5. April 2016
Das ist nicht meine Devise, aber scheinbar die des VfB. Ob Spieler oder Verantwortliche, unisono erklärten sie während der Erfolgsserie zu Beginn der Rückrunde, man würde nur von Spiel zu schauen und die Tabelle interessiere sie erst am 34. Spieltag.
Ganz anders dagegen die Töne nach dem 2:2 in Darmstadt. Dieser Punkt wurde von Spielern und Verantwortlichen als Punktgewinn gefeiert, weil man doch in der Tabelle den Vorsprung auf die Abstiegszone um einen Punkt vergrößert hat. Anstatt sich darüber zu grämen, dass man eine riesengroße Chance leichtfertig verschenkt hat, den Klassenerhalt so gut wie perfekt zu machen, feiert man den Punkt beim Underdog aus Darmstadt, einem Sammelsurium von gescheiterten Fußballern, die bei den Lilien unter Ex-Kickers-Trainer Dirk Schuster gerade ihre Renaissance erleben.
Ob die Herangehensweise von Dutt und Konsorten psychologisch so geschickt ist, daran habe ich meine Zweifel. Hat nicht in der Regel derjenige den größten Erfolg, der sich hohe, aber natürlich auch realistische Ziele setzt? Könnte man nicht einfach in einer Phase, in der es fast von allein läuft, in der die Europapokalplätze genauso nah oder genauso fern sind wie die Abstiegszone, die Maxime ausgeben, oben angreifen zu wollen? Wäre es im Leistungssport nicht förderlicher sich über eine Niederlage wenigstens fürchterlich aufzuregen und nach Wiedergutmachung zu streben, anstatt diese abzuhaken, wie wenn nichts geschehen wäre, und sich zu sagen, wir haben ja noch so und so viele kommende Chancen?
Gerade für eine Truppe, wie sie der VfB seit Jahren hat und die zur schnellen Selbstzufriedenheit neigt, die nur unter größtmöglichem Druck funktioniert, wäre es ratsam, die Spannung permanent hochzuhalten, und ihr auch den Druck zu machen, den sie braucht.
Streichelt man sie aber nur und fasst sie mit Samthandschuhen an, weil ja nächstes Wochenende schon wieder die nächste Gelegenheit ansteht, es besser zu machen, dann plätschern die Spiele emotionslos daher und werden immer weniger.
Wenn man das Team ständig nur an seinem Minimalziel misst und sich die Mannschaft nach überstandenem Abstiegskampf wieder feiern lässt, als habe sie die Meisterschaft gewonnen, wird sie es sich ewig weiter in ihrer Wohlfühloase bequem machen und einen Teufel tun, einen eigenen Antrieb oder Ehrgeiz zu entwickeln.
Als Fan wäre man natürlich froh gewesen, endlich mal wieder eine sorgenfreie Saison zu erleben, keiner wäre so vermessen, von dieser Truppe einen Platz im oberen Tabellendrittel zu verlangen. Aber, die Verantwortlichen müssen schon die Spannung hochhalten und energisch dazwischen grätschen, wenn sie es mitbekommen, dass Spiel um Spiel hergeschenkt wird. Da wünschte man sich Typen wie wir sie bspw. zu Zeiten der Deutschen Meisterschaft 1992 in Gerhard Mayer-Vorfelder, Dieter Hoeneß und Christoph Daum hatten und die sich leidenschaftslose Darbietungen in dieser Fülle, wie wir sie in der Gegenwart erleben, nicht hätten bieten lassen. Man darf sich nicht allein auf der Erfolgsserie von zu Beginn der Rückrunde ausruhen, die letzten Auftritte waren bis auf wenige Ausnahmen alarmierend.
Gegen Hannover, in Mönchengladbach, in Ingolstadt, gegen Leverkusen und zuletzt in Darmstadt hat die Mannschaft schlichtweg versagt hat, der Trend geht eindeutig nach unten und es gibt nicht viel, das Hoffnung macht, dass die Truppe in den verbleibenden sechs Saisonspielen noch viele Punkte einheimsen könnte.
Da beim VfB jedoch eher die leisen Töne angeschlagen werden und es keinen gibt, der mal richtig auf den Tisch haut, wird das Positive aus dem vergangenen Wochenende herausgezogen, nämlich das, dass sich die Konkurrenz genauso dämlich angestellt hat und der Vorsprung auf Platz 16 um einen Zähler gewachsen ist. Da man die Vorentscheidung im Abstiegskampf vertagt hat, hat man sich eben umgehend auf die Fahnen geschrieben, gegen die Bayern alles raus zu hauen (wie Gentner immer so schön formuliert) und zu versuchen, da zu punkten. Darüber lache ich mich heute schon schlapp. Möglicherweise kassieren wir nicht einmal eine Klatsche und spielen gegen den Ligakrösus auch noch gut mit, null Punkte werden am Ende trotzdem stehen, auch wenn für die Bayern die Championsleague Duelle gegen Benfica Lissabon davor und danach wichtiger und auch sportlich anspruchsvoller sein werden.
Es hätte so ein schöner Tag in Darmstadt werden können. Seit der sympathische Underdog, dessen sportliche Highlights vor wenigen Jahren noch die Duelle gegen Kickers Offenbach und Hessen Kassel waren, der vor drei Jahren bereits sportlich in die Regionalliga abgestiegen und nur durch den Lizenzentzug der Offenbacher Kickers in der 3. Liga geblieben war, den Aufstieg in die Bundesliga schaffte, freute ich mich riesig auf dieses Spiel.
Die sportliche Entwicklung hat die Lilien förmlich überrollt, die Infrastruktur ist nach wie vor die eines Amateurligisten, selbst die meisten Drittligisten können modernere Arenen vorweisen. So bestand der große Reiz dieses Trips darin, dass es eine Reise in die Vergangenheit werden würde und man nach all den neuen geleckten und sich nur in der Farbe unterscheidenden Arenen endlich mal wieder einem echten Stadion die Ehre erweisen würde.
Der Gästebereich war mit 2.200 VfBlern natürlich ausverkauft und dementsprechend eng ging es auch zu. Ursprünglich wollte ich zwar früh reingehen und noch ein paar Bilder machen, wenn das Stadion noch nicht zum Zerbersten voll ist und man sich auch im Gästebereich noch bewegen kann, aber, zu viele Leute getroffen, und dadurch diesen Plan gleich wieder verworfen.
Dass ich mich auf einer Reise in die Vergangenheit befand, drückte sich auch darin aus, dass auf meiner Sitzplatzkarte weder Block, noch Reihe, noch Platz aufgedruckt war und es auch nicht beschildert war, wo sich die Sitzplätze befanden. Weder Ordner noch Polizei konnten (oder wollten) mich darüber aufklären, so dass ich, da im eingezäunten Stehplatzbereich kein Durchkommen mehr war, auf einem recht steilen Gras- bzw. Dreckhügel Position bezog und mehr schlecht als recht die kleine Darmstädter Choreo und den Einlauf fotografieren konnte. In der Halbzeit bekam ich dann mit, dass man zu den Sitzplätzen nur durch Durchqueren des Stehplatzbereichs gelangen konnte, was unmittelbar vor Spielbeginn ohnehin aussichtslos gewesen wäre.
