26. Juni 2010

Bloß kein Druck

Das Feuerwerk ist schon von weitem zu sehen. Bunte Raketen steigen in den Nachthimmel von Pretoria, als sich der Bus des deutschen Nationalteams am späten Mittwochabend dem Mannschaftshotel nähert. Und vor dem Eingang warten die freudig erregten Angestellten und klatschen nach der Rückkehr ihrer prominenten Gäste begeistert in die Hände. Sie behalten vorerst ihre Arbeit – zumindest bis Montag herrscht in der Nobelherberge Velmore weiter Hochbetrieb.Selbstverständlich ist das nicht gewesen. Viel jedenfalls fehlte nicht, und der deutsche Tross hätte bereits gestern seine Koffer gepackt und wäre in die Heimat zurückgeflogen. Ein 1:0-Arbeitssieg im letzten Gruppenspiel gegen Ghana hat dies verhindert und den Deutschen den Einzug ins Achtelfinale beschert. Es war der bislang schwächste Auftritt der DFB-Elf in Südafrika – und nicht nur der Kapitän Philipp Lahm kannte dafür den Grund: “Wenn eine Mannschaft so viel Druck hat, dann ist es schwierig, Fußball zu spielen.”

Also doch: der Druck. Tagelang hatten vor dem Spiel alle im deutschen Lager forsch verkündet, dass es nicht einmal den Anflug von Nervosität gebe und es jeder Einzelne gewohnt sei, auch unter großem Druck seine Leistung zu bringen. Mut machten sie sich gegenseitig – und merkten dann, dass es eben doch nicht so einfach ist, ein Spiel zu gewinnen, wenn die Blamage droht, die das erstmalige Scheitern einer deutschen Mannschaft in einer WM-Vorrunde bedeutet hätte.

Spürbar weich waren die Knie der jungen Spieler schon beim Einlauf in die riesige Hauptarena dieser WM, die Soccer City von Johannesburg – noch weicher wurden sie während des Spiels. Ein frühes Tor wollten die Deutschen schießen, das war die Marschroute, doch als dies nicht gelang, verkrampften sie von Minute zu Minute mehr. “Wir hatten Angst davor auszuscheiden”, sagt der Innenverteidiger Arne Friedrich, einer der wenigen, die sich von der Wucht und der Bedeutung dieses Moments nicht beeindrucken ließ.

Lahm: “England ist in der Favoritenrolle”

Mesut Özil hingegen war zunächst das Paradebeispiel dafür, wie ein Hochbegabter Fußball spielt, wenn ihn die Furcht vor dem Scheitern lähmt. Verängstigt schlich der Regisseur über den Platz, selbst die einfachsten Flachpässe gingen daneben. Dann jedoch drosch ausgerechnet er den Ball zum Siegtor ins Netz. Eine Befreiung war es nicht nur für Özil – auch allen anderen soll dieser verkrampfte 1:0-Sieg die Leichtigkeit zurückbringen, mit der die deutsche Elf gegen Australien ins Turnier gestartet ist. “Der Rucksack war groß und schwer”, sagt der Assistenztrainer Hansi Flick: “Jetzt wird es einfacher, weil wir unser Minimalziel erreicht haben. Die Erfahrung des Ghana-Spiels wird uns jetzt helfen.”

Wahrscheinlich sind die Trainer nicht traurig darüber, dass es im Achtelfinale nicht gegen die Amerikaner, sondern gegen England geht. Das ist zwar der schwerstmögliche Gegner, doch hat er, anders als die US-Auswahl, den großen Vorteil, dass ein Sieg keine Pflicht ist. “Wir haben jetzt mehr zu gewinnen als zu verlieren”, sagt der Angreifer Cacau , der gegen Ghana kein schlechtes Spiel machte, allerdings auch zeigte, dass er in der Rolle der einzigen Spitze nicht die Idealbesetzung ist. Nicht nur aufgrund der drohenden Ausfälle der muskelverletzten Bastian Schweinsteiger und Jerome Boateng heißt die neue Strategie nun: bloß keinen Druck aufbauen, bloß keine Erwartungen schüren. Flugs haben alle die Bürde des Gewinnenmüssens den Engländern zugeschoben. Es ist ein durchschaubares, angesichts der Erfahrung des Ghana-Spiels aber auch sehr nachvollziehbares Vorgehen.

Philipp Lahm sagt: “England hat lauter Weltklasseleute und ist in der Favoritenrolle.” Cacau sagt: “Da sind wir nur Außenseiter.” Und Joachim Löw sagt: “Dieser Gegner ist brandgefährlich.” Den Einwand, dass die Engländer in der Vorrunde noch mehr Probleme als sein Team gehabt hätten und sich nur als Zweite qualifiziert haben, lässt er nicht gelten: “Jeder weiß, dass sie sich im Laufe eines Turniers steigern können.” Forsche Töne gibt es dann doch noch – natürlich kommen sie von Thomas Müller. Zwar war auch er gegen Ghana wirkungslos, sein Selbstvertrauen aber findet er schnell zurück. Er kenne die Geschichte der deutsch-englischen Klassiker nur ein bisschen, er kenne “Gary Lineker und solches Zeugs”, sagt Müller. Das interessiert ihn aber nicht, wichtig sei nur, “dass wir die heutigen Engländer wegputzen”.

