29. Dezember 2015

Jahresrückblick 2015: Januar bis März

Joshua Kimmich verlässt den VfB gen München

Das Jahr 2015 begann noch vor dem Trainingsauftakt mit einer weniger schönen Mitteilung. Joshua Kimmich, einst mit einer Rückkaufoption nach Leipzig verschachert, kehrt dem VfB endgültig den Rücken und wechselt zum Rekordmeister Bayern München. Der VfB nahm zwar seine Rückkaufoption wahr, jedoch nur, um Kimmich zu den Bayern weiterzureichen.
Kimmich wurde, als Bobic und Labbadia noch die Verantwortung trugen, zu RB Leipzig abgeschoben, weil ihm, dem riesen Talent, keine Perspektiven im eigenen Verein aufgezeigt werden konnten. Man setzte damals offensichtlich auf die falschen Pferde wie Robin Yalcin und Rani Khedira wie man heute weiß und (ver)stärkte zudem den Brausenclub, womit man einen nicht unwesentlichen Anteil an derem Aufstieg hat. Bei Leipzig wirken die von Bobic weggemobbten und ehemals im VfB-Jugendbereich sehr erfolgreichen Thomas Albeck und Frieder Schrof, die wussten, welches Kronjuwel der VfB da in seinen Reihen hat und mit Kusshand zugriffen.
Dadurch entfremdete sich Kimmich logischerweise vom VfB, so dass er keine Lust mehr verspürte, noch einmal für den Krisenclub vom Cannstatter Wasen die Fußballschuhe zu schnüren. Diese Tatsache und jene, dass man ohnehin keine Chance hat, einen Spieler gegen seinen Willen zu halten, wenn der große FC Bayern ruft, taten ein Übriges. Und, nicht zu vernachlässigen, war der VfB auf die Kimmich-Millionen angewiesen, um das Geschäftsjahr 2014 noch mit einem leichten Gewinn verbuchen zu können und um für den Rest der Saison „flüssig” zu bleiben.
Der VfB indes, der auf Tabellenplatz 15 überwinterte, nahm als erster Bundesligist das Training wieder auf. Huub Stevens zog dabei die Zügel merklich an und ließ seine Mannen in der Vorbereitung um 6.30 Uhr früh antanzen und bat um 7 Uhr zum ersten Lauf. Beim so schwierigen Unterfangen Klassenerhalt sollte nichts dem Zufall überlassen werden.

Robin Dutt als Nachfolger von Fredi Bobic vorgestellt

Am Dreikönigstag wurde Robin Dutt als neuer Sportdirektor und damit als Nachfolger von Fredi Bobic vorgestellt. Dutt, der die Saison noch als Chef-Trainer von Werder Bremen begonnen hatte, wechselte also wieder einmal die Seiten. Nachdem er den Sportdirektor-Posten beim DFB geschmissen hatte, weil seine Berufung doch der Trainerjob sei, nun also die Rolle rückwärts. Ich war von Anfang nicht begeistert von dieser Personalie, auch wenn es nach Fredi Bobic im Grunde nur besser werden konnte. Immer wieder mal keimten Gerüchte auf, Dutt wäre deshalb die Nummer eins der VfB-Verantwortlichen gewesen, weil er vom selben Anwalt Christoph Schickhardt beraten würde, wie auch Präsident Bernd Wahler persönlich und der VfB in seiner Gesamtheit. Vetterleswirtschaft dieser Art kennt man vom VfB, daher wäre es auch keine Überraschung, wenn dies die vordergründigen Beweggründe für Dutts Verpflichtung gewesen wären und das Wohl des VfB erst an zweiter Stelle gekommen wäre.
Qualitäten als Schreibtischtäter konnte Dutt bislang keine vorweisen, eher im Gegenteil, aus Kreisen des DFB hörte man, konzeptionelles Arbeiten gehöre nicht unbedingt zu Dutts Stärken. Matthias Sammer hatte auf der Position des DFB-Sportdirektors Maßstäbe gesetzt, seine Fußstapfen waren für Robin Dutt merklich zu groß. Mir gefallen Leute grundsätzlich nicht, die sich Dinge vorher nicht richtig überlegen und andere dann aus egoistischen Motiven in ein plötzliches Vakuum stürzen, wie es Dutt mit dem DFB getan hatte, so dass ich äußerst skeptisch war, was seine Verpflichtung anging. Dutt hatte zwar nicht den sonst so präferierten Stallgeruch, ist aber in Leonberg zu Hause, so dass der VfB schon auch eine Art „heim kommen“ für Robin Dutt bedeutete.
Wer hat, der hat, daher stattete man Dutt gleich einmal und ohne eine vorher angesiedelte Probezeit abzuwarten mit einem 4-Jahres-Vertrag und einem Vorstandsposten aus. Mir persönlich wäre ein streitbarerer Geist wie Jens Lehmann oder auch Oliver Kahn lieber gewesen, wenn man schon einen Anfänger mit dieser anspruchsvollen Aufgabe betraut. Dennoch, sobald die Tinte unter einem Vertrag mit dem VfB trocken ist, gebe ich jedem Neuen die Chance, meine Vorurteile auszuräumen und wünsche ihm und vor allem dem VfB dabei alles Gute.

16. bis 24. Januar: Trainingslager in Lagos/ Portugal

Im Trainingslager in Lagos an der Algarve preschte Bernd Wahler, der sich ansonsten für meinen Geschmack zu bedeckt hält, damit vor, dass man daran denke, mit Huub Stevens den Vertrag zu verlängern, Stevens jedoch für seine Entscheidung alle Zeit der Welt geben würde. Ein Schelm, der Böses dabei denkt, mit dem Abstand von gut elf Monaten hatte er mit dieser Aussage wohl eher die Absicht, Stevens bei Laune zu halten.
Das Trainingslager in Portugal war zugleich „mein“ erstes Wintertrainingslager. Die Wintervorbereitung hatte ich bislang eher selten auf dem Schirm, zum einen, weil ich nicht gleich im Januar neuen Urlaub verbrauchen wollte, zum anderen aber auch, weil mich die Ziele meist nicht unbedingt reizten.
Eine Ausnahme wäre sicherlich Südafrika im Jahr zuvor gewesen, da war es mir nach der Bekanntgabe etwas zu knapp, diesen Trip zu planen und kurzfristig Urlaub zu bekommen, was ich mittlerweile schwer bereue. Jetzt also Lagos, wo ich seit 1983 schon etliche Urlaube verbrachte und wo mir Land und Leute einfach zusagen. Mit dem Wetter hatten wir Pech. Bevor der VfB ankam, hörten wir von Dauerurlaubern, hätte es sechs Wochen lang keinen Regentag gegeben. Als wir dort waren, machte sich die Sonne rar, es regnete immer wieder und es war, wie am Atlantik üblich, meist sehr windig. An manchen Tagen kletterte das Thermometer kaum über 10°, die Regel waren allerdings etwa 15°, die bei sehr böigem Wind auch schon unangenehm sein können. Die Trainingsbedingungen und das Hotel sollen für das Team super gewesen sein, für uns Fans war es nicht gerade optimal, da wir viele Einheiten nur hinter einem großen Fangnetz verfolgen konnten, welches ob der „Treffsicherheit“ der meisten Kicker allerdings auch nötig war.
Alles in allem waren es sehr schöne Tage an der Algarve. Etwa 20-30 Fans waren vor Ort und es herrschte eine sehr lockere Atmosphäre, auch zwischen Team und Betreuern und den Fans.
Auf dem Trainingsplatz indes gerieten Ibisevic und Harnik bei einer Keilerei aneinander und Moritz Leitner wurde von Stevens gerüffelt, weil er nach einem Zweikampf den sterbenden Schwan mimte und dafür mit einem Straftraining um 6 Uhr in der Früh bedacht wurde.