So weit, so gut, stand ich eben zunächst bei meinen Kumpels und wandte meine Konzentration hauptsächlich dafür auf, auf dem steilen Hügel nicht aus dem Gleichgewicht zu geraten, was auch gut gelang. Weniger Glück und Geschick hatte ein Busmitfahrer vom RWS, der Purzelbäume bis hinunter auf den Asphalt schlug und sich das Schlüsselbein dabei brach, gute Besserung!
Viele Erinnerungen hatte ich nicht mehr an unseren letzten Auftritt am Böllenfalltor, der in der Saison 1981/1982 in einem 3:3 mündete und wo ich als Teenager schon dabei war, lediglich daran, dass der Block bei weitem nicht so voll war, konnte ich mich noch erinnern. Gefühlt war aber tatsächlich die Zeit dort stehengeblieben, was sich nicht nur an der altbackenen Stadionuhr zeigte.
Für mich war bereits im Vorfeld alles andere als ein Sieg indiskutabel. Wenn man das weitere Programm betrachtet, war Darmstadt die auf dem Papier mit Abstand einfachste Aufgabe, so dass ich hoffte, der VfB wäre sich der Wichtigkeit der Aufgabe bewusst und würde alles daran setzen, dort den möglicherweise vorentscheidenden Dreier einzufahren.
Darmstadt konnte bislang erst einen Heimsieg verzeichnen und setzt seinen limitierten fußballerischen Mitteln unbändigen Willen und Kampfgeist entgegen, den man als Gegner annehmen muss. Dass es, ähnlich wie in Ingolstadt, ein von Nickligkeiten geprägtes Spiel werden würde und die Darmstädter versuchen würden, Freistöße herauszuholen oder auch zu schinden, wusste man ebenfalls. Von einer Truppe, die den ganzen Tag nichts anderes zu tun hat, als zu trainieren und sich mit Fußball zu beschäftigen, darf auch erwartet werden, dass sie aus den Fehlern, die in Ingolstadt begangen wurden, lernt, und dem Gegner nicht noch einmal ins offene Messer läuft. Sollte man erwarten können, beim VfB ist das aber wohl zu viel verlangt. Die Herren meinen weiterhin ihren ureigenen Stiefel herunter spielen zu spielen, egal wie der Gegner heißt, und sind dabei viel zu leicht auszurechnen. Wenn Didavi keine Lust hat und/ oder ihm noch ein, zwei Gegenspieler auf die Füße gestellt werden, bleibt an Kreativpotential lediglich noch Filip Kostic übrig, der zwar auch ausrechenbar ist, durch seine Schnelligkeit und seine Klasse aber dennoch noch in der Lage ist, gefährliche Situationen heraufzubeschwören. Das VfB-Spiel wird dadurch sehr linkslastig, was für den Gegner meist nicht allzu schwer zu verteidigen ist, wenn man sich eben in erster Linie darauf beschränken kann, die linke Seite zuzustellen.
Um einem willens- und kampfstarken Gegner Herr zu werden, bedarf es Ballsicherheit in den eigenen Reihen, also keine leichtfertigen Ballverluste. Durch Ballzirkulationen an Sicherheit gewinnen und sich den Gegner nach und nach zurecht legen, so sähe wohl die optimale Strategie im Duell David gegen Goliath aus. Von einer Bundesligamannschaft mit einem mindestens drei Mal so hohen Etat, wie ihn die Darmstädter zur Verfügung haben, sollte man erwarten können dürfen, dass sich die höhere Qualität der Einzelspieler auf dem Feld auch bemerkbar macht. Dazu bedarf es aber neben fußballerischem Können Konzentration und Einsatzwillen und das vor allem auf dem Platz und nicht nur mit „der Gosch“.
Die Vorzeichen waren also klar, umso unverständlicher wie schlampig man dann in ein solches Spiel geht und wie dumm man dabei dem Gegner in die Karten spielt. Obwohl die Darmstädter unlängst einen neuen Rasen verlegen ließen, unterliefen dem VfB von Beginn an dilettantische Stockfehler, so dass die Darmstädter schnell im Spiel waren und Lunte rochen.
Bereits in der 1. Minute lud man die Darmstädter beinahe zur Führung ein und diese Fahrigkeit setzte sich im weiteren Spielverlauf fort. Als man gerade den Eindruck hatte, der VfB würde Sicherheit in sein Spiel bringen, schickte Serey Dié durch einen schlampigen und zu kurz geratenen Rückpass unfreiwillig Sandro Wagner auf die Reise, welcher Tytoń keine Chance ließ und zur Darmstädter Führung vollendete. Mal wieder waren sämtliche Vorsätze über den Haufen geworfen, mal wieder ging es zu einem frühen Zeitpunkt hauptsächlich nur um Schadensbegrenzung.
Es wurde genau jenes dreckige Spiel, das der VfB befürchtete und das sich die Darmstädter wünschten. Daran zeigt sich die mangelnde geistige Reife dieser Truppe, wenn man sich ein ums andere Mal von limitierteren Teams den Schneid abkaufen und sich ihr Spiel aufzwingen lässt. Hier machte sich das Fehlen von Kevin Großkreutz schmerzlich bemerkbar, weil er einer der wenigen im Team ist, der sich nichts gefallen lässt und vor allem ein Spiel nicht einfach so über sich ergehen lässt. Serey Dié alleine als Aggressivleader ist derzeit schlicht überfordert und wirkt übermotiviert. Bezeichnend sein Frust-Post auf Instagram nach dem Spiel.
Der VfB kam zwar zu einem Zeitpunkt, als die Darmstädter gedanklich schon in der Halbzeit waren, jeweils nach Vorarbeit von Filip Kostic, zu einem Doppelschlag und zur schmeichelhaften Pausenführung. Wer aber gedacht hatte, der VfB würde von nun an seiner Favoritenrolle gerecht werden, sah sich getäuscht.
Während ich die Pause sinnvoll nutzte und mich zu den Sitzplätzen begab, befanden sich im Pausentee der Brustringträger offensichtlich Schlaftabletten. Anders ist es nicht zu erklären, dass man sich vom Wiederanpfiff weg in die eigene Hälfte drücken ließ und auch die erste Großchance von Wagner, die Tytoń mit einem Reflex vereitelte, nicht als rechtzeitigen Warnschuss verstand. Daher fiel der Ausgleich fast schon folgerichtig. Rausch schlug einen Freistoß hoch in den Strafraum, Tytoń lief zunächst heraus, um dann in bester bzw. schlechtester Ulreich-Manier abzubrechen und zögerlich den Rückwärtseingang einzulegen. Niemeyer bedankte sich und köpfte das 2:2. Ein klarer Torwartfehler des ansonsten guten Rückhalts Tytoń, der den VfB vor allem in den Schlussminuten vor noch Schlimmerem bewahrte.
