29. März 2016

Die Geister, die ich rief – „Against modern football“

Nach der Niederlage gegen Bayer 04 Leverkusen befinden wir uns noch immer in einer dieser unsäglichen Bundesligapausen, in denen die Nationalspieler in aller Herren Länder ausschwärmen um für ihre Heimatländer aufzulaufen und sich für die Kontinentalwettbewerbe zu qualifizieren oder sich für Euro und Olympia einzuspielen.

„Die Mannschaft“ durfte sich in Berlin gegen England blamieren, sowohl auf dem Platz als auch die „Fans“ auf der Tribüne, die sich von 4.000 Engländern stimmungstechnisch in Grund und Boden singen ließen.

Der „moderne“ Fußball hat uns längst erreicht. Länderspiele, in denen es um nichts geht, von einer Mannschaft, bei der 90% ihren Euro-Kaderplatz ohnehin sicher haben, was will man da erwarten. Und doch bauscht der DFB ein solches Aufeinandertreffen zu einem Mega-Event auf, preist den Klassiker an, den man sich nicht entgehen lassen darf.

Ich tue mir solche Heimländerspiele allenfalls noch an, wenn sie auf dem heiligen Rasen des Neckarstadions stattfinden. Schon das Länderspiel vor zwei Jahren gegen Chile in Stuttgart war für mich eine Art Kulturschock, einfach weil der „normale“ Fan, der Woche für Woche in den Arenen der Republik unterwegs ist, sich das kaum antut und daher überwiegend die Klatschpappenfraktion zugegen war, die der Auffassung ist, wie in der Oper hätten sie auch hier Anrecht auf eine Gegenleistung für ihr Geld.

Bei derartigen Testspielen erlaubt sich Joachim Löw das, wofür Tests eigentlich geschaffen sind, er testet. Er schickt dabei Formationen aufs Feld, die so nie wieder zusammen auflaufen werden, er schont Stammkräfte und wechselt in der zweiten Halbzeit auch noch wild durcheinander. Dass dadurch das Zusammenspiel nicht perfekt funktioniert und am Ende, wegen der Wechsel, der zuvor schon kaum vorhandene Spielfluss, weiter empfindlich gestört wird, liegt in der Natur der Sache.

Und da beißt sich die Katze eben in den Schwanz. Der DFB denkt überhaupt nicht daran, günstige Familienpakete zu schnüren oder solche Kirmes-Kicks zum halben Preis anzubieten – nein, er langt auch dabei in die Vollen, schließlich erwirbt man ja ein Premium-Produkt.

Die nicht vorhandene Fankultur wird dadurch deutlich, dass man bei solchen Spielen unzählige Leute mit verwaschenen Shirts sämtlicher Vereine und vorangegangener Turniere sieht, Hauptsache sie haben einen Sport- oder Fußballbezug. Sommermärchen-Public-Viewer kramen die Utensilien von anno dazumal hervor und erfreuen sich, einmal live bei „Schwarz, Rot, Geil“ dabei zu sein. Das alles sind Konsumenten und keine Fans und schon gar nicht welche, die den Anspruch hätten, den Engländern stimmungstechnisch Paroli zu bieten.

Dass die ganze Veranstaltung auch noch fanunfreundlich gestaltet ist, zeigt sich in der späten Anstoßzeit um 20.45 Uhr, obwohl zu erwarten war, dass viele Familien mit Kindern zugegen sein würden. Auch an dieser Stelle macht es sich bemerkbar, dass die Interessen der Fernsehanstalten über denen der Fans stehen, schließlich stellen die Fans, auch wenn sie teuer dafür bezahlen, nur noch geduldetes Beiwerk dar.

Der Fanclub Nationalmannschaft ist ein weiteres Ärgernis für den normalen Fußball-Fan. Karten für Länderspiele, vor allem auswärts und bei großen Turnieren, bekommt man ausschließlich, wenn man dort eine Mitgliedschaft abgeschlossen hat, weshalb inzwischen die Kartellwächter auf den Plan gerufen sind und ermitteln.

Der Fanclub Nationalmannschaft, sinnigerweise „powered by Coca Cola“, zeichnet eigentlich für die Stimmung im Stadion verantwortlich. Außer einer vom DFB gesponserten und durchgestylten Choreographie, zu der die Gelegenheitsstadiongänger auch noch per riesigem Banner “Bitte zum Einlauf der Mannschaften die Pappfolien/Pappschnitte hochhalten.” eine Anleitung an die Hand bekamen, war von den deutschen Fans so gut wie nichts zu vernehmen.

Gut, oder besser schlecht, die Ehrung Mesut Özils als Nationalspieler des Jahres und die englische Hymne wurden von zarten Pfiffen begleitet und der Versuch einer La Ola, für die beim englischen Block Endstation war, waren die einzigen Augenblicke, als die „Fans“ aus sich herausgingen.

Die Engländer zeigten sich das ganze Spiel über viel kreativer und sangen außer ihrer Nationalhymne, auch während des Spiels, mit Inbrunst den Newcastle United Klassiker „Don’t take me home please, don’t take me home, I just don’t wanna go to work. I wanna stay here and drink all ya beer, please don’t take me home”, der auch den deutschen Stadionbesuchern noch eine ganze Weile nicht aus den Ohren gegangen sein dürfte.

Ob sich die Protagonisten auf dem Rasen vom lethargischen Publikum herunterziehen ließen oder die lustlose Vorstellung einiger sonstiger Leistungsträger die Zuschauer verstummen ließen, lässt sich nicht sagen. Deutschland verspielte jedenfalls am Ende die 2:0-Führung und verlor 2:3, was zum einen nicht unverdient war, ich ihren Fans auf der anderen Seite aber auch wirklich gönnte.

Den Klassiker Deutschland gegen England, zu dem dieser Test aufgebauscht wurde, gibt es höchstens bei einem WM- oder EM-Turnier, nicht aber mitten in einer Phase des Testens und des Umbruchs und kurz vor den entscheidenden Wochen der Bundesliga- oder Europacupsaison.

Mir gehen solche Kicks total am Arsch vorbei. Entscheidend werden die Wochen der Vorbereitung nach dem Championsleague-Finale sein, in denen Löw der Truppe den Feinschliff verpassen und die richtige Formation finden wird. Alles, was zwischen den großen Turnieren stattfindet, ist Kokolores und unwichtig, so auch das heute noch anstehende Spiel gegen Italien in München.

Spötter nennen die Arroganz-Arena das nördlichste Stadion Italiens. Dieses wird heute wohl fest in italienischer Hand sein, werden wohl nicht nur viele Italiener aus Italien anreisen sondern auch noch etliche aus allen Teilen Mitteleuropas, um die seltene Chance zu nutzen, ihre Squadra Azzurra live zu erleben.

Da die Niederlage in dem Prestigeduell den einen oder anderen der DFB-Verantwortlichen doch auch schmerzte und um den zahlenden Zuschauer nicht noch mehr zu verprellen, wurden dieses Mal nicht noch vielbeschäftigte Leistungsträger nach Hause geschickt, um sie zu schonen, da muss man dann, wie bei Manuel Neuer, schon eine Magenverstimmung vorschieben und die Fußballwelt für dumm verkaufen, um nicht bereits im Vorfeld die Unwichtigkeit des nächsten Tests offenzulegen. Stünde ein Pflichtspiel der Bayern an, würde Neuer wohl mit Sicherheit auflaufen können.

Mir ist es egal, wie der Kick gegen Italien, gegen das Deutschland seit 1995 nicht mehr gewonnen hat, ausgeht, vielmehr beschäftigt mich der weitere Weg des VfB und das Abschneiden nach der Pause in Darmstadt.

Ich kann mich in der jüngeren Vergangenheit an wenige Spiele erinnern, die richtungsweisender gewesen waren. Gewänne der VfB, wäre er so gut wie durch auf dem Weg zum Klassenerhalt und hätte noch sechs Matchbälle, einen weiteren Punkt zu ergattern, der endgültig reichen dürfte.

Gewinnen wir aber nicht oder verlieren gar das Spiel, sehe ich wahre Zitterwochen auf uns zukommen. Nur Phantasten rechnen sich aus den kommenden beiden Heimspielen gegen die Bayern und den BVB etwas aus.

Nach dem Bayern-Spiel geht es am 30. Spieltag zum FC Augsburg, der von der Papierform her schlagbar wäre und dem im bisherigen Saisonverlauf lediglich zwei Heimsiege gelangen.

Aber, zuletzt setzte es gegen den FCA sechs Niederlagen am Stück. Dass sie fast jedes Mal dem Trainer den Job kosteten ist dabei kurios. Ob in der Denke der Verantwortlichen dabei eine Rolle spielt, dass die Fuggerstädter, die in dieser Saison immerhin Europa League spielen durften, noch als Underdog angesehen werden und man nicht wahrhaben möchte, dass sie uns längst den Rang abgelaufen haben? Sind unterschwellig noch Fredi Bobic‘ Worte im Ohr, der einmal meinte, würden die Augsburger absteigen, steige ein kleines Boot ab, während wir ein Tanker der Liga seien?

Sowohl Bruno Labbadia als auch Alexander Zorniger wurden unmittelbar nach Niederlagen gegen Augsburg entlassen, Armin Veh trat nach einer Heimniederlage gegen den FCA entnervt zurück und auch für Thomas Schneider war nach einer 1:4-Heimklatsche das Ende eingeläutet.

Ich will zwar den Teufel nicht an die Wand malen, aber, ich halte einen erneuten Trainerwechsel beim VfB nicht für gänzlich ausgeschlossen. Die Mannschaft befindet sich in einer schleichenden Abwärtsspirale, die an Fahrt aufnehmen würde, sollten wir in Darmstadt nicht gewinnen. Würde die Konkurrenz in den nächsten drei Spielen dagegen fleißig punkten und der VfB den Abstiegsplätzen bedrohlich nah kommen, könnte sich Dutt durchaus gezwungen sehen, doch noch den letzten Joker zu ziehen, den man sich durch die Installation der vermeintlichen Billiglösung Kramny aufgespart hatte. Selbstredend hoffe ich, dass dieses Szenario nicht eintritt und Kramny die Mannschaft auch auf die kommende Bundesligasaison vorbereiten darf.

Der VfB zeigt sich zuletzt wieder auffallend oft in seinem alten Strickmuster. Die „Leistungen“ bei den Niederlagen in Mönchengladbach und gegen Bayer Leverkusen waren indiskutabel und auch in Ingolstadt holte man nur mit sehr viel Glück einen Punkt. Kevin Großkreutz fehlt an allen Ecken und Enden, vermeintliche Führungsspieler wie Gentner, Schwaab, Niedermeier und Klein, über deren Vertragsverlängerungen fatalerweise schon nachgedacht wird, ziehen sich gegenseitig herunter anstatt das Schiff wieder auf Kurs zu bringen. Sollte sich dieser Trend fortsetzen, kann nichts wirklich ausgeschlossen werden. Kramny ist dabei erstmals in seiner Amtszeit richtig gefordert, war doch nach dem Kapitel Zorniger viel ein Selbstläufer, da den Spielern mal wieder das Alibi Trainer genommen wurde. Er muss es jetzt schaffen, dem Team den alten Schlendrian auszutreiben, sonst könnte es auch für ihn nach dem Augsburg-Spiel ein böses Erwachen geben.

Das auf Augsburg folgende Auswärtsspiel führt uns zu Werder Bremen. Auch was diesen Gegner betrifft, ist man geneigt zu sagen, machbar.

Das Hinspiel hat man nach einer 1:0-Pausenführung und einer hochüberlegenen Vorstellung in der ersten Halbzeit nach dem Pausenpfiff noch hergeschenkt, so dass wir uns mit einem Zähler zufrieden geben mussten. Die Bremer wissen wohl heute noch nicht, wie ihnen geschah, aber, nun gut. Auf der anderen Seite aber ist der VfB in Bremen seit der Meistersaison 2006/2007 sieglos, so dass man auch an der Weser nicht automatisch davon ausgehen kann, dass sich unsere vermeintlich höhere Qualität dort durchsetzen wird.

Dieses Unterfangen muss möglicherweise ohne einen Großteil der reisefreudigen Stuttgarter Fans angegangen werden, da die DFL aus einer Bierlaune heraus, dieses Aufeinandertreffen am 32. Spieltag auf einen Montag terminiert hat.

Es war von vornherein bekannt, dass am 1. Mai keine Bundesligaspiele stattfinden würden, da die Polizeikräfte andernorts benötigt werden. Soweit, so gut. Darauf konnten wir uns ja einstellen. Der Rahmenterminkalender der DFL, der ein Wegweiser durch die Bundesligasaison ist und darstellt, an welchen Tagen Bundesliga, 2. Liga, 3. Liga gespielt wird und an welchen Länder- oder Europacupspiele anstehen, wies für dieses Wochenende Bundesligaspiele am 29. und 30.04. aus, so dass wir, als die Preise bei der Deutschen Bahn noch moderat waren, Bremen von Freitag bis Sonntag buchten, um auf der „sicheren Seite“ zu sein.

Was die Herren von der DFL gesoffen oder geraucht haben, gerade dieses Spiel mit der längsten Entfernung an diesem Spieltag, auf den Montag zu terminieren, von dem an diesem Spieltag vorher nie die Rede war, erschließt sich mir in keinster Weise. Den einzigen Schluss, den man dabei ziehen kann bzw. muss ist der, dass den Herren die Fans total am Arsch vorbei gehen. Wenn es denn schon ein Montagspiel, vor allem so kurzfristig ins Programm genommen, sein muss, was läge dann näher als Darmstadt 98 gegen Eintracht Frankfurt, das zudem noch unter Ausschluss der Gästefans ausgetragen wird, dafür auszuwählen? Während die Arenen von Werder und dem VfB 625 Kilometer trennen sind es vom Böllenfalltor zum Frankfurter Waldstadion gerade einmal gut 30 Kilometer.

Hegt man für dieses Aufeinandertreffen bei einem Abendspiel Sicherheitsbedenken, sollten möglicherweise trotz Sperrung des Gästeblocks Frankfurter Ultras anreisen, hätte auch noch die Möglichkeit bestanden, Hoffenheim gegen Ingolstadt auf den Montag zu legen.

Die Entfernung betrüge „nur“ 260 Kilometer, was jedoch die wenigsten ernsthaft tangieren würde, weil Ingolstadt ohnehin kaum Fans mitbringt. Auf seiner Facebook-Präsenz beharrt Sky Deutschland zwar darauf, für die Ansetzungen nicht (mit-)verantwortlich zu sein und doch geht es bei der Ansetzung wohl in erster Linie um einen Testlauf und um die Attraktivität eines Exklusiv-Spiels an einem Montagabend auszuloten. Hoffenheim-Ingolstadt brächte mutmaßlich eine kaum messbare Einschaltquote, während zwei Traditionsvereine wie Werder und der VfB eher ziehen und die Leute vor die Sky-Receiver locken dürften.

Es ist eine bodenlose Frechheit die Interessen der Fans derart mit Füßen zu treten und sich um ihre Belange null Komma null zu scheren. Der Fan ist ja in keinster Weise blauäugig und sieht schon die weitere Zerstückelung des Spielplans in naher Zukunft auf sich kommen.

Der Unterschied zu dieser Terminierung ist dann aber, dass die möglichen Montagstermine im Rahmenterminkalender schon zu Beginn der Saison festgelegt sind und man eben tatsächlich bis zur endgültigen Terminierung mit der (Urlaubs-)Planung warten muss. Im speziellen Fall aber hat man tatsächlich den Eindruck, die Sesselpupser bei der DFL würden willkürlich die Faninteressen konterkarieren und sich jetzt noch über ihre ach so tolle Idee totlachen.

Dem ganzen wird nur dadurch noch die Krone aufgesetzt, dass auch dies noch nicht die endgültige Terminierung sein könnte und wir diese circa zehn Tage vor dem Spiel noch mitgeteilt bekommen. Auch wenn einem sonst von außen eingetrichtert wird, als Deutscher habe man international den deutschen Clubs die Daumen zu drücken, sind wir VfBler in der nächsten Championsleague-Runde alle „Vikingos“, wenngleich Real auf diesen schwäbischen Zuspruch nicht angewiesen sein und Wolfsburg ohnehin aus der Champions League schmeißen wird.

Sollte zusätzlich zum Wolfsburger Ausscheiden auch noch der BVB den FC Liverpool, mit seinem ehemaligen Trainer Jürgen Klopp, bezwingen, dürfte das Aufeinandertreffen Wolfsburgs und vom BVB am 32. Spieltag auf den Montag verlegt werden und wir stattdessen doch noch Samstags ran dürfen. Bis dahin hat eine Stornierung unserer bisherigen Buchung also überhaupt keinen Sinn. Schwierig wird es allerdings, sollte es beim Montagstermin bleiben. Die Preise bei der Deutschen Bahn zehn Tage vor Fahrtantritt wird man sich dann nicht mehr leisten können und die DFL tritt sicher nicht für die Differenzkosten ein.

Robin Dutt hat sich ganz gut positioniert und auch auf den Wettbewerbsnachteil hingewiesen, der in einem möglicherweise vorentscheidenden Spiel um den Klassenerhalt gegeben wäre, wenn anstatt gut 2.000 Fans lediglich höchstens 500 den Weg an die Weser antreten würden. Sollte es bei der Terminierung auf Montag, dem 2. Mai, bleiben, hoffe ich, dass Dutt offiziell Beschwerde einlegt und weiter darauf drängt, dieses Montags-Spiel abzublasen.

Von einem angedachten Boykott aufgrund dieser Ansetzung durch die VfB-Ultras halte ich übrigens nichts. Ich werde es dennoch versuchen, kurzfristig Urlaub zu bekommen und den VfB in Bremen zu unterstützen, weil ein Boykott aufgrund dieser bis jetzt einmaligen Montagsansetzung nichts bringen und vor allem die Herren bei der DFL vom eingeschlagenen Weg auch nicht abbringen wird.
Dafür müsste man schon weitreichendere Aktionen auf die Beine stellen und zukünftige Montagstermine generell boykottieren und auf Arbeitskreise mit allen Beteiligten drängen, die um eine Rückkehr zur mal kurz praktizierten 300km-Regel bemüht sind.

Bei den Spielansetzungen, die der DFL-Spielplanleiter Götz Bender verbricht, reden alle mit, nur nicht die Fans. Stößt man bei solchen Bemühungen bei der DFL auf taube Ohren und erfährt auch keine Unterstützung durch den eigenen Verein, wäre es am vielversprechendsten mit den Fanszenen anderer Vereine zusammenzuarbeiten und Spiele gemeinsam zu boykottieren, so dass komplette Fankurven leer bleiben und dadurch das Alleinstellungsmerkmal der Bundesliga im Vergleich zu anderen europäischen Ligen, nämlich die Stimmung in den Stadien, spürbar verloren geht.

Erst dann würde es den raffgierigen Institutionen um DFB, DFL, Sky wirklich an den Geldbeutel gehen, weil ohne Stimmung auf Dauer auch das Interesse der Fernsehzuschauer nachlassen würde.
Noch haben die Fans in Deutschland einen nicht zu unterschätzenden Einfluss, was ja auch die Aktionen zu „12:12 – ohne Stimme keine Stimmung“ gezeigt haben. Mit diesen Pfründen gilt es zu wuchern, was jedoch auch nur dann funktioniert, wenn alle gemeinsam für die Sache einstehen.