Das erste Testspiel gegen den albanischen Erstligisten KF Laçi gewann man indes mit 5:0. Da es der Fußball-Gott in diesen Zeiten mit dem VfB nicht gut meint, passte es ins Bild, dass einer der seltenen VfB-Siege wohl nur deshalb so deutlich ausfiel, weil das Spiel ins Visier der albanischen Wettmafia gerückt war und wohl verschoben worden ist. Als Augenzeuge wunderte man sich über diese Gerüchte freilich nicht, stellten die Albaner die Verteidigung in der zweiten Halbzeit doch fast gänzlich ein.

Am 22.01. wurde der Wechsel von Raphael Holzhauser zur Wiener Austria bestätigt. Der Sportdirektor von Austria Wien, ein gewisser Franz(l) Wohlfahrt, tütete den Transfer ein. Holzhauser, der mit den Amateuren wie auch die Austria in Belek im Trainingslager weilte, musste also nur das Hotel wechseln. Alles in allem ein logischer Wechsel, weil er beim VfB nicht über die Rolle des Reservisten hinauskam und auch sein Lebenswandel insgesamt nicht dem eines Bundesligaprofis entsprach. Bis er während seiner Leihe zum FC Augsburg in Ungnade gefallen ist, zeigte er durchaus, was er drauf hat, vor allem bei Standards, und mit seinem begnadeten linken Fuß.

Das zweite Testspiel in Lagos gegen den portugiesischen Zweitligisten SC Farense endete nach schwachem Auftritt 1:1 unentschieden, Kostic traf für die Schwaben. Außer dem windigen Wetter bleibt in negativer Erinnerung an das Trainingslager in Lagos, dass weit und breit kein anderes Team in diesen Gefilden seine Wintervorbereitung absolvierte, so dass es an Gegnern mangelte und diese Tests somit kein Gradmesser für die anstehenden Aufgaben waren.

Ein offizielles Fanfest gab es dieses Mal zwar nicht, jedoch lud uns der VfB auf „zwei, drei“ Getränke an die Hotelbar im Mannschaftshotel Cascade Resort ein. Zuletzt war es üblich, dass zu Fanfesten die gesamte Mannschaft einschließlich Trainer- und Betreuerstab kommt, dieses Mal fand dieses Treffen auf „freiwilliger“ Basis statt, wobei den Führungsspielern Gentner und Ulreich sowie auch Schwaab, Niedermeier und Klein sicherlich angeraten wurde, zu erscheinen. Umso erfreulicher, dass sich auch ein paar Youngsters wie Timo Werner und Mart Ristl blicken ließen. Letzterer hatte erst kurz vor Beginn des Trainingslagers beim Mercedes-Benz Junior Cup im Sindelfinger Glaspalast auf sich aufmerksam gemacht und stieß nach guten Leistungen dort gleich zum Kader der Profis. Auch die anderen jungen Wilden haben es mir nicht nur durch ihre Trainingsleistungen angetan, sondern auch deshalb, weil sie noch so wohltuend normal sind. Sie grüßen freundlich und helfen nach den Einheiten dem Meuschi noch beim zusammen räumen, während solche, die ihre Nase weit oben tragen (Leitner) ihr Zeug nur hinrotzen. An der Stelle macht sich eine gute Kinderstube schon bemerkbar.

Zum Abschluss des Trainingslagers dann noch ein nicht alltägliches Highlight. Die Mannschaft flog, wie wir, in der Holzklasse mit Germanwings zurück in die Heimat, wo wir sie jedoch nicht mehr belästigen oder in ihrem Ablauf stören wollten. Lediglich Robin Dutt schüttelte ich beim Warten aufs Gepäck am Stuttgarter Flughafen noch die Hände und wünschte ihm alles Gute. Allerdings nicht für seine Aufgabe beim VfB sondern anlässlich seines 50. Geburtstags, den er am Tag des Rückflugs beging.

Auftaktniederlage gegen Mönchengladbach

Am 31.01. schließlich endete sie, die Zeit voller neuer Hoffnungen, ohne Niederlagen und sonstiger größerer Enttäuschungen. Die Zeit der Wahrheit stand wieder an, der Rückrundenstart. Und den versemmelte der VfB mal wieder gründlich. Beim 0:1 gegen Borussia Mönchengladbach blieb der VfB im fünften Heimspiel in Folge ohne eigenes Tor, Negativrekord! Es war die nahtlose Fortsetzung einer katastrophalen Vorrunde, so dass die Vorfreude auf eine bessere Rückrunde schon in den Startlöchern stecken blieb. Nach einer katastrophalen Anfangsphase und hochkarätigen Chancen der Gladbacher schaffte es der VfB immerhin, den Champions League Anwärter auf sein Niveau herunterzuziehen, so dass die Partie zunehmend verflachte. Da zeigte sich dann, dass die Elf vom Niederrhein an diesem Tag zu packen gewesen wäre. Symptomatisch, dass sich der VfB beim entscheidenden 0:1 auch noch auskontern ließ. Dumm, dümmer, VfB! Und doch wäre in der vierten Minute der Nachspielzeit fast noch der Ausgleich geglückt, wenn, ja wenn, Georg Niedermeier aus vier Metern ins leere Tor und nicht nur die Latte getroffen hätte.

Verpflichtung von Serey Dié

Wenige Stunden vor Schließung des Transferfensters wurde schließlich noch der einzige Winterneuzugang an Land gezogen. Der ivorische Nationalspieler Serey Dié, der sich zum Zeitpunkt der Verpflichtung noch beim Afrika-Cup befand, gilt als Enfant terrible. Während seiner Zeit beim FC Basel war er zwar stets unumstrittener Publikumsliebling, fiel aber auch immer wieder negativ auf, so bspw. 2012 als er nach einem Spiel gegen den FC Lausanne einen Balljungen ohrfeigte, der ihm während des Spiels den Ball zu langsam zugeworfen hatte. Seine Eskapaden und Sperren beim FC Basel häuften sich, so dass dieser Hochkaräter plötzlich bezahlbar auf dem Markt war und Robin Dutt, der ihn auch schon zum SC Freiburg locken wollte, zugriff. Wie man aus heutiger Sicht sagen kann, saß eine der ersten Amtshandlungen Dutts gehörig, Dié schwang sich in der Rückrunde zum Leistungsträger und einem DER Garanten des Klassenerhalts auf. In der Bundesliga sollte Serey Dié noch zwei Spiele lang fehlen.

Nullnummer in Köln

Direkt nach der Winterpause setzten die Terminplaner eine englische Woche an. Für den VfB ging es dabei nach Köln, wo der VfB seit Ewigkeiten nicht mehr verloren hatte. Dritte englische Woche der Saison, nach Dortmund und Hamburg zum dritten Mal auswärts, was für mich bedeutete, dass ich einen Tag Urlaub nehmen musste, besser gesagt zwei halbe Tage. Am Spieltag nachmittags mit dem Zug in die Domstadt, Übernachtung und früh morgens mit dem Zug zurück und vom Hauptbahnhof direkt ins Geschäft. Was tut man nicht alles, um sich unter der Woche auswärts ein erbärmliches 0:0 reinzuziehen. Dieses Spiel war die Hochzeit des Stevenschen Defensiv-Wahns. Bei einem heimschwachen Gegner, der zu Hause ähnlich „treffsicher“ ist wie der VfB, mit einer Riegel-Rudi-Taktik anzutreten, und das nach einer Heimniederlage gegen Gladbach und der bevorstehenden Heimniederlage gegen die Münchner Bayern, spottet jeder Beschreibung. Das Spiel entwickelte sich erwartungsgemäß zum Duell Not gegen Elend auf unterstem Niveau. Das bewegendste an diesem Abend war noch die Gedenkminute für Udo Lattek, als sich das ganze Stadion einschließlich des VfB-Blocks erhob und dem Altmeister klatschend die letzte Ehre erwies.

