach nicht in die Gänge kommt, wenn er morgens keinen gescheiten Kaffee bekommt, ein No-Go. Daher ließ ich am zweiten Tag das Frühstück komplett ausfallen und lief lieber in Richtung des Bahnhofs, um in einem Cafe meiner Sucht zu frönen.
Nach kurzem Check-In und frisch machen machten wir uns umgehend auf den Weg, die anderen zu suchen. Kaum aus dem Hotel raus kam uns schon ein Pärchen entgegen, die uns sagten, wo „ungefähr“ sich die anderen aufhalten würden. Die fanden wir dann auch, keine 200 Meter vom Hotel entfernt. Schnell merkten wir, dieser Anreisetag hatte dem Rest der Truppe Tribut abverlangt. Die Verluste waren riesig, saß doch gerade noch ein Haufen von fünf Leuten zusammen, alle anderen hatten sich mehr oder weniger heftig und zu früh abgeschossen oder waren einfach müde. Wir kamen eigentlich recht fit und vor allem durstig an, starteten wir doch noch recht spät und gemütlich in diesen Anreisetag. Auch die Wartezeit an beiden Flughäfen hat mich weniger geschlaucht oder geärgert, ändern konnte man es ja sowieso nicht, also nutzte auch alles herum lamentieren nichts, zumal wir ja noch am Tag vor dem Spiel ankamen. Wir freuten uns jedenfalls über die bekannten Gesichter und hatten in einem netten Pub auch noch einen schönen Restabend.
Am nächsten Morgen nach dem unbefriedigenden Frühstück hatte es ein Teil unserer Truppe eilig und konnte nicht warten, bis die letzten fertig waren, so dass diese bereits die Stadtbesichtigung in Angriff nahmen, während wir noch warteten und kurz darauf im, Gott sei Dank, kleinen Kreis aufbrachen. Gott sei Dank deshalb, weil ich es eher gemütlich haben wollte und noch irgendwo einen gescheiten Kaffee benötigte, anstatt dem „Reiseleiter“ ohne Rast und ohne Ziel hinterher zu hecheln. Trotz leichten Nieselregens entschieden wir uns, zum späteren Fantreffpunkt, Nyhavn, zu gehen und nicht, wie die Anderen, den Bus zu nehmen und marschierten also in Richtung Wasser. Kopenhagen-Erfahrene haben nicht zu Unrecht von der dänischen Metropole geschwärmt, es gibt schon sehr nette und urige Ecken in der mit vielen Wasserwegen gespickten Stadt. Zu einer anderen Jahreszeit ist es sicher noch prickelnder, um einen bleibenden Eindruck zu gewinnen, genügte aber auch dieser eine Tag. Am Nyhavn-Gebiet angekommen, sahen wir schon zur Mittagszeit einige VfBler, schließlich sind die Busse auch inzwischen eingetroffen. In einem Pasta-Schnellimbiss aßen wir noch kurz etwas, man weiß ja an Spieltagen nie, ob es nach dem Spiel noch etwas geben würde. Außerdem sah ich in diesem Laden ein Segafredo-Emblem, was für guten Kaffee sprach. Nachdem ich endlich etwas Vernünftiges im Magen hatte und zudem der Kopf langsam fit wurde, war die Zeit gekommen, sich fürs Spiel einzustimmen und das ein oder andere Bierchen zu trinken. Einige unserer Bekannten trafen wir dort auch gleich wieder, der Rest war noch mit der Stadtbesichtigung zugange. Dass die Preise skandinavisch hoch sein würden, darauf waren wir gefasst. Eine halbe Bier für etwa 7 Euro, schon happig. Ich allerdings sehe den Trip im Gesamtpaket mit Bukarest, wo wir sicherlich wieder einiges einsparen werden. So verweilten wir einige Zeit in einer netten Seemannskneipe. Wir nahmen morgens schon alles mit, was wir für den Stadionbesuch benötigen würden, die Anderen mussten noch einmal zurück zum Hotel. So waren wir kurzzeitig nur noch zu dritt und gingen nach draußen, wo sich die Straße zunehmend mit VfBlern gefüllt hatte und wo wir jede Menge bekannte Gesichter trafen und den einen oder anderen Smalltalk hielten. Unter Anderen sprach ich auch mit unserem Fanbetreuer Christian Schmidt sowie unserem Stadionsprecher und vfbtv-Gesicht Holger Laser, die beide mit der Mannschaft anreisten. Ich erkundigte mich natürlich sofort, wie die Jungs drauf sein würden und welchen Eindruck sie sonst machen würden. Mir wurde versichert, das Team wäre voll fokussiert darauf, aus Kopenhagen etwas mitzunehmen und dass der Trainer auch nicht in Erwägung ziehe, nicht mit der bestmöglichen Mannschaft aufzulaufen. Außerdem wäre es eine ungeheure Motivation für sie, dass sie von so vielen Brustringträgern begleitet werden würden. Diese Aussagen gingen natürlich runter wie Öl und machten mir erstmals Hoffnung an diesem Tag, dass das Team die diesjährige Europa League nicht sang- und klanglos abschenken würde, um sich nur noch auf Pokal und Bundesliga zu konzentrieren. An diesem Fantreffpunkt fielen mir aber auch Jungs auf, die ich noch nie gesehen hätte und welche, die man zwar kennt, auf deren Anwesenheit man bei Auswärtsspielen aber lieber verzichten würde. Polizeipräsenz war auch vorhanden, jedoch waren es die wahren Freunde und Helfer, die einem Infoflyer in die Hand drückten und für das eine oder andere Erinnerungsfoto zur Verfügung standen.