Um auf unser Spiel bei Werder zurückzukommen, bliebe bei der Montag-Ansetzung der komplette VfB-Block leer, fehlte der Mannschaft die so dringend benötigte Unterstützung, was in einem solch wichtigen Spiel kontraproduktiv sein und einmal mehr den Eindruck erwecken würde, „die“ Ultras köchelten mal wieder nur ihr eigenes Süppchen.

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13. Oktober 2015

Mit der Nationalelf in Dublin!

Der VfB spielt in den letzten Jahren gegen den Abstieg, womit man sich als Hartgesottener fast schon arrangiert hat, steht doch die Vereinsliebe über Allem und ist vor allem nicht erfolgsabhängig. Was fehlt sind allerdings die so liebgewonnenen Europacup-Reisen, die eine willkommene Abwechslung zum sich doch stetig wiederholenden Ligaalltag darstellen.
So muss sich der gemeine Fan eben eine Ersatzbefriedigung suchen, die da heißt Nationalelf oder auf neudeutsch „Die Mannschaft“.
Nach Polen vor einem Jahr wollte ich bereits auch schon reisen, leider machte mir damals die Kartenpolitik des DFB einen Strich durch die Rechnung, der gerade einmal drei Wochen vor dem Spiel mit dem Kartenvorverkauf um die Ecke kam und damit unser geplantes 9er-Busle wegen der Unsicherheit platzte.
So nun eben Irland, das allerdings unabhängig von Polen, auch so schon auf dem Plan gestanden hatte. Da man ja nicht unendlich Urlaubstage zur Verfügung hat und einige schon so „nebenher“ aufgrund der englischen Wochen in der Bundesliga drauf gingen, hieß die Frage höchstens noch, ob wir Schottland oder Irland machen, beides ging leider nicht, wenngleich uns die Gruppenauslosung wirklich echte Leckerbissen serviert hatte. Da ich in Glasgow bereits drei Mal mit dem VfB und zuletzt vor zwei Jahren zu einem Ligaspiel von Celtic war, in Irland jedoch noch nicht, war schnell klar, dass Irland den Zuschlag erhalten würde.
Die Flüge, die Joa und Soke bereits gebucht hatten, kamen mir entgegen, da von Air France durchgeführt. Air France und KLM gehören zusammen, so dass ich nun endlich meine Gutscheine von der „Kopenhagen-Verspätung“ einlösen konnte, die auf drei Jahre befristet und Ende des Jahres abgelaufen wären.
Am Mittwochmorgen um 10.30 Uhr hoben wir gen Paris ab, wo wir umsteigen mussten. Die Zeit war wirklich sehr knapp bemessen, so dass wir uns sputen mussten, den Anschlussflieger zu erreichen. Auf dem riesigen Flughafen Paris Charles de Gaulle läuft man nämlich nicht mal schnell von A nach B, sondern rennt irgendwelchen Schildern hinterher, um schließlich an einer Bushaltestelle zu landen, von wo aus es dann ins Zielterminal geht. So rann die Zeit von dannen, so dass es nicht einmal mehr eine Zigarette reichte und wir gerade rechtzeitig zum Boarding am Abflugterminal ankamen. Aber, wollen wir mal nicht meckern, immer noch besser so, als dass man sich Stunden am Flughafen um die Ohren schlagen müsste.
Gegen 14.30 Uhr setzten wir dann auch bereits auf Dubliner Boden auf, eilten in Richtung Smoking Area und von dort zum Taxi. Für mich war es das erste Mal, dass ich in Irland war, wenn auch „nur“ in Dublin. Das nächste Mal ist auf jeden Fall eine Rundreise durch die so sehenswerte grüne Insel geplant, um erste Eindrücke von den Iren und ihrem Land zu sammeln, genügt aber auch schon ein viertägiger Dublin-Aufenthalt. Ich bin ja bekennender Insel-Fan und suchte nach England und Schottland nun das vom Vereinigten Königreich unabhängige Irland heim. In zwei Jahren, bei der WM-Qualifikation geht es dann, was jetzt schon so gut wie feststeht, ins nordirische Belfast!
Nach der gut 20-minütigen Taxifahrt ins Zentrum von Dublin checkten wir zunächst in unserem Hotel ein, welches Joa und Soke bereits vor drei Jahren, als die Nationalelf zuletzt ein Qualifikationsspiel auf der grünen Insel bestritt, gebucht hatten. Mir wurde dabei nicht zu viel versprochen. Es war zwar nicht der allerhöchste Standard und trotzdem nicht billig, ja, wenn ein paar tausend Deutsche anreisen, kann man schon kurz mal die Preise erhöhen, aber, der Komplex ließ keine Wünsche offen. Frühstück in der angrenzenden und unter Dublinern angesagten Murray’s Bar, dazu zwei weitere Bars, eine Diskothek und ein Schuppen, in dem fast die ganze Nacht Live-Bands auftreten direkt dort, wo die Feuertreppe vom Hotel endet. Mittendrin statt nur dabei sozusagen.
Irland, das 2010 noch unter den EU-Rettungsschirm musste, welchen man 2013 wieder verlassen konnte, ist sichtlich am aufblühen und befindet sich mitten in einem neuen Wirtschaftswunder. Gut für die Iren natürlich, die langsam aus der depressiven Phase herauskommen, für den Touristen natürlich nicht so gut, da sich enorm viele Baustellen in der Stadt befinden und diese somit erst einmal keinen so einladenden Eindruck macht.
Am ersten Tag war uns das jedoch ziemlich egal. Im Zimmer erst einmal die riesige Deutschland-Fahne gehisst und Bilder gemacht, um dann die unmittelbare Umgebung zu erkunden. Wir kamen kaum aus unserem Hotel- und Partykomplex heraus, tranken Pitcher um Pitcher und erfreuten uns, glücklich angekommen und in einer anderen Welt zu sein.

Da Anreisetage gemeinhin anstrengend sind und auch noch die beiden vorherigen Arbeitstage in den Knochen steckten, lagen wir irgendwann nach Mitternacht bereits im Bett. Gut, dass wir genug Bier intus hatten, die Party „unten“ war noch in vollem Gange, so dass die lauten Beats durch die dünnen Wände zu hören und auch zu spüren waren. Anita schläft ohnehin mit Ohrstöpseln und auch mich störte das nicht lang und ich verabschiedete mich schnell in die Welt der Träume.
Am Donnerstag, dem Matchday, machten wir uns nach einem ausgiebigen Frühstück zu Fuß auf den Weg in die City und begutachteten sie schon etwas ausgiebiger als am Vortag. Recht bald hieß das Ziel aber dann doch Temple Bar, dem Partydistrikt von Dublin, der nicht nur durch seine zahlreichen Bars sondern auch die gehobenen Preise heraussticht aus dem, was wir bislang erlebt hatten.
Soke, der das Frühstück verpennt hatte, warf sich dort in einem Straßencafe erst einmal etwas feste Nahrung ein, während wir den Klängen eines wirklich guten Straßenmusikanten lauschten. Das erste Bier testeten wir dort auch an, schmeckte aber noch nicht besonders gut, Carlsberg eben.

Danach zogen wir weiter und blieben schließlich im Gogarty’s hängen, einem schön mit deutschen und irischen Fahnen geschmückten Pub, in dem die Deutschen per Plakat willkommen geheißen wurden und sich mehr und mehr Fans einfanden. Deutsche und irische Kamerateams machten ihre Runde und sammelten Stimmen und Stimmung ein, unter anderem auch der Bayern-Sendern Nummer 1, Sport 1, bei dem wir in der allabendlichen Sendung auch gleich im Bilde waren.
Mein Bier hatte ich nur abgestellt, um die Hände zum drehen und für die Kommunikation mittels Smartphone freizuhaben und schon machte man sich in Deutschland Sorgen um mich, ob ich denn dort kein Bier bekäme. ;-) Da hab ich eben doch sehr fürsorgliche Freunde! :-) Es wurde immer voller und wir trafen schon dort einige Bekannte, verabredet wie auch zufällig.
Die Bierpreise in diesem Partyviertel hatten es allerdings in sich, 7 Euro für ein Pint oder 35 Euro für eine Runde, stolz! Dennoch war es ein sehr lustiger Nachmittag, das Bier schmeckte trotz der Preise schon wieder beängstigend gut und auch die Stimmung und die Vorfreude unter den Fans wurde immer besser. Die Iren sind einfach ein tolles Völkchen, Partypeople, keiner auf Stress aus und immer gut gelaunt. Dort lässt es sich hervorragend feiern, ohne ständig Bedenken haben zu müssen, dass es krachen könnte. Bei internationalen Spielen gehört es für mich dazu, wie das Spiel selbst, die Stimmung in der Stadt zu erleben und sich mit Gleichgesinnten auf das Spiel einzustimmen und auch schon einzusingen.

Zum Glück fanden Anita und ich rechtzeitig noch den Absprung und navigierten zurück ins Hotel, wo wir in der Murray’s Bar unser Abendmahl einnahmen. Essa musch, für eine ordentliche Grundlage war damit gesorgt. Für mich gab es, wie fast immer auf der Insel, Cheeseburger mit Pommes, was noch am ehesten mit meinem schwäbischen Gaumen vereinbar ist. In Sachen essen, ich gebe es zu, bin ich typisch deutsch, „was der Bauer net kennt, frisst er net“. So beschränken sich meine kulinarischen „Genüsse“ auf der Insel meist auf Burger oder Ham-and-Cheese-Sandwiches, womit ich allerdings drei, vier Tage auch gut leben kann. Nach dem Essen warteten wir in der Fibber Magees Rockbar direkt an unserem Hotel auf den Rest der Truppe und genehmigten uns noch ein Bierchen. Schon kurz darauf tauchten auch Soke und Joa mit einem bekannten Unioner im Schlepptau auf. Noch geschwind aufs Zimmer, frisch gemacht und das Trikot mit den vier Sternen übergestreift, ging es auch schon mit dem Taxi in Richtung Aviva-Stadium. Wie bei „großen“ Fußballspielen üblich, ging es, je näher man am Stadion war, nur noch im Schritttempo und später gar nicht mehr voran, so dass wir es vorzogen, den Rest der Strecke in Richtung des bereits in Sichtweite gelegenen Stadions zu Fuß zurückzulegen. Dies allerdings (natürlich) nicht ohne vorher noch einen Stopp in einem schmucken Pub einzulegen.
War es die Dunkelheit, war es unser Bierkonsum oder waren die Eingänge „nur“ nicht beschriftet, jedenfalls standen wir drei oder vier Mal an, um dann wieder zum nächsten Eingang geschickt zu werden. So verrann die Zeit und wir mussten uns mittlerweile Sorgen machen, rechtzeitig zum Einlauf der Teams und der Nationalhymnen unsere Plätze eingenommen zu haben.
Da es in britischen Stadien weder alkoholhaltiges Bier gibt und man noch rauchen darf, zündeten wir uns, trotz der Zeitknappheit noch kurz eine an, bevor es in die Forbidden Area hinein ging und diesbezüglich Schluss mit lustig war. Wir hechelten die endlos erscheinenden Stufen in Richtung dritten Oberrang hinauf, nichtsahnend, dass wir auch gemütlich hätten den Aufzug nehmen können. Dieser stach uns erst ins Auge, als wir das Stadion nach dem Spiel wieder am verlassen waren.
Das irische Nationalstadion, in dem vorwiegend die irische Rugby-Nationalmannschaft und die Fußball-Nationalmannschaft ihre Heimspiele austragen, wurde erst 2010 eröffnet und ist daher entsprechend modern. Die immer weiter gehende Gängelung von UEFA und FIFA, gerade was Fankultur angeht, wie reine Sitzplatzstadien, Alkohol- und Rauchverbot machen sich inzwischen auch immer mehr Verbände und Vereine zu eigen, so dass man schon aus dem Grund nicht umhin kommt, zu den Spielen auf den letzten Drücker zu gehen. Manchmal ist es vorher dann noch so gemütlich und stimmungsvoll, dass man sich fast schon aufraffen muss, zu gegebener Zeit überhaupt den Weg ins Stadion anzutreten.
Die Entschädigung für diese Entbehrungen erfolgt dann aber meist auf dem Fuße. Vor allem, wenn es in ein Stadion geht, in dem ich noch nicht war, funkeln meine Augen, wenn ich aus dem Katakomben hinein blicke in das weite Rund, die Flutlichter den Rasen hell erleuchten und die Fanlager auf beiden Seiten gespannt und erwartungsfroh Stimmung machen. Dann bin ich in meinem Element, dann möchte ich in diesem Augenblick nirgendwo anders sein, dann weiß ich, mal wieder alles richtig gemacht zu haben.
Unsere Karten haben wir direkt über den irischen Verband bezogen und saßen demzufolge “auf der anderen Seite” inmitten lauter Iren und vereinzelten Deutschen. Schon beim Erklingen der Nationalhymnen hörte man heraus, wer hier akustisch die Oberhand haben würde.
Nicht deshalb, weil die Iren naturgemäß in der Überzahl waren, sie sangen da schon voller Inbrunst, während man “die deutsche Seite” kaum vernehmen konnte. Der Auswärtssupport war absolut enttäuschend und das das Spiel über durchgängig. Auch in der Bundesliga ist ja das Phänomen zu beobachten, dass, je weiter die Reise ist oder je mehr die jeweilige Stadt zum Party machen einlädt, desto mehr Alkoholleichen im Block sind, die auf gut deutsch „ihr Maul nicht aufkriegen“.
So hatte man auch in Dublin den Eindruck einige fassten das Spiel lediglich als lästige Trinkunterbrechung auf oder hielten gar ein Nickerchen ab. Gerade auswärts ist man doch normalerweise besonders motiviert, den Heimfans zu demonstrieren, wo der Bartel den Moscht holt und möchte sie stimmlich übertreffen, zumindest insofern, dass von den heimischen Gesängen in der Gästekurve nichts ankommt. Während die übrigen drei Seiten des Stadions jeweils vierstöckig sind, hat die Nordkurve, in der der Gästeblock angesiedelt ist, lediglich einen Rang, was darin begründet liegt, dass direkt dahinter Wohnhäuser angesiedelt sind. So war der Block ohnehin sehr breit gezogen und in West- und Osttribüne teilintegriert, einen richtigen deutschen Stimmungsblock konnte ich während der gesamten Spieldauer dennoch nicht ausmachen.
Nach Irland wollte halt fast jeder, wobei ich mich davon nicht ausnehme. Bin ja selber eher selten der Nationalmannschafts-Fan und bin dorthin hauptsächlich mitgeflogen, weil wir eine super Truppe beisammen hatten und weil die Iren einfach „ihr Geld wert sind“. Wir waren ja schon unmittelbar nach der WM 2006 in Stuttgart und vor zwei Jahren bei einem Quali-Spiel in Köln gegen die Iren dabei, wobei man den Iren an dieser Stelle ein Lob zollen kann, dass der Auswärts-Support der Iren noch besser ist als daheim und das obwohl die Iren da weiß Gott auch nicht nüchtern am Start sind.
Nach der irischen Hymne malte ich mir bereits aus, wie die Iren wohl abgehen würden, wenn sie 1:0 in Führung gingen, ging da aber noch davon aus, dass wir dann trotzdem noch 1:3 gewinnen würden.
Das Spiel begann dann auch wie erwartet. Deutschland übernahm auf dem Platz die Initiative und kam zu ersten Chancen, welche jedoch halbherzig, wenn nicht überheblich, vergeben wurden. Die Iren hingegen übernahmen das Kommando auf den Rängen und schmetterten ihre Kult-Hymne „Fields of Athenry“ sowie „Come on you Bhoys in Green“, so dass schon sehr früh im Spiel Gänsehautfeeling angesagt war.
Auf dem Rasen bekam man mehr und mehr den Eindruck, Deutschland wolle die Aufgabe mit halber Kraft und Hacke, Spitze, eins, zwei drei lösen, anstatt dem Kampf der Iren zu trotzen und kämpferisch dagegen zu halten. Das Auftreten der Deutschen missfiel mir schon in der Anfangsphase. Die Körpersprache wirkte arrogant, Zweikämpfe wurden weitestgehend vermieden. Bevor man sich aufs Eins gegen Eins einließ, sprang man vorsorglich hoch, um sein so hochpreisiges Weltmeisterfüßchen zu schonen, wenn ein Ire die Frechheit besaß mit Körperkontakt zu spielen oder mit einer der Wichtigkeit des Spiels angemessenen Härte einzusteigen, wurde sich vor dem Iren aufgebaut nach dem Motto „was bildest Du dir ein, einem Weltmeister die Stirn bieten zu wollen“. So kam der Auftritt auf der Tribüne an, nicht nur bei uns sondern natürlich auch beim irischen Publikum. Es war dieses mimosenhafte, das mir schon früh die Hutschnur platzen ließ und die Iren vom Glauben abfallen ließ. In einem Land, in dem Gaelic Football und Rugby zu den Volkssportarten zählen, stößt man noch mehr als anderorts auf Unverständnis, wenn man sich bei jeder noch so kleinen Berührung hinwirft und mit weinerlichen Blicken den Schiri anfleht, diese Majestätsbeleidigung(en) nun endlich zu unterbinden.
Je länger das Spiel dauerte, desto mehr fing ich an, es den Iren zu gönnen, dieses Verhalten der deutschen Diven zu bestrafen. So trug ich dann auch den irischen Führungstreffer zwanzig Minuten vor Schluss mit Fassung und erfreute mich an dem, was sich um uns herum abspielte. Ein unfassbarer Jubel, gestandene Mannsbilder mit Tränen in den Augen und ein Geräuschpegel, der seinesgleichen sucht. Anders als wir erfolgsverwöhnten Deutschen müssen die Iren im Fußball die Feste feiern, wie sie gerade fallen und dieser denkwürdige Donnerstag war eben einfach ihr Tag. Natürlich hätte Deutschland mit mehr Ernsthaftigkeit und einer besseren Chancenverwertung zur Halbzeit bereits mit 5:0 führen können, aber, wer wüsste das besser als wir VfB-Fans, wenn du die Dinger vorne nicht machst, geht der Schuss manchmal eben auch nach hinten los.
Die Iren ihrerseits konnten es sichtlich kaum fassen, gegen den Weltmeister in Führung zu liegen und platzten fast vor Stolz. Es war ein tolles Erlebnis mitten drin statt nur dabei zu sein, die Häme und die gesenkten Daumen, die uns entgegen gestreckt wurden, trugen wir mit Fassung und noch mehr mit Humor.
Letzen Endes muss man es sowieso hinnehmen wie es ist, zumal das Ergebnis ja kein Beinbruch war und drei Tage später gegen Georgien ja schon der zweite Matchball wartete.
Am Ende war ich richtig froh, dass Deutschland, obwohl mit etlichen Lederhosen in der Mannschaft, den sprichwörtlichen Bayern-Dusel an diesem Tag nicht hatte und kein Ball vorne mehr reinrutschte, um das Minimalziel, ein Pünktchen, noch zu holen und am Ende gar noch alles richtig gemacht zu haben. Diesen Denkzettel hatten sich die Deutschen redlich verdient so dass es mir im Falle eines späten Ausgleichs eher peinlich gewesen wäre, hätten wir die Iren am Schluss noch trösten und wir uns rechtfertigen müssen.
So ließen wir den Iren zum Glück ihre Freude über dieses Husarenstück und beglückwünschten sie. Für mich war es ein tolles Erlebnis, das Positive überwog eindeutig, auch wenn ich im Vorfeld fest davon ausgegangen war, wenigstens mit der Nationalelf, die es für mich noch immer ist, endlich mal wieder einen Sieg davontragen zu können. Dass es von unseren Diven dann gerade einmal noch 7 (!) nötig hatten, in die Fankurve zu trotten, sprach zusätzliche Bände über deren Einstellung an diesem Tag.