Heimniederlage gegen die Bayern

Der Angsthasenfußball von Köln wurde als Mutmacher für die Partie gegen die Bayern verkauft, die Null sollte auch gegen den Spitzenreiter stehen. Nur, dass die Kölner Angriffsbemühungen ähnlich limitiert aussehen wie die vom VfB und die Durchschlagskraft der Bayern eine andere ist, wischte man in den Gedankenspielen kurzerhand beiseite. Die Bayern, in der Rückrunde nach einem Debakel in Wolfsburg und einem Remis gegen Schalke ebenfalls noch sieglos, mussten in Stuttgart schon gewinnen, um nicht in eine bajuwarische Krise zu schlittern. Doch, keine Angst, ihr Bayern, auch wenn der VfB vieles nicht kann, Aufbaugegner kann er wie kaum ein Anderer. Dass die Brust der Bayern schon einmal breiter war, merkte man ihrer Spielanlage an. Der VfB spielte gut mit, auch wenn er sich insgesamt zu wenig zutraute, um die Bayern ernsthaft zu gefährden. Und trotzdem hätte man durch Sakai in Führung gehen können, der aber nur den Außenpfosten traf. Kurz vor der Pause nahmen dann die Dinge ihren Lauf. Ein abgefälschter Ball fiel Arjen Robben vor die Füße, der humorlos und sehenswert über Ulreich hinweg abschloss. Und, als wäre es der Sonntagsschüsse noch nicht genug, traf David Alaba kurz nach dem Seitenwechsel per Freistoß in den Winkel. Das war’s, der VfB bekam mal wieder viel Lob, viele Respektsbekundungen, viel Honig ums Maul geschmiert, dass man ja gar nicht so schlecht wäre, wie es der Tabellenstand aussagt. Doch, die Tabelle lügt nicht und gestaltet sich aus VfB-Sicht gnadenlos, ohne Berücksichtigung einer B-Note weist sie nach 20 Spieltagen den 18. und damit letzten Tabellenplatz für den VfB aus.

Last-Minute-Knockout in Sinsheim

Das Warten auf Serey Dié hatte schließlich ein Ende. Die Ivorer gewannen den Afrika-Cup durch ein 9:8 nach Elfmeterschießen gegen Ghana, so dass Serey Dié erhobenen Hauptes seinen Dienst beim VfB antreten konnte. Freitags vor dem Hoffenheim-Spiel absolvierte Serey Dié seine erste Trainingseinheit mit dem Team, so dass er für einen Startelfeinsatz an der Autobahnraststätte noch nicht in Frage kam.
Stevens rückte auch in Sinsheim nicht von seiner Riegel-Taktik ab und war in erster Linie, analog zu Köln, darauf aus, ein 0:0 zu ermauern. Antifußball von der schlimmsten Sorte, destruktiv ohne Ende, um mit dem Team, an dem sich Bobic messen lassen wollte, überhaupt punkten zu können, schien Stevens jedes Mittel recht. In Timo Werner und Martin Harnik standen zu Beginn gerade einmal zwei Offensivkräfte auf dem Platz, der Rest waren durchweg mehr oder weniger Zerstörer. Mit solchen Auf- und Vorstellungen wie in der Saison bereits zuhauf gesehen, darf man sich nicht wundern, dass es mittlerweile viele außerhalb des Schwabenlands gibt, die dem VfB den Abstieg wünschten.
So trat der VfB also auch bei Hoffenheim an wie das Kaninchen vor der Schlange. Hoffenheim, mit drei Niederlagen in die Rückrunde gestartet und daher auch nicht mit sonderlich viel Selbstvertrauen ausgestattet, wurde damit eingeladen, selbst die Initiative zu ergreifen und sich ihre verloren gegangene Sicherheit zurückzuerlangen. Nach einer halben Stunde Not gegen Elend nutzte Roberto Firminho nach einer Standardsituation einen Abpraller, der vor seine Füße fiel, zum überraschenden 1:0. Dieses Gegentor war zunächst der Weckruf für den VfB, der aktiver wurde und kaum zehn Minuten später zum Ausgleich durch Gotoku Sakai kam. Der Japaner erzielte damit sein erstes Bundesligator überhaupt und das erste VfB-Tor in der Rückrunde.
In der zweiten Hälfte verflachte die Partie immer mehr, Chancen auf beiden Seiten waren Mangelware. Ob Robin Dutt während des Spiels schon Einfluss nahm und Huub Stevens dazu bewegte, in Maxim und Ibisevic zwei zusätzliche Offensivkräfte zu bringen, ist reine Spekulation. Vielleicht hat es Stevens ja selbst erkannt, dass selbst ein Unentschieden bei dieser Tabellenkonstellation zu wenig wäre. Klare Chancen sprangen indes keine heraus, weil aufgrund technischer Schlampigkeiten die letzte Präzision fehlte. Als man sich bereits auf dieses schiedliche friedliche Unentschieden geeinigt zu haben schien, schenkte Timo Baumgartl einen Ball leichtfertig her, der über Volland zu Sebastian Rudy gelangte und den dieser nur noch einzuschieben brauchte. Dritte Minute der Nachspielzeit und dann dieser Nackenschlag. Die Lichter schienen auszugehen auf dem Wasen, Huub Stevens raunzte auf der anschließenden Pressekonferenz einen Journalisten an: „Haben Sie einen Rat für mich?“. So ratlos hatte man den Knurrer aus Kerkrade selten erlebt, ich befürchtete seinerzeit nach Veh den zweiten Trainer-Rücktritt in dieser Saison. So weit kam es zum Glück nicht, wobei Stevens bei seinen Halbjahres-Engagements sicherlich auch die mutmaßlich exorbitant hohe Nichtabstiegsprämie im Kopf hat und schon daher nicht bereit ist, davon zu laufen. Augen zu und durch!

Fanliebe gegen “Echte Liebe”

Dutt stärkte Stevens zwar öffentlich den Rücken, intern wuchsen seine Zweifel aber, ob die geplante Erneuerung des VfB mit Stevens möglich wäre, so dass wohl (spätestens) nach dem Hoffenheim-Spiel die erste Kontaktaufnahme mit Alexander Zorniger erfolgte.
Für den VfB ging es nach dem Nackenschlag in Sinsheim gleich freitags gegen Borussia Dortmund weiter. Der BVB spielte selbst eine Horror-Saison und fand sich vor nicht allzu langer Zeit auf den Abstiegsrängen wieder, befand sich aber nach zuletzt zwei Siegen in Folge auf dem aufsteigenden Ast. Auch im dritten Heimspiel der Rückrunde versuchte es der VfB mit einer nominell defensiv aufgestellten Mannschaft. Frappierend schon in der Anfangsphase, wie sich ein Klassenunterschied zwischen den beiden Teams zeigte. Dortmund kombinationssicher und zielstrebig, der VfB ängstlich und ohne jegliches Selbstvertrauen, was in der frühen Führung durch Aubameyang mündete. Doch, völlig überraschend, kam der VfB zurück. Niedermeier wurde im Strafraum von Sahin von den Beinen geholt und holte dadurch einen Strafstoß für den VfB heraus. Da Sahin Niedermeier kurz vor der Torlinie von den Beinen holte, hätte er zwingend rot sehen müssen, doch Schiedsrichter Aytekin ließ seine Karten stecken, weil er, wie er später zugab, diese Doppelbestrafung doof findet und somit Selbstjustiz übte. Da es nur der VfB war, durfte Aytekin ohne jegliche Sanktionierung weiter sein Unwesen auf Deutschlands Fußballplätzen treiben, nicht auszudenken, was mit ihm passiert wäre, wenn er die Bayern so benachteiligt hätte. Müßig darüber zu spekulieren, ob der VfB in Überzahl gewonnen oder sich der BVB dann wenigstens mit einem Remis begnügt hätte. Gündogan brachte seine Farben noch vor der Pause in Führung, kurz vor Schluss, nach Fehler von Baumgartl in Co-Produktion mit Ulreich, erzielte Reus das entscheidende 1:3. Das 2:3 in den Schlusssekunden durch Georg Niedermeier stellte nur noch Ergebniskosmetik dar, so dass man auch im fünften Rückrundenspiel ohne Sieg und bereits mit fünf Punkten Rückstand auf den 15. Platz am Tabellenende festsaß.
Die Nerven, auch bei den Fans, lagen blank und dennoch spielten sich nach dem Dortmund-Spiel in der Cannstatter Kurve herzzerreißende Szenen ab. Die Spieler bekamen nicht etwa den Zorn der Fans ab wie noch vor Wochenfrist in Sinsheim, im Gegenteil, sie, allen voran Timo Baumgartl, wurden in den Arm genommen, geherzt und getröstet, Szenen so unglaublich, dass sie um die Welt gingen. Der Schulterschluss mit den Fans ist also vorhanden, das Signal klar. Wir zusammen, ihr für uns, wir für euch, wir geben nicht auf!