Aufgrund der zweiten Halbzeit, in der der VfB keine ernsthafte Torchance mehr herausspielen konnte, müssen wir mit dem Punkt zufrieden sein. Müssen wir das wirklich? Nein, müssen wir nicht! Es ist doch bezeichnend, dass nach Ingolstadt der zweite Trainer des absoluten Underdogs befand, seine Mannschaft habe gegen den VfB ihr bestes Saisonspiel abgeliefert. Da eine Mannschaft immer nur so gut spielt, wie es der Gegner zulässt, liegt hierin das eigentliche Problem. Der VfB ist ein gerngesehener Gast und verteilt Gastgeschenke im Überfluss.
Der VfB hat es abermals versäumt, einen Bigpoint im Abstiegskampf zu landen, weist mit 33 Punkten nach 28 Spieltagen eine erbärmliche Bilanz auf, ergötzt sich aber daran, dass es auch Mannschaften in der Bundesliga gibt, die noch schlechter sind.
Während wir stinksauer das Stadion verließen und uns auf den Weg zu den Bussen machten, flachst ein Gentner vor laufenden Kameras und freut sich wohl mehr über sein sehenswertes Tor, als dass er sich über das Remis ärgern würde. Kramny meinte, nach dem Spielverlauf müsse man zufrieden sein, was man ja auch so stehen lassen kann, während sich Dutt bei Sport im Dritten zuversichtlich zeigte, die nötigen Punkte schon noch anderweitig einzufahren.
Dass die Konkurrenz weiterhin wenig bis überhaupt nicht punktet, darauf sollte man sich besser nicht verlassen. Auch wenn ich gerade Frankfurt und Darmstadt schon die zwei Siege kaum zutraue, die notwendig wären, um den VfB ein- bzw. zu überholen, der Teufel ist ein Eichhörnchen und gerade am Saisonende, wenn sich einige Teams gedanklich bereits im Urlaub befinden, hat man schon Ergebnisse erlebt, die man nicht für möglich gehalten hätte.
Nach dem Spiel gegen die Bayern geht es nach Bayerisch-Schwaben zum FC Augsburg, der sich in den letzten Jahren zu einem echten Angstgegner entwickelt hat und unseren Diven schon wieder ein dreckiges Spiel abverlangen wird, welches uns nicht schmeckt.
Danach kommt der BVB ins Neckarstadion, gegen den uns schon im Pokalspiel die Grenzen aufgezeigt wurden. Es kann zwar sein, dass der BVB zu diesem Zeitpunkt die Vizemeisterschaft bereits gesichert hat und noch in der Europaleague vertreten ist, und deshalb Stammkräfte schont, doch, auch dann neigt der VfB dazu den BVB light zu unterschätzen anstatt die Chance beim Schopfe zu packen.
Danach wartet die Reise ins Bremer Weserstadion, aus dem der VfB schon seit der Meistersaison keinen Dreier mehr entführen konnte. Sollte man nach diesen vier Spielen nichts Zählbares eingefahren haben, könnte es sein, dass wir zwei Spieltage vor Schluss mit dem Rücken zur Wand stehen und dann beginnen, den vergebenen Matchbällen nachzutrauern.
Didavis Wechsel zum VfL Wolfsburg scheint festzustehen, was die Frage aufwirft, weshalb man den Wechsel nicht endlich offiziell bestätigt. Ihn scheinen seine Abschiedstournee und das Versteckspiel eher zu hemmen, als dass es ihm helfen würde. Wie gegen Leverkusen auch schon, war Dida auch in Darmstadt schlechtester Mann auf dem Platz und offensichtlich mit den Gedanken nicht bei der Sache.
Vermutlich machte sein Berater Karl-Heinz Förster den Wechsel bereits Ende des letzten Jahres, als er auf der VfL-Geschäftsstelle gesichtet wurde, perfekt. Zum jetzigen Zeitpunkt würde eine Unterschrift bei der VW-Betriebssportgemeinschaft aus sportlicher Sicht wohl keinen Sinn machen, wenngleich er dort natürlich das Doppelte bis Dreifache „verdienen“ dürfte, wohingegen er mit Wolfsburg genauso wenig international vertreten sein dürfte, wie mit dem VfB.
Mit Didas Abgang werden wir uns also abfinden müssen. Umso mehr ist Robin Dutt gefordert, den wenigen anderen Guten das Bleiben schmackhaft zu machen und nicht noch weitere Qualität abzugeben. Kolportiert wird ja, dass man im Sommer Ablösesummen generieren müsse, wobei in diesem Zusammenhang immer wieder der Name Filip Kostic fällt. Ich hielte es für ein fatales Zeichen, auch wenn ich es Kostic nicht einmal verdenken kann, dass er lieber heute als morgen den Abflug machen würde. Von den besseren Verdienstmöglichkeiten einmal abgesehen, muss es für einen guten Fußballer auch unerträglich sein, von so vielen Rumpelfußballern umgeben zu sein und deshalb auf ewig lediglich gegen den Abstieg zu spielen.
Daher muss Dutts Maxime eher lauten, die Guten zu halten und das Team zu verstärken, anstatt die Guten ziehen zu lassen und im Gegenzug fleißig Verträge mit Spielern zu verlängern, bei denen man eigentlich froh sein müsste, dass deren Verträge (endlich) auslaufen. Es handelt sich dabei ja auch nicht nur um Spieler, die uns „nur“ fußballerisch nicht weiter bringen, nein, sie prägten den Charakter dieser Mannschaft über Jahre und zeichnen maßgeblich dafür verantwortlich, was sich in den letzten Jahren hier abspielte.
Außer Kostic stach von den Feldspielern noch Lukas Rupp positiv heraus und auch Gentner fiel wegen seiner schwachen Nebenleute nicht entscheidend ab. Rupp dürfte der nächste sein, der Begehrlichkeiten besser gestellter Vereine weckt, und der irgendwann auch nur zu halten sein dürfte, wenn es hier vorwärts geht und wir uns nicht ewig weiter im Kreis drehen.
Ob Kramny der Richtige ist, den großen Umbruch zu vollziehen und eine neue Teamhierarchie zu schaffen, daran wird man ihn messen müssen. Möchte er längerfristig auf der Kommandobrücke stehen und nicht das gleiche Schicksal wie unzählige seiner Vorgänger erleiden, wird ihm nichts anderes übrig bleiben, als das Übel an der Wurzel zu packen und die Mannschaft grundlegend zu verändern.