Wir schlugen danach auch keine Wurzeln mehr und begaben uns zu den Treppen, um endlich wieder „ins Freie“ zu gelangen, nicht ohne auf dem Weg hinab unzählige Hände zu schütteln und uns fast schon für die Arroganz des deutschen Auftritts entschuldigen zu müssen.
Unten auf der Straße, erst einmal eine Zigarette gedreht und sich von den Menschenmassen in Richtung City schieben zu lassen. Ganz? Nein! Schwirrte im Kopf schon ein „jetzt ein Taxi, das wär’s“ herum, stachen uns plötzlich zwei Rikschas ins Auge, die um Fahrgäste buhlten. Da ließen wir uns nicht zwei Mal bitten und nahmen diese gleich in Beschlag. Das war’s uns wert, hatten wir doch zunächst nur den einen Gedanken möglichst schnell unsere trockenen Kehlen befeuchten zu können. Der Rikscha-Wallah (so heißen die „Führer“ ihrer Vorbilder in Fernost tatsächlich) gab alles und konnte einem fast schon Leid tun, wie er sich abstrampelte. In bemerkenswertem Tempo und unter Ignorierung sämtlicher roter Ampeln lieferte er uns, nachdem er sich kurz mal verfahren hatte (!), recht zügig am Hotel ab, wo wir uns umgehend am Tresen wiederfanden.
Wir tranken noch ein paar Bierchen zusammen und hatten viele irische „Freunde“, die sich noch immer diebisch freuten und uns immer wieder in den Arm nahmen und sich bedankten. Der lange Tag forderte seinen Tribut, einer nach dem Anderen verabschiedete sich in Richtung Zimmer.
Ich dagegen harrte weiter aus, da sich VfB-Freunde aus dem Leintal und dem Hohenlohischen über Facebook ankündigten, „uns“ einen Besuch. Es zog sich etwas hin, da ihnen, wie es so ist im Leben, ein paar Pubs auf dem Weg zu uns in die Quere kamen. Aber, das Warten lohnte sich, auch sie rauschten mit Rikschas an, so dass wir den Abend in der angrenzenden Disko ausklingen ließen und diesen Ort erst gegen drei Uhr verließen, als die Iren die Schotten dicht machten.
Wurden die Anderen freundlich gebeten, den Ausgang in Richtung Straße zu nehmen, nahm ich die andere Seite in den Innenhof und musste lediglich noch ein paar Stufen hinauf in den 3. Stock bewältigen, um mich endlich in das viel zu weiche Bett fallen lassen zu können. Als Hotelgast genießt man dort schon einige Privilegien und besitzt quasi den Generalschlüssel in diesem Komplex. Ein kurzer Hinweis an den Security-Menschen am Eingang, dass ich Hotel-Gast bin, genügte, um die Disko auf die andere Seite verlassen zu dürfen, in der Rockbar Fibbers Magees, wo um diese Uhrzeit noch Bands auftreten und es normalerweise Eintritt kosten würde, reichte es ebenfalls, zu vermerken, dass wir Hotelgäste sind, um „very welcome“ zu sein.
Trotz recht langer Nacht und wegen des unbequemen Bettes war kurz nach 8 Uhr morgens die Nacht schon wieder vorbei, so dass es zeitig zum Frühstück ging. Der Magen knurrte, gab es doch schon seit dem Vortag 17 Uhr keine feste Nahrung mehr. Da Joa und Soke bereits mehrmals in Dublin waren und Soke zudem am Vortag seine Schuhe vollends ruinierte und für Nachschub sorgen musste, trennten sich zunächst unsere Wege, damit Anita und ich eine Stadtrundfahrt unternehmen konnten.

Diese führte uns zunächst „zurück“ zum Aviva-Stadium, dann durch Villen- und Botschaftsviertel zurück in die Innenstadt, u. a. mit der St Patrick’s Cathedral, Temple Bar, Zoo und der Old Jameson Distillery bis hin zum Guinness Storehouse. Dort stiegen wir aus und leisteten uns die 20€ Eintritt für die (nichtgeführte) Besichtigung. Es war sehr viel los, auf manchen Stockwerken ein richtiges Gewusel, so dass ich letzten Endes froh war, den 7. Stock erklommen zu haben und mein „Gratis-Guinness“ in Empfang nehmen zu dürfen.
Von dort oben hat man einen wunderschönen Panorama-Blick über Dublin. Leider war auch in der Bar sehr viel los, so dass ich keine Lust darauf hatte, mich wegen ein paar Fotos durch die Menge zu kämpfen.
Interessant ist die Historie der Guinness-Brauerei allemal, faszinierend welchen Geschäftssinn Arthur Guinness 1759 bewies, als er mit gerade einmal 100 £ Startkapital für eine Brauerei am St. James Gate einen Pachtvertrag über sage und schreibe 9.000 Jahre für läppische 45 £ Jahreszins abschloss und die Guinness-Brauerei gründete. Die dunkle Farbe des Bieres rührt im Übrigen von einem Missgeschick einer Londoner Brauerei her, der die Gerste verbrannte, und die das so entstandene Bier zwar zum halben Preis veräußerte, bei den Abnehmern aber auf helle Begeisterung stieß. Arthur Guinness verfeinerte die Rezeptur im Lauf der Jahre. Von seinen 21 Kindern erreichten nur zehn das Erwachsenenalter, diese bauten jedoch das Guinness-Imperium zu dem auf, was es heute ist. Als eine der Haupt-Attraktionen von Dublin ist das Guinness-Storehouse für den kulturinteressierten Touristen ein Muss.

Nachdem wir uns mit den anderen wieder zusammengefunden hatten, bot unser „Terminkalender“ noch einen besonderen Programmpunkt. Den Abstecher in den traditionsträchtigen Dalymount Park zum Dubliner Derby Bohemians Dublin gegen St. Patrick’s Athletic.
Ein wenig mehr Derby-Atmosphäre hatten wir uns schon erhofft gehabt, es war überraschend ruhig geblieben, sowohl auf den Tribünen als auch vor dem Stadion. Keine Pyro, kein Platzsturm, keine Scharmützel der verfeindeten Fangruppen haben wir mitbekommen. Vielleicht lag es ja daran, dass sich die sportliche Brisanz der Partie in Grenzen hielt. Fünfter gegen Vierter, übrigens schon der 30. Spieltag, da die irische Saison im Kalenderjahr gespielt wird.
Das Highlight war dann fast schon, dass Johnny Logan im Bohemians-Trikot umher spazierte und sich huldigen ließ. Weiteres Highlight, das nicht unerwähnt bleiben darf, in den beiden Bars im Inneren des Stadions gab es doch tatsächlich die günstigen Pints, die wir während unseres Dublin-Aufenthalts genießen durften. Das Heim-Team gewann 2:0, so dass die Stimmung am Ende richtig gut war.

Danach ging es mit dem Taxi zurück ins Hotel. Weshalb auch in die Ferne schweifen, wenn man vor der Haustür alles hat, was man braucht. In der Fibber Magees Bar, durch die ganztägig süßlich riechende Rauchschwaden zogen, ließ es sich aushalten, so dass wir dort für guten Umsatz und bei Soke für gute Laune sorgten, arbeitet dort doch seine (chinesische) Lieblingsbedienung. Auch an diesem Abend schaute noch ein Bekannter vom Fanclub vorbei mit dem wir auf das Wiedersehen im fernen Dublin anstießen. Jeder erblasste vor Neid, der unsere Location und die kurzen Wege dort zu Gesicht bekam.
An unserem letzten Abend landeten wir, wie schon am Vorabend zum Schluss noch in der Disko, wo man sich in Anbetracht des Publikums gleich 20 Jahre jünger fühlte, und zu später Stunde gar noch schwofte, bis die Fetzen flogen.

Gut, dass wir um drei Uhr rausgeschmissen wurden und ich mich nicht mehr dazu überreden ließ, weiter in die Rockbar zu ziehen, um noch ein Konzert anzuschauen, schließlich stand ja der Abreisetag an.
Diesen konnten wir gemütlich starten, kurz vor 10 Uhr sollten wir eben ein Taxi zum Flughafen bekommen, um nicht in Hektik zu kommen. Es hat alles super geklappt, wir waren rechtzeitig da, dumm nur, dass unser Flug erst eine Stunde, 20 Minuten, später als geplant abhob. Dadurch hatten wir in Paris die gleiche Rennerei wie auf dem Hinflug und erreichten unser Abflug-Terminal gerade so noch rechtzeitig und „pünktlich“ zum Boarding, was aber wiederum gewährleistete, dass wir recht pünktlich in Stuttgart landeten.
Als Fazit unserer Tour kann konstatiert werden, dass die Zusammenstellung der Truppe und derer, die mehr oder weniger ständig dabei waren (Marco, die Hallenser, etc.) super gepasst hat und sich auch Anita gut eingefügt hat. Unsere Länderspieltouren sind eigentlich als reine Männertouren deklariert, so dass hier, danke Soke und Joa, eine Ausnahme gemacht wurde. ;-)
Auch sonst fällt mein Fazit durchweg positiv aus. Eine „neue“ Stadt kennengelernt, zwei „neue“ Stadien und Fußballspiele besucht, mein Englisch mal wieder aufgefrischt und der britischen Pubkultur, die es mir so angetan hat, gefrönt.

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18. Juli 2014

WIR SIND WELTMEISTER!

Ich gebe es gerne zu, auch ich war vor der WM 2014 in Brasilien skeptisch und meine Vorfreude hielt sich in Grenzen.

Zum einen waren die letzten Auftritte der deutschen Nationalmannschaft wenig vielversprechend. Teils durch Verletzungen, teils der Experimentierfreudigkeit des Bundestrainers geschuldet erweckten die Aufstellungen manchmal den Eindruck einer mehr oder weniger um sich greifenden Planlosigkeit. Zudem waren in der Saison 2013/14 etliche Leistungsträger verletzt (Neuer, Schweinsteiger, Hummels, Klose, vor allem Khedira, auch Höwedes und einige andere hatten unmittelbar vor dem Turnier noch mit Wehwehchen zu tun) bzw. völlig außer Form (Özil, Götze, …), so dass der Bundestrainer schon am Rande des Chile-Länderspiels im März in Stuttgart, darauf hinwies, dass alles passen müsse, wolle man in Brasilien eine gute Rolle spielen. Es klang mir damals wie ein Alibi in den Ohren, sollte es schief gehen!

Als dann auch noch, im letzten Test vor der WM, der bis dahin überragende Marco Reus verletzungsbedingt seine Turnierteilnahme absagen musste, hatte ich große Bedenken was das Leistungsvermögen der deutschen Elf anging. Befeuert wurde diese Unsicherheit zudem auch noch durch den großen Respekt, den auch ich vor den (ständig wechselnden) Bedingungen in diesem riesigen Land hatte.
Auf dem amerikanischen Kontinent wurde noch nie ein europäisches Team Weltmeister, diese Tatsache kommt nicht von ungefähr. Extrem unterschiedliche klimatische Bedingungen, verschiedene Zeitzonen, lange Reisewege, darauf muss man sich erst einmal einstellen und auch damit zurechtkommen.
Im Nachhinein kann man konstatieren, der DFB hat (wieder einmal) alles richtig gemacht. Das Campo Bahia lag, trotz der obligatorischen Fährüberfahrt, logistisch perfekt, um die Spielorte in der Vorrunde zu erreichen und sich klimatisch nicht zu sehr umstellen zu müssen. Die Wahl des Quartiers, die Unterbringung der Spieler in verschiedenen „Wohngemeinschaften“ war perfekt gewählt. Der DFB-Tross unter Federführung von Oliver Bierhoff schafft es durch solche Entscheidungen, dass es den Spielern nicht langweilig wird, dass sich keine Routine einschleicht und nicht zuletzt, dass sie sich schon „im kleinen“ auf immer neue Reizpunkte einstellen müssen, eine Erfahrung, die bei ständig wechselnden Spielsituationen auch auf dem Platz nur von Vorteil sein kann. Aller Widrigkeiten und Vorgeplänkel zum Trotz beginnt für mich die Zeit der Beurteilung der Mannschaft und der Trainer mit dem ersten Spieltag. Das Funktionsteam verstand es stets, spätestens seit dem Sommermärchen 2006, die Mannschaft auf den Punkt hin zu formen und fit zu bekommen, weshalb ich großes Vertrauen in den DFB habe und mich mit der Überbewertung eines Testspiels gegen Kamerun lieber zurückhalte. Nach dem DFB-Pokal-Finale wurde es langsam ernst. Die beteiligten Spieler hatten zwar noch einige Tage Zeit zum durch schnaufen, wurden jedoch schon mit individuellen Trainingsplänen ausgestattet und darauf getrimmt, von nun an den alleinigen Fokus auf die anstehenden drei Wochen Vorbereitung und das WM-Turnier zu legen.

Dennoch beschleicht mich anfangs stets eine Unsicherheit, dass es auch einmal schief gehen könnte, Garantien gibt es keine, dass jedes Mal zusammen wächst, was auch zusammen gehört. Wir hatten zwar keine Süd- oder Mittelamerikaner in unserer Gruppe, doch auch Portugal, Ghana und die USA zählen nicht unbedingt zur Laufkundschaft bei einer Weltmeisterschaft.
Portugal mit seinen starken Individualisten muss man immer ernst zu nehmen, Ghana bereitete uns bereits 2010 große Probleme und die topmotivierten US-Amerikaner unter Leitung von Jürgen Klinsmann sind schwer auszurechnen und hatten uns im letzten Jahr besiegt, allerdings in einem Test ohne die Spieler der Champions League-Finalisten Bayern und Dortmund.

Der andere Aspekt, weshalb mich vor diesem Turnier (noch) nicht das große WM-Fieber packte, sind die allgemeinen Umstände in diesem Land. Wie immer, wenn die FIFA ein Event ausrichtet, werden die Probleme des Landes einfach ausgeblendet anstatt auf Nachhaltigkeit zu setzen.

Durch die Favelas pflügte die Polizei kurz vor der WM mit eisernem Besen, Obdachlose und Bettler wurden aus den Stadtzentren „entfernt“, die protestierende Masse einfach ignoriert. Die WM drohte einmal mehr eine Veranstaltung für die oberen Zehntausend zu werden, Otto Normal-Brasilianer war außen vor, weil in diesem bitterarmen Land den meisten Leuten die Mittel fehlen, um aktiv daran teilzuhaben. Die FIFA ließ milliardenteure Stadien errichten, teilweise in Regionen, in denen es allenfalls einen Zweitligisten gibt, der das Stadion später (mehr schlecht als recht) nutzen könnte. Nachhaltigkeit sieht anders aus! Zudem lässt sich die FIFA als Bedingung jeder WM-Vergabe Steuerfreiheit für alle Gewinne zusichern, so dass auf den ersten Blick klar wird, wer der große Profiteur dieser Veranstaltung sein würde.

Damit finde ich es äußerst diskussionswürdig, was eine WM (genauso wie die Olympischen Spiele 2016) diesem Land bringen wird. Die bestehenden Probleme werden lediglich vier Wochen lang kaschiert, jedoch nicht, auch nicht zum Teil, gelöst, ein Blick nach Südafrika genügt, um diese These zu unterstreichen.

Natürlich ist mir eine WM in einem fußballbegeisterten Land wie Brasilien tausend Mal lieber als eine WM in Russland oder gar in Katar.

Diese WM-Vergaben der FIFA zeigen auf, dass Geld sprichwörtlich nicht stinkt, und ist es noch so blutverschmiert. Prestigeobjekte, wie die Winterolympiade in Sotschi, die sagenhafte 50 Milliarden Euro gekostet hat oder 2018 die WM steht auch hier eine große Armut von einem Großteil der Bevölkerung entgegen. Da der Westen am Tropf von russischem Öl und vor allem Gas hängt, wird es dem Vernehmen nach (leider) keiner wagen, Putin dieses Prestigeobjekt zu entziehen, hinterfragt gehört auch diese WM-Vergabe. Fraglich ist, wie weit Putin in der Ukraine-Krise noch gehen kann, bis „seine“ WM womöglich doch noch zur Disposition steht.

Noch kritikwürdiger bzw. schon skandalös ist die Vergabe nach Katar 2022. In einem Land, in dem offensichtlich Milch und Honig fließen und Geld keine Rolle spielt, Arbeitssklaven mit einem Hungerlohn abgespeist werden und auf den Baustellen qualvoll sterben, weil an der Grundversorgung gespart wird, sollen die Elite-Kicker bei (Außen-)Temperaturen um die 50° Hochleistungssport betreiben. Auch wenn die Stadien herunter gekühlt werden sollen (eine tolle Idee, Stichworte Erderwärmung und Treibhausgase!), sollte man es ja auch auf dem Trainingsplatz aushalten können und an die Fans denken, die auch dorthin wieder zahlreich anreisen dürften. Eine Ausrichtung im Winter mit erträglicheren Temperaturen wird schwerlich durchzusetzen sein, müsste doch der internationale Kalender, bis hin zu den untersten Spielklassen, verändert werden. Ob es auf eine monatelange Winterpause oder eine Kalenderjahr-Saison hinauslaufen würde, steht noch nicht fest. Ich habe noch immer die Hoffnung, dass Katar die WM auf dem FIFA-Kongress im September noch entzogen werden könnte, wurden doch kurz vor dem Turnier neuerliche Korruptionsvorwürfe bekannt. Ob dies unter Blatter möglich ist, wage ich zu bezweifeln. Der greise Schweizer kündigte ja an, eine weitere Amtszeit in Betracht zu ziehen, obwohl er vor seiner letzten Kandidatur klipp und klar mitteilte, er stünde nur noch für die eine, seine letzte, Amtszeit zur Verfügung. Hatten ihn viele, vor allem die Europäer, damals wohl nur gewählt, weil sein Ende absehbar war, fühlen sie sich jetzt betrogen und bringen den designierten Nachfolger Michel Platini für die Blatter-Nachfolge in Stellung. Fraglich, ob er sich das antun möchte und ob es unter ihm bedeutend besser werden würde. Die europäischen Wettbewerbe sind unter seiner Führung zu einer Zweiklassengesellschaft geworden, wer sich nicht für die Championsleague qualifiziert, ist im Wettbewerb der oberen 32 chancenlos geworden. Das Financial Fairplay und die drohenden Sanktionen, an und für sich eine gute Idee, trifft bisher nur die Kleinen, weil man sich an die Großen und Reichen, von Scheichs und Öloligarchen finanzierte Clubs (noch) nicht herantraut. Trotzdem hoffe ich im Falle eines Falles auf einen starken Gegenkandidaten, denn, darüber sind sich die meisten einig, unter Blatter wird es keine revolutionäre Reformen geben und die FIFA bleibt der korrupte Verband, der er seit Menschengedenken ist.

Obwohl die FIFA bei dieser Weltmeisterschaft mit den Anstoßzeiten dem europäischen Fernsehmarkt Rechnung trug und daher viele Spiele bei sengender Mittagshitze und unerträglicher Schwüle bereits um 13 Uhr Ortszeit angepfiffen wurden, war es mir klar, dass ich mich, zumindest was die Spiele anging, die nach Mitternacht deutscher Zeit begannen, ans Frühstücksfernsehen bzw. die Nachberichterstattungen am Abend halten müsste.