Remis im Kellerduell

In Hannover sprang Huub Stevens (endlich) über seinen Schatten und nominierte mit Harnik, Werner, Maxim und dem endlich zurückgekehrten Daniel Ginczek gleich vier Offensivkräfte. Bei den ebenfalls kriselnden 96ern reichte es freilich auch nicht zum Befreiungsschlag. Nach Toren von Gentner und Stindl trennte man sich 1:1. Dass die Nerven in diesem Kellerduell blank lagen zeigte sich auch bei einer Rangelei zwischen Harnik und Stindl, die beide des Feldes verwiesen wurden und für Harnik eine Zwei-Spiele-Sperre zur Folge hatte. Eigentlich dämlich und dennoch aus zweierlei Aspekten noch positiv hervorzuheben. Zum einen zeigt sich in solchen Szenen, dass dem Spieler die Situation nicht völlig am Arsch vorbeigeht und zum anderen hätte man Harnik schon länger mal eine Denkpause gewünscht, in der Hoffnung, dass er danach geläutert und stärker zurückkommen würde.

Nach dem Hannover-Spiel preschte erstmals Ralf Rangnick vor und erklärte auf Sky und ServusTV, dass Alexander Zorniger „spätestens“ zur neuen Saison neuer VfB-Trainer werden würde. Wie man heute weiß, war dies damals längst in trockenen Tüchern, so dass man mit Stevens ein falsches Spiel spielte. Kein Wunder, dass dieser immer gereizter auf in diese Richtung gehende Fragen reagierte. Und doch können wir dankbar sein für die Professionalität, die Huub Stevens an den Tag legte, indem er dieses Kasperletheater mitspielte und nicht einfach den Bettel hingeschmissen hat. Ich vermute mal, dass ihm seit dem Abstiegskampf des Vorjahres und den emotionalen Momenten, die er mit dem VfB und uns Fans erlebte, der VfB trotz allem ans Herz gewachsen war und er uns nicht im Stich lassen wollte, wie es ein halbes Jahr vorher Armin Veh getan hatte. Auf der anderen Seite war aber natürlich auch fraglich, ob der VfB sich eine Entlassung Stevens‘ überhaupt hätte leisten können, unabhängig davon wurde das Heimspiel gegen den Mit-Abstiegskonkurrenten Hertha BSC Berlin einmal mehr zum Schicksalsspiel für den Trainer hochstilisiert.
Am Ende stand die null auf beiden Seiten, obwohl der VfB die engagiertere Mannschaft mit den besseren Chancen war. Ein Heimsieg wäre verdient gewesen, gelang aber nicht, so dass man auch nach dem 24. Spieltag Schlusslicht war, mit noch immer fünf Punkten Abstand zum rettenden Ufer.
Mehr als das Ergebnis blieben die Ausschreitungen vor und nach dem Spiel in Erinnerung. Obwohl Bundesligavereine, Sicherheitsvertreter, Polizei, DFL und was weiß ich, wer noch, stets betonen, dass Spiele unter Berücksichtigung sämtlicher Sicherheitslagen angesetzt werden würden, setzte man dieses Spiel gegen die Hertha, deren Fans eine Freundschaft zu unseren Erzfeinden vom KSC pflegen, bei Dunkelheit und an einem Freitagabend an. Den KSC ließ man intelligenterweise an einem anderen Tag und nicht parallel spielen, so dass es vorprogrammiert war, dass einige hundert Gelbfüßler-Chaoten anreisen würden, die mit dem Spiel an sich nichts am Hut hatten und lediglich Ärger suchten.
Dass es dann bei Dunkelheit unübersichtlich wurde und zu unschönen Szenen kam, haben sich die Ordnungshüter selbst zuzuschreiben. Vor allem nach dem Spiel eskalierte die Situation, als die Polizei nichts besseres zu tun hatte, wegen ein paar hundert blauen Deppen den Bahnhof zuzusperren und tausende VfBler damit auszusperren und an ihrer Heimfahrt zu hindern.
Wohlgemerkt handelte es sich um ein Abendspiel und nach 23 Uhr schwimmen einem beim dürften ÖPNV-Angebot im Großraum Stuttgart nun mal die Felle davon, so dass die Nervosität vor den Toren stieg und vereinzelt versucht wurde, den Bahnhof zu stürmen. Auch da hatte dann die Polizei wieder ihren großen Auftritt, in dem sie durch Türschlitze Pfefferspray versprühte und somit zur allgemeinen Beunruhigung der Lage maßgeblich beitrug. Ganz großes Kino an diesem Abend!
Eher noch weiteres Öl goss Präsident Wahler dann ins Feuer, indem er die Vorkommnisse kritisierte, ohne ein vollständiges Bild über die Ereignisse gehabt zu haben. Vor allem von ihm, der selten etwas sagt, sollte, wenn er denn etwas sagt, gehaltvolleres kommen, nachdem er sich informiert hat und nicht einfach nachplappern, was Polizeichefs ihm in den Mund legen, die selbst auf der Suche nach Rechtfertigungen sind.

Debakel in Leverkusen

Wenn nicht bald die Wende und damit der erste Rückrundensieg gelingt, dürfte der VfB kaum mehr zu retten sein. Auch nach dem Hertha-Spiel stellte sich die Frage, ob der VfB mit Stevens weitermacht oder gar weitermachen muss. Abgesehen vom finanziellen Aspekt und der Fälligkeit einer Abfindung im Falle einer Stevens-Entlassung, hat sich Dutt durch die frühe Festlegung auf Alexander Zorniger maßgeblich dieser letzten Patrone beraubt. Würde Zorniger sofort einspringen (müssen) könnte er bereits vor seinem geplanten Amtsantritt verbrannt sein, nämlich dann, sollte das Unternehmen „Rettung“ schiefgehen. Daher war es schon logisch, dass Stevens auch in Leverkusen noch auf der Bank sitzen würde. Ausgerechnet beim Angstgegner Leverkusen auf die Wende zu hoffen, war schon reichlich vermessen. Der VfB begann zwar ordentlich und ließ die Werkself kaum zur Geltung kommen, leider schaffen es die Schwaben selten bis nie, eine solche Gangart konsequent und konzentriert über 90 Minuten auf den Platz zu bringen. Nach einer halben Stunde lud der VfB Bayer förmlich zur Führung ein, indem gleich fünf Spieler eine wahre Slapstick-Orgie hinlegten, und damit Wendell freispielten, der seinen ersten Bundesligatreffer erzielte. Vier Minuten später legte Drmic nach, so dass die gute erste halbe Stunde wie weggeblasen war und Bayer nun eindeutig Chef im Ring war. In der 50. Und 59. Minute erhöhte die Werkself auf 4:0 und spulte in der Folgezeit ihr Pensum im Schongang herunter, mit Gedanken beim schon dienstags anstehenden Championsleague Spiel bei Athletico Madrid. Nicht auszudenken, welche Dimension dieses Debakel angenommen hätte, wenn Bayer mit der gleichen Intensität der ersten Stunde weitergemacht hätte. Der VfB zerfiel in seine Einzelteile und hatte Bayer auch nichts mehr entgegenzusetzen, nachdem sie zwei Gänge heruntergeschaltet hatten. Beängstigend!

Erster Rückrundensieg!