Für mich als Fan ist diese Mentalität der Truppe langsam unerträglich. Was in ihr steckt, blitzt immer wieder einmal auf, was fehlt, ist Konstanz und der Biss, auch dann an die Schmerzgrenze zu gehen, wenn ihr das Wasser nicht bis zum Hals steht. Das ist ein Mentalitätsproblem, welches tief verwurzelt ist, so dass uns nichts anderes übrig bleiben dürfte, uns auch von Spielern zu trennen, um die es menschlich schade wäre. Käme es denn so weit, wäre Mitleid allerdings auch fehl am Platz, denn, Gelegenheiten sich selbst einzubringen und auf ein besseres Leistungsklima hinzuwirken, hatten die Betroffenen in den letzten fünf, sechs Jahren zur Genüge. .
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12. November 2015
Nachdem ich ungewohnterweise bei zwei Auswärts-Pflichtspielen in Folge passen musste und dazwischen der SV Darmstadt 98 in die Schranken gewiesen wurde, folgt nach gut zwei Wochen mal wieder eine Einschätzung der Situation von mir.
In Jena nahm der VfB die Umstände des Jahrhundert-Spiels für Jena und den Kampf an und gewann einigermaßen souverän mit 2:0. Mehr als das Weiterkommen gibt es im Pokal nicht zu erreichen, daher durfte man mit dem Auftritt, vor allem in kämpferischer Hinsicht, zufrieden sein.
Da Serey Dié und Christian Gentner weiterhin fehlten und sich in Leverkusen auch noch Lukas Rupp mit Handbruch ins VfB-Lazarett einreihte, gehen dem VfB langsam aber sicher die Sechser aus. In Jena rückten daher Daniel Schwaab und Arianit Ferati ins Zentrum und machten ihre Sache gegen über weite Strecken harmlose Jenenser ordentlich. Mitte der ersten Halbzeit brachte Martin Harnik mit einer sehenswerten Einzelleistung unsere Farben in Führung, die der VfB fortan mehr schlecht als recht verwaltete, vor allem, weil nicht wirklich ein Klassenunterschied erkennbar wurde. Zu fahrig das Spiel, zu viele Ballverluste, zu viele Bälle wurden einfach weggedroschen anstatt gegen einen minderbemittelten Gegner die eine oder andere Situation spielerisch zu lösen. An solchen Verhaltensweisen merkt man dann schon, dass das Selbstvertrauen nach einer Niederlage wie der in Leverkusen im Keller ist. Da Übermut selten gut tut, ist es dann so aber noch besser, als dass man das Zaubern beginnt und durch Leichtsinn Bälle verliert. Dadurch wurde es tatsächlich das von Alexander Zorniger erwartete ekelhafte Spiel, nicht wegen galliger Thüringer, sondern es war auch ekelhaft anzuschauen.
Egal am Ende, es zählte einzig und allein das Weiterkommen und diese Vorgabe hat das Team ohne weiteren personellen Aderlass erfüllt. Ersatzkapitän Martin Harnik stellte zwar eine hitzige Atmosphäre fest, lobte aber auch „Das war mal wieder ein ehrliches Fußballspiel und nicht so steril, wie es heutzutage in der Bundesliga ist, wo man schon mit dem Bus in die Kabine reinfährt.“ Für mich bemerkenswert, dass der eine oder andere Spieler sich durchaus auch darüber Gedanken macht, was uns Fans bewegt. Mich hätte Jena auch sehr gereizt, gerade, weil es „Oldschool“ ist und Pokalspiele bei einem Underdog immer ihren besonderen Reiz haben und eine schöne Abwechslung zum Alltag Bundesliga darstellen.
Am darauffolgenden Sonntag ging die Serie der ekelhaften Spiele gegen den bis dato auswärts noch ungeschlagenen Sensations-Aufsteiger Darmstadt 98 weiter. Die Darmstädter reisten mit Ex-Kickers-Coach Dirk Schuster und dem bei uns nie glücklich gewordenen “Kocka” Rausch an.
Faszinierend zu beobachten, wie er sich in kürzester Zeit zu einem Leistungsträger bei den Lilien aufgeschwungen hat und wie er derzeit aufblüht. Er steht sinnbildlich für eine völlig verfehlte Transferpolitik der Ära Bobic/ Labbadia, die schon damit glücklich waren, „Namen“ zu präsentieren anstatt das Team punktuell und positionsbezogen zu verstärken. Als Rausch zu uns kam, hatte er sich hinten links mit Boka und Molinaro und vorne links mit Ibrahima Traoré zu duellieren und es daher naturgemäß schon schwer, in die Startelf zu kommen. Im ersten Halbjahr noch wurde er regelmäßig eingesetzt, wusste jedoch nicht zu überzeugen und kam danach nur noch sporadisch zu Einsätzen und verschwand zuletzt völlig in der Versenkung (bei den Amateuren). Ihm ging es wohl ähnlich wie zurzeit dem Georg Niedermeier, er beklagte sich damals, wenn auch im kleinen Kreis, darüber, dass immer dieselben spielen und andere links liegen gelassen würden. Ein sensibler Spieler, der das Vertrauen von Trainer und Fans spüren muss, kündigt in einer solchen Situation schnell innerlich, so dass mit ihm nichts mehr anzufangen und ein Abschied für alle Seiten das Beste ist.
Dass Rausch bei uns so wenige Chancen bekam, sich zu beweisen, habe ich nie verstanden, zumal die Truppe damals ja nicht überragend gespielt hat. In Darmstadt sieht man jetzt, wie wertvoll für ein (funktionierendes) Team er sein kann und dass seine Freistöße und Eckbälle von beiden Seiten durchaus eine Waffe sein können. Wie immer, wenn „Ehemalige“ mit ihrem neuen Arbeitgeber im Neckarstadion auflaufen, war natürlich auch dieses Mal zu befürchten, dass Rausch ein Tor gelingt oder er zumindest die Flanke zu einem entscheidenden Treffer schlägt. Dem war zum Glück nicht so. Er kam gerade von einer leichten Verletzung zurück, wirkte übermotiviert, tauchte im Spiel der Lilien eher unter und wurde als erstes ausgewechselt.
Beim VfB kehrten die wiedergenesenen Serey Dié und Christian Gentner ins Mittelfeld zurück, zudem rückte Insúa für Heise wieder in die Stammformation zurück. Zwar hätte der VfB bereits in der ersten Minute durch Didavi in Führung gehen können, danach aber kamen die Lilien auf. Przemysław Tytoń wandelte auch in diesem Spiel mal wieder zwischen Genie und Wahnsinn. Schon in der siebten Spielminute fällte er Sulu im eigenen Strafraum und hatte Glück, dass dieses Foul wegen Abseits keinen Elfmeter zur Folge hatte. In der 33. Minute fehlte die Abstimmung mit seinen Vorderleuten, so dass er ohne Not seinen Strafraum verließ und Rosenthal mit einem angedeuteten Kung-Fu-Tritt foulte, womit er sich die gelbe Karte wegen gefährlichen Spiels einhandelte. Im Stadion, wir saßen direkt gegenüber des Orts des Geschehens, befürchtete ich gar schon rot und fluchte in mich hinein, welchen Teufel ihn bei dieser Situation wohl geritten habe. Der VfB bot insgesamt ein dosierteres Heimspiel und lief auch diesem Gegner nicht ins offene Messer. Die Darmstädter boten wenig Räume an, so dass sich ein Geduldsspiel entwickelte, in dem der VfB auf seine Chance lauerte, auf der Gegenseite aber auch immer auf der Hut sein musste und sich letztlich beim dann überragenden Przemysław Tytoń bedanken durfte, dass am Ende die Null stand.