Wegen der WM meinen kompletten Urlaub zu verbrauchen, das war es mir nicht wert. Dank Gleitzeit konnte man den einen oder anderen Arbeitsbeginn nach hinten verlegen, vor allem, wenn es um die Spiele der deutschen Nationalmannschaft ging, den Klassiker Elfenbeinküste-Japan nachts um 03.00 Uhr dagegen musste ich mir nicht antun, selbst wenn er am Wochenende stattfand.

Die Eröffnungszeremonie aber und das Eröffnungsspiel am (ungewohnten) Donnerstagabend ließ ich mir natürlich nicht entgehen.

Wer weiß, wie die Heim-WM für die Brasilianer verlaufen wäre, hätte der Schiedsrichter kein Einsehen mit den Gastgebern gehabt. Neymar, wie es sich herausstellte DER Top-Mann Brasiliens, hätte nach einem Ellenbogenschlag vom Platz gestellt gehört, sorgte danach für den Ausgleich und verwandelte schließlich noch einen von Fred geschundenen Elfmeter zur vielumjubelten Führung. Schon hier hätte Kroatien dem Gastgeber die Grenzen aufzeigen können, was aber nicht im Interesse der FIFA lag, nach Südafrika 2010 erneut einen Gastgeber in der Vorrunde ausscheiden zu sehen.
Gerade in diesem von massiven Unruhen von WM-Gegnern erschütterten Land hätte es fatale Folgen für das Turnier haben können, wenn der Gastgeber früh die Segel hätte streichen müssen und das Interesse der Brasilianer für ihre WM womöglich verflogen wäre.

Einen Tag später nahm das Turnier so richtig an Fahrt auf. Holland zerlegte Welt- und Europameister Spanien nach allen Regeln der Kunst und feierte einen 5:1-Sieg. Seit dem Confederations Cup 2013 und dem 3:0-Finalsieg der Brasilianer gegen die bis dahin so dominanten Spanier legte ich mich fest. Brasilien ist mein absoluter Top-Favorit für das WM-Turnier. Dieser Kantersieg der Holländer aber relativierte den Finalsieg der Brasilianer vom Vorjahr schon wieder. Offensichtlich haben die Spanier den Umbruch verschlafen, hielten zu lang an verdienten Spielern der erfolgreichen Jahre fest. Sie entwickelten sie sich nicht weiter, so dass die anderen Nationen aufholten. Ihr Tici-Taca-Spiel (ich kann es nicht mehr hören…) ist durch die älter gewordenen Spieler zu langsam geworden, so dass es ihnen kaum mehr gelingt, eine Mannschaft damit schwindlig zu spielen und zu zermürben. Nach dieser Vorstellung gegen Holland war es dann keine Überraschung mehr, dass sie auch den starken Chilenen den Vortritt lassen mussten und als Weltmeister bereits nach der Vorrunde draußen waren.

Auch die Engländer, die zum Auftakt gegen Italien den Kürzeren zogen, hatte ich stärker eingeschätzt. Sie hatten ein ähnliches Problem wie die Spanier, einige Platzhirsche sind in die Jahre gekommen und ein Trainer tut sich nun einmal damit schwer Denkmäler zu demontieren, daheim zu lassen oder auf die Ersatzbank zu degradieren. Nicht jedes dieser Probleme „löst“ sich so elegant wie bei uns 2010, als kurz vor dem Turnier Michael Ballack durch das rüde Foul von Kevin-Prince Boateng um seine WM-Teilnahme gebracht wurde. Im Nachhinein sicher nicht der schlechteste Vorfall für Deutschland, mussten doch andere, wie damals bspw. Sami Khedira von heute auf morgen Verantwortung übernehmen.

Nach und nach konnte man sich in den ersten Turniertagen ein Bild von den Kontrahenten machen, die bislang, außer jenes Holland, allesamt keine Furcht einflößten, ehe am fünften Tag ENDLICH die deutsche Nationalmannschaft in den Wettbewerb einstieg. Vor Spielen gegen das kleine Land Portugal mit dem Weltfußballer 2013, Cristiano Ronaldo, beschleicht mich jedes Mal ein mulmiges Gefühl. Einerseits gewannen wir in letzter Zeit immer die Wettbewerbs-Spiele gegen Portugal, weil es Löw verstand die Truppe perfekt einzustellen und man Ronaldo keinen Zentimeter Platz ließ, um seine Stärken auszuspielen. Andererseits hat Portugal ja auch noch andere Hochkaräter in der Mannschaft, so dass es mir schon bewusst war, dass man gegen Portugal durchaus auch zum Auftakt mal verlieren kann, wenn nicht alles passt und nicht jeder voll konzentriert bei der Sache ist. Es war also möglich, was eigentlich nicht passieren durfte. Bei drei Vorrundenspielen würde der Druck immens ansteigen, sollte der Auftakt in den Sand gesetzt werden.

Löw überraschte beim Turnierauftakt mit einer Viererkette, bestückt aus vier gelernten Innen- und damit keinem echten Außenverteidiger. Stattdessen rückte Kapitän Lahm ins Mittelfeld an die Seite von Sami Khedira. Bastian Schweinsteiger, noch nicht richtig fit, musste auf der Bank Platz nehmen. Nach anfänglichen Abstimmungsproblemen und einem kapitalen Schnitzer von Lahm hätte es durchaus schon 0:1 stehen können, ehe die deutsche Elf besser ins Spiel fand. Als Götze im Strafraum darnieder gezogen wurde und Thomas Müller den fälligen Strafstoß verwandelte lagen wir früh in Führung, was uns natürlich in die Karten spielte. Hummels erhöhte nach einer Ecke auf 2:0, ehe Pepe nach angedeutetem Kopfstoß gegen Müller die rote Karte sah und die Weichen für Deutschland endgültig auf Sieg gestellt waren. Müller erhöhte noch vor der Pause auf 3:0, so dass das Spiel gelaufen war. Danach kickte die DFB-Elf kräfteschonend ihren Stiefel herunter und erhöhte gut zehn Minuten vor Schluss, abermals durch Thomas Müller, zum Endstand von 4:0. Einen solchen Auftakt hätten die wenigsten erwartet, besser geht’s eigentlich nicht! Spätestens an diesem Tag merkte man, dass bei dieser WM etwas gehen könne, so dass man schon auf das zweite Spiel gegen Ghana hin fieberte.

Ghana war der erwartet unangenehm zu bespielende Gegner und der Grund dafür, dass man vor der WM kurzfristig noch gegen Kamerun testete. Nach zäher erster Halbzeit mit wenigen klaren Chancen brachte Götze Anfang der zweiten Halbzeit schwarz-rot-gold in Führung. Die Freude darüber währte allerdings nicht lange, denn Ghana schlug zurück. Erst besorgte Ayew den Ausgleich, ehe Gyan nach „Vorlage“ von Lahm die Führung Ghanas erzielte. Mit der Hereinnahme von Klose für die falsche Neun Mario Götze wurde die Brechstange herausgeholt. Es war dann auch eben jener Klose, der gerade mal zwei Minuten nach seiner Einwechslung den vielumjubelten Ausgleich erzielte. Klose stand in der Rückrunde seinem Verein Lazio Rom verletzungsbedingt nur selten zur Verfügung und war von seiner Top-Form meilenweit entfernt. Daher war es bei der Kader-Nominierung schon sehr überraschend, dass Löw auf das Pferd Klose als einzigen echten Stürmer im Kader setzte und auf Leute wie Kevin Volland, Max Kruse, Mario Gomez und erstrecht auf Stefan Kießling verzichtete. In seinem zwanzigsten WM-Spiel bei seiner vierten WM-Teilnahme holte er damit den Brasilianer Ronaldo mit 15 Toren in der ewigen Torjägerliste ein und bewies, dass ihm sein Torriecher auch mit 36 Jahren noch immer nicht abhanden gekommen ist.

Durch das 2:2 der USA gegen Portugal im anderen Gruppenspiel musste es schon mit dem Teufel zugehen, würde die deutsche Elf erstmals überhaupt in der Vorrunde einer WM ausscheiden. Die Konstellation war jetzt die, dass beim abschließenden Gruppenspiel gegen die USA beiden Teams ein Unentschieden zum Weiterkommen reichen würde. Schnell machte in internationalen Fachkreisen die Befürchtung von einer Neuauflage der Schande von Gijón die Runde, zumal die Nationaltrainer Joachim Löw und Jürgen Klinsmann gut befreundet sind. Bevor Deutschland den letzten Schritt ins Achtelfinale zu gehen hatte, verabschiedeten sich bereits Spanien, Italien und England aus dem Turnier, während Teams wie Chile, Kolumbien und Costa Rica beeindruckende Vorstellungen hinlegten und weiter im Turnier bleiben durften.

Dies unterstreicht den nicht zu unterschätzenden „Heimvorteil“ bei dieser WM. Allerdings gab es unter den Europäern auch Positivbeispiele wie die Niederlande, Frankreich und eben Deutschland oder auch die Schweiz, die im Achtelfinale äußerst unglücklich gegen den späteren Finalisten Argentinien aus dem Turnier schied.

Deutschland beendete die Vorrunde mit einem glanzlosen 1:0-Erfolg gegen die USA, einem Ergebnis das beiden Teams zum Weiterkommen reichen sollte. Für das Team von Bundestrainer Jogi Löw zählte von Beginn der WM an nur der Gruppensieg, da der Spielplan es vorsah, dass sie als Gruppensieger in klimatisch angenehmeren Spielorten im Süden des Landes ihre Visitenkarte abgeben könnten.

Das Achtelfinale gegen Algerien weckte schon wieder Erinnerungen an 1982, waren es doch die Algerier, die durch die Schande von Gijón aus dem Turnier gekegelt wurden und damit sicher noch eine Rechnung mit uns offen hatten. Zudem ist Algerien eines der wenigen Länder, gegen die wir eine negative Länderspielbilanz aufweisen. Eines vorneweg: dieses Spiel ging an die Nieren…Die Algerier sind ein Team, wie es uns überhaupt nicht liegt. Ein tief stehendes Team, das es bei gegnerischem Ballbesitz versteht, die Räume eng zu machen. Offensiv biss sich die deutsche Mannschaft die Zähne aus und kam nur zu wenigen Chancen. Bei Ballgewinn aber und den gab es vor allem in der ersten Hälfte durch haarsträubende Fehlpässe unserer Mannschaft zuhauf, schwärmen sie blitzschnell aus und tauchten öfter allein vor Manuel Neuer auf als es uns lieb war. Neuer erfand in diesem Spiel den Libero neu und entschärfte dadurch eine gefährliche Situation nach der anderen. Erst durch die Hereinnahme von Sami Khedira 20 Minuten vor Ende der regulären Spielzeit und der Rückversetzung von Lahm auf die ihm angestammte rechte Abwehrseite konnte man etwas von Sicherheit im deutschen Spiel spüren und unsere Nerven wurden etwas geschont. Nach dem Pfiff, der die reguläre Spielzeit beendete, hatte ich eher den Eindruck, dass wir uns in die Verlängerung gerettet haben als umgekehrt.

Kaum war das Spiel wieder freigegeben war es der eingewechselte André
Schürrle, der das erlösende 1:0 für Deutschland schoss. Dieses Tor sorgte leider auch nicht dafür, dass es die deutsche Mannschaft ruhig über die Zeit bringen konnte. Die Defensivschwächen blieben, so dass bis kurz Schluss weiter gezittert werden musste. In der 119. Minute besorgte Özil das 2:0, so dass der Anschlusstreffer zum 2:1 kurz vor Ende der angezeigten Nachspielzeit nur noch Ergebniskosmetik bedeutete.
Ich gebe es unverhohlen zu, auch ich ließ mich während des Spiels zu Posts hinreißen, in der die Rede von Slapstick und Ähnlichem war, auch ich war teilweise erschrocken über die Fehlpassorgien, die wir vor allem in der ersten Halbzeit über uns ergehen lassen mussten. Trotzdem muss man die Leistung Algeriens, die in der Vorrunde immerhin Russland und Südkorea hinter sich ließen, anerkennen und der gegnerischen Mannschaft Respekt zollen. Die deutsche Nationalmannschaft konnte also den Kopf aus der Schlinge ziehen, was viele „Fans“ nicht davon abhielt, nach dem Spiel den Stab über die Mannschaft zu brechen. Ich persönlich hakte diesen Auftritt direkt nach dem Spiel unter „Mund abwischen, weiter geht‘s“ ab und freute mich auf das Viertelfinale gegen Frankreich. Mehr als weiter zu kommen gab es in diesem Spiel nicht zu erreichen, insofern, alles gut! Per Mertesacker holte einem allzu kritisch nachfragenden Fernsehmenschen gekonnt den Rost herunter und hatte Recht damit. Wann hört endlich diese notorische Nörgelei auf, warum muss man sich rechtfertigen, wenn man bei einer Weltmeisterschaft ins Viertelfinale einzieht.

Dass die Gegner in den K. O.-Runden stärker werden würden, war ja wohl klar. So wartete auf uns danach mit der Équipe tricolore ein wahrlich dicker Brocken. Die Franzosen haben offensichtlich aus dem Desaster 2010 gelernt und hatten in Brasilien wieder ein Team am Start, das auch als solches auftritt. Ein Schelm, der Böses denkt und Franck Riberys (verletzungsbedingter) Ausfall für die WM als Gewinn für die Franzosen einordnet, war doch der kleine Bayern-Kicker einer der Anführer der Revolte gegen Deschamps‘ Vorgänger Domenech in Südafrika.
Im Turnierverlauf benötigt man ja das Quäntchen Glück (des Tüchtigen), gegen Frankreich hatten wir es.

Die durch Mats Hummels erzielte frühe Führung hatte trotz hochkarätiger Chancen der Franzosen bis zum Schluss Bestand. Garant des Erfolgs war dieses Mal nicht unsere hochgelobte Offensive, sondern dieses Mal die Abwehr um die überragenden Manuel Neuer und Mats Hummels. Gegen die Benzema & Co. brachten sie immer noch ein Bein oder eine Hand dazwischen und verhinderten so mehrmals den Einschlag des Spielgerätes in unserem eigenen Kasten. Sinnbildlich noch die Parade von Neuer in der Nachspielzeit, als Benzema aus spitzem Winkel abzog und Neuer wie eine Wand stand und den Ball mit einem Arm abwehrte. Ganz großes Kino!

Besonders für Hummels freut es mich, dass er in der Nationalelf endlich zu einer festen Größe geworden ist und den langjährigen Platzhalter Per Mertesacker (The Big fuckin‘ German), zumindest fürs erste, auf die Ersatzbank verdrängen konnte. Für das Dortmunder Spiel ist er schon lang nicht mehr wegzudenken und absoluter Führungsspieler, nur in der Nationalelf, in der er sein Spiel etwas umstellen muss, konnte er bis zu diesem Turnier nie richtig Fuß fassen.

Im Halbfinale wartete dann Brasilien auf uns. Der Gastgeber musste dabei auf seinen Top-Star Neymar verzichten, der gegen Kolumbien brutal auf die Krankenbahre getreten wurde und mit einem Wirbelbruch ausfiel. Ironie des Schicksals, da er es ja, wie eingangs erwähnt, lediglich dem japanischen Schiedsrichter verdanken konnte, dass er sich überhaupt erst zu einem so wichtigen Spieler für sein Team im Turnierverlauf entwickeln konnte. Er war in den bisherigen Spielen der Gastgeber die prägende Gestalt und der einzige, der Verantwortung übernahm. Außerdem mussten die Brasilianer den Ausfall von Abwehrchef Thiago Silva, der mit Gelbsperre ausfiel, verkraften. So war den Brasilianern die Angst ins Gesicht geschrieben, den Fans wie auch den Spielern, dass ihr Titeltraum nach diesem Spiel ausgeträumt sein könnte.

Ich selbst traute dem Braten noch nicht, auch wenn ich noch nie eine schlechtere brasilianische Mannschaft gesehen hatte als bei dieser WM.

Diese fiel in diesem Jahr weniger durch Sambafußball und Ballstafetten zum Zunge schnalzen auf, als durch rigoroses bekämpfen des Gegners, wodurch sie sich gleich einmal an die Spitze der Foulstatistik katapultierten. Trotzdem weiß man nicht erst seit unseren verlorenen Spielen 2006 und 2010, dass die Luft im Halbfinale enorm dünn wird und jeder jeden schlagen kann. Dieses Spiel würde schwierig werden, da war ich mir ganz sicher. Obwohl die Brasilianer bisher nicht überzeugten, machte das Publikum mächtig Alarm, so dass es darauf aufkam, dass sich die deutsche Nationalmannschaft nicht aus dem Konzept bringen lässt und kühlen Kopf bewahrt. Joachim Löw vertraute im Halbfinale exakt der Formation, die auch gegen Frankreich begann. Wie zu erwarten war, legte Brasilien los wie die Feuerwehr und kam bereits nach zwei Minuten zum ersten Torabschluss. Zwei Minuten später war es dann aber auch schon wieder vorbei mit der brasilianischen Herrlichkeit. Deutschland fand so langsam ins Spiel und nutzte die Räume, die vor allem der immer in der Offensive befindliche eigentliche Außenverteidiger Marcelo Thomas Müller anbot. Nach sieben Minuten hatte Sami Khedira die erste Chance für Deutschland, sein Schuss traf aber nur den Körper von Toni Kroos. Weitere vier Minuten später trat der erneut starke Toni Kroos eine Ecke schulmäßig in den Strafraum, die Thomas Müller völlig ungedeckt nur noch ins Tor einzuschieben brauchte.
Es war sein fünfter Treffer bei diesem Turnier womit er seine Marke von 2010 einstellte. Brasilien schüttelte sich kurz und versuchte sich vom frühen Schock zu erholen, was nur bedingt gelang. Sie verzettelten sich in Einzelaktionen womit Deutschland im Verbund wenige Probleme hatte. Danach begannen sechs denkwürdige Minuten in denen die Brasilianer, wie noch nie in ihrer Länderspielgeschichte, von einer famos aufspielenden deutschen Nationalmannschaft schwindelig gespielt wurden. Klose (damit mit 16 Treffern alleiniger Führender in der ewigen Torschützenliste), 2x Kroos und Sami Khedira erhöhten auf den Halbzeitstand von 0:5 (!).
Zu Beginn der zweiten Halbzeit merkte man den Gastgebern an, dass sie sich auf diese Weise nicht aus dem Turnier schießen lassen wollten und sie kamen zu einigen nennenswerten Torchancen.
Unserer Abwehr fehlte in diesen zehn Minuten nach der Pause die nötige Konzentration, wer möchte es ihnen auch verdenken, angesichts dieses Spielstands. Einzig und allein der erneut überragende Manuel Neuer verhinderte den Anschlusstreffer. In der Folgezeit plätscherte das Spiel seinem Ende entgegen. Lediglich André Schürrle, der nach knapp einer Stunde für Miro Klose gekommen war, schien sich noch etwas vorgenommen zu haben und stellte durch zwei schöne Treffer auf ein denkwürdiges 0:7.