Der erste Rückrundensieg gelang dann im folgenden Heimspiel gegen die Frankfurter Eintracht, die man auswärts schon 5:4 (!) schlagen konnte. Die Eintracht ging zwar kurz nach der Halbzeit in Führung, zwei Mal Ginczek sowie Alexandru Maxim drehten jedoch das Spiel. Der VfB blieb dadurch zwar immer noch Letzter, konnte den Rückstand auf Platz 15 aber auf zwei Punkte verkürzen, was neue Hoffnung auf den Klassenerhalt machte. Vor allem, dass Daniel Ginczek endlich seine ersten Tore für den VfB erzielte, nährte die Hoffnung auf mehr. Der Junge ist ein ganz starker Knipser, wenn er denn die Fitness, das Selbstvertrauen und auch die richtigen Zuspiele bekommt, wie an diesem Tag von Harnik und Maxim.
Der VfB spielte zwar eine Stunde lang wie ein Absteiger, kam aber mithilfe der Frankfurter wider Erwarten noch zurück. Wenn einer Aufbaugegner ähnlich gut kann wie wir, dann ist das die Eintracht. Auch an dieser Stelle nochmals vielen Dank, wenn wir das Spiel verloren hätten, wenn bei Ginczek der Knoten an diesem Tag nicht geplatzt wäre, wenn…? Vermutlich wäre eine Niederlage gegen die Eintracht dem Abstieg gleichgekommen. So machte sich zwar große Erleichterung breit, jedoch auch die Erkenntnis, dass man drei Punkte und nicht mehr gewonnen hatte. Die Situation ist brenzlig genug, der Sieg nährte aber die Hoffnung, dass die Jungs wieder an ihre eigenen Stärken glauben und in den nächsten Spielen befreiter aufspielen können.

