Gerade einmal vier Wochen nach dem unterirdischen Auftritt gegen Schalke 04 erwartet der VfB am kommenden Samstag den Tabellenzwölften aus Mainz.
Selten kam mir eine Pause gelegener als diese, quasi noch nie, war sie mir gar zu kurz, wie es dieses Mal der Fall ist. Noch habe ich keine richtige Lust auf das ewig gleiche planlose Gewürge, welches beim VfB noch immer der Sportart Fußball zugerechnet wird.
Meine Grundstimmung nach fast vier Wochen ohne Niederlage ist schon mal besser, wenngleich ich, sagen wir es mal so, gedämpft optimistisch an die ersten Spiele nach der Winterpause gehe.
Trainingslager, aus denen eine entspannte lockere Atmosphäre und gute Stimmung nach Hause transportiert wurden, hatten wir schließlich schon mehr als genug, als dass ich mich davon blenden lassen würde. Entscheidend ist Samstag 15 Uhr 30 auf dem Platz, da MUSS bereits gewonnen werden, um die Initialzündung zu schaffen und Selbstvertrauen zu tanken. Dies möglichst auch noch in überzeugender Manier, um erhobenen Hauptes nach München zu fahren und nicht, wie beim Hinspiel geschehen, schon im Vorfeld die weiße Fahne zu hissen und den Bayern den Sieg zu schenken.
Mit ordentlichen Auftritten zu Beginn kann sie geschafft werden, die Wende, warten danach doch mit Freiburg, Düsseldorf und kurze Zeit später Hannover 96 Teams, die man eigentlich hinter sich lassen sollte. Vertröstet man uns jedoch nach Punktverlusten gegen Mainz und München weiter damit, wie lang denn die Saison noch sei, wäre das der Anfang vom Ende, denn, in erster Linie muss der VfB Vertrauen in seine eigene Stärke gewinnen, womit automatisch fahrige Leichtsinnsfehler minimiert werden.
Diese, Pech an der einen oder anderen Stelle und fatale Fehleinschätzungen der sportlichen Leitung zu Beginn der Saison brachten uns erst in diese missliche Lage.
Der nicht kompensierte Abgang von Daniel Ginczek und, nicht nur was ihn betrifft, das Abgeben von Mentalitätsspielern, die dem Mannschafts- und Leistungsklima gut taten, sind zunächst zu nennen. Des Weiteren wurde in Gonzalo Castro ein vermeintlicher Führungsspieler geholt, der weit über den Zenit ist und sich seinen Führungsanspruch angesichts seines derzeitigen Leistungsvermögens und dem Gusto der bisherigen Platzhirsche von vornherein abschminken konnte. Die Zeiten der Standfußballer sind längst vorbei, wann kapieren das die Verantwortlichen beim VfB endlich?
Mit Holger Badstuber verlängerte man den Vertrag um drei Jahre, was ich sehr begrüßte, war er doch ein wichtiger Baustein in der so gegentorarmen Rückrunde. Auch er erhebt den Anspruch Führungsspieler zu sein und beißt sich an der in Stein gemeißelten Hierarchie die Zähne aus.
Die Meister von 2007, Beck, Gomez, Gentner, dazu Dennis Aogo, haben, so zumindest mein Eindruck von außen, überhaupt kein Interesse, dass da jemand größer zu werden droht, als sie es sind, so dass wir Fans uns die Hoffnungen wohl abschminken dürfen, dass sich etwas Grundsätzliches ändert, ehe nicht die eine oder andere Karriere (endlich) zu Ende ist.
Badstuber ließ man zu Beginn auf dem Platz alleine bzw. schickte ihn in Laufduelle, in denen er zum Scheitern verurteilt war, so dass er fortan nicht mehr auf die Beine kam. Stimmt es dann in der Mannschaft nicht, ist jeder in erster Linie mit sich selbst beschäftigt anstatt einem Spieler mit angeknackstem Selbstbewusstsein wieder auf die Beine zu helfen, ist es nach einem solch missratenen Start schwer, wieder in die Spur zu finden.
Offensichtlich wurde Badstubers Vertrag nur verlängert, weil man bereits im Sommer mit dem Abgang des Weltmeisters Benjamin Pavard rechnete. Ein millionenschwerer Irrtum, der so manches Unternehmen die Existenz kosten würde, während ein Reschke weiterhin fröhlich das Geld des VfB auf den Kopf hauen darf. Diese Fehleinschätzung katapultierte beide Spieler in eine Lose-Lose-Situation.
Pavard zerbrach an den Erwartungen an einen Weltmeister, die für einen jungen Spieler nicht angebracht waren. In einem funktionierenden und stabilen Korsett hätte er herausstechen können, nicht jedoch in einem Team, in dem die vermeintlichen Führungsspieler keine Verantwortung übernehmen und selbst nur Mitläufer sind. Im Nachhinein war es sicher ein Fehler, Pavard nicht schon im Sommer nach München zu verkaufen.