Dass Oscar in der Nachspielzeit noch den Ehrentreffer erzielte störte keinen mehr so richtig. Keinen? Doch, Manuel Neuer war so richtig angefressen, weil er, wie jeder Torwart nun mal, gerne zu null gespielt hätte. So stand am Ende ein 1:7, ein absolut denkwürdiger Abend ging zu Ende. Nie zuvor hat eine brasilianische Nationalmannschaft höher verloren, nie zuvor gab es auch nur annähernd einen solch hohen Halbfinalsieg. Die Brasilianer zerbrachen förmlich an dem immensen Druck als Gastgeber und waren nicht in der Lage ihre Ausfälle gleichwertig zu kompensieren. Deutschland dagegen spielte phasenweise Katz und Maus mit ihnen und ließ nie einen Zweifel daran aufkommen, wer ins Finale gehört.

Deutschland feierte, Brasilien stürzte ins Tal der Tränen. Es wird sicherlich einige Zeit in Anspruch nehmen, bis Fußball-Brasilien wieder aufsteht und diese Demontage komplett verarbeitet hat. Brasilien muss sich im Fußball runderneuern und tut gut daran zu den Besten, also Deutschland, auf- und sich Dinge abzuschauen.

Grundlegendes Problem der Brasilianer war, dass sie von Individualisten abhängig waren während Deutschland auf ein starkes Kollektiv setzen konnte. Wer hätte gedacht, dass Mustafi (den ich, ich gebe es zu, vorher gar nicht gekannt hatte) für Reus nachnominiert wird, wer, dass Hummels anstelle von Mertesacker neben Boateng in der Innenverteidigung seinen Mann steht. Wer hatte Höwedes (da auf ungewohnter Position nicht für wenige DER Mann dieses Turniers) als linken Verteidiger auf der Rechnung und wer sah den alten Mann Miroslav Klose in der Startelf? Wir hatten zeitweise fünf Spieler auf dem Platz, die in der Nationalelf andere Positionen als im Verein bekleideten, auch das war vor und auch während des Turniers ein viel diskutierter Kritikpunkt. Wobei genau das auch die geistige und taktische Flexibilität ausdrückt, die Löw immer wieder eingefordert hat. Der Erfolg gibt einem Trainer immer Recht (3 Euro ins Phrasenschwein), daher hat Löw bis dahin auch alles richtig gemacht. Sein Festhalten an Özil, trotz aller Kritik, dafür die formstarken Podolski und Schürrle weitestgehend auf der Bank. Auch der 37-Millionen-Mann Mario Götze mehr Bankdrücker denn Stammkraft, es gab nicht wenige, die diese Maßnahmen nicht nachvollziehen konnten. Auf der anderen Seite gibt es natürlich auch ein unheimlich gutes Gefühl, mit diesen Top-Leuten in der Hinterhand auf schwierige Spielsituationen reagieren zu können, sind sie doch alle in der Lage ein Spiel alleine entscheiden. Wer als Weltmeister grüßt, hat natürlich auch in der Kaderzusammenzustellung alles richtig gemacht. Da Löw Leute wie Kießling, Kruse, Schmelzer, Ter Stegen, Gomez u.v.a.m. zuhause ließ, dafür aber u. a. Mustafi, Durm, Ginter, Weidenfeller lässt vermuten, dass Löw für sie größtenteils die Rolle als Lückenbüßer vorgesehen hatte. Die zuhause gelassenen Spieler hätten eher auf Einsätze gepocht wie solche, die einfach nur froh waren, dabei zu sein. Harmonie und das vermeiden eines Lagerkollers ordnete Löw damit höher ein als sportliche Qualität. Auch diese Rechnung ging auf, da in den sieben Wochen, in denen das Team zusammen war, so gut wie kein Misston nach außen drang.

Holland zwang im zweiten Halbfinale die Defensiv-Künstler aus Argentinien immerhin in die Verlängerung, unterlag aber dieses Mal, womöglich, weil Van Gaal nicht wieder Krol, den Elfmetertöter aus dem Costa Rica-Spiel, bringen konnte, da die Holländer schon drei Mal gewechselt hatten.

Wie ich es mir gewünscht hatte, zog also Argentinien ins Finale gegen Deutschland ein. Dass es gegen die Gauchos nicht einfach werden würde, schon gar nicht in einem WM-Finale, war mir natürlich klar. Trotzdem stellte ich mir die Holländer, die allerdings den Großteil ihres Pulvers bereits in der Vorrunde verschossen hatten, unberechenbarer vor, weil sie mehrere Spieler in ihren Reihen haben, die ein Spiel entscheiden können.

Argentinien hat in der Offensive außer Messi nicht mehr so viel zu bieten. Angel Di Maria musste verletzt passen, wären also noch Gonzalo Higuain und Lavezzi, die jedoch oft im Schatten von Messi. Die Qualität der Einzelspieler insgesamt ist natürlich hoch, sie spielen schließlich auch fast alle bei internationalen Top-Clubs. Dennoch überlassen die Argentinier gern Messi das Spielgerät, weil er (fast) immer etwas damit anzufangen weiß. Gelingt es also, Messi aus dem Spiel zu nehmen, ihn am Abschluss zu hindern und seine Passwege zuzustellen, hat man schon die halbe Miete, so zumindest meine Denke vor dem zweiten Halbfinale.

Als die Niederlande im Spiel um Platz 3 die Brasilianer leicht und locker mit 3:0 bezwungen hatten, begann ich unseren Kantersieg gegen die Seleção etwas vorsichtiger einzuordnen.
Wich in den Tagen nach dieser Galavorstellung das Grinsen nicht mehr aus meinem Gesicht, merkte ich plötzlich, hoppla, die Brasilianer sind ja wirklich so schlecht, wie sie gegen uns aussahen.

Jetzt also wieder einmal Argentinien im Endspiel, wie schon 1986 und 1990. 1986 in Mexiko unterlagen wir unglücklich und unnötigerweise dank der Genialität des Diego Armando Maradona, 1990 schoss uns Andi Brehme in den Fußball-Olymp durch einen an Rudi Völler verursachten, etwas schmeichelhaften Elfmeter.

Aufgrund der bisherigen Auftritte gingen wir als leichter Favorit ins 64. und letzte Spiel der WM 2014 in Brasilien.

Argentinien biss sich nach etwas wackeliger Vorrunde ins Turnier hinein und fand vor allem seine defensive Stabilität.

In den K.O.-Spielen erzielte Argentinien gerade einmal zwei Tore, kassierte allerdings auch keines. Wenn sie einmal in Führung gehen, ist es unheimlich schwer das Spiel zu drehen, weil sie es geschickt, manche sagen auch unsportlich, machen und jede Spielunterbrechung dazu nutzen, um Zeit zu gewinnen. Mit einer solchen Spielweise gewinnt man natürlich keinen Schönheitspreis, doch der Zweck heiligt nun mal allzu oft die Mittel. Für diese Spielweise haben sie mit dem Ex-Bayer Demichelis, Zabaleta (Man City), Mascherano (Barca) u. a. m. sehr hohe Qualität in ihren Reihen, die es verstehen, wenige gegnerische Torchancen zuzulassen. Deutschland müsste sich also etwas einfallen lassen, um den argentinischen Abwehrriegel zu knacken, ohne hinten allzu anfällig für das schnelle Konterspiel zu sein.

Am Finaltag kam ich frühzeitig aus Schruns vom VfB-Trainingslager zurück, um zu entscheiden, wo ich mir das Spiel anschauen würde und um beizeiten dorthin aufbrechen zu können.

Vor Endspielen schwirren mir jedes Mal komische Gedanken durch den Kopf, ich spiele alle Szenarien durch, die eintreten könnten. Wie kehre ich nach Hause zurück, im Freudentaumel als Weltmeister oder doch eher zu Tode betrübt, weil es wieder nichts mit dem Titel wurde? Auch das ein Grund, mich auf einen frühen Zeitpunkt zu verabreden, um noch das eine oder andere Fachgespräch führen und die Zeit bis zum Anpfiff verkürzen zu können.

Als Location entschied ich mich für das Vereinsheim des TV Zazenhausen, wo man im Freien überdacht, daher wetterunabhängig, schauen konnte, sicher ist sicher! Je näher der Anpfiff rückte, desto feuchter wurden die Hände. Angst hatte ich zwar keine, ich war schon irgendwie siegesgewiss und hatte großes Vertrauen in unsere Truppe, in die „Generation Lahm“, wie sie mein spezieller Freund Béla Réthy in diesen Tagen mal nannte.

Wer weiß es schon, ob Spieler wie Klose (ganz sicher), Mertesacker, Lahm, Schweinsteiger, Podolski, die alle schon 2006 dabei waren, ihre letzte WM spielen würden . Dieses Gefühl der möglicherweise letzten Chance auf diesen größten aller Titel, war den Jungs das ganze Turnier über bewusst und hat sie in gewisser Weise auch beflügelt.

Jeder dieser Spieler hatte in wichtigen Halbfinal- und Finalspielen im Verlauf der Karriere schöne, aber auch bittere Erfahrungen sammeln müssen, so dass davon auszugehen war, dass sie wussten, was zu tun ist. Der 4. Stern musste jetzt einfach her!

Unmittelbar nach dem 7:1 gegen Brasilien wurde der Fokus sofort auf das Finale gerichtet, niemand ließ sich überschwänglich feiern, was darauf hindeutete, dass das Team in diesem Turnier noch nicht fertig war und entschlossen war, diesen letzten Schritt jetzt auch noch erfolgreich zu gehen.

Joachim Löw hat offensichtlich aus dem Italien-Spiel 2012 gelernt und vertraute dieses Mal seinem Team des vorigen Spiels, anstatt sich am Gegner auszurichten und auf ein System umzustellen, das dem Team fremd ist. Hätte auch beinahe geklappt, hätte sich nicht Sami Khedira kurz vor Spielbeginn mit Wadenproblemen abgemeldet. Höchsten Respekt für seine Entscheidung und die Abwägung darüber, was besser für das Team wäre. Er befürchtete möglicherweise nach 15, 20 Minuten ausgewechselt werden zu müssen und wollte Jogi Löw nicht einer Wechselmöglichkeit berauben. Ohnehin sensationell, sein Comeback nach Kreuzbandriss Mitte November 2013. Ich hatte damals bereits geschrieben „unterschätzt mir den Sami nicht“, als ihn Koryphäen wie Lothar Matthäus bereits für die WM abschrieben. Schon zu VfB-Zeiten bewies er ein ums andere Mal, dass er ein sehr gutes Heilfleisch hat. Außerdem kenne ich kaum einen Spieler, der so professionell lebt und es schafft, alles einem Ziel unterzuordnen. Diszipliniert wie kaum ein anderer zog er die Reha durch und durfte in Brasilien nun den Lohn dieser harten Arbeit ernten.

Für Khedira rückte überraschend Christoph Kramer in die Startelf, der sich in den ersten Minuten sehr gut ins deutsche Spiel einfügte, bis er nach einer knappen Viertelstunde rüde weggecheckt wurde und eine Gehirnerschütterung davon getragen hat. Er probierte es zwar noch einmal, es hatte aber leider keinen Wert mehr. Schiedsrichter Rizzoli war es, der die Auswechslung empfahl, nachdem Kramer ihn fragte, ob dies das WM-Finale sei und er das jetzt unbedingt wissen müsse. Nach einer guten halben Stunde war Schluss für ihn, es kam Schürrle, Kroos rückte dafür auf die Doppel-Sechs neben Bastian Schweinsteiger.
Über das Spiel selbst wurde genügend gesprochen und geschrieben, so dass ich nicht auf alle Einzelheiten eingehen muss. Große Torchancen waren in der ersten Halbzeit Mangelware, wenn es allerdings zu welchen kam, waren sie hochkarätig. So schickte Toni Kroos, der ansonsten ein überragendes WM-Turnier spielte, durch eine missglückte Kopfballrückgabe Higuain auf die Reise, der jedoch völlig allein vor Neuer überhastet abschloss und das Tor nicht traf. Diesen Respekt, dass die Gegner schon mit vollen Hosen vor ihm auftauchen, hat sich Neuer im Verlauf des Turniers erarbeitet. Er, der nicht nur im Bälle abwehren Weltklasse verkörperte sondern auch im herauslaufen. Auf der anderen Seite hatte Benedikt Höwedes per Kopfball in der Nachspielzeit der ersten Hälfte eine große Chance, scheiterte jedoch am Pfosten.
In der zweiten Hälfte drehte zunächst Messi auf, war aber im Endeffekt zu eigensinnig, so dass es die deutsche Abwehr immer wieder schaffte, ihn so abzuschirmen, dass er nicht zum Abschluss kam oder am Tor vorbei schoss.
Mit zunehmender Spieldauer gingen beide Teams immer weniger Risiko ein, im Bewusstsein, ein einziger begangener Fehler und der Titel wäre futsch.

So kam es wie es kommen musste, es ging in die Verlängerung. Hier hatte Schürrle die erste Torchance, schoss aber Romero an, auf der anderen Seite konnte Palacio die Kugel nicht kontrollieren und verzog in aussichtsreicher Position. Jerome Boateng, bester Mann auf dem Platz, wäre aber wohl auch hier zur Stelle gewesen.

Als man sich langsam aber sicher auf den Nervenkrimi Elfmeterschießen einstellen musste, fiel doch noch das Tor für uns. Schürrle legte in die Mitte zu Götze, der kurz vor Ende der regulären Spielzeit für Klose gekommen war, dieser stoppte den Ball mit der Brust und überwand Romero mit einem sehenswerten Volleyschuss. Ein Traumtor, DAS Tor, einfach geil! Die 113. Minute, sieben Minuten noch zu absolvieren und wir sind Weltmeister, wenn nichts mehr passiert. Der schier endlos lange ersehnte 4. Stern auf dem Trikot schien Realität zu werden und war nah wie schon lang nicht mehr.

Jogi Löw, dem es viele nicht zutrauten, jemals einen Titel zu gewinnen, fehlten noch sieben Minuten, um als Weltmeistertrainer in die Geschichte einzugehen. Argentinien warf nochmal alles nach vorne, doch Manuel Neuer stand wie ein Fels in der Brandung. Unser Team stemmte sich dagegen, doch noch ein Tor einzufangen. Sinnbild dieses Kampfes war Bastian Schweinsteiger, der mehrmals behandelt werden musste und am Ende wie ein heimgekehrter Kriegsveteran daherkam, gezeichnet von 120 Minuten (erfolgreichem) Kampf.
Richtig brenzlig und nervenaufreibend wurde es nur noch einmal in der zweiten Minute der Nachspielzeit, als es aus vielversprechender Position Freistoß für Argentinien gab. Diesen setzte Messi jedoch über den Kasten, so dass der italienische Schiedsrichter wenige Augenblicke später abpfiff.

Es war vollbracht, WIR SIND WELTMEISTER. 24 Jahre nach dem letzten Triumph von Rom jetzt also der Titel in Rio de Janeiro im altehrwürdigen Maracanã. Welch Freude, welch Erleichterung, welch Stolz in den Gesichtern, was für Bilder von den Fanmeilen und aus den deutschen Großstädten, was für eine Zufriedenheit der Menschen. Fußball verbindet, wildfremde Menschen lagen sich in den Armen und feierten gemeinsam den Titel. Autokorsi im ganzen Land und Millionen Menschen, die die Nacht zum Tag machten. Unbeschreibliche Momente, unbeschreibliche Gefühlswelten, unbeschreiblich die Zufriedenheit, die sich unmittelbar nach einem solchen Triumph in einem breit macht!

Das gesamte Turnier über gesehen ist dieser Titel hochverdient. Nicht nur die Leistungen auf dem Platz. In diesen knapp acht Wochen, in denen der DFB-Tross zusammen war, wuchs die Mannschaft zusammen, es schien fast so, da wären 23 Freunde auf einer netten Freizeit. Von Skandalen oder Skandälchen wurde nichts bekannt, es herrschte (zumindest nach außen) Harmonie pur, und das, obwohl ja auch Kevin Großkreutz dabei war.

Die Mannschaft stellte sich im Umfeld ihres Quartiers ihrer sozialen Verantwortung, war freundlich zu den Menschen, gab bereitwillig Autogramme, stand für Gespräche zur Verfügung, besuchte eine Schule und unterstützte finanziell einige Projekte, etc. Der DFB gab sich alle Mühe ein gutes Bild für unser Land abzugeben.

Nach den Spielen spendeten sie den Gegnern Trost anstatt sie zu verhöhnen oder sich überbordend zu freuen, nachdem sie die Brasilianische Seleção in ihre Einzelteile zerlegt hatten, spielten sie die Partie seriös zu Ende und verhohnepiepelten den Gegner, der schon genug mit sich selbst zu tun hatte, nicht. Deutschland hat es im Laufe des Turniers geschafft, die brasilianischen Anhänger auf ihre Seite zu bekommen, wenn es nicht gerade gegeneinander ging.

Gegen Argentinien war es klar, dass sie uns die Daumen drücken würden, da es ja bekanntlich eine große Rivalität zwischen den Fanlagern beider Länder gibt, aber auch sonst schaffte es die deutsche Mannschaft durch ihr höfliches, respektvolles und freundliches Auftreten die Sympathien der Brasilianer im Sturm zu erobern.

Die Hochachtung und Verneigung der Brasilianer vor den Deutschen geht inzwischen so weit, dass sich die Stimmen mehren, die da sagen, man müsse den deutschen Fußball kopieren, um auf die Erfolgsspur zurückzukehren. Für eine solche Aussage wäre man vor zehn Jahren in Brasilien noch gelyncht worden, heute aber ist tatsächlich etwas dran, weil wir nicht nur den besser organisierten sondern auch den technisch besseren Fußball gezeigt haben. Verkehrte Welt eigentlich.

Ganz besonders freut mich der Titelgewinn für den Trainer Joachim Löw. Ich hoffe, den ganzen Löw-Bashern im Netz hat es jetzt erst einmal die Sprache verschlagen. Natürlich hat er in seiner nunmehr achtjährigen Amtszeit Fehler gemacht, welcher Mensch macht keine? Natürlich hat er 2008 einen verletzten Ballack durchgeschleppt, 2012 einen verletzten Schweinsteiger und auch 2010 wäre mehr drin gewesen.

Aber, wir waren stets unter den besten vier wovon man bspw. nach den verkorksten Europameisterschaften 2000 und 2004 nicht zu träumen wagte. Seit Klinsmann 2004 die Nationalelf übernahm und den DFB bzw. Zuständigkeiten rund um die Nationalmannschaft revolutionär umkrempelte, haben Länderspiele auch bei den Spielern einen komplett anderen Stellenwert als davor. Krankheitsbedingte Absagen von Spielern, die sich um die lästige Länderspiel-Pflicht drückten, um am Wochenende darauf quietsch fidel mit ihren Vereinen unterwegs zu sein, reduzierten sich auf ein Minimum. Jetzt kommen die Spieler wieder gerne zur Nationalmannschaft, ein Stück weit natürlich auch dem schier unerschöpflichen Reservoir an nationalmannschaftstauglichen Alternativen geschuldet. Wer kneift, dessen Stammplatz ist in Gefahr! Und, nicht zu vergessen, es herrscht bei der Nationalelf eine Wohlfühlatmosphäre, die für viele eine willkommene Abwechslung zum Vereinsalltag ist.

Vor allem nach der Euro 2000 wurden die richtigen Schlüsse gezogen, es wurde Bedingung für die Bundesligalizenz, dass man ein Jugendinternat zu unterhalten hat. Die Väter dieser Idee heißen übrigens Gerhard Mayer-Vorfelder und Berti Vogts, so dass sich heute auch diese beiden Weltmeister schimpfen dürfen.