Das erlösende 1:0 fiel erst gut zwanzig Minuten vor Spielende, als Gentner von rechts ein krummes Ding in Richtung des Darmstädter Tors schlug, welches der Darmstädter Garics nur noch ins eigene Tor bugsieren konnte. Endlich war es da, dieses so eminent wichtige Tor gegen einen unbequem zu bespielenden Gegner. Danach lösten die 98er ihre defensiven Fesseln und kamen zu einigen hochkarätigen Torchancen, die einzig und allein Przemysław Tytoń vereitelte und sich zum Matchwinner aufschwang.
Timo Werner, der mit seiner Schnelligkeit und wiederentdeckten Torgefährlichkeit mehr und mehr zu einer unserer Waffen wird und gegen Darmstadt nimmermüden Einsatz zeigte, belohnte sich und uns schließlich in der Nachspielzeit, als er einen langen Ball erlief, den Darmstädter Torwart umkurvte und zum 2:0 einnetzte. Wieder warf Werner Handküsschen ins Publikum, die dieses Mal nicht einmal mehr Trainer Zorniger erzürnen konnten, denn, das Spiel wurde nicht mehr angepfiffen.
Bitterer Beigeschmack des Sieges über Darmstadt 98 war schließlich noch die Verletzung, die sich Martin Harnik nach Zusammenprall mit dem Darmstädter Schlussmann Mathenia zugezogen hatte und eine frühe Auswechslung zur Folge hatte. Harnik verletzte sich dabei am Außenband und muss voraussichtlich bis zur Winterpause pausieren. Umso wichtiger ist es, dass Robbie Kruse seinen Muskelfaserriss überstanden hat und im Training schon wieder mächtig Gas gibt. Es bleibt zu hoffen, dass er von weiteren Verletzungen verschont bleibt und in den nächsten Wochen zeigt, weshalb man ihn kurz vor Toreschluss noch verpflichtet hat.
Abends nach dem Darmstadt-Spiel dann, wir feierten noch im Cancun, fielen dann die Lose für das Achtelfinale im DFB-Pokal, wobei uns das Losglück hold blieb und uns Eintracht Braunschweig zu Hause bescherte. Kurz vor Weihnachten also noch die große Chance den Traum von einem neuerlichen Finale in Berlin weiter leben zu lassen und mit einem Erfolgserlebnis in die Winterpause zu gehen.
Der VfB stellte in der Tabelle auf „zweistellig“, zehn Punkte, und alle wurden in Spielen eingefahren, in denen der VfB seine Spielweise nach der des Gegners ausrichtete. Zorniger wird zwar immer mangelnde Lernfähigkeit vorgeworfen, dabei bewies er diese gerade in den Heimspielen gegen Ingolstadt und Darmstadt. Es konnte ja kein Zufall sein, dass diese beiden Teams bis zum Auftritt im Neckarstadion auswärts noch ungeschlagen waren. So zog Zorniger seine Schlüsse und tat dem Gegner nicht den Gefallen, Harakiri zu spielen, auch wenn bei beiden Spielen trotzdem das Quäntchen Glück und ein starker Tytoń notwendig waren, um sie letztlich für uns zu entscheiden.
Dieses Glück hat sich das Team aber erarbeitet, indem sie nicht locker ließ, das engmaschige Abwehrbollwerk zu durchbrechen. Auch hier befindet sich das komplette Team in einem Lernprozess, die richtige Balance im Spiel zu finden, um vorne Chancen zu kreieren, ohne hinten allzu viel anzubieten. Diese Tugenden sind es derzeit, die Punkte bringen und (noch) nicht, wenn wir es über den offenen Schlagabtausch versuchen.
Unsere Punkte fuhren wir bisher allesamt gegen Abstiegskandidaten und in Spielen ein, in denen kein Schönheitspreis gewonnen wurde und in denen aber auch keiner zu gewinnen war. Das belegt zwar, mit welchen Mannschaften wir uns derzeit nur noch auf Augenhöhe befinden, da es in dieser Saison aber einzig und allein um den Nichtabstieg gehen wird, sind die Punkte aus den direkten Duellen umso höher zu bewerten und eminent wichtig. Diese „Serie“ gilt es beizubehalten, so dass die bis zur Winterpause noch anstehenden Heimspiele gegen den FC Augsburg und Werder Bremen tunlichst ebenfalls gewonnen werden sollten.
Der Druck gerade in diesen Spielen voll da sein zu müssen, ist zweifellos groß, aber, gegen Ingolstadt und Darmstadt hielt man diesem zu Hause ja stand. Mit dann 16 Punkten plus dem einen oder anderen Bonuspünktchen, aus den anderen drei Spielen hätte der VfB zumindest ein Fundament gelegt, um nach der Winterpause neu angreifen zu können.
Dann haben Zorniger und Dutt ein halbes Jahr Zeit gehabt, sich ein Urteil darüber zu bilden, auf wen man sich verlassen kann und auf wen nicht, wer mit dem Herzen bei der Sache ist und wer nicht, kurz, wer eine Zukunft beim VfB hat und wer nicht. Dass in der Abwehr weiterhin großer Handlungsbedarf besteht, liegt auf der Hand. Man sehnt sich seit Jahren nach einem Abwehrchef Marke Verlaat, Bordon oder Meira, der nicht an jedem Baum wächst. Dafür muss man Geld in die Hand nehmen, notfalls auch auf Kosten eines Leistungsträgers in der Offensive, der im Sommer ohnehin fort wäre. Dabei denke ich nicht einmal zu allererst an Daniel Didavi, bei dem ich noch immer die Hoffnung habe, dass er den Vertrag doch noch verlängert. Einfach, weil er aus unserer Jugend kommt, für mich unser bester Fußballer ist und es mir auch eine Freude ist, ihn nach seiner so langen Leidenszeit wieder auf dem Platz stehen zu sehen. Er wirkt derzeit nicht ganz frei im Kopf, eine baldige Entscheidung, so oder so, könnte bei ihm sämtliche Fesseln lösen.
Nach dem eminent wichtigen Dreier gegen Darmstadt stand auch schon der Auftritt beim Rekordmeister auf der Agenda, DEM Bonus-Spiel in der Saison, für das die Erwartungen seit einigen Jahren in den Keller gerutscht sind. Zu sehr ist die Schere inzwischen auseinander gegangen, nicht nur was das Verhältnis vom VfB zu den Bayern angeht sondern auch, was den Rest der Liga betrifft. In der derzeitigen Verfassung sind die Bayern so gut wie unschlagbar, so dass der VfB dort in der Höhle des Löwen eigentlich nur gewinnen konnte und nichts zu verlieren hatte.