Seit einigen Tagen nun steht sein Wechsel nach München endgültig fest. Schade, dass er noch verletzt ausfällt, für alle Seiten wäre ein sofortiger Vereinswechsel wohl die beste Lösung. Da kann man fast darauf hoffen (auch wenn ich im Grunde niemandem eine Verletzung wünsche…), dass noch im Januar ein Bayern-Verteidiger längerfristig ausfällt und die Nordösterreicher Handlungsbedarf bekommen!
In der Innenverteidigung sind wir mit Baumgartl und Kempf ordentlich besetzt, dahinter lauern der Youngster Aidonis und Holger Badstuber, sowie ab Sommer wieder Kaminski.
Dass ein Michael Reschke an vorderster Front nicht vermittelbar ist, unterstrich er dieser Tage einmal mehr. Völlig ohne Not plapperte er heraus, dass man, sofern Badstuber oder sein Berater auf den VfB zukämen, Gesprächsbereitschaft über einen sofortigen Wechsel signalisieren würde. Selbst wenn dem so sei, damit drückt man den Preis, schafft eine schlechte Atmosphäre mit dem Spieler, heizt das brodelnde Umfeld unnötig selbst noch auf und läuft zudem Gefahr, dass ein Wechsel letzten Endes alternativlos ist und man trotz Abgang weiterhin einen Großteil seines üppigen Gehaltes stemmen muss. Derweil ruderte Reschke in dieser Personalie gleich wieder zurück, was mich immer mehr an der Zurechnungsfähigkeit der rheinischen Frohnatur zweifeln lässt.
Mich stört ungemein, wie auch von Fanseite mit Holger Badstuber umgegangen wird. Er ist ein ehrgeiziger Spieler, wie er jedem Team eigentlich gut tun sollte, weshalb er beim VfB derart ins Abseits geraten ist, kann ich nur schwer nachvollziehen, zumal er nicht der einzige ist, dem im Verlauf der Vorrunde amateurhafte Fehler unterlaufen sind. Allein die Tatsache, dass er von einem Championsleague-Club träumte, um beim VfB zu landen, kann es doch nicht sein. Ein Spieler, der etwas erreichen möchte und für den Stillstand Rückschritt bedeutet, ist mir doch tausend Mal lieber, als ein Anderer, der es sich in der Wohlfühloase schön eingerichtet hat und in beinahe zehn Jahren nicht ein einziges Mal Begehrlichkeiten anderer Vereine geweckt hat. Finde den Fehler, neige ich da zu sagen.
Einige Baustellen sind also geblieben, andere behoben. Das Lazarett hat sich gelichtet, so dass Markus Weinzierl deutlich mehr Alternativen zur Verfügung stehen, als er sie seit seinem Amtsantritt hatte. Weinzierl wirkt sehr engagiert und motiviert und gerade so, als dass seine eigentliche Arbeit erst mit dem Trainingsauftakt Anfang Januar begonnen habe. Das lasse ich sogar gelten, nachdem er einen unausgewogenen, verunsicherten, verletzungsgebeutelten und zudem mit Fitnessdefiziten gespickten Kader übernommen hat, der ihm kaum Möglichkeiten bot, im laufenden Spielbetrieb Grundsätzliches zu verändern und an den (unzähligen) Schwachstellen zu arbeiten.
Weinzierls Ansätze gefallen mir. Der Konkurrenzkampf wird neu entfacht (hoffentlich auf ALLEN Positionen), die Spieler werden mehr in die Pflicht genommen und er arbeitet daran, dass unser Spiel schneller, ansehnlicher und nicht zuletzt erfolgreicher wird.
Die bisher feststehenden Neuzugänge, Alexander Esswein und Steven Zuber, sollen für „sein“ Spiel wichtige Mosaiksteine sein. Wie es um die Stimmung im „schwierigen Umfeld“ und um das Vertrauen in die Arbeit von Michael Reschke bestellt ist, offenbarte sich am Shitstorm, der nach der Verpflichtung Essweins, der in der Hinrunde nur für die Hertha-Amateure aufgelaufen ist, sich Bahn brach. Auch ich musste im ersten Augenblick schmunzeln, weil so mancher Hochkaräter als Verstärkung gehandelt wurde, und es dann „nur“ Esswein wurde.
Bei näherer Betrachtung und weil ich dem Sachverstand und der Menschenkenntnis von Markus Weinzierl vertraue, finde ich diesen Zugang nicht einmal so verkehrt. Esswein galt lange als hoffnungsvolles Talent und hatte seine beste Zeit unter Markus Weinzierl beim FC Augsburg.