Je mehr sich der Platz füllte, desto mehr hatte man den Eindruck, die Bierpreise würden steigen, kostete doch ein Fläschchen Tuborg auf der Straße schon so viel, wie zuvor eine Halbe in der Kneipe. Zu dritt entschlossen wir uns dann, schon einmal in Richtung des Stadions zu laufen, in der Hoffnung, ferner ab des großen Trubels noch eine Kneipe mit moderateren Preisen zu finden. Tatsächlich fanden wir nach längerem Marsch eine nette Kneipe und kehrten noch einmal ein. Ich stürmte nach dem langen Weg erst einmal in die Toilette, nicht ohne die beiden Anderen zu beauftragen, mir eine Halbe mitzubestellen. Als ich zurück kam, bekam ich jedoch zu hören, sie hätten mir nichts mitbestellt, hier wäre das reinste Bierparadies, was sich beim Blick in die Karte auch bestätigte. Meine Leib- und Hausmarke, Franziskaner Weißbier, mitten in Kopenhagen, dazu bestimmt weitere 50 Sorten international bekannter Biermarken. Da ließ ich mich natürlich nicht zwei Mal bitten. Preislich in etwa so, wie wir zuvor auch schon bezahlt hatten, ging also… Dass wir den richtigen Weg eingeschlagen hatten, bemerkten wir, als wir hörten, dass die Karawane der VfB-Fans lautstark, durch Gesänge, aber auch durch Kanonenschläge, unweit von unserem Lokal vorbei zog. Drei Franzis später liefen wir dann den Spuren, die die Karawane hinterlassen hatte, hinterher und kamen, nach viel längerem Fußweg als gedacht, erst gut eine halbe Stunde vor Spielbeginn recht geplättet am Stadion Parken an.
Nach der Pyro-Einlage in Molde und nach der Erkenntnis von der Karawane, dass auch dieses Mal reichlich Munition vorhanden sein würde, rechnete ich eigentlich mit strengen Einlasskontrollen und machte mir ernsthaft Sorgen, ob wir rechtzeitig Einlass finden würden. Diese Sorge aber war unbegründet. Es befand sich zwar eine lange Schlange vor dem Eingang unseres Blockes D2, die Kontrollen waren aber vergleichsweise lasch, so dass sich kaum einer eine länger als 10 Sekunden andauernde Abtastprozedur unterziehen musste.
Nachdem ich an den Verpflegungsständen weitere Bekannte traf, ging es hinein in ein wirklich schmuckes Stadion, ein neuer Ground, sogar ein neuer Länderpunkt, wie die Groundhopper, zu denen ich nicht zu zählen bin, zu sagen pflegen. Dafür bin ich noch zu wenig und vor allem bei zu wenig Spielen ohne VfB-Beteiligung unterwegs. Dennoch freue ich mich jedes Mal tierisch darauf, wenn es in ein Stadion geht, in dem ich noch nicht war. Der Block war erwartungsgemäß bereits gut gefüllt. Aus Macht der Gewohnheit suchte ich zunächst die auf meiner Karte aufgedruckte Reihe 13 auf, um schnell festzustellen, dass es trotz der bei internationalen Spielen obligatorischen Sitzplätze, freie Platzwahl gibt und die vorderen Reihen dem Commando Cannstatt vorbehalten sind. Dennoch, wie es der Zufall so will, standen just in dieser Reihe direkt an der Treppe weitere Freunde von mir. Nach einem kurzen Plausch schaute ich rundherum, und sah ganz oben im Block die Arme von Anita wedeln und dass sich dort die Anderen, die wir teilweise seit dem Frühstück nicht mehr gesehen hatten, versammelt hatten. Also ging ich auch dort hoch und holte zum ersten Mal meine Kamera heraus, um einmal rundherum zu knipsen. Dass die Gastgeber eine Choreo geplant hatten, sah ich bereits an den auf Kopenhagener- und Gegentribüne an den Plätzen ausgelegten Tafeln. Die Spieler beider Mannschaften waren sich bereits eifrig am Aufwärmen und gingen kurze Zeit später schon zurück in die Katakomben, für eine letzte Konzentrationsphase und um die letzten Anweisungen der Trainer in Empfang zu nehmen.