Pep Guardiola machte vor dem Spiel freundlich den Diener und lobte unsere Spielweise und gab gar zu, dass er es kaum glauben könne, wo sich der VfB tabellarisch wiederfindet. Zorniger hingegen gab sich angriffslustig und meinte zu wissen, der VfB könne auch Dinge, die den Bayern wehtun können, was ihm von seinen Kritikern gleich wieder als Größenwahn ausgelegt wurde. Meine Meinung dazu ist die, dass man als Sportler in jedem Wettkampf das Ziel haben sollte, diesen erfolgreich zu gestalten und dass mir forsche Töne weitaus lieber sind, als devot den Schwanz einzuziehen, wie wir es aus der Labbadia-Ära gewohnt waren. Beeindruckt oder zusätzlich aufgewiegelt dürften diese Worte die Bayern ohnehin nicht haben, sind sie doch selbstbewusst genug, sich nur auf sich selbst zu konzentrieren.
Um auf die Bayern zu treffen hätte ich mir durchaus einen besseren Zeitpunkt vorstellen können. Zum einen trotzte die Eintracht aus Frankfurt ihnen in der Vorwoche als erster Bundesligist überhaupt einen Punkt ab, den sie sich mit unansehnlichem Fußball ermauert haben, zum anderen steht im Anschluss an das Aufeinandertreffen eine Länderspielpause an, so dass Guardiola keine Veranlassung hatte, Stammkräfte zu schonen.
Da war sie dann auch schon wieder, die Systemfrage. Sollte man sich ein Beispiel an der Eintracht nehmen und den Mannschaftsbus vor dem eigenen Tor parken oder doch seinem eigenen Stil treu bleiben und sein Heil in der Offensive suchen.
Der VfB entschied sich für Letzteres, weil er selbst zur Erkenntnis kam, nicht so kompakt wie bspw. die Eintracht verteidigen zu können und sich wohl auch nicht der eigenen Stärken berauben wollte. In den ersten zehn Minuten ging das Konzept auch auf, als die Bayern-Verteidiger Rafinha, Boateng und Alaba unter Druck gesetzt und zu schnellen Entscheidungen gezwungen wurden.
In der elften Minute aber bereits offenbarte sich das ganze Dilemma des VfB im Jahre 2015. Bei eigenem Eckball (!) und nach leichtfertigem Ballverlust von Emiliano Insúa setzte sich der Bayern-Express in Gang und stürmte mit fünf Mann, die allesamt schneller als unsere Verteidiger waren, auf das Tor von Tytoń zu, was schließlich das 1:0 durch Robben zur Folge hatte. Die Bayern genossen sichtlich die Räume, die der VfB ihnen bot und freuten sich über einen dankbaren Sparringspartner, nachdem sie sich vor Wochenfrist am Frankfurter Bollwerk noch die Zähne ausgebissen hatten und entsprechend angefressen wegen der destruktiven Spielweise der Eintracht waren. Der VfB spielte ihnen in die Karten, so dass das Unheil früh seinen Lauf nahm.
Um in München überhaupt die Minimalchance zu wahren, etwas Zählbares mitzunehmen, wird wohl so ziemlich jeder Trainer der Welt die Devise ausgeben, hinten so lang wie möglich die Null zu halten und vorne Nadelstiche zu setzen, um womöglich selbst in Führung zu gehen.
Wie man als Bundesligamannschaft derart naiv, um nicht zu sagen dumm, zu Werke gehen kann und einen ohnehin schon übermächtigen Gegner durch einfache Unzulänglichkeiten „stark“ macht, spottet jeder Beschreibung. Nie war der Klassenunterschied zwischen den Bayern und dem VfB ein größerer als am Samstag, was sich auch bei den Marktwerten der Spieler niederschlägt.
Ein Thomas Müller ist dabei teurer als das komplette Team mit dem Brustring. Wie wenn es noch eines Beweises dessen auf dem Platz bedurfte führten die Bayern uns in schonungsloser Offenheit vor Augen, wie bemitleidenswert wir eigentlich sind. Jeder einzelne Bayern-Akteur ist schneller, ballsicherer und spielintelligenter als die, die unsere Farben repräsentieren. Um bei den Bayern zu bestehen bedarf es eigener Ball-Stafetten, um den Gegner auch mal laufen zu lassen und in die Defensive zu zwingen. Nichts davon war zu sehen, wie das Kaninchen vor der Schlange war jeder VfBler nur froh, den Ball schnellstmöglich wieder los zu sein, was zu etlichen leichten Ballverlusten oder Befreiungsschlägen ins Nichts führte und den Bayern in Halbzeit eins gefühlte 90% Ballbesitz bescherte. Es war ein stümperhafter Auftritt, der in der Länderspielpause hoffentlich gänzlich aus den Köpfen verschwindet.
Wie Slalomstangen standen wir den Bayern Spalier, wenn Douglas Costa, Thomas Müller oder Arjen Robben mit hohem Tempo auf unsere Abwehr zuliefen und Chancen im Minutentakt kreierten. Der VfB war offensichtlich nicht in der Lage, diesem Treiben entgegenzuwirken. Es war mal wieder eines jener Spiele, in denen ein Leader im Team schmerzlich vermisst wurde. Unser Kapitän Christian Gentner war so gut wie nicht zu sehen und wenn, dann nicht als einer, der die Ärmel hochkrempeln und sein Team mitreißen würde. Null gelbe Karten bei einer solchen Demütigung sprechen ebenfalls Bände und demonstrieren, wie wenig der VfB sich gewehrt hatte. Auch vor dem Fernseher war diese Vorstellung nur schwer zu ertragen, meine Gedanken waren bei meinen Freunden und Bekannten im Block. Der VfB handelte sich also zur Pause einen eher noch schmeichelhaften 0:4-Rückstand ein und egalisierte dabei seinen Negativrekord aus dem November 1984, als man gegen Schalke 04 schon einmal in der Halbzeit mit 0:4 zurücklag (Endstand 3:4).
In der zweiten Halbzeit stellte Zorniger auf ein etwas defensiver ausgerichtetes 4-4-2 um, um die Niederlage wenigstens noch in erträglichem Rahmen zu halten. Die Bayern schalteten unterdessen in etwa drei Gänge zurück und verwalteten das Ergebnis, nicht ohne zu weiteren Chancen zu kommen. Der VfB, der bereits in der ersten Halbzeit Pech mit einem Lattenkracher von Kostic hatte, erzielte gar das 4:1 durch Timo Werner, welches fälschlicherweise wegen vermeintlichem Abseits aberkannt wurde.