Ginge es nach mir, sollte Löw Bundestrainer bleiben, so lang er möchte, zumindest aber noch in den nächsten vier bis sechs Jahren. Ich behaupte zwar nicht, dass Bundestrainer sonst niemand kann, trotzdem fehlt es mir an realistischen Alternativen. Ein Heynckes oder ein Hitzfeld kämen als kurzfristige Lösungen in Betracht, allerdings haben beide ihren Rücktritt vom Trainerjob verkündet und wollen den Ruhestand genießen. Jürgen Klopp wäre irgendwann einmal mein Favorit, sehr unwahrscheinlich, dass er sein bis 2016 gültiges Arbeitspapier vorher brechen würde. Außerdem kann ich es mir bei diesem Heißsporn nicht vorstellen, dass er seine Power bei etwa zehn Länderspielen im Jahr ausleben kann. Wie kaum ein Anderer braucht er das Adrenalin, am besten mehrere Male die Woche. Mehr Kandidaten fallen mir leider im Moment nicht ein. Einen Ausländer auf den Posten zu hieven, kann ich mir beim besten Willen nicht vorstellen. Ein Bundestrainer sollte von unseren Elitekickern anerkannt werden, sollte nicht allzu viel umkrempeln, was funktioniert und möglichst noch allen „wichtigen“ Leuten im Fußball in die Augen schauen können. Klar ist jedoch, würde Löw von sich selbst aus auf dem Höhepunkt der Karriere seinen Posten zur Verfügung stellen wollen, käme man nicht drum herum, einen Nachfolger zu suchen.
Dieses Fehlen einer (aus meiner Sicht) geeigneten Alternative hat für mich nichts mit dem WM-Ausgang zu tun. Das hatte ich vor dem Turnier schon geschrieben, als nicht wenige seinen Kopf forderten.
Ich hoffe, dass Löw zu seiner Vertragsverlängerung steht und die Motivation hat, zu versuchen weitere Früchte seiner Arbeit zu ernten.

Die deutsche Nationalmannschaft wurde unter anderem deshalb Weltmeister, weil man den ausgeglichensten Kader aller Teams hatte. Die lange Saison, die lange Vorbereitung, sieben Turnierspiele, man merkte allen Spielern im Turnier diesen enormen Kräfteverschleiß an. In der deutschen Mannschaft gab es außer Manuel Neuer zwar keinen, der das ganze Turnier über konstant glänzte. Es waren immer wieder andere Spieler, mal Toni Kroos und Sami Khedira, mal Bastian Schweinsteiger, dann Jerome Boateng, die dem jeweiligen Spiel ihren Stempel aufdrückten und Garanten für den Erfolg waren.

Philipp Lahm sah ich gegen Argentinien, vor allem in Phasen, in denen das Spiel zu kippen drohte, bärenstark. Er übernahm Verantwortung, zog die Bälle magisch an und gewann seine entscheidenden Zweikämpfe. Es war durch und durch ein Werk des Teams und, ich muss es leider heute und sonst hoffentlich nie mehr sagen, die Bayern-Spieler hatten maßgeblichen Anteil an unserem Weltmeistertitel. Kleiner Seitenhieb an dieser Stelle, Dante mit eingeschlossen, weil er im Halbfinale zum Tag der offenen Tür lud.

Weltmeister, ich kann es mir nicht oft genug auf der Zunge zergehen lassen. Der Siegtorschütze Mario Götze wird ab sofort in einem Atemzug mit Helmut Rahn, Gerd Müller und Andi Brehme genannt werden und seinen ohnehin schon astronomischen Marktwert weiter gesteigert haben.
Nach dem Spiel und vor der Pokalübergabe wurde Manuel Neuer zu Recht mit dem Goldenen Handschuh zum besten Keeper der WM gekürt, bester Spieler wurde zur allgemeinen Verblüffung Lionel Messi. Er mag, weil möglicherweise der Beste der Welt, der beste Spieler im Turnier aber nicht der beste des Turniers gewesen sein. Gerade für dieses Turnier hätte ich mir eher einen Teamplayer wie zum Beispiel Toni Kroos gewünscht als einen Individualisten zu wählen. Der Sieg Deutschlands zeigt doch, dass das beste Kollektiv gewonnen hat und keines der Teams, das von ihren überragenden Individualisten lebt.

Dies trübte an diesem Abend die Freude natürlich nicht. Nachdem die Argentinier ihre Silbermedaillen in Empfang genommen hatten und die Weltmeister zur Ehrentribüne schritten, um ihre Goldmedaillen abzuholen, kam er, der ganz große Moment, Philipp Lahm nahm von der brasilianischen Staatspräsidentin den Goldpokal in Empfang und streckte ihn in den Nachthimmel von Rio de Janeiro. Angeblich hat er sich vorher bereits darüber den Kopf zerbrochen und es sich lieber noch einmal auf Video angeschaut, wie es einst Lothar Matthäus tat. Verrückt, oder? Mir ist nicht bekannt, dass man diesen Pokal verkehrt herum halten könnte, so wie es Fernando Meira bei unserer Meisterfeier 2007 passiert ist.

Im Stadion brachen natürlich jetzt alle Dämme, als sich die Mannschaft fürs Siegerfoto bereit machte und „das Ding“ danach den über 10.000 im Stadion befindlichen deutschen Fans präsentierte. Welche Freude, welche Glücksmomente die Kicker dem ganzen Land bescherten, war ihnen das Turnier über bewusst. Als letzte Motivationsspritze lässt Jogi Löw in Mannschaftsbesprechungen gerne mal Bilder von den Fanmeilen und der Stimmung in der Heimat einspielen. Die Betonung dieser nun doch liebgewonnenen Truppe lag im Moment des Triumphes auf „Wir sind Weltmeister“, wir, alle zusammen.

Das Wir-Gefühl während Europa- und Weltmeisterschaften ist natürlich gewaltig. Mich befremdet es jedoch immer wieder, wenn ich mit Leuten über Fußball reden soll, die mal so überhaupt keine Ahnung davon haben. Das sind dann die ersten, die motzen, wenn man gegen einen vermeintlich schwachen Gegner wie Algerien „erst“ in der Verlängerung gewinnt oder wenn man in einem Halbfinale ausscheidet. Das sind dann meistens Partypeople, denen urplötzlich der Stecker gezogen wurde und die danach Fußball wieder blöd finden. In Zazenhausen gab es dann noch Spezialisten, die ihren minderjährigen Kindern Böller in die Hand drückten, weil, Feuerwerk gehört doch zum Fußball dazu. ;-)

Gegen Kracher habe ich allerdings eine Aversion, verursachen sie doch böse Knalltraumata, wenn man sich zur falschen Zeit am falschen Ort befindet.

Auch das ist WM, da werden alle zwei oder vier Jahre Leute los gelassen, denen man bei „normalen“ Spielen im Leben nicht begegnen wollte. Daher freue ich mich, dass es in einem Monat wieder mit dem Pokalspiel in Bochum losgeht, wo man dann altbekannte und vor allem „normale Leute“ um sich hat.

Die Mannschaft ließ es in Rio auf der Siegesfeier ordentlich krachen wie es sich gehört und man ja auch über Social Media überliefert bekam, der Montag hier zu Hause fühlte sich wie ein Feiertag an und das nicht nur, weil ich wohlweislich freigenommen hatte.

Am Dienstag schließlich traf die Mannschaft leicht verspätet in Berlin ein, nicht ohne zuvor durch eine Sondergenehmigung die mit Hunderttausenden von Leuten bevölkerte Berliner Fanmeile zu überfliegen und mit den Tragflächen „zu winken“.

Ein großes Spektakel erwartete die Helden in der Hauptstadt, die nach und nach und in der Gruppe ihrer „Wohngemeinschaften“ sich feiern ließen, dabei eigene Choreographien darboten und zum Schluss mit ihrer Lieblings-Schlagersängerin Helene Fischer „Atemlos“ intonierten.
Auch auf der Fanmeile zeigte sich das Team äußerst kreativ und sang Gassenhauer von „Die Nummer Eins der Welt sind wir“, über „Großkreutz, hol den Döner raus“ bis hin zu „So gehn die Gauchos, die Gauchos, die gehn so, so gehn die Deutschen, die Deutschen, die gehn so…“.
Wäre der letztgenannte Song nicht gewesen, vermutlich würden wir uns angesichts des gewonnenen Titels mehr und mehr nach innen einen grinsen, die Jungs sind in Urlaub geflogen und gut ist. Aber nein, plötzlich bricht eine Rassismus-Debatte vom Zaun, wir würden die Argentinier als gebückt und die Deutschen als aufrecht gehend darstellen. Hier wird eine Sache aufgebauscht, die eigentlich gar nicht der Rede wert ist. Teile der deutschen Presse, wie taz.de, faz.de, selbst spon.de sind auf der Suche nach dem Haar in der Suppe fündig geworden, stellen die deutsche Nationalmannschaft in die rechte Ecke und nennen sie respektlos.
Bezeichnend, dass diese Negativkommentare eher im Feuilleton denn im Sportteil zu finden waren. Ein Sport-Journalist, ich unterstelle mal, selbst einer der genannten Blätter, würde nämlich wissen, dass derartige Frotzeleien zum Fußball dazu gehören. Was mussten wir uns alles von den Spaniern oder Italienern anhören, als sie uns in den letzten Jahren rauswarfen. Als Fußballfan steht man da drüber und denkt sich höchstens „man sieht sich immer zwei Mal im Leben“. In jedem Stadion gibt es Spottgesänge gegen den größten Rivalen bzw. den jeweiligen Gegner, wäre ich da immer gleich eingeschnappt, hätte ich viel zu tun.

Dass die Journaille hier übers Ziel hinausgeschossen ist, hat sie zum Teil eingesehen und rudert (in den Sportteilen) zurück. Dennoch frage ich mich, welcher Redakteur da noch mal drüber geschaut und die Veröffentlichungen überhaupt freigegeben hat. Dieser gehört im Grunde sofort von seinen Aufgaben entbunden, denn hier wurde eine Lawine losgetreten, die nur schwerlich wieder zu stoppen ist.

Inzwischen werden unsere Helden aus Argentinien (die Journalisten dort sind auch nicht besser) als „ekelhafte Nazis“ beschimpft. Wo sind wir denn? Wie haben die Argentinier auf Neymars Wirbelbruch reagiert? Und überhaupt, war es nicht Argentinien selbst, das während und nach dem 2. Weltkrieg etlichen „ekelhaften Nazis“, damals den „richtigen“, die Flucht nach Südamerika in ein unbehelligtes Leben ermöglichte? Ich bin kein Fan von „Unrecht mit Unrecht vergelten“, aber, diese Beleidigungen aus Argentinien gehen zu weit.

Wenn jemand für ein offenes Miteinander und Völkerverständigung eintritt ist es doch die deutsche Nationalmannschaft, die gespickt ist von Migrantenkindern aus Polen, Tunesien, Albanien, der Türkei, Ghana. Dieser Mannschaft nationalsozialistische Motive zu unterstellen ist eine Beleidigung und führ ad absurdum wie die Mannschaft während der WM aufgetreten ist. Die Feier auf der Fanmeile war der Abschluss eines riesigen Feiermarathons, da sollte man nicht jedes Wort auf die Goldwaage legen. Die Journalisten, die ein Problem mit dem Erfolg der deutschen Nationalmannschaft haben, wohl auch mit schwarz-rot-geil haben, denen es ein Dorn im Auge ist, dass in Deutschland überhaupt wieder gefeiert wird, wo doch in grauer Vorzeit Kriege von deutschem Boden ausgegangen sind, die sollen das nächste Mal einfach wegschauen, im Wald spazieren gehen oder mit ihresgleichen über eine bessere Welt philosophieren und uns nicht die Freude am Sieg madig machen wollen.

Die WM an sich war zu schön, um ein solches Bild vom verdienten Sieger zu zeichnen. Die Atmosphäre in den Stadien war stimmungsvoll, die Bilder und Erlebnisberichte, die einen via Facebook vor allem vom Fanclub Nationalmannschaft erreichten vermittelten fast den Eindruck mittendrin zu sein, es fielen so viele Tore wie schon lang nicht mehr und auch die Qualität und Spannung der Spiele war besser als erwartet. Wegen der Mittagshitze hatte man eher damit gerechnet, es würde sehr viel taktiert werden und ein 1:0 wäre schon die halbe Miete zum Erfolg. Das Gegenteil war der Fall, sehr viele Spiele wurden noch gedreht. Einziger richtig großer Wehmutstropfen waren die Schiedsrichterleistungen. Auch hier sollte die FIFA an Reformen denken und es nicht jedem Verband recht machen wollen. Ein Schiedsrichter aus El Salvador oder Gambia hat in heimischen Gefilden weniger Probleme auf Ballhöhe zu sein, als bei einem WM-Turnier. Da sollte die FIFA einfach wegkommen davon, alle Kontinentalverbände zu berücksichtigen und nur die Besten der Welt nominieren.

Wie immer nach einem großen Turnier falle ich erst einmal kurzzeitig in ein kleines Loch, wenn nicht mehr tagtäglich zwei, drei Spiele in der Glotze laufen. Dieses Mal ist es aber doch ein wenig anders. Wir müssen kein vorzeitiges Ausscheiden verkraften, nicht einmal eine Finalniederlage, nein, wir sind es, der Weltmeister und das mindestens vier Jahre lang. Nach 1954, 1974 (mein erstes Turnier, bei dem ich zumindest alle deutschen Spiele geschaut habe) und 1990 (gegen die Emirate live im Meazza dabei, ansonsten jedes Spiel zelebriert und nach dem Finale die ganze Nacht in Stuttgart durchgefeiert!) endlich der vierte Titel. Einer fehlt noch, um Rekordweltmeister Brasilien an der Spitze abzulösen.

Ich bin mir ganz sicher, dass dieser Titel noch nicht das Ende des Weges dieser Fußballer-Generation ist. Unsere hohe Qualität zeigt sich in der Wertschätzung ausländischer Spitzenclubs für deutsche Spieler. Ob Italien, Spanien oder England, die deutschen Spieler sind „in“, wovon natürlich auch die deutsche Nationalmannschaft profitiert. Ein rein deutsches Champions League Finale 2013, Weltmeister 2014, mehr geht fast nicht.

Die deutschen Nationalspieler haben sich nun als letzte in den wohlverdienten Urlaub verabschiedet, die des VfB, Ibisevic (wenn er denn bleibt), Sakai und Gruezo schieden in der Vorrunde aus und nehmen in diesen Tagen den Trainingsbetrieb schon wieder auf.

Damit kommt dann wieder die Zeit, in der ich langsam von WM- auf VfB-Modus zurückschalte und hoffe, dass es mit Armin Veh wieder aufwärts geht, er junge Spieler mehr voranbringt als in den letzten Jahren, so dass wir in absehbarer Zeit mal wieder einen deutschen Nationalspieler stellen können. Am ehesten ist das natürlich Timo Werner zuzutrauen, der, wenn er auf dem Boden bleibt, sicherlich eine große Zukunft vor sich haben dürfte. Einen anderen Youngster sehe ich im Moment nicht, verspreche mir aber einiges von der Wiedereinstellung von Rainer Adrion. Er hat den Blick, den Sachverstand, die Souveränität und kann es auch menschlich mit den Jungs. Im Nachwuchsbereich liegt bei uns einiges im Argen, seit dem hoch geschätzte Fachleute den Verein verlassen haben und Bobic an Stelle von ihnen seinen Freunden Posten verschaffte. Die Jungs im Teenageralter müssen nicht nur im Fußball geschult werden, sondern auch auf ein ordentliches Leben vorbereitet werden. Die Generation, die derzeit aus dem Jugendinternat kommt oder in den letzten Jahren zu unseren Amateuren oder den Profis hochgekommen ist, bei dieser liegt einiges im Argen, was Professionalität, den Umgang mit Geld, das Verhalten in der Gruppe, Freizeitgestaltung u. v. a. m. angeht. Sie brauchen Leitbilder, auch mal jemanden der sie an die Hand nimmt und keine Leute, die sie sich selbst überlassen. Dann nämlich neigen einige dazu, falschen Freunden zu verfallen, sich die Nächte um die Ohren zu schlagen und ihr vieles Geld zu verprassen, anstatt morgens ausgeruht auf dem Trainingsplatz zu stehen. Gerade im menschlichen und psychologischen verspreche ich mir von Adrion einiges, ich hoffe, er bekommt auch die nötigen Kompetenzen, um gestalten zu können, zurück in die Zukunft quasi.

Jetzt, wo die WM Geschichte ist und irgendwann auch mal der Urlaub von Fredi Bobic beendet sein dürfte, bin ich gespannt, was der VfB noch in Sachen Transfers vor hat. Meiner Meinung nach müsste noch einiges geschehen, sowohl auf der Abgangs- als auch auf der Zugangsseite, um besser aufgestellt zu sein, als in der letzten Saison. Der Trainer wird schon auch etwas ausmachen, gut möglich, dass Veh aus den bestehenden Möglichkeiten mehr herausholt als seine drei Vorgänger der Vorsaison, zumindest, was die Organisation auf dem Platz angeht, dennoch ist der Kader im Zentrum zu üppig, auf den Außen zu dünn besetzt. Fraglich auch die Zukunft von Ibisevic, dem ich wünschen würde, dass er einen Verein findet, der ihm genehm ist, wenn er denn keinen Bock mehr auf Stuttgart hat. Sollte er abgegeben werden, besteht im Sturm noch Handlungsbedarf. Langweilig wird es also sicherlich nicht werden bis zum Saisonstart.

Für den VfB also heißt es, neu anzugreifen und die letzte Saison vergessen zu machen, für die Nationalmannschaft beginnt im Herbst schon die Qualifikation für die Euro 2016 gegen interessante Nationen. Ich freue mich drauf und werde zumindest im Oktober in Warschau am Start sein. Allen noch eine gute Zeit bis zum Pokalspiel und bis bald,

viele Grüße
Franky

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12. Oktober 2013

Last Step to Brazil!

Category: Frankys Blogs — Tags: , , , , , , – Franky @ 18:42

Eigentlich bin ich ja kein großer Länderspielgänger, der VfB liegt mir da doch mehr am Herzen. Wenn es sich aber einrichten lässt, der Ort und der Gegner passen, ist ein Spiel der deutschen Fußballnationalmannschaft in der „Länderspielpause“ auch einmal eine willkommene Abwechslung vom Alltag.

Bei der gestrigen Ansetzung kamen diese Faktoren zusammen. Es war vorherzusehen, dass einige tausend stimmgewaltige und trinkfeste Iren anreisen würden und für Partystimmung gesorgt sein würde. Hinzu kam, dass das Spiel in Köln stattfand, nach Hamburg und außer Stuttgart inzwischen meine Lieblingsstadt in Deutschland und ich das neue Müngersdorfer Stadion einfach klasse finde. Dass der dort ansässige FC schon einige Jahre in den Niederungen der 2. Liga herum dümpelt und deshalb Köln-Trips seltener geworden sind, tat ein Übriges, dass ich diese Gelegenheit wahr nahm. Zumindest was den FC angeht, sind die Aussichten in dieser Saison so gut wie schon lange nicht mehr, dass wir in naher Zukunft auch mal wieder mit dem VfB in der Domstadt antreten dürfen.