Den Einlauf der Mannschaften verpasste ich, weil ich damit beschäftigt war, die Choreographie der dänischen Fans über zwei Tribünen zu fotografieren. Nachdem die VfBler, wie in den letzten Spielen auch, zu einem letzten Einschwören einen Kreis bildeten ging es auch gleich los.
Meine Erwartungen an das VfB-Team waren die, dass sie sofort untermauern sollten, dass hier unbedingt gewonnen werden muss. Trainer Labbadia unterstrich dieses Vorhaben, indem er anstelle vom zuletzt starken Spielmacher Raphael Holzhauser Shinji Okazaki als zweite Sturmspitze aufbot. Ansonsten spielte noch Molinaro für Boka im Vergleich zum Auftritt in Dortmund. Der Beginn des Spiels spiegelte meine Erwartungen leider noch nicht wider. Anstelle des VfB übernahmen zunächst die Dänen das Kommando und kamen zu ersten zaghaften Torannäherungen. Dass Fußball ein einfaches Spiel ist, zeigt sich immer wieder, wenn man international auf eigentlich limitiertere Teams trifft, die es schaffen, dem VfB durch eine solide Grundordnung den Zahn zu ziehen. Nach einer Viertelstunde hatten die Dänen die erst Großchance des Spiels, als sich Gentner und Tasci nicht einig waren, doch der seit Wochen solide spielende Sven Ulreich parierte glänzend. Auch nach gut 35 Minuten hatte der VfB bis auf zwei, drei zaghafte Torannäherungen nichts Nennenswertes zustande gebracht. Harmlos, wenig kreativ, nicht zielstrebig genug, Ballverluste im Spielaufbau und wenn mal freie Schussbahn war, kamen Schüsschen heraus, über die auch ein Kreisliga-B-Keeper nur milde gelächelt hätte.
Action gab es dann (leider) auf den Rängen anstatt auf dem Spielfeld. Angefangen hat es relativ harmlos mit einer Pyroshow. Als Stadionfotograf liebe ich solche Bilder und bin auch bei denen, die eine Legalisierung des kontrollierten Abbrennens fordern. Es macht die Stadionatmosphäre noch bunter und lebhafter und ist ein Stilmittel der Fankultur, wenn verantwortungsvoll damit umgegangen wird. Nichts anderes fordern ja die Ultravertreter. Ich für meinen Teil fühle mich beim Stadionbesuch nach wie vor sicher und muss ja nicht mittendrin stehen, wenn ich Ängste hegen sollte, mich könnte so ein Teil verletzen. Was aber überhaupt nicht geht sind die danach abgefeuerten Feuerwerkskörper und das zünden von Böllern. Ein jeder wird es an Silvester schon einmal erlebt habe, welch Ohrensausen, bis hin zum Knalltrauma, ein in unmittelbarer Nähe abgefeuerter Böller verursachen kann. Trauriger Höhepunkt waren dann aber die Feuerwerksraketen, die vom Stadiondach abprallten und aufs Spielfeld fielen. Nicht auszudenken, wenn jemand davon getroffen worden wäre und Verbrennungen davon getragen hätte. In diesem Moment schämt man sich einfach nur noch für eine kleine Gruppe Unverbesserlicher, die unsere Stadt, unseren Verein, unser Wappen zutiefst beschädigen und in den Dreck ziehen. Ich hoffe sehr, dass die Verantwortlichen identifiziert und zur Rechenschaft gezogen werden können. Lange musste man mit einem Spielabbruch rechnen, dazu kam es Gott sei Dank nicht. Dass dem VfB die Punkte am grünen Tisch entzogen werde könnten, diese Befürchtung hege ich nicht. Nach meinem Kenntnisstand sind wir international nicht vorbestraft. Den VfB wird voraussichtlich eine hohe Geldstrafe und uns Fans womöglich in Bukarest strengere Einlasskontrollen und sonstige Restriktionen drohen. Das Commando Cannstatt hat sich inzwischen klar und deutlich von den Raketen- und Böllerabschüssen in Richtung Rasen distanziert und verwies auf den von der Ultra-Szene auferlegten Ehrenkodex, eben keine brennenden Gegenstände aufs Spielfeld zu werfen bzw. schießen und keine Böller zu zünden. Laut einiger Zeugenberichte besteht der Verdacht, dass diese Gegenstände überhaupt nicht von VfBlern sondern möglicherweise von Lauterer und Cottbusser „Fans“ geworfen wurden, die eine „Freundschaft“ zu Stuttgarter Althools hegen und mit denen im Stadion zugegen waren. Solche Gruppen sind meist auf der großen internationalen Bühne anzutreffen, so z. B. auch letztes Jahr beim EM-Qualifikations-Spiel Österreich-Deutschland in Wien. Ob dies damit zusammenhängt, dass einige derer in Deutschland Stadionverbot haben oder ob es darum geht im Ausland einen auf dicke Hose zu machen, weiß ich nicht, da ich in solchen Kreisen nicht verkehre. Fakt ist aber auch, dass sie die Karten durch beim VfB registrierte Fans erhalten haben müssen. Diese müssen sich fragen lassen, ob ihnen der VfB tatsächlich am Herzen hängt.