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13. April 2015

Martin Harnik, der personifizierte Wahnsinn

Category: Frankys Blogs — Tags: , , , , , , – Franky @ 19:10

Er ist zwar nicht unbedingt der „Man oft the Match“, vereinigt aber alle Facetten dieses Wahnsinns-Spiels in sich. Ausgerechnet gegen seinen Ex-Club Werder Bremen versemmelt Harnik binnen zwei Minuten zwei Hochkaräter, wobei vor allem der zweite in kaum einem Saisonrückblick fehlen dürfte. Hatte er die Situation bereits abgehakt, weil das ein sicheres Tor war oder ist es doch der riesen Druck, der auf den Jungs lastet, der die Beine lähmt und einfachste Dinge nicht mehr gelingen lässt? Unglaublich, denkt sich der neutrale Beobachter, unfassbar der Fan auf der Tribüne. Sind es doch genau solche Dinger, die am Ende über Erst- oder Zweitklassigkeit entscheiden (können).
Es ist zweifellos menschlich, dass auf der Tribüne gemurrt oder auf gut schwäbisch gebruddelt und mehr oder weniger vehement Harniks Auswechslung gefordert wurde, auf der anderen Seite aber auch wieder kontraproduktiv, da die Jungs die volle Unterstützung brauchen und nicht noch zusätzliche Nervosität von außen aufs Feld hinein gebracht werden sollte. Da sollte sich der Fan in der Kurve und auf der Tribüne hinterfragen, wobei ich mich natürlich auch an die eigene Nase fasse. Ich pfeife zwar nie während des Spiels unsere eigenen Spieler aus, aber, beim einen oder anderen unfassbaren Fauxpas platzt es eben auch aus mir heraus. Thomas Hitzlsperger hat bei Sport im Dritten plausibel erklärt, wie er die Stimmung und teilweise auch Missstimmung auf der Haupttribüne erlebt hat und wie diese auf die Spieler wirkt. Auch Harnik gab hinterher zum Besten, dass er diese Unruhe von außen mitbekommen hat und sie ihm nicht unbedingt geholfen hat, er wirkte schon ein wenig enttäuscht über den eigenen Anhang, was ich ihm nicht einmal verdenke.
Der Spieler selbst wäre nach seiner vergebenen Hundertprozentigen am liebsten im Erdboden versunken. Dass er sich nur wenige Sekunden später dennoch schon wieder zu einer Sahneaktion aufschwingen konnte, fand ich dabei schon sehr bemerkenswert und zeugt von einer intakten Einstellung. Er erlief durch seine Schnelligkeit einen langen Ball von Gentner und kam vor dem Werder-Keeper Wolf an das Spielgerät, flankte punktgenau in die Mitte, wo unser Mittelstürmer Daniel Ginczek nur noch einzunicken brauchte. Harnik, zwischen Genie und Wahnsinn! Das sind die Aktionen, wo er uns hilft und für die Mannschaft so wertvoll sein kann. Knapp eine Viertelstunde später zeigte er dann wieder sein anderes Gesicht. Erst wegen Meckerns verwarnt worden, um dann nach einem leichten Ballverlust übermotiviert zu versuchen, die Kugel zurückzuerobern. Er kam zu spät und sah zu Recht die zweite gelbe Karte. Auch diese Aktion sinnbildlich für das Spiel Harniks und die Ungeduld des eigenen Anhangs. Nach Fehlpass Harniks ließen die Reaktionen aus dem Publikum nicht lange auf sich, so dass er reichlich ungestüm versuchte seinen Fehler wieder auszubügeln. Auch wenn man von einem Bundesligaspieler erwartet, Nebengeräusche ausblenden zu können, muss man es Martin Harnik zugestehen, dass er, nach dieser Berg- und Talfahrt voller Adrenalin, auf Teufel komm raus den Ball zurückerobern wollte, was in dieser Situation nahe des gegnerischen Strafraums absolut unnötig war.
Er flog also und gestand hinterher ein, nach dem 2:2 der Bremer den Tränen nahe gewesen zu sein. Diese zwei verlorenen Punkte hätte man zu einem Großteil ihm zugeschrieben, da er auf dem Papier der Mannschaft geschadet hatte, wo er doch nur alles für den gemeinsamen Erfolg tun wollte. Auch und gerade wegen seiner Direktheit mag ich Harnik, auch wenn er einen manchmal ganz schön zur Weißglut treiben kann. Er ist aber etwas, das uns sonst fast völlig abgeht, ein Typ nämlich!
Dass dies Alles heute kein großes Thema mehr ist, haben wir Serey Dié’s Dynamik in der Nachspielzeit zu verdanken. Er zog nach über 90 kraftraubenden Minuten noch einmal einen Sprint durchs Mittelfeld an, passte in die Gasse auf Daniel Ginczek, der, nach feiner Ballannahme auf Wolf zustürmte und im Stile eines Klassestürmers zum 3:2 vollendete. Ein Tor wie ein, Entschuldigung, Orgasmus, eine Befreiung sondergleichen. Danach ein Lärmpegel im Stadion, wie man ihn in letzter Zeit nur noch selten hatte, es brach so viel aus einem heraus, das sich in schier endlos schlechten, emotions- und erfolglosen Spielen aufgestaut hatte. Ein Klassetor, das sah richtig nach Spielkultur aus und macht Hoffnung für die kommenden Aufgaben. Wenngleich es nach wie vor zu einfach ist, Tore gegen uns zu erzielen, momentan sind wir wenigstens wieder in der Lage zurückschlagen zu können. Gut, dass wir die Gegentore aufgrund des Sieges nicht aufdröseln und allzu barsch kritisieren müssen, bei beiden sah die Abwehr und auch Sven Ulreich, der bei einem Eckball an den Fünfmeterraum auch mal rauskommen darf, nicht gut aus.
Gerade Daniel Ginczek scheint sich in der Endphase noch zu einem echten Faustpfand aufzuschwingen und es allen Zweiflern zu zeigen, weshalb man diesen schwer verletzten Jungen im Sommer geholt hat. Ich persönlich war immer von ihm überzeugt. Er ist einer, dessen Qualitäten mir schon bei einigen Besuchen zu seiner Zeit am Millerntor ins Auge gestochen sind und von dem ich weiß, dass er ein charakterlich einwandfreier, mitten im Leben stehender Junge ist. Typ Familienvater, die schon Otto Rehhagel in seinen Glanzzeiten am meisten schätzte. Für ihn freut es mich ganz besonders, dass er jetzt zu explodieren scheint. Zweiter Doppelpack in einem Heimspiel in Folge und, was noch viel wichtiger ist, seine Tore brachten zwei Heimsiege ein, so dass uns vor den nächsten Aufgaben nicht bange sein muss. Das Restprogramm ist nach wie vor machbar, vor allem, wenn wir das Neckarstadion für den Rest der Saison zur uneinnehmbaren Festung werden lassen. Die nächsten Heimgegner Freiburg, Mainz und HSV verbreiten nicht schon im Vorfeld Angst und Schrecken, so dass die Jungs mit breiter Brust in die Spiele gehen können und sie hoffentlich gewinnen werden. Wir sind schließlich der VfB.
Auch in Augsburg rechne ich mir durchaus etwas aus. Die Fuggerstädter schwächeln derzeit vor allem auswärts und haben jüngst sogar dem SC Paderborn den ersten Rückrundensieg ermöglicht. Zu Hause zeigen sie jedoch ein anderes Gesicht, höchst aggressiv und äußerst schwer zu bespielen. Dort wird um jeden Millimeter Boden gekämpft. Der VfB muss den Kampf annehmen und darf sich nicht den Schneid abkaufen lassen. Von der Qualität her, ja, jetzt fange ich auch noch damit an, brauchen wir uns vor den Augsburgern sicherlich nicht zu verstecken. Sie haben jedoch das bessere Kollektiv, einer schuftet für den Anderen und sie sind gut organisiert. Wenn wir spielerisch an die guten Anfangsphasen der letzten Auswärtsspiele, bei hochkarätigeren Gegnern, anknüpfen und diese Linie über 90 Minuten schaffen beizubehalten, ist dort sogar ein Auswärtsdreier drin.
In den letzten Jahren gab es in Augsburg stets alkoholfreies Bier im Gästeblock, so dass ich annehme, dass es dieses Jahr nicht anders sein dürfte. Da wird das „Schwabenduell“ zum Derby hochstilisiert, welches es für uns überhaupt nicht ist. Daher strikte Fantrennung, alkoholfreies Bier und auch sonst nicht gerade ein freundlicher Umgang mit den „Gästen“. Diese ganzen Umstände inspirierten mich dazu, meine Karten direkt über den FCA zu bestellen. Haupttribüne, Reihe 1, ähnlich wie in Leverkusen, erwarte ich mir dabei eine gute Beinfreiheit und auf der Werbebande Platz um mein (Voll-)Bier abzustellen. Dazu kommt eine herausragend gute Perspektive, um unseren Fanblock abzulichten, was will man mehr.
Bevor hier Missverständnisse entstehen, natürlich halte ich es auch zwei Stunden lang ohne ein Bier aus, bei Heimspielen vor allem trinke ich eher selten ein Bier, allein schon deshalb weil mich die langen Schlangen in der Halbzeit abschrecken, aber, es geht mir hier ums Prinzip, um die Freiheit, die mir genommen wird, für mich zu entscheiden, ob ich ein Bier trinken möchte oder nicht.
Einfach wird es in Augsburg sicherlich nicht, zudem ist jetzt, auch das sage ich in vollem Ernst, leider Martin Harnik gesperrt. Auch wenn er zwischen Genie und Wahnsinn wandelt, wie wertvoll er für die Mannschaft sein kann, hat er schon oft eindrucksvoll bewiesen.