(STZ 25.6.10)

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1. Februar 2010

4:1 – Torfeuerwerk für die Roten gegen Dortmund

Der VfB Stuttgart hat die beeindruckende Erfolgsserie von Borussia Dortmund gestoppt und seine bemerkenswerte Aufholjagd fortgesetzt.

Mit dem 4:1 (1:0) gegen die zuvor zwölfmal nacheinander ungeschlagenen Westfalen schafften die unter ihrem neuen Trainer Christian Gross weiter unbezwungenen Schwaben den Anschluss an das Mittelfeld der Fußball-Bundesliga. Durch ein unübersichtliches Eigentor von Dortmunds Felipe Santana ging der VfB in der 14. Minute 1:0 in Führung, Lucas Barrios traf mit seinem 10. Saisontor (55.) zum Dortmunder Ausgleich. Zdravko Kuzmanovic (77.), Ciprian Marica (86.) und Christian Träsch (89.) trafen dann zum VfB- Sieg. In der mit 42 000 Zuschauern ausverkauften Baustelle Mercedes-Benz Arena hatte Stuttgarts Stürmer Ciprian Marica (48.) zuvor einen an ihm verursachten Foulelfmeter vergeben.
“Wir haben von Anfang an gezeigt, wer hier das Sagen hat. Den BVB haben wir gut in den Griff gehabt, aber uns selbst das Leben schwer gemacht”, sagte VfB-Kapitän Sami Khedira. “Wir haben von Anfang an nicht in unser Spiel gefunden. Heute hatten wir alle einen gebrauchten Tag”, betonte BVB-Verteidiger Patrick Owomoyela.

Dem VfB, der Stunden vor dem Spiel den sofortigen Wechsel von Nationalspieler Thomas Hitzlsperger zum abstiegsbedrohten italienischen Club Lazio Rom bekanntgegeben hatte, reichte unter den Augen von Bundestrainer Joachim Löw zunächst eine solide Leistung zur Halbzeit-Führung. Nach dem vergebenen 2:0 und dem überraschenden Dortmunder Ausgleich gaben sich beide Teams mit dem Punkt nicht zufrieden, der VfB schaffte dann in der turbulenten Schlussphase den insgesamt verdienten Sieg.

Die Gastgeber spielten zu Beginn druckvoll nach vorne und wurde nach 14 Minuten belohnt. Alexander Hleb bediente mustergültig Neuzugang Cristian Molinaro, der passte in den Fünfmeterraum zu Marica. Aus dem Gewühl heraus prallte der Ball von Hüfte des Innenverteidigers Felipe Santana über die Linie. Unklar blieb, ob dabei auch die Hand von Pawel Pogrebnjak im Spiel war. “Mit allen Körperteilen haben beide den Ball reingemacht”, sagte VfB-Manager Horst Heldt zur Halbzeit am “Sky”-Mikrofon, BVB-Geschäftsführer Hans- Joachim Watzke meinte: “Die Hand war wohl dran, aber das müssen wir akzeptieren, fertig aus.” Die Gäste zeigten sich von dem unglücklichen Rückstand nur kurz beeindruckt, doch sowohl Patrick Owomoyelas Kopfball (20.) als auch der Fernschuss von Nelson Valdez (24.) verfehlten ihr Ziel nur knapp.
Gleich zu Beginn der zweiten Halbzeit vergab der Gastgeber das 2:0. Marica wurde von Owomoyela im Strafraum klar gefoult, knallte aber den fälligen Elfmeter an die Unterkante der Querlatte (48.). Ähnlich kurios wie die VfB-Führung fiel dann der Dortmunder Ausgleich: Nach einem Foul an Pogrebnjak, der kurz zuvor nach einer Schwalbe “Gelb” gesehen hatte, warteten die Stuttgarter vergeblich auf den Pfiff von Schiedsrichter Peter Gagelmann (Bremen). Kevin Großkreutz nutzte die Konfusion und passte unbedrängt zu Barrios, der zum 1:1 einschoss (55.).

Mit einem Freistoß von der Strafraumgrenze in die Torwartecke von BVB-Schlussmann Marc Ziegler traf der erst kurz zuvor eingewechselte Kuzmanovic zum 2:1 (77.). Neven Subotic rettete gegen Tasci kurz darauf auf der Linie, Lehmann auf der Gegenseite kurz darauf gegen Valdez. Marica machte kurz vor Schluss alles klar (86.), Träsch erhöhte dann zum zu hoch ausgefallenen 4:1.
(STN online 31.1.10)

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