Dass Köln an diesem Freitag Fußballstadt sein würde, merkten wir nicht nur an den schon zahlreich anwesenden Iren. In unserem Hotel im Aufzug begegnete ich gleich einmal Renate Lingor, einer Ex-Spielerin der Deutschen Frauennationalmannschaft. Ich muss ja zugeben, dass ich sie nicht erkannt hätte, wenn sie nicht so ein Mrs. Wichtig-Kärtchen um den Hals gehängt gehabt hätte, der Name war mir aber dann sofort geläufig und ich musste staunen, als sie sagte, dass sie ihr letztes Länderspiel schon vor sechs Jahren bestritten hätte. Leute, wie die Zeit vergeht!

In der Stadt gingen wir gleich einmal zu unserem Lieblingsitaliener am Rhein-Ufer. Leider war es an diesem Tag nasskalt und teilweise regnete es in Strömen, so dass das flanieren am Rhein ausfiel. The Sun always shines in the Pub, so gingen wir direkt weiter ins Früh Kölsch, wo wir meinen lieben Kollegen Hansi und Konrad von den Murgtalschwaben mit zwei Bekannten, die ich nicht kannte, trafen. Schon einmal in geselliger Runde, kam es wie es kommen musste. Ein Kranz Kölsch nach dem nächsten, so dass wir später als geplant von dort los kamen. Das Wetter tat sein Übriges, dass wir es nicht unbedingt eilig hatten. Allerdings hatten wir es unterschätzt, dass auch die zahlreichen Iren von ihren Brauhäusern und Pubs nicht rechtzeitig weg kamen, so waren die Bahnsteige hoffnungslos überfüllt. Also beschlossen wir, ein Großraum- oder zwei normale Taxis anzuhalten, was sich allerdings als ein aussichtsloses Unterfangen herausstellte.

Gefühlte Stunden später, es war schon gegen 20 Uhr, erhaschten wir am Bahnhof dann doch eines der raren Taxis und baten den Kutscher Vollgas zu geben. Er machte uns wenig Hoffnung, uns noch pünktlich zum Stadion chauffieren zu können, da es in Köln derzeit viele Baustellen gäbe und zudem wegen des bevorstehenden Köln-Marathons noch einige Straßen gesperrt wären. Für die letzte Fuhre zum Stadion habe er 1 ¼ Stunden benötigt. Mit unserem Einverständnis und nach checken der Staulage nahmen wir den Umweg über die Stadtautobahn in Kauf und kamen tatsächlich ohne Stau am Stadion an. Auf dem Weg in Richtung Osttribüne hörten wir dann von draußen erst die Ankündigung des Einlaufs der Mannschaften, kurz darauf dann die Nationalhymnen. Die Eingangskontrollen konnten wir relativ zügig passieren, dennoch verpassten wir natürlich die ersten paar Minuten des Spiels. Nach dem Pokalfinale in Berlin aus ähnlichen Gründen und kürzlich Braunschweig wegen des Pannenbusses binnen ein paar Monaten das dritte Mal, dass ich Einlauf und Eröffnungszeremonie verpasste. Hier denke ich, sollte ich dringend an mir arbeiten. ;-) .

Wie schon erwähnt liebe ich das Kölner Stadion. Vielleicht auch deshalb, weil ich das alte Müngersdorfer Stadion immer als schlimm empfand und das neue so überhaupt nicht mehr damit zu vergleichen ist. Das Stadion hat eine tolle Akustik und man ist nah dran. Wie schon in den letzten Bundesligaspielen bestellte ich für uns die gleichen Plätze, unweit des Gästeblocks, Gegentribüne Unterrang und direkt am Treppenabgang gelegen. Logistisch geht’s nicht besser, Bierstand und Toiletten in unmittelbarer Nähe. Apropos Bierstände: Bravo FIFA, die ja wohl auch für die Ausrichtung der Qualifikationsspiele verantwortlich zeichnet, dass es gestern Vollbier gab und nicht wie bei von der UEFA ausgerichteten Events nur alkoholfreie Plörre. Um Missverständnissen vorzubeugen, weil ich dieses Thema in letzter Zeit immer wieder anreiße. Es geht mir nicht darum, dass ich es nicht auch einmal zwei Stunden ohne ein Stadionbier aushalten würde. Mich stört diese Doppelmoral: dem Fußvolk „keine Macht den Drogen“ predigen und sich in den V.I.P.-Katakomben die Hucke voll saufen. In Fußballdeutschland gehört zu einem Fußballspiel das Stadionbier genauso dazu wie die Stadionwurst, in Deutschland allgemein (gut, in Bayern im Besonderen) ist Bier Kulturgut, weshalb also lassen wir uns unsere deutsche Kultur von irgendwelchen französischen Funktionären verbieten und sagen zu allem „Ja und Amen“.  Sollte mal jemand alkoholbedingt über die Stränge schlagen, müsste es doch möglich sein, diesen des Areals zu verweisen und gut ist. Das ist in jeder Stadionordnung geregelt, weshalb also mal präventiv alle zusammen kollektiv bestrafen. Gestern jedenfalls war diesbezüglich alles bestens, ich hoffe, nicht nur deswegen, weil man befürchtete, mit den Iren Probleme zu bekommen, wenn man ihnen alkoholfreie Brühe vorsetzt. :-) . Im Ernst, die Iren waren überall gut drauf, wie man sie kennt, in Feier- und Trinklaune und nach dem Spiel durchaus bedient, sie hatten sich tatsächlich etwas ausgerechnet.

Das Spiel verlief eigentlich wie man es erwarten durfte. Ein souveräner Sieg gegen ein tief gestaffeltes grünweißes Abwehrbollwerk. Neue Erkenntnisse konnte man kaum gewinnen. In der Offensive sind wir auch ohne echten Stürmer brillant bestückt, in der Defensive dagegen muss noch einiges getan werden, um sich im nächsten Sommer gegen die Creme de la Creme durchzusetzen. Selbst den Iren gestattete man zu viele Torchancen.

Die Kritik an Löw teile ich im Großen und Ganzen nicht. Ich kann mich nur zu gut noch an den Rumpelfußball früherer Jahre erinnern, an eine Euro 2004 in Portugal, wo wir zugegen waren und man ernsthaft Probleme hatte, einen 22-Mann-Kader zu rekrutieren. Damals wurde selbst ein alternder Fredi Bobic berufen, dessen beste Jahre schon einige Zeit vorbei waren. Seitdem hat sich unheimlich viel getan. Mittlerweile haben wir einen Pool von etwa vierzig Spielern, die man bedenkenlos bringen kann, Absagen aus Unlust haben sich auf ein Minimum reduziert, weil sich kaum einer seines Stammplatzes sicher sein kann, es ist Spielfreude und Spielkultur da und ein technisch anspruchsvoller Fußball, wie ihn Deutschland noch nie gesehen hat. Dass ein Trainer seine Vorstellungen durchsetzt, auch einmal seine Lieblinge bevorzugt, steht ihm meiner Meinung nach zu. Einen Sven Ulreich ernsthaft in die Nationalmannschaft hinein schreien zu wollen, darüber muss ich schmunzeln. Dafür hat er noch zu viele Defizite und mittlerweile fehlt mir auch der Glaube, dass er diese noch abstellt. Gerade in Sachen Spieleröffnung, Handlungsschnelligkeit und auch in der Strafraumbeherrschung haben ihm einige Konkurrenten viel voraus.

Dass Löw auch jetzt in höchster (Stürmer-) Not einen Stefan Kießling nicht beruft, kann ich auch nicht nachvollziehen, respektiere aber trotzdem Löws Meinung. Er möchte in ihm sicherlich keine falschen Illusionen wecken, ihn jetzt als Notnagel zu bringen, obwohl er genau weiß, dass er, wenn Gomez und Klose fit sind, diese beiden und sonst keinen weiteren Stürmer zur WM mitnehmen wird. Schade für Kießling, allerdings ist er nicht der erste und sicherlich auch nicht der letze herausragende Bundesligaspieler, der es nicht (dauerhaft) in die Nationalmannschaft geschafft hat. Unser Fritz Walter und auch Labbadia fallen mir spontan ein, die über Jahre in der Bundesliga Tor um Tor erzielten, in der Nationalmannschaft aber nie eine große Rolle spielten, weil eben damals Völler und Klinsmann erste Wahl waren.

Einzig in der Defensive gibt es noch einiges zu tun. Boateng scheint sich stabilisieren und ist auf dem Weg zur festen Größe. Ich hoffe einmal, dass er seinen Stammplatz bei den Bayern behält, auch wenn Martinez und Thiago wieder fit sind. Es wird ja immer wieder kolportiert, Guardiola könne Martinez als Innenverteidiger sehen, dann würden von Dante, Martinez und Boateng wohl nur zwei spielen, was im Endeffekt für die Nationalmannschaft ein Problem werden könnte. Als zweiten Innenverteidiger sehe ich derzeit Höwedes stärker als Mertesacker und hoffe, dass sich Mats Hummels wieder stabilisiert. Als Linksverteidiger haben derzeit Schmelzer und Jansen die besten Karten, Aogo, der bei Schalke derzeit wieder regelmäßig spielt, könnte auch wieder ein Thema werden. Einziger Fixpunkt der Viererkette ist Phillip Lahm, der schon ein Phänomen ist. Er läuft und läuft und läuft und legt dabei noch Spielmacherqualitäten an den Tag. Gestern in der zweiten Hälfte beackerte er die Seite, an der wir saßen und ich muss sagen, dass ich schon fasziniert war, wie beharrlich er marschierte und immer anspielbereit war. Ich habe dennoch großes Vertrauen in die Arbeit von Löw und glaube, dass es auch dieses Mal wieder gelingen wird, der Truppe in den letzten vier Wochen vor dem Turnier den nötigen Feinschliff zu geben. Bis zum Beginn der Vorbereitung wird die Wunschformation weitestgehend stehen und dann geht es darum, aus elf hervorragenden Akteuren eine funktionierende Mannschaft zu kreieren, die Laufwege einzustudieren und Automatismen zu trainieren. Deshalb bin ich überzeugt, dass bis zum Beginn des Turniers das Abwehrverhalten ein anderes sein wird, als während der Qualifikation gesehen.

Mit der Qualifikation insgesamt kann man sehr zufrieden sein. Gerade einmal einen Punkt abgegeben, den man zugegebenermaßen nicht hätte abgeben dürfen. Abgesehen von einem glücklichen Sieg im Prestigeduell in Österreich sind wir souverän durchmarschiert. Auch gestern hatte ich weder vor noch während des Spiels Bedenken, dass etwas schief gehen könnte.

Ich fand den Abend gestern sehr entspannt, weil wir Qualität in unseren Reihen und auch die Mittel haben, einen hinten drin stehenden Gegner mürbe zu spielen und viele Torchancen zu erarbeiten. So ging ich zufrieden von dannen und hatte es nicht bereut, dieses Spiel besucht zu haben.

Dennoch muss ich sagen, dass dieser Eventcharakter bei Länderspielen nicht meine Welt ist. Das kostenlose Verteilen von Fähnchen ist der natürliche Feind des Stadionfotografen. Ständig wedelt einer vor Dir herum, wenn dann noch bei Länderspielen bei einem 3:0-Sieg, abgesehen von der La-Ola-Welle in der ersten Halbzeit, kaum Stimmung aufkommt, wenn ein Mario Götze bei seiner Einwechslung ausgepfiffen wird, fehlt mir das Verständnis. Das waren sicherlich genau die Leute, die mit ihren Vereinsschals zum Länderspiel gehen… Insgesamt gesehen haben die paar tausend Iren weitaus mehr Stimmung gemacht, als die Deutschen. Gelegenheitsstadiongänger, die sich einmalig eine teure Eintrittskarte gekauft haben, waren wahrscheinlich enttäuscht, weil nach dem 6:1 im Hinspiel „nur“ ein 3:0 herauskam.

Ich war hoch zufrieden. Mehr als die fix gemachte Qualifikation gab es gestern nicht zu gewinnen und dieses Ziel wurde ungefährdet erreicht. Brasilien 2014, wir kommen. Ob es nach 1996 mal wieder zu einem Titel reichen wird steht in den Sternen. Das Personal dafür hätten wir jedenfalls. Trotzdem wird es natürlich ein spezielles Turnier werden, weite Reisen, klimatische Unterschiede von Spielort zu Spielort und eine brasilianische Nation, die wie ein Mann hinter ihrem Team stehen wird. Ob sich die Unruhen, die während des Confed-Cups zu beobachten waren, bis dahin gelegt haben oder nicht, könnte ebenso Auswirkungen auf die Stimmung und Atmosphäre des Turniers haben und womöglich eine Mannschaft auf der Fahrt ins Stadion (negativ) beeindrucken. Wie man das Team ums Team der DFB-Elf kennt, werden sämtliche möglichen Szenarien durchgespielt und die Mannschaft bestmöglich auf alles vorbereitet, was ihr drohen könnte, dennoch darf man auch nicht vergessen, dass auch unsere Spieler nur Menschen sind, von denen der eine äußere Einflüsse besser wegsteckt als der andere. Sicher nicht zufällig ist noch nie eine europäische Mannschaft in Mittel- und Südamerika Weltmeister geworden, es gilt sich über einige Widerstände hinweg zu setzen. Daher ist Stand jetzt auch eine Prognose schwierig bis unmöglich. Sicher ist nur, wir sind mal wieder dabei und das ist auch gut so!

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30. Juni 2012

Deutschland bei der Euro 2012

oder

Jogi Löw: Vom Liebling der Nation zur persona non grata?

Was wurde nicht alles schwarz gemalt vor dieser Euro 2012 in Polen und der Ukraine. Nicht nur, was die Zustände in beiden Ländern angeht, auch der Zustand unserer Nationalmannschaft wurde sehr in Frage gestellt. Wir selbst „mussten“ in Basel mit ansehen, wie sich eine deutsche Nationalmannschaft, noch ohne die sich vom Champions League-Frust erholenden Bayern-Spieler, von einer Wintersportnation wie der Schweiz nach allen Regeln der Kunst vorführen ließ. Auch der abschließende Test gegen Israel machte nicht gerade Mut, was die bevorstehende Euro anging. Ich persönlich wollte aber nicht in den Chor der Schwarzmaler einstimmen, da ich Vorbereitungsspiele einschätzen kann und in die Fähigkeit des Trainerstabs der Nationalmannschaft Vertrauen habe, die Jungs auf den Punkt topfit zu machen. In den letzten Turnieren gelang dies schließlich immer.

Selten zuvor formulierte der gesamte Tross das Ziel Europameistertitel so offensiv wie in diesem Jahr. Nach zuletzt zwei dritten Plätzen bei Weltmeisterschaften und der Vize-Europameisterschaft 2008 wäre der Titel ja auch nur die logische Folge der Weiterentwicklung des Teams, das gespickt ist von technisch und taktisch hervorragend ausgebildeten jungen Spielern. Jedem im 23er-Kader wäre zuzutrauen bei der Euro seinen Mann zu stehen und Deutschland würdig zu vertreten. So nahm ich es Joachim Löw auch nicht übel, auf unseren Cacau zu verzichten, der einfach eine schlechte Saison hinlegte und für die bevorstehenden Anforderungen auch nicht spritzig genug wirkte. Unterstrichen hat er diese Einschätzung nach seiner Einwechslung im Test in Basel, als er doch wie ein Fremdkörper und übermotiviert wirkte und sich bei seiner wohl letzten Chance nicht wirklich empfehlen konnte. Ich hoffe, er findet beim VfB zu alter Leistungsstärke zurück, so dass er, wie Löw nach seiner Ausbootung in Aussicht stellte, weitere Chancen in der Nationalelf erhält.

Am 9.6. war es endlich soweit. Die Vorgeplänkel hatten ein Ende, von nun an konnten Fakten auf dem Platz geschaffen werden. Deutschland bekam in der sog. Todesgruppe mit Portugal gleich einen dicken Brocken vorgesetzt. Portugal mit ihrem Superstar Cristiano Ronaldo gehörte in den letzten großen Turnieren stets zu den Mitfavoriten und fühlte sich dieses Mal reif für den großen Wurf. Ronaldo erlebte die bislang beste Saison seiner Karriere, 46 Ligatore in Spanien sprechen Bände. Dazu verfügen die Portugiesen noch über eine Reihe von guten Einzelkönnern, die bei den besten Vereinen des Kontinents unter Vertrag stehen, so dass das Rezept auch nicht ausschließlich heißen konnte, Ronaldo aus dem Spiel zu nehmen. Deutschlands Aufstellung bot keine größeren Überraschungen. Dass Boateng auf den vakanten Rechtsverteidiger-Posten rücken würde, zeichnete sich schon im Vorfeld ab. Auf den offensiven Außenbahnen vertraute Löw zunächst den altbewährten Kräften Podolski und Thomas Müller, lediglich die Nominierung von Hummels anstatt dem lange verletzten Mertesacker neben Badstuber kam etwas überraschend. Das Spiel wurde die erwartet zähe Angelegenheit mit zunächst kaum Torchancen, hüben wie drüben. Im ersten Spiel dieser schweren Gruppe war für beide verlieren eigentlich verboten. So neutralisierten sich die Teams weitestgehend, ohne groß ins Risiko zu gehen. Dann aber, als Miroslav Klose schon mit den Hufen scharrte und auf seine Auswechslung wartete, diese sich aber recht lange hinzog, weil sich der vierte Offizielle mit dem herrichten der Auswechseltafel enorm viel Zeit ließ, schlug doch noch der zur Auswechslung vorgesehene Gomez zu. Nach einer leicht abgefälschten Flanke von Sami Khedira schraubte sich Gomez hoch und köpfte den Ball in die rechte Torecke. Bis zu diesem Zeitpunkt war von Gomez wenig zu sehen, was den selbsternannten Experten Mehmet Scholl zu der Aussage hinriss, er hätte Angst gehabt, dass Gomez sich wund liegen würde. In meinen Augen völlig überzogen, man kann von Gomez halten was man möchte, letzten Endes aber ist er dazu da, Tore zu schießen, diese Aufgabe hatte er zu 100 Prozent erfüllt und war somit der Matchwinner an diesem Abend. Weitere Sieggaranten waren Manuel Neuer, der in der Schlussphase noch die eine oder andere gute Einschussmöglichkeit der Portugiesen zunichtemachte, Boateng, der Ronaldo so gut es ging aus dem Spiel nahm und Mats Hummels, der ein glänzendes EM-Debut gab. Das erste Spiel dieser Gruppe gewannen überraschend die Dänen gegen die hoch gewetteten Niederlande, so dass es für diese im Aufeinandertreffen mit der deutschen Nationalmannschaft schon um alles oder nichts geht.

Die Schlagzeilen zwischen den ersten beiden Gruppenspielen wurden von Scholls Gomez-Kritik und dessen Verteidigungsplädoyers bestimmt, der seinerseits auf seine tolle Torquote in der Saison verwies und sich daraufhin nicht mehr groß ändern müsse.