Die Aussagen dazu nach dem Spiel von Manager Bobic und Präsident Mäuser machen mir Hoffnung, dass bereits zu diesem frühen Zeitpunkt nach der Tat die Aufklärungsarbeit weit voran geschritten sein könnte, da beide sehr wohl zu differenzieren wussten und nicht auf „DIE Fans“ eingedroschen haben. Irritiert hat mich lediglich die Aussage von Mäuser, die dem Fanausschuss für den Fall ausbleibender Randale zugesicherten 15.000 Euro „hätten sie verspielt“. Vermutlich war es eine Gruppe von etwa 25 Leuten, also 1% der VfB-Anhänger, die das Image zutiefst beschädigten. Alle anderen, wirklich alle, gaben ein großartiges Bild in der dänischen Hauptstadt ab. Ich bin gottfroh, dass auch bei diesen Vorfällen die dänischen Ordnungs- und Sicherheitskräfte kühlen Kopf bewahrten und nicht planlos den Block gestürmt haben. Großen Respekt für diese Besonnenheit.
Ich habe mich unheimlich geschämt in diesen Momenten, weil mir sofort klar war, dass es, egal wie das Spiel ausgehen würde, diese Bilder sein würden, die in die Welt transportiert werden. Und das zur Unzeit. Wasser auf die Mühlen derer, die Käfighaltung für Fans fordern und möglichst alles abschaffen möchten, was den Stadionbesuch so einzigartig macht. Absolut kontraproduktiv für die Debatten um den Erhalt der Fankultur. Und das Traurige daran ist, dass sich diejenigen, die darum kämpfen, nicht einmal an die eigene Nase fassen müssen, sondern, offensichtlich, von Leuten konterkariert werden, denen es ausschließlich um die „3. Halbzeit“ geht. Bin immer noch stinksauer.
Danach war an ein ordentliches Fußballspiel kaum mehr zu denken. Wir schämten uns ob der Vorfälle und diskutierten, ob der Ausgang des Spiels womöglich letztendlich egal sein würde, weil uns ein möglicher Sieg sowieso wieder aberkannt werden könnte. Ich war in dieser Hinsicht weniger skeptisch als einige Bekannte, da beim VfB doch relativ wenig passiert. Wenn die UEFA solch harte Geschütze auffahren würde, müssten wahrscheinlich in jeder Runde Spiele am grünen Tisch umentschieden werden. Klar ist aber auch, dass so etwas nie mehr vorkommen sollte, um die UEFA nicht weiter herauszufordern. Rapid Wien hatte nach mehreren Verfehlungen seiner Fans anfangs dieser Saison ein Geisterspiel auszutragen. Wie gesagt, ich hoffe, Zeugenaussagen tragen dazu bei, die Täter ausfindig zu machen, dass diese zur Rechenschaft gezogen und zur Kasse gebeten werden können. Wie von mehreren Seiten kommuniziert, wird am Montag der Fanausschuss turnusgemäß zusammen kommen und auch (natürlich) über diese Vorfälle beraten. Hoffentlich wird der interessierten Öffentlichkeit das Ergebnis der Zusammenkunft nicht vorenthalten.
Das Spiel fand dann irgendwann doch seine Fortsetzung. Der für mich erste ernsthafte Torschuss stellte eine Kopfballchance von Okazaki in der Schlussminute der ersten Halbzeit dar. Eindeutig zu wenig in einem Spiel, das unbedingt gewonnen werden muss.