Weinzierl weiß, was er an Esswein hat und traut es ihm zu, Schnelligkeit und Wucht in unser Spiel zu tragen, Attribute, die wir dringend benötigen. Dass ein Spieler bei einem Trainer mal außen vor ist, wie Esswein bei Pal Dardai, kommt in den besten Vereinen vor und sagt nicht zwingend etwas über das Leistungsvermögen aus, wenn man nicht weiß, was zwischenmenschlich zwischen beiden vorgefallen war. Esswein wird Weinzierl das Vertrauen, das er ihm schenkt, zurückzahlen wollen. Wenn er dann noch, wie kolportiert wird, ein Mentalitätsspieler ist, kann er sich schnell in die Herzen des schwierigen Umfelds spielen.
Steven Zuber könnte das Pendant Essweins auf der linken Seite werden. Der dynamische Linksfuß und wohl beste Techniker im Schweizer Nationalteam ist sehr schnell, so dass auch er kurzfristig weiterhelfen dürfte, wenn denn seine „leichte“ Kapselverletzung wirklich eine leichte ist und er möglichst schon spätestens in München zur Verfügung steht.
Diese Leihe ohne Kaufoption untermauert freilich den Eindruck, dass es in dieser Saison lediglich noch ums Verhindern geht und nicht darum, die Mannschaft weiterzuentwickeln.
Fürs erste setzt Weinzierl auf die Achse Zieler, Kempf, Aogo, Gentner, Gomez, was hoffentlich nicht fünf Stammplatzgarantien gleich kommt. Das sollte eher einem Vertrauensvorschuss mit der Erwartung, dass die Genannten mehr Verantwortung übernehmen, gleichgesetzt sein.
Eine Achse ist in jedem Team wichtig, so dass ich hoffe, auch wenn man über den einen oder anderen Namen streiten kann, dass diese funktioniert und dem Team die nötige Stabilität verleiht.
Unter der fehlenden Stabilität hatten vor allem unsere jungen hochgehandelten Talente zu leiden, weil jeder vermeintliche Leistungsträger mehr mit sich selbst zu tun hatte, anstatt den Youngstern Halt geben zu können.
Maffeo und Borna Sosa bspw. traue ich es zu, den arrivierten Beck und Insúa Feuer unterm Hintern zu machen und auch Pavard würde eher zu alter Stärke zurückfinden, wenn es in der Mannschaft wieder besser läuft. Nicolás González, wegen seines Einsatzwillens für mich noch einer der wenigen Lichtblicke der Vorrunde, dürfte einen weiteren Schub bekommen, sollte Didavi endlich beschwerdefrei sein und unser Spiel, nicht zuletzt durch die Neuzugänge, offensiv variabler und damit unberechenbarer werden.
Dennoch hoffe ich, dass im Winter noch ein Stürmer zu uns stoßen wird, in erster Linie deshalb, weil ich es für grob fahrlässig hielte, unsere einzigen Hoffnungen auf Tore in den 33-jährigen Mario Gomez zu setzen. Auch ein Backup für Didavi stünde uns gut zu Gesicht, Berkay Özcan traue ich diese Rolle noch nicht zu.
Dass unter Weinzierl eine neue Zeitrechnung begonnen hat sieht man nicht nur daran, dass Donis für wiederholte Undiszipliniertheiten öffentlichkeitswirksam sanktioniert wurde, sondern auch daran, dass endlich wieder ein Trainer da ist, der den Unterbau nicht nur in den höchsten Tönen lobt, sondern auch die jungen Wilden zu befördern bereit ist, wenn er sie reif für höhere Aufgaben sieht.
Ganz so schwarz sehe ich also nicht und hoffe, dass Weinzierl sich nicht verbiegen lässt. Wenn er es ist, der sich an uralte Erbhöfe wagt und den seit Jahren nötigen Umbruch vollzieht, wird er bei mir wohl für immer einen Stein im Brett haben. Dazu wünsche ich ihm das nötige Glück und dem Umfeld Geduld. Bei der „Konkurrenz“ sehe ich uns nach wie vor als nicht sehr abstiegsgefährdet an, weil ich es mir nicht vorstellen kann, dass wir eine ähnlich verkorkste Rückrunde spielen werden.
Nürnberg, Düsseldorf und die mit hoher Wahrscheinlichkeit von einem deftigen Punktabzug betroffenen Hannoveraner sollte man mindestens hinter sich lassen können, so dass das größte Unheil wohl abgewendet werden kann.
Wie ihr seht, ich gehe vorsichtig optimistisch in die Rückrunde und hoffe, dass ich mir die Winterpause nicht bereits am Samstagabend wieder zurücksehne. Wie immer nach einer Vorbereitung versuche ich mit Vorfreude, Optimismus, Vertrauen ins Trainerteam und einigermaßen unvoreingenommen heranzugehen und habe vor allem die Hoffnung, dass endlich der Weinzierl-Effekt eintritt und der Fußball ansehnlicher wird. Niemand erwartet Siege in Serie, ein Team, das aufopferungsvoll kämpft und sichtlich zusammenhält, würde mir fürs Erste schon reichen. Ist das denn zu viel verlangt?