So geil sich dieser gestrige Sieg noch immer anfühlt, so wenig gewonnen ist bisher bei nüchterner Betrachtung der Tabellenlage. Wir haben im 14. Heimspiel den dritten Sieg errungen, was einer Erfolgsquote von knapp 21,5% entspricht. Um den Klassenerhalt zu schaffen, sind jedoch noch drei weitere Heimsiege aus den verbleibenden drei Heimspielen dringend notwendig, also eine 100%ige Erfolgsquote, die in Anbetracht der Statistik fast utopisch anmutet. Dennoch macht es Hoffnung, dass wir die letzten beiden Heimspiele mit jeweils drei geschossenen Toren siegreich gestalten konnten und dass wir endlich wieder einen Mittelstürmer haben, der weiß, wo das Tor steht. Vor einigen Wochen noch lehnte sich Daniel Ginczek, der heute seinen 24. Geburtstag feiert, Glückwunsch dazu, weit aus dem Fenster und versprach die zum Klassenerhalt notwendigen Tore noch beizusteuern. Es mag bei dieser vollmundigen Ankündigung eine Rolle gespielt haben, sich selbst in Position zu bringen und Stevens beeinflussen zu wollen, ihm (weiterhin) den Vorzug vor Vedad Ibisevic zu geben. Aber, es spricht auch für sein Selbstvertrauen und das zurückgekehrte Vertrauen in seinen Körper nach seiner schweren Kreuzbandverletzung. In den Spieltags-Nachbetrachtungen gestern hörte ich unter anderem, dass es der HSV einzig der Schwere der Verletzung Ginczeks zu verdanken hatte, letzte Saison überhaupt drin geblieben zu sein, denn, hätte Ginczek sich nicht verletzt und Tore zum Klassenerhalt des 1. FC Nürnberg in der letzten Saison beisteuern können, wäre die Bundesligauhr wohl schon im Vorjahr abmontiert worden. So könnte er es im zweiten Anlauf schaffen, den Dino dorthin zu schießen, worauf die Stellinger seit Jahren hin arbeiten, nämlich in die 2. Liga.
Dies möchte ich jetzt nicht als Häme verstanden wissen. Mir ist hier nur das Hemd näher als die Hose, sprich, es wäre mir vollkommen egal, wen es denn erwischt, die Hauptsache ist die, dass wir selbst dem Abstieg ein weiteres Mal von der Schippe springen.
Sollte dieser Fall eintreten und der HSV den verdienten Abstieg ernten, sollte dies von der VfB-Führung als allerletztes Warnsignal verstanden werden, dass es eben doch nicht immer gut geht.
Ich selbst bin auf den Abstieg vorbereitet und versuche ihn mir auch selbst seit geraumer Zeit schön zu reden. Fast ausnahmslos reizvolle Auswärtsspiele, die Zeichen stünden auf Aufbruch, ein „Weiter so“ würde es in der 2. Liga definitiv nicht geben. Vielleicht hätte man ja sogar ein glückliches Händchen bei der Kaderzusammenstellung, bekäme eine konkurrenzfähige Mannschaft zusammen und wir dürften mal wieder konstant attraktive Spiele erleben und würden in der Tabelle oben mitspielen. Selbstredend wären die Auswärtsspiele die wahren Highlights, an ein Montag-Abend-Spiel im Dezember bei Temperaturen um den Gefrierpunkt gegen den FSV Frankfurt vor etwas mehr als 10.000 Zuschauern möchte ich jetzt noch nicht denken.
Die große Angst, sollten wir es wieder „gerade so“ schaffen, ist doch die, dass es dann auch im nächsten Jahr genauso weiter gehen wird und es uns dann eben, wie möglicherweise jetzt den HSV, ein Jahr später erwischen würde. Dann doch lieber jetzt den Stecker ziehen als weiter so dahin zu siechen. Verstünde der Verein diese Saison jedoch als allerletzten Schuss vor den Bug und würde sich ab Abpfiff dieser Bundesligasaison neu erfinden und den Kader rigoros ausmisten und dabei tunlichst vor vermeintlichen Ikonen nicht Halt machen, sähe ich durchaus auch Chancen, den VfB ohne Abstieg rundzuerneuern. Dies müsste aber auf allen Ebenen geschehen, in Aufsichtsrat, Vorstand, Trainerstab und Mannschaft, wobei bzgl. des Trainerstabs weniger Huub Stevens anspreche als z. B. einen Torwarttrainer Andi Menger unter dessen Ägide sich Ulreich und Kirschbaum nicht weiter entwickelt haben, ein Bernd Leno verkauft wurde und der eine oder andere Hoffnungsträger bei der zweiten Mannschaft versauert. Einen Neubeginn mit Huub Stevens halte ich dagegen für denkbar, sollte eine ganz große Lösung wie beispielsweise die mit Thomas Tuchel nicht realisierbar sein. Stevens weiß, was zu tun sein würde und geht inzwischen auch mehr und mehr in der Aufgabe hier auf und identifiziert sich vor allem auch damit.
Aufgrund des finanziellen Fiaskos, das im Falle des Abstiegs droht, hoffe ich nach wie vor darauf, dass wir es noch schaffen und sehe die Chancen mittlerweile bei mindestens 50 Prozent, einfach weil das Selbstvertrauen zurückgekehrt ist, das Spiel, wie gegen Bremen gesehen, nach dem ersten Gegentor nicht quasi schon verloren ist und weil wir auf dem Papier ein machbares Restprogramm haben. Der Auftritt gegen Bremen machte Mut, auch, weil es über weite Strecken ein gutes Spiel vom VfB war und man den Sieg zum Schluss, mit zehn Mann, erzwungen hat. Ob Martin Harnik oder Serey Dié, der das erste Gegentor mit einem haarsträubenden Fehlpass einleitete, beide zeigten eine Reaktion und ließen sich nicht hängen. Auch das eine Charaktereigenschaft, die Mut macht für die restlichen Spiele, während des Spiels den Schalter umlegen und Fehler abhaken zu können.
Dass am Ende mehr als der Relegationsplatz herausspringen könnte ist derzeit unwahrscheinlich. Außer Hannover 96 punkten alle über dem Strich mehr oder weniger regelmäßig, so dass, Stand heute, von keinem der theoretisch noch gefährdeten Teams noch ein großer Einbruch zu erwarten ist und man demnach darauf hoffen muss, dass wenigstens Hannover weiterhin erfolglos seinem ersten Rückrundensieg hinterherjagt.
So müssen wir uns wohl oder übel mit der Relegation anfreunden, einer Entscheidung, die es nach meinem dafürhalten überhaupt nicht geben sollte. Es sind Spiele, in denen so ungeheuerlich viel Brisanz steckt, dass sie keinem den Beteiligten wirklichen Spaß bereiten. Auch hier stehen wieder, wie überall im sogenannten modernen Fußball, die kommerziellen Interessen über denen der Vereine, der Fans und auch über Sicherheitsaspekten.
Einen Vorgeschmack, was drohen könnte, bot vor einigen Jahren das Relegationsduell zwischen Fortuna Düsseldorf und Hertha BSC Berlin, wo sich vor allem die Berliner negativ hervortaten. Es standen in den letzten Jahren aber noch weitaus brisantere Begegnungen für die Relegation im Raum: Ob St. Pauli-HSV, Düsseldorf-Köln, Nürnberg-Fürth oder aktuell VfB-KSC. Alles Duelle zwischen Fan-Lagern, die sich bis aufs Blut hassen und wo demzufolge das Schlimmste zu befürchten wäre, wenn es denn dazu käme. Wer die Vorkommnisse 2009 rund um das Wildparkstadion miterlebt hat und verfolgt, wie sich die gegenseitige Abneigung trotz unterschiedlicher Ligazugehörigkeit in den letzten Jahren immer weiter hochgeschaukelt hat, muss bei einem Relegationsspiel VfB-KSC als weitere Steigerung befürchten, dass erstmals Tote zu beklagen sein könnten. Da die Sicherheit vor allem im Wildpark kaum zu gewährleisten ist, erwägt Innenminister Gall im Falle eines Falles gar eine Verlegung des KSC-„Heimspiels“ an einen anderen Spielort.
So weit sind wir zum Glück noch nicht, noch sind weder wir 16. und auch der KSC ist noch nicht Dritter der 2. Liga. Es kommt wie es kommt, im schlimmsten Fall auch zu diesem Spiel. Dennoch sollte es die DFL in Erwägung ziehen, die Relegation wieder abzuschaffen. Wer am 34. Spieltag auf dem 16. Tabellenplatz der Bundesliga steht, hat es verdient abzusteigen, genauso wie der Dritte der 2. Liga den Aufstieg verdient hätte. Dass es der HSV in der letzten Saison mit kläglichen 27 Punkten geschafft hat, die Klasse zu erhalten, hat mit „verdientem Lohn“ so viel zu tun, wie der VfB derzeit mit der Champions League.
Dies ein kleiner Exkurs und allenfalls Zukunftsmusik. Der VfB tut gut daran, weiterhin von Spiel zu Spiel zu denken und Step by Step die nötigen Punkte einzufahren, wir werden sehen, was dabei herauskommt und wie verrückt die Ergebnisse der Konkurrenz ausfallen werden. Noch haben wir die Konstellation, dass die halbe Liga um die internationalen Plätze kämpft und die andere Hälfte gegen den Abstieg. Ein echtes Niemandsland der Tabelle gibt es noch nicht. Wir müssen aber darauf gefasst sein, dass gegen Ende der Saison Ergebnisse produziert werden, die man nicht für möglich halten würde, wenn es für die eine oder andere Mannschaft um nichts mehr geht. Daher nützt es auch nichts, auf Patzer der Konkurrenz zu hoffen, wir müssen unsere Punkte selber holen und damit auch die theoretischen Zweifel beseitigen. Noch hätten wir die Möglichkeit, die Saison mit 44 Punkten abzuschließen, was natürlich relativ unwahrscheinlich ist, diese würden aber hundertprozentig reichen, egal, was die Konkurrenz macht. Also, weiter positiv denken, es wäre schließlich nicht das erste Mal, dass wir die letzten sieben Spiele gewännen. ;-)