Löw vertraute gegen die Niederlande der siegreichen Elf des Portugalspiels, van Marwijk brachte im Vergleich zum Spiel gegen Dänemark mit dem wiedergenesenen Mathijsen lediglich einen neuen Spieler, so dass Huntelaar und van der Vaart weiterhin auf der Bank schmoren mussten. Die Niederlande waren nach der Auftaktniederlage zum Siegen verdammt und brannten zudem auf Revanche für die 0:3-Schmach von Hamburg im November des letzten Jahres. Die erste Chance hatte dann auch van Persie, doch er scheiterte am eins gegen eins gegen den bravourös sich dagegen stemmenden Neuer. Im Gegenzug dann hatte Özil das 1:0 auf dem Fuß, traf aber nur den Pfosten. Danach verflachte die Partie etwas, beide Teams waren um Sicherheit in ihren Aktionen bemüht. Bis zur 24. Minute, als Schweinsteiger einen Pass in die Schnittstelle der holländischen Abwehr spielte, Gomez den Ball sensationell mitnahm und im Kasten versenkte. An seinem verhaltenen Jubel merkte man Gomez an, wie sehr die Debatte um seine EM-Tauglichkeit an ihm genagt haben musste. Knapp eine Viertelstunde später sorgte er dann, wieder nach Zuspiel von Schweinsteiger, eiskalt für die Vorentscheidung. Danach, im Gefühl des sicheren Sieges, ließ die DFB-Elf etwas die Zügel schleifen, so dass die Niederlande stärker auf- und knapp 20 Minuten vor Spielende sogar noch zum Anschlusstreffer kamen. Die Niederlande riskierten in der zweiten Hälfte mit der Hereinnahme von Huntelaar, van der Vaart und später auch noch Kuyt alles, mehr als der Ehrentreffer sprang jedoch zum Glück nicht mehr heraus. Das einzige was man der deutschen Mannschaft an diesem Tag vorwerfen konnte, war, dass die Konter nicht sauber zu Ende gespielt wurden und man sich auf die knappe Führung verließ. So ließ sich diese Euro mit zwei Siegen gegen Top-Nationen für Deutschland hervorragend an. Dennoch stand man noch nicht sicher im Viertelfinale, da Portugal die Dänen noch im letzten Moment schlug. Im letzten Gruppenspiel gegen Dänemark wurde also noch ein Punkt benötigt, um sicher weiter zu kommen, was auch der Tatsache geschuldet war, dass bei dieser Euro bei Punktgleichheit der direkte Vergleich mehr wert ist als das Torverhältnis, so dass uns die Dänen bei einem Sieg auf jeden Fall in der Tabelle überholen würden. Die Holländer ihrerseits hatten so ebenfalls noch eine Minimalchance weiter zu kommen, sollten sie die Portugiesen schlagen und Deutschland Dänemark mit zwei Toren Unterschied in die Knie zwingen. Tja, früher konnte man die Situation in der Gruppe einfach an den Ergebnissen und der Tabelle ablesen, heute braucht’s dazu im Zweifel noch den UEFA-Koeffizienten und ein Blick auf die Fairplay-Wertung…

Solch eventuelle Rechenspielchen konnte sich die deutsche Mannschaft aber zum Glück ersparen, da sie die Dänen letztendlich glücklich 2:1 schlug. Erstmals bei diesem Turnier musste Löw personell improvisieren, da sich Boateng gegen die Niederlande eine Gelbsperre einhandelte. Was sich in den Tagen davor bereits abzeichnete bewahrheitete sich schließlich: Lars Bender, eigentlich eher ein „6-er“, nahm diesen Part ein. An dieser Stelle kann ich mir einen schönen Gruß an Christian Träsch nicht verkneifen, der sicher gute Aussichten gehabt hätte, die rechte Außenverteidiger-Position zu bekleiden, wenn er nicht dem Lockruf des Geldes gefolgt wäre und diese Position beim VfB angenommen hätte. Beim VfB ist alles gut, wir haben schließlich jetzt Gotoku Sakai und in der Nationalmannschaft spielt den Posten Innenverteidiger Boateng oder wird, wie gegen die Dänen, von Mittelfeldspieler Bender ersetzt.

Um festzustellen, dass uns die Dänen nicht unbedingt liegen, genügt ein Blick in die Statistik. Seit Mitte der 90er-Jahre haben wir kein Spiel mehr gegen sie gewonnen, zudem verlor Deutschland das EM-Finale 1992 gegen Dänemark völlig überraschend. Gegen das dänische Abwehrbollwerk haben sich schon die vermeintlichen niederländischen Himmelsstürmer, trotz deutlichem Chancenplus, die Zähne ausgebissen. So wurde es auch die erwartet die schwere Aufgabe. Zwar brachte uns Podolski in seinem 100. Länderspiel bereits in der 19. Minute mit 1:0 in Führung, doch schon fünf Minuten später klingelte es im Kasten von Manuel Neuer. Eine Eckballvariante, die vorauszusehen war, da wenige Minuten zuvor schon einmal angewandt, auf den an der Strafraumgrenze postierten Bendtner, der den Ball in die Mitte zurück köpfte und dort von Krohn-Dehli versenkt wurde, brachte prompt dem Ausgleich. Danach glich das Spiel dem Tanz auf der Rasierklinge, erst recht als Mitte der zweiten Halbzeit Portugal gegen Holland führte und Deutschland fast den Rückstand durch den immer agilen Bendtner kassierte. In der 80. Minute war es aber nicht Bendtner sondern der Startelfdebütant Bender, der für den Siegtreffer, das eigene Weiterkommen und das Aus der Dänen sorgte. Deutschland hatte sich also in der schwersten aller Vorrundengruppen mit neun Punkten als Gruppensieger durchgesetzt und bekam zur Belohnung mit Griechenland den wohl leichtesten aller Viertelfinalteilnehmer vorgesetzt. Die Tage zwischen dem Dänemark- und dem Griechenlandspiel waren geprägt vom mehr oder weniger lauten Murren von Reservisten, die bisher kaum oder noch gar nicht eingesetzt wurden, namentlich von Reus, Götze und Kroos.

Vor allem Kroos kam offensichtlich mit der Reservistenrolle nicht zurecht, wähnte er sich doch als Stammspieler, da er im letzten Jahr fast in jedem Spiel mitwirken durfte. Dies allerdings meist dann, wenn Schweinsteiger und/ oder Khedira ausfielen, die sich beide völlig zu Recht auf der Doppel-Sechs festgespielt haben. Daher frage ich mich „was erlaube Kroos?“. Es zeugt allgemein nicht von gutem Stil während eines Turniers öffentlich Kritik zu üben und sich auszuheulen. In diesem Fall aber schlägt sie meiner Meinung nach dem Fass den Boden aus. Das deutsche Team war siegreich, Khedira überragend und Schweinsteiger, wenn auch nicht in allerbester Verfassung, dennoch als Teamleader (zu diesem Zeitpunkt noch!) unverzichtbar. Jener Tony Kroos, der im Champions League Finale keine Eier hatte und Manuel Neuer beim Elfmeterschießen den Vortritt ließ, meldete lauthals Ansprüche an. Hier war es einzig der Souveränität Löws geschuldet, dass aus Kroos‘ Vorpreschen keine Staatsaffäre wurde.

Kroos‘ Jammern wurde vom Bundestrainer auch gegen Griechenland nicht erhört. Dennoch wirbelte Löw die Startformation während dieser Euro erstmals gehörig durcheinander. Boateng ersetzte nach abgesessener Gelbsperre erwartungsgemäß wieder Lars Bender. Zudem kamen Reus für Müller, Schürrle für Podolski und Klose für Gomez zum Zug. Sehr zum Missfallen des Bundestrainers war dieses als Überraschung gedachte Wechselspiel bereits in den frühen Nachmittagsstunden am Spieltag publik geworden, so dass fortan die Suche nach dem Maulwurf auf der Agenda stand.  Griechenland musste ohne seinen Kapitän Karagounis auskommen, der im entscheidenden Gruppenspiel gegen Russland wegen einer vermeintlichen Schwalbe zu Unrecht seine zweite Gelbe Karte gesehen hat.

Löws Schachzüge gingen von Beginn an auf. Die deutlich agilere deutsche Offensive zwang die Griechen von einer Verlegenheit in die nächste. Einzig die Chancenverwertung ließ zu wünschen übrig. In der 39. Minute schließlich war der Bann gebrochen. Lahm zog, ähnlich wie bei seinem Auftakttor gegen Costa Rica bei der WM 2006, nach innen und fasste sich ein Herz. 1:0, eines muss man dem Kapitän ja lassen. Wenn er trifft, dann meist in den wichtigen Spielen, wie zuletzt auch 2008 im Halbfinale gegen die Türkei.

10 Minuten nach der Pause passierte dann das, was es eigentlich zu vermeiden galt. Nach Ballverlust von Schürrle ging es ganz schnell, Samaras schloss den schulmäßigen Konter zum schmeichelhaften 1:1 ab. Deutschland schüttelte sich kurz und setzte die offensive Marschroute unvermindert fort. Die Folge: nur gute fünf Minuten später klingelte es erneut im griechischen Kasten durch einen wunderschönen Treffer „unseres“ Sami Khedira. Dadurch war der griechische Widerstand weitestgehend gebrochen. Klose und Reus legten noch nach, der Handelfmeter in der Schlussminute zum 4:2 war nur noch von statistischer Bedeutung.

Die Wechsel von Jogi Löw zahlten sich also voll aus, weshalb er in den Medien schon als „der Mann, der alles richtig macht“ gefeiert wurde. Leider aber zu viel der Vorschusslorbeeren, wie sich noch herausstellen sollte.

Deutschland hat also das Halbfinale gegen Italien erreicht, ein Team, das vor der Euro eher wenige auf dem Zettel hatten. Bezeichnend, dass fürs Halbfinale nur Teams aus den Gruppen B und C qualifiziert waren und die „Top-Gesetzten“ Gastgeber Ukraine und Polen sang- und klanglos in der Vorrunde ausschieden. Hier sollte sich die UEFA mal überlegen, ob es sportlich gerecht ist, Teams als Gruppenköpfe zu setzen, die in der Weltrangliste unter ferner liefen stehen, auch wenn sie Gastgeberländer sind.

Jetzt also gegen Italien, gegen das Deutschland noch nie ein Pflichtspiel gewonnen hat. Ich war sehr optimistisch, dass jetzt dafür die Zeit reif wäre. Deutschland trat sowohl auf als auch neben dem Platz mit breiter Brust auf, dass man sich kaum vorstellen konnte, dass irgendetwas schief gehen konnte. Dass die Italiener gegen England 120 Minuten gehen mussten und zwei Tage weniger Zeit hatte als Deutschland, betrachtete ich aber nicht als Vorteil Italien. Zwischen Sonntag und Donnerstag konnten sich auch die Italiener ausreichend regenerieren.

Thema der Woche war der Knöchel der Nation. Bastian Schweinsteiger gab in einem Zeitungsinterview erstmals zu, dass er sich um seinen Knöchel große Sorgen mache und der Kopf mehr möchte, als sein Körper derzeit zu leisten imstande ist. Seit seinem im Februar beim DFB-Pokalspiel beim VfB erlittenen Außenbandriss kam er nie richtig in den Rhythmus und spielte, wenn er denn spielte, mit Schmerzen. Das ein oder andere starke Spiel legt er ja hin, meist aber hinkt er den Ansprüchen gehörig hinterher, so auch zuletzt gegen Griechenland, als er von ihm nicht gewohnte Fehlpässe fabrizierte. Da aber zwischen den beiden Spielen wieder sechs Tage lagen und er in den letzten Trainingseinheiten wieder mit trainieren konnte, stand hinter seinem Einsatz auch kein Fragezeichen.

Vor dem Italien-Spiel hatte sich unser Maulwurf offensichtlich frei genommen. Schade eigentlich, vielleicht hätte Löw seine Aufstellung sonst noch einmal überdacht. Er brachte wieder Podolski für Schürrle und Gomez für Klose. Dazu noch völlig überraschend Kroos, der helfen sollte, das Zentrum zuzumachen, für den gegen Griechenland überragenden Reus.

Für mich waren alle Wechsel nicht nachvollziehbar. Podolski ist nach dem Kölner Abstieg nur noch ein Schatten früherer Tage und wirkt ausgelaugt von einer langen Saison. Von Kloses Einsatz gegen Griechenland profitierte vor allem Özil, der eine Anspielstation mehr zum kombinieren gehabt hatte. Daher erhoffte ich mir, dass Klose drin bleibt. Und ganz unverständlich: Kroos für Reus. Diese Maßnahme sah sehr nach „Reagieren“ aus anstatt mit einem Reus, von mir aus auch Müller, Druck zu erzeugen. Hinterher ist man natürlich immer schlauer, so waren die Maßnahmen der berühmte Griff ins Klo. Deutschland legte eine ansehnliche Anfangsphase hin und hätte früh in Führung gehen können, wenn Pirlo nicht auf der Linie geklärt hätte. Italien näherte sich dem deutschen Tor eher zaghaft und versuchte es mit Weitschüssen, die jedoch keine große Gefahr erzeugten. Es war sicher kein Zufall, dass das 0:1 aus deutscher Sicht über die linke Seite fiel. Kroos zog es als sog. Zentrumsspieler (zu)  viel in die Mitte, weshalb seine Seite zu oft verwaist war. Cassano ließ Boateng und Hummels wie Schuljungen aussehen und kam zum flanken. Im Zentrum setzte sich Balotelli gegen Badstuber durch und köpfte unhaltbar für Neuer ein. Ausgerechnet das enfant terrible der Italiener, der in jedem Spiel eine tickende Zeitbombe ist, wurde eingeladen „Man of the Match“ zu werden. Denn auch beim 0:2 zeigte er seine Klasse, als er einen langen Ball Montolivos, nicht ernsthaft gehindert von Lahm, erlief und in die Maschen hämmerte. Damit war das Spiel so gut wie gelaufen. Gegen Italien einen Rückstand aufzuholen war schon seit eh und je schwer, so auch dieses Mal. Den Deutschen gelang es kaum, zwingend vor dem starken Buffon aufzutauchen, das Anschlusstor durch Özils Elfmeter fiel zu spät.

Das Finale 2012 lautet also Italien-Spanien, eine Ansetzung, die es schon als Gruppenspiel gab, übrigens war das eines der besseren Spiele der diesjährigen Euro, die fußballerisch mehr Magerkost als Leckerbissen bot. Viele Mannschaften traten äußerst defensiv an und suchten ihr Heil in überfallartigen Kontern. 2016 erwartet uns eine Europameisterschaft in Frankreich, erstmals aufgestockt auf 24 Mannschaften. So wird das Niveau weiter verwässert und die Gruppenphase fast bedeutungslos, wenn auch noch die vier besten Gruppendritten ins Achtelfinale einziehen.

Mit dem Auftreten der deutschen Mannschaft war ich weitestgehend zufrieden. Kritik an manchen Entscheidungen habe ich oben geäußert. Nach dem Halbfinale muss man dazu die Frage stellen, ob man nicht Schweinsteiger die nötige Pause einräumen hätte müssen. Er war gegen Italien der schwächste Mann auf dem Platz, guten Ersatz hätte man mit Bender, Gündogan oder auch Kroos zur Verfügung gehabt. Im Finale 2008 war für mich mitentscheidend für die Niederlage, dass man Ballack auf Teufel komm raus fitgespritzt hatte, er der Mannschaft aber letztendlich nicht helfen konnte. Dieses Mal also Schweinsteiger und wieder hatte man den Eindruck, der Gegner hätte einen Spieler mehr auf dem Platz. Dies kann man Jogi Löw ankreiden, dass er hier seinen Worten, dass er nur 100%ig fitte Spieler einsetzen würde, keine Taten folgen ließ. Solche Entscheidungen sollte Löw künftig alleine treffen und seinem Bauchgefühl folgen. Dass er nicht alles richtig gemacht hat, hat Löw in Interviews ja auch eingeräumt und auch die Verantwortung für die Niederlage übernommen.

Dass aber jetzt von einigen Medien, allen voran die mit den vier großen Buchstaben, der Rücktritt von Löw gefordert wird und das komplette Spielermaterial in Frage gestellt wird, dafür habe ich überhaupt kein Verständnis. Ich kann mir nach wie vor keinen besseren Trainer für die Nationalmannschaft vorstellen, der es versteht, wie kaum ein anderer, junge Leute ins Team einzubauen und ein super Klima zu schaffen. Wenn man ein Halbfinale eines großen Turniers erreicht hat, sind am Ende Nuancen oder die Tagesform entscheidend, die zum großen Wurf fehlen. Jetzt aber von Versagern zu sprechen halte ich für eine bodenlose Frechheit. Löw als erster wird sich in den Allerwertesten beißen, dass er für dieses Spiel einige falsche Entscheidungen getroffen hat. Für mich spielt die Nationalmannschaft weiter einen tollen Fußball, wenn man sich vor Augen führt, über welchen Rumpelfußball wir noch vor acht Jahren diskutiert haben. Die Mannschaft ist noch nicht am Ende ihrer Entwicklung, da ein riesen Reservoir an talentierten Spielern vorhanden ist. Der nächste, der mit Macht hinein drängt ist für mich Julian Draxler, der ja nur knapp aus dem Kader flog. Podolski wird Arsene Wenger bei Arsenal wieder in die Spur bringen und Reus wird bei Dortmund noch einen Sprung machen. Gegen Italien wurden die Schwächen auf der Rechtsverteidiger-Position und in der Innenverteidigung aufgedeckt. Hier haben wir noch das größte Steigerungspotential. Hummels ist für mich der Abwehrchef der Zukunft, Mertesacker und Badstuber sehe ich als Wackelkandidaten. Diese Vakanz sollte eigentlich unsere Innenverteidiger Schorsch Niedermeier und Serdar Tasci anspornen sich für höhere Weihen zu empfehlen. Bleiben also noch die Außenverteidiger, wo viel davon abhängt, welche Seite Lahm im Verein spielt. Sonst sehe ich uns hervorragend aufgestellt.

Ein weiterer Kritikpunkt, den ich in den letzten Tagen lese, ist, wir hätten zu viele „Weichspüler“ im Team und niemanden der in schlechten Phasen voran geht und dazwischen haut. Das können insbesondere Khedira und Schweinsteiger, wenn er denn fit ist. Auch Lahm vermag mal ein Zeichen zu setzen, siehe sein Tor gegen Griechenland. Was wird also erwartet? Wünscht man sich einen Typ van Bommel oder Jermaine Jones, der ständig am Rande des Platzverweises steht? Oder wünscht man sich einen Steffen Freund und Jens Jeremies zurück, die zwar fußballerisch limitiert waren, einem Gegner aber durch fieses Einsteigen oder versteckte Fouls den Schneid abkauften? Ich persönlich bin froh, dass wir inzwischen die meisten Situationen spielerisch lösen können und so in den letzten Jahren Gegner wie England, Argentinien, zwei Mal die Niederlande, Brasilien und Portugal geschlagen haben. Dass es gegen Italien nicht gereicht hat, mein Gott, so ist Fußball.

Unser ganzes Land trägt Trauer! Ja, das hängt womöglich damit zusammen, dass wir urplötzlich ein Volk von 80 Millionen Fußballfans sind. Schwarz-Rot-Geil! Ein Event über Wochen, ein Zusammengehörigkeitsgefühl, drei Wochen Party satt, in den Armen wildfremder Menschen feiernd! Dann, Niederlage gegen Italien, Party jäh gestoppt und plötzlich ist alles scheiße. Würden diejenigen, die jetzt am lautesten aufschreien, Bundesligaspieltag für Bundesligaspieltag ihrem Team hinterher reisen und mit der ein oder anderen bitteren Niederlage im Gepäck eine endlos lang erscheinende Strecke auch wieder zurückfahren müssen, dann würden sie möglicherweise verstehen lernen, dass auch Niederlagen zum Sport dazu gehören. Die Niederlage, wie sie zustande kam, war verdient, fertig, aus. Trotzdem verabschiedet sich Deutschland erhobenen Hauptes aus dem Turnier. Das kapieren hoffentlich auch möglichst bald die Boulevardmedien, ohne ein Trainer-Team aus dem Amt getrieben zu haben, für das es weit und breit keine Alternative gibt.

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