Und überhaupt, das Schiedsrichtergespann! Wie wenn wir durch die gnadenlose Unterlegenheit nicht genug gestraft gewesen wären, hatten die Bayern in Schiri Dankert und seinen Lakaien an der Linie den zwölften Mann in ihren Reihen. Zwei der vier Bayern-Tore waren irregulär, das Tor von Werner wurde aberkannt, obwohl es regulär gewesen wäre. Demnach fuhren wir mit einem gefühlten und achtbaren 2:1 nach Hause, was natürlich ob der Überlegenheit und der Chancenvielfalt der Bayern den Spielverlauf in keinster Weise widergespiegelt hätte und die Bayern wohl zu Vollgasfußball auch in der zweiten Halbzeit inspiriert hätte. Hypothetisch also die „Was-wäre-Wenn-Spielchen“ nach einer solchen Demütigung.
Dennoch bleibt zu hinterfragen, was den DFB geritten hat, ausgerechnet Schiedsrichter Dankert auf diesen Süd-Schlager (der er zumindest einmal war) anzusetzen, wo er doch gerade erst eine interne Sperre absitzen musste, weil er bei Andreasens Hand-Tor in Köln schon Tomaten auf den Augen hatte. Ein wenig mehr Fingerspitzengefühl würde man sich da schon wünschen, aber, die Herren in der Frankfurter Zentrale haben wohl derzeit andere Probleme am Hals.
Einziger Lichtblick einer sonst überforderten Mannschaft war noch Przemysław Tytoń, der stark hielt und ein noch größeres Debakel verhinderte. Langsam aber sicher wird er zu dem Rückhalt, der auch mal ein Spiel gewinnen kann, wie jüngst gegen Ingolstadt und Darmstadt unter Beweis gestellt. Für das hohe Verteidigen ist er freilich nicht der optimale Torwart, da auch er eher ein Verfechter des alten Schlags ist und sich in seinem Kasten nun mal am wohlsten fühlt, den Umständen entsprechend aber macht er seine Sache immer besser. Dennoch ist es äußerst positiv, dass Mitch Langerak langsam aber sicher vor seinem Comeback steht. Spannend die Frage, ob Zorniger ihn sofort rein wirft, wenn er grünes Licht gibt, oder ob er die Vorrunde mit Przemysław Tytoń im Kasten zu Ende spielt. Gerade, wenn nicht alles wie erhofft läuft, kann ein Impuls von außen oft Wunder bewirken.
Aus diesem Grund befürworte ich im Übrigen auch ein Comeback von Georg Niedermeier, der in der laufenden Runde überhaupt keine Rolle spielt und dem selbst ein Spieler wie Adam Hlousek (oder auch Mart Ristl) in der Innenverteidigung vorgezogen wurde. Auch wenn Sunjic und Baumgartl gehörig wackeln ist es Zornigers gutes Recht diesen beiden den Rücken zu stärken und darauf zu hoffen, dass die interne Abstimmung eine bessere wird. Wenn man aber dann noch einen Daniel Schwaab eher als rechten Verteidiger oder defensiven Mittelfeldspieler sieht und Hlousek eben kein gelernter Innenverteidiger ist, sollte der Schorsch meiner Meinung nach schon wenigstens erster Backup sein und die eine oder andere Einsatzminute erhalten. Da würde mich schon brennend interessieren, was intern vorgefallen ist, weil der Schorsch so weit von der Stammelf entfernt ist wie noch nie. Ich habe natürlich auch nicht vergessen, welche Böcke der Schorsch gegen Ende der letzten Saison geschossen hat und dass er des Öfteren, wenn er in den Schlussminuten als Brecher für die Offensive gebracht wurde, eher für Fouls und damit für Ballverluste stand. Aber, er hatte auch schon weitaus verlässlichere Zeiten beim VfB und ist noch in einem Alter, in dem man Fehler abstellen kann. Um mir mein eigenes Urteil über seinen derzeitigen Leistungsstand zu bilden, würde ich ihn gerne noch einmal auf dem Platz sehen, bevor man ihn abgibt.
Auch wenn es so gut wie klar war, dass es in München nichts zu ernten gibt und die Bayern, die schon den BVB, den VfL Wolfsburg und jüngst den FC Arsenal mit 5:1 aus der Arroganz-Arena schossen auch mit uns kurzen Prozess machen würden, kommen nach diesem Debakel wieder die Zorniger-Hater um die Ecke, die diesen Trainer lieber heute als morgen gerne gefeuert sähen und nach einem Konzepttrainer wie bspw. Lucien Favre lechzen.
Dabei zeigt doch der Trend langsam aber sicher nach oben. Nach den ersten fünf punktlosen Spielen gewann der VfB in den darauffolgenden sieben Partien drei, spielte einmal unentschieden, verlor drei Spiele und zog im Pokal ins Achtelfinale ein. Unter die Niederlagen reihte sich zudem jene bei Bayer 04 Leverkusen ein, ein Spiel das man wegen zweimaliger Zwei-Tore-Führung nie und nimmer hätte verlieren dürfen und bei dem man ebenfalls vom Schiedsrichtergespann entscheidend benachteiligt wurde.
Natürlich ist das Defensivverhalten der gesamten Mannschaft nach wie vor grausig und macht große Sorgen. Das derzeitige Verletzungspech tut ein Übriges und birgt die Gefahr, dass Leistungsträger zu früh wieder ran müssen und in den ersten Einsätzen noch keine große Hilfe sind. Serey Dié ist ein solches Beispiel, gegen Darmstadt und bei den Bayern wirkte er übermotiviert, wohl auch, weil die Unterstützung seiner Mittelfeldkollegen fehlt und er dazu neigt überall sein und jedes Loch selbst stopfen zu wollen. Gegen Darmstadt wurde er gelb-rot-gefährdet ausgewechselt, gegen die Bayern war es wohl sein Glück, dass die Bayern schlicht zu schnell waren und der VfB ohnehin nicht in die Zweikämpfe kam. Er steht weiterhin bei vier gelben Karten und handelt sich die Sperre hoffentlich nicht für das nächste Auswärtsspiel bei Borussia Dortmund ein.
Anlass zur Hoffnung gibt indes, dass, auch der Verletzungsmisere geschuldet, immer mehr Youngster ihre Einsatzzeiten erhalten. Philip Heise entwickelt sich zu einer ernsthaften Alternative für Insúa, Wanitzek und Ristl kamen jüngst zu Einsätzen, während sich der 18-jährige Arianit Ferati längst zu einer festen Größe entwickelt hat und immer und überall rein geschmissen werden kann. Schon beim nächsten Spiel könnte wegen der Offensiv-Ausfälle die Stunde des Ukrainers Boris Tashchy schlagen, der sich bei den Amas für höhere Weihen empfohlen hat und damit auch die neu erfundene Durchlässigkeit von den Amateuren zu den Profis unterstreicht.