Nach Presseberichten sollen die Böllerwerfer in der Halbzeit schon das Weite gesucht haben, soviel dazu, wie viel diesen Feiglingen das Geschehen auf dem Rasen wert war.
Nach Wiederbeginn auf dem Platz das unveränderte Bild. Kaum zwingende Aktionen, beide Teams neutralisierten sich weitestgehend. Nach 65 Minuten, also bereits 155 gespielten Minuten beider Mannschaften stand noch immer auf beiden Seiten die Null, als Labbadia Boka für den dieses Mal wirkungslosen Traoré brachte. Ein Wechsel, den ich erst einmal überhaupt nicht mitbekam, wurde doch auf den Rängen weiter heftig diskutiert.
Schon bald aber erkannte ich unseren kleinen Ivorer auf dem Platz, da über dessen linke Seite auf einmal merklich mehr lief. Boka war unheimlich präsent, zog auch in die Mitte und versuchte zum Torabschluss zu kommen. Ihm war deutlich anzumerken, dass er sich etwas vorgenommen hatte. So war es schließlich kein Zufall, dass er es war, der knapp eine Viertelstunde nach seiner Einwechslung punktgenau auf unseren Knipser Vedad Ibisevic flankte und dieser per Kopf zum 0:1 traf. Ein Tor, an das ich fast nicht mehr zu glauben wagte. Kurz zuvor stieg noch einmal Rauch aus dem Ultrablock auf. Hier denke ich, haben sich die Jungs selbst diszipliniert, und den Bengalo vorsichtshalber gleich wieder gelöscht haben, um nicht weiteren Ärger zu provozieren. Bravo, wenn die Selbstreinigung soweit funktioniert.
Kurz vor Spielende erlöste uns unser Ösi Martin Harnik, als er von seiner rechten Seite nach innen zog und sehenswert ins lange Eck schlenzte. 0:2, der so sehr ersehnte erste Sieg in der Europa League war unter Dach und Fach. Dieser Sieg spült uns in der Tabelle auf den zweiten Platz, was uns wieder alle Möglichkeiten eröffnet. Selbst der Gruppensieg ist jetzt noch drin, wenn in Bukarest gewonnen werden sollte. Der Mannschaft war es nach den Vorkommnissen und der aufgeheizten Atmosphäre (auch die Dänen ließen sich anstecken und warfen Feuerzeuge in Richtung Sven Ulreich) nicht nach großer Party vor der VfB-Kurve, wofür ich an diesem Tag vollstes Verständnis hatte. Die Spieler liefen kurz an uns vorbei und klatschten uns zu, danach verschwanden sie im Bauch des Stadions. Einzig der Ex-Kopenhagener William Kvist war ein gefragter Gesprächspartner und eilte von Kamerateam zu Kamerateam. Alles in allem also ein erfolgreicher Abend mit einem VfB, der zumindest vom Ergebnis her, den Aufwärtstrend unterstrich.
Sehr überrascht war ich dann, dass die im Flyer vorher angekündigte „mögliche“ Blocksperre nicht angewandt wurde und wir sofort das Stadion verlassen durften. Auch hier Kompliment an die Dänen, sowohl Fans als auch Sicherheitskräfte, die trotz der Vorfälle, genau so liberal, freundlich und hilfsbereit waren wie zuvor. Kein böses Wort, kein Gepöbele, auch hier noch einmal Respekt von meiner Seite. Wir wollten dann auf schnellstem Weg in die Stadt zurück, möglichst nicht mehr viel laufen und nahmen, nachdem auch in einer gefühlten Ewigkeit kein Bus kam, ein Taxi und fuhren direkt zu Streckers – Vesterbro Bryghus in der Nähe des Tivoli und des Hauptbahnhofs, wo bereits einige andere unserer Clique auf uns warteten. Dort verbrachten wir noch einen netten Abend, und trafen weitere Bekannte, die die Nacht noch in der Stadt verbrachten, was mich sehr freute.
Am Freitag ging es dann wieder zurück, drei Punkte im Gepäck und die Erkenntnis, dass einige wenige Idioten, die mit dem VfB rein überhaupt nichts am Hut haben (dazu zähle ich auch die, die denen die Karten besorgt haben!), einem einen solchen Trip vermiesen oder zumindest ein bitteres Gschmäckle verpassen können.
Jetzt bin ich froh, dass mein Bericht Sonntag um die Mittagszeit fertig geworden ist. Rechtzeitig noch, um ab sofort die Vorbereitungen für das Hannover-Spiel aufnehmen und mich frühzeitig bei unserem Treffpunkt im SSC einfinden zu können.
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