Zorniger hält also, derzeit auch notgedrungen, Wort und setzt vermehrt auf den eigenen Nachwuchs. Zu gerne würde er dabei auch auf Joshua Kimmich zurückgreifen, der gegen den VfB im Dress der Bayern eine Galavorstellung hinlegte und jene Reife offenbarte, die man ihm beim VfB vor gut zwei Jahren abgesprochen hatte. Zorniger, der Kimmich bereits in Leipzig unter seinen Fittichen hatte, ließ sich am Samstag gar zu der Aussage hinreißen, er würde am liebsten jeden erschlagen, der an der Entscheidung damals beteiligt war, Kimmich nach Leipzig zu transferieren.
Schlüsselfigur dieser so fatalen Fehlentscheidung war (natürlich) Fredi Bobic. Vor seinem Abgang 2013 vermochte man diesem riesen Talent keine Perspektive aufzuzeigen um wenigstens bei den Amateuren Spielpraxis zu erlangen. Kimmich wollte das letzte U19-Jahr überspringen und gleich im Profibereich Fuß fassen, was Bobic unter Verweis auf die damaligen Platzhalter Rani Khedira und Robin Yalçın nicht zuließ. Eine fatale Fehlentscheidung, wenn man betrachtet, dass Rani Khedira bei Red Bull Leipzig derzeit so gut wie keine Rolle mehr spielt und Robin Yalçın inzwischen bei Çaykur Rizespor in der Türkei spielt, dort jedoch immerhin als Stammkraft.
Thomas Albeck und Frieder Schrof, langjährige Jugend-Koordinatoren, wurden von Bobic quasi weggemobbt, indem er sie immer mehr in ihren Kompetenzen beschnitt und zuerst Marc Kienle und dann auch noch Ralf Becker vor die Nase setzte. Der damalige Präsident Gerd E. Mäuser dachte überhaupt nicht daran, diese One-Man-Show zu beenden und eine Leitlinie vorzugeben, wie man mit langjährigen, erfolgreichen Mitarbeitern umzugehen hat. So griff Ralf Rangnick in Leipzig zu, der beide aus seiner VfB-Zeit gut kannte, mit dem Ziel, dem VfB den Rang in Sachen bester Nachwuchsarbeit abzulaufen.
Da lag es dann natürlich auch auf der Hand bei einem, möglicherweise, Jahrhunderttalent wie Joshua Kimmich zuzugreifen, wenn sich die Möglichkeit bietet. Natürlich lässt sich Bobic jetzt dafür auf die Schulter klopfen, eine Rückkaufoption vereinbart zu haben und kritisiert den VfB dafür, Kimmich letztlich an die Bayern verkauft zu haben. Diese Entwicklung aber hat einzig und allein er zu verantworten. Zum einen war Kimmich faktisch verkauft und ist daher nicht als Leihgeschäft zu betrachten. Zum anderen war der VfB in der Bobic-Ära auch nicht dafür bekannt, sich um verliehene oder abgegebene Spieler besonders zu kümmern. „Aus den Augen, aus dem Sinn“, so entfremdeten sich in den letzten Jahren ja auch Daniel Didavi, Julian Schieber und Raphael Holzhauser, die während der Leihen mehr als Spieler des aufnehmenden Vereins wahrgenommen wurden denn als VfB-Spieler.
Robin Dutt hat, gerade um solche Entwicklungen zukünftig zu vermeiden, den Posten des Team-Managers geschaffen. Günther Schäfer ist dieser Posten wie auf den Leib geschneidert, der u. a. dazu dienen soll, Kontakt zu verliehenen Spielern zu halten, sie über Geschehnisse beim VfB auf dem Laufenden zu halten und auch darüber einzubinden, was der VfB nach der Leihe mit ihnen vor hat. All das gab es zu Bobic‘ Zeiten nicht, wie mir jüngst in St. Gallen Daniel Didavi bestätigte, der erst kurz vor dem Ende seiner Leihe zum 1. FC Nürnberg vom VfB hörte und wohl auch nur deshalb seinen Vertrag verlängerte, weil er zu jenem Zeitpunkt schwer verletzt war.
Dass ausgerechnet jetzt wieder Bobic um die Ecke kommt und den Verkauf Kimmichs an den FC Bayern kritisiert, schlägt dem Fass den Boden aus. Die Fehler wurden 2013 gemacht, jetzt hatte der VfB keine andere Wahl mehr. Wenn der FC Bayern ruft, fehlen einem ohnehin die guten Argumente. Der Spieler hatte mit dem VfB abgeschlossen, also war es utopisch mit ihm zu einer vertraglichen Verständigung zu kommen. Was eine Rückkaufoption wert ist, wenn der Spieler nicht (mehr) möchte, sei dahingestellt.
Bobic sollte einfach mal die Klappe halten und Kommentare über die Geschehnisse beim VfB Fachleuten überlassen. Zorniger und Dutt haben noch einen Berg von Arbeit vor sich, bis die Scherben aufgekehrt sind, die Bobic hinterlassen hat. Da verbietet es sich diesem Schlaumeier von selbst, Öl ins Feuer zu gießen und zu versuchen Unruhe zu schüren.
Meine feste Überzeugung ist nach wie vor, dass der eingeschlagene Weg der richtige ist. Ich kann immer nur betonen, dass Dutt und Zorniger auch nicht meine Wunschkandidaten waren und für mich auch keine Heilige sind. Ich sehe uns lediglich am Beginn einer langen Entwicklung und habe keine Lust darauf, schon jetzt wieder alles über den Haufen zu werfen, um erneut bei null anzufangen. Zornigers Auftreten ist das eine oder andere Mal grenzwertig, auch das gebe ich zu. Aber, er ist bis in die Haarspitzen motiviert, den VfB besser zu machen und sicher auch nicht so blauäugig zu denken, dass mit der derzeitigen Gegentorflut irgendein Blumentopf zu gewinnen ist. Er wird weiter an der Stabilität und der Balance zwischen Defensive und Offensive arbeiten, muss aber eben mit dem Spielermaterial auskommen, das ihm zur Verfügung gestellt wird. In vielen Spielen, die wir verloren haben, waren es Nuancen, die zum Erfolg gefehlt haben. Mittlerweile schaffen wir es, Spiele gegen Mitkonkurrenten zu gewinnen, auch wenn es nicht immer schön aussieht. Die Entwicklung ist also da und sollte nicht gestoppt werden, weil viele im Umfeld schon wieder die Geduld und die Nerven verlieren. Es entsteht inzwischen ein Team, mit dem sich die Leute identifizieren können und das seit langem wieder die Massen mobilisiert und auch begeistert. Selbst, sollten uns in naher Zukunft Spieler wie Harnik, Didavi und Kostic verlassen, ist mir nicht bange, dass die Entwicklung weiter in die richtige Richtung geht und wir für die nächsten Jahre gut aufgestellt sein werden.
Was wir brauchen ist endlich mal wieder so etwas wie Kontinuität und nicht alle paar Monate einen neuen Trainer. Die vielen Trainerwechsel der letzten Jahre haben uns schließlich dorthin gebracht, wo wir jetzt stehen, in die Abstiegszone der Bundesliga nämlich.
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