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23. Februar 2015

Dem Abgrund entgegen

Die Woche nach der Last-Minute-Niederlage in Hoffenheim war geprägt von der Furcht, unaufhaltsam und ungebremst in Richtung zweite Liga zu taumeln und auf der anderen Seite von der Hoffnung, dass Huub Stevens nach seiner zur Schau getragenen Ratlosigkeit doch über seinen Schatten springen und mit dem Mute der Verzweiflung gegen den BVB offensiver antreten würde. Dass wir mittlerweile in einer (Tabellen-)Situation angekommen sind, in der nur noch Siege helfen, müsste auch Huub Stevens mittlerweile begriffen haben und sein Handeln danach ausrichten.
Natürlich wäre es legitim gewesen, gegen Mönchengladbach, die Bayern und Borussia Dortmund erst einmal zu versuchen Beton anzurühren, um sich keine Mega-Klatschen einzufangen. Aber, bei heimschwachen Kölnern, bei formschwachen Hoffenheimern musste man einfach mehr erwarten dürfen, und den Willen auf Sieg zu spielen erkennen können. Bei und nach diesen beiden Spielen war ich maßlos enttäuscht. Wie das Kaninchen vor der Schlange zog man sich zurück, spielte quer und zurück anstatt zu versuchen den Gegner unter Druck zu setzen und sich Respekt zu verschaffen. Was dort über weite Strecken gespielt wurde, hatte mit Fußball wenig zu tun. Ängstlich, behäbig legte man den Rückwärtsgang ein und wenn es mal nach vorne ging, verloren wir die Bälle aufgrund technischer Unzulänglichkeiten schnell wieder. Und wenn dann noch lediglich zwei Spieler der Anfangsformation die Lizenz zum Stürmen haben, ist natürlich bei einem versprungenen Ball keiner da, der helfen könnte. So ist man naturgemäß nur am Hinterherlaufen und lässt sich zudem von einem verunsicherten Gegner in die eigene Hälfte drängen.
Noch ärgerlicher war der blutleere Auftritt von Sinsheim zu bewerten, wenn man als nächstes Borussia Dortmund vor der Brust hat. Zwar krebst auch der BVB in der zweiten Tabellenhälfte herum, befindet sich aber nach zuletzt zwei Siegen in Folge im Aufwind und hat die Qualität in seinen Reihen, jeden Gegner an die Wand spielen zu können. Als ernsthaften Rivalen im Abstiegskampf sah ich die Borussen ohnehin nie an, es war nur eine Frage der Zeit, bis sie die Kurve kriegen würden.
Meine Hoffnung auf eine Trendwende gerade in diesem Spiel hielt sich daher von vornherein in Grenzen. Früher gehörte das Bier davor und danach dazu, um sich aufs Spiel einzustimmen und es danach zu analysieren. Heutzutage sind diese Treffen mit Freunden der Hauptteil und das Spiel lässt man dazwischen so über sich ergehen. Daher trafen wir uns am Freitag schon sehr frühzeitig in einem Brauhaus in der Stuttgarter Innenstadt und hatten eine große und lustige Runde beisammen, so dass ich schon gar keine Lust hatte, aufzustehen und in Richtung Stadion zu pendeln.
Aber, hilft ja nichts, wir sind natürlich rechtzeitig gegangen. Zehn Minuten vor Spielbeginn erreichte ich meinen Platz schließlich und hätte schon da am liebsten auf dem Absatz wieder kehrt gemacht, als mir per Whatsapp-Nachricht die Aufstellung zuging und ich ohne jedes Verständnis dafür zur Kenntnis nehmen musste, dass Huub Stevens offensichtlich nicht dazu bereit war, von seiner destruktiven Defensiv-Taktik abzurücken. Erneut mit Werner und Harnik gerade einmal zwei Offensiv-Akteure und dahinter nur Abräumer und Abwehrspieler. Abgesehen davon, dass diese defensive Ausrichtung bislang noch nicht von Erfolg gekrönt war, ist es beschämend für eine Heimmannschaft so aufzulaufen. Dem Gegner macht es das natürlich nicht leicht, aber, das Verständnis für einen solchen Antifußball hält sich sowohl beim Gegner als auch beim heimischen Publikum in Grenzen. So liefert der VfB weiterhin wenig Argumente, dass ihm irgendjemand eine Träne nachweinen würde, wenn er tatsächlich den bitteren Gang in die Zweitklassigkeit antreten müsste. Der VfB steht bislang zu Recht da, wo er steht, und hat offensichtlich nicht die Mittel, den Bock endlich einmal umzustoßen.
So begann das Spiel, wie es zu befürchten war. Der BVB nahm sofort das Heft in die , der VfB stand tief in seiner eigenen Hälfte. Der VfB hatte gegen die schnellen Dortmunder Außen von Beginn an einen schweren Stand und lief fast ausschließlich staunend hinter- oder bestenfalls nebenher. Nachdem Ulreich bereits zwei Mal parieren konnte, lenkte er in der 15. Minute einen Schuss direkt vor die Füße von Aubameyang, Glück, dass dieser im Abseits stand. Auch diesen Warnschuss begriff der VfB nicht, indem er eigeninitiativ geworden wäre, so dass es zehn Minuten später geschehen war und der BVB die längst fällige Führung erzielte.
Völlig überraschend kamen wir dann aber zum Ausgleich. Bei der ersten (!) Torannäherung nach einer halben Stunde lief Sahin Georg Niedermeier in die Hacken und hinderte ihn somit drei Meter vor dem Tor am Torschuss. Folgerichtige Entscheidung, Elfmeter, den Klein platziert verwandelte.
Ebenfalls folgerichtig, Rot für Sahin, hat er doch eine klare Torchance vereitelt. Das Regelwerk schreibt dafür zwingend die Rote Karte vor und lässt keinen Interpretationsspielraum. Weshalb Aytekin die Karte stecken ließ, weiß wohl nur er selbst. Natürlich ist diese Regel blödsinnig, aber, sie gilt nun mal (noch), so dass es eine bodenlose Frechheit des fränkischen Schiedsrichters war, an dieser Stelle Selbstjustiz zu üben und sich darüber hinweg zu setzen. Man stelle sich nur vor, im nächsten Spiel in Hannover, gleiche Situation im VfB-Strafraum und ein VfB-Spieler fliegt für ein solches Vergehen vom Platz. Ungerecht ist die Welt!
Vielleicht hat Aytekin die Szenen vom Gladbach-Spiel ja gesehen und daraus geschlossen, der Schorsch träfe bestenfalls die Latte. Für mich eine absolute Frechheit, welche Narrenfreiheit die Schiedsrichter haben und dass sie Woche für Woche ungestraft in den Spielverlauf eingreifen dürfen und dafür auch noch ein hohes Honorar erhalten.
Ein klarer Regelverstoß, Protest dennoch wohl sinnlos, handelt es sich doch selbst bei solch glasklaren Szenen nach Auffassung des DFB um eine Tatsachenentscheidung und bestenfalls Wahrnehmungsstörung des Schiedsrichters. Weshalb es noch Linienrichter und einen vierten Offiziellen gibt, die ebenfalls eingreifen könnten, das aber so gut wie nie tun, ist deren Geheimnis. Für mich war es die Schlüsselszene des Spiels. Gegen zehn Dortmunder wäre vielleicht ein Punkt drin gewesen. Dortmund hat ja das wichtige Champions League Spiel gegen Juventus Turin vor der Brust und hätte sich zu zehnt möglicherweise nicht voll verausgabt und wäre womöglich mit einem Punkt dann zufrieden gewesen. Auch wenn ein Protest gegen die Spielwertung wohl wenig Aussicht auf Erfolg hätte, an Stelle des VfB würde ich Schritte einleiten und diese Unverschämtheit nicht einfach schlucken. Richtig zornig verfolgte ich dann die gestrigen Diskussionsrunden, wo Aytekin für seinen “Mut” noch gelobt wurde, anstatt dass mit aller Deutlichkeit herausgestrichen wurde, dass festgeschriebene Regeln für alle gleich gelten müssen und alles andere eine schreiende Ungerechtigkeit ist.
Schon fast zum Lachen, dass es die Rote Karte in ähnlicher Situation beim Spiel Paderborn-Bayern, als Robben gelegt wurde, gab. Vielleicht sollte der DFB hier seine Schiedsrichter mal auf den gleichen Stand bringen oder es auch nur zugeben, dass es den vielzitierten Bayern-Bonus tatsächlich gibt.
So lief das Spiel wie schon davor weiter, Dortmund kombinierte wie in besten Zeiten und erzielte keine zehn Minuten nach dem Ausgleich die erneute Führung. Ich war schon da stinksauer. Natürlich ließ das 1:2 noch alle Möglichkeiten offen. Dennoch war es fürchterlich mit anzusehen, wie unterlegen der VfB war, dass wir überhaupt nichts entgegenzusetzen hatten und immer einen Schritt zu spät dran waren. Positiv herauszuheben war lediglich das Startelf-Debüt von Serey Dié und das Comeback von Carlos Gruezo, auch wenn er noch lang nicht der Alte ist und zu allem Überfluss später auch noch verletzt ausgewechselt werden musste.
Das VfB-Spiel übertraf meine schlechtesten Erwartungen. Es war überhaupt nichts zu sehen, das für den Rest der Saison Hoffnung geben würde. Vogelwild in der Abwehr, harmlos im Sturm und ein Mittelfeld mit null Akzenten nach vorne. Dann noch ein Torwart, der den Ball lieber ins Seitenaus drischt, anstatt ihn einem Mitspieler anzuvertrauen. Es tat einfach weh!
So spielt ein Schlusslicht, so spielt ein Absteiger, so spielt ein Haufen von Einzelspielern, die trotz deutlicher Transparente in der Cannstatter Kurve den AbstiegsKAMPF noch immer nicht angenommen zu haben scheinen.
Nicht nur das erbärmliche Auftreten der Mannschaft schmerzte. Im ausverkauften Neckarstadion befanden sich sicherlich zwischen 15.000 und 20.000 Dortmunder Fans und diese natürlich dort, wo es nicht ganz so viele Dauerkarten gibt, also beispielsweise bei uns. Da ich ohnehin einen megadicken Hals hatte und dann noch beim Dortmunder Führungstreffer viele aufsprangen und selbst zu „Steht auf, wenn ihr Dortmunder seid“ stehen blieben, zog ich es vor, ins Cancun zu gehen und dort die zweite Halbzeit anzuschauen. Das kam bei mir schon lang nicht mehr vor, dass ich noch vor der Halbzeit gegangen bin, dieses Mal aber war das Gesamtpaket ausschlaggebend, da meine Hoffnung auf eine bessere zweite Halbzeit nicht vorhanden war.
Bereut habe ich diesen Entschluss zu keiner Zeit. Es war allein der Dortmunder Schludrigkeit geschuldet, dass es ergebnistechnisch kein Debakel gab. Als Timo Baumgartl, bis dahin bester VfBler, kurz vor Schluss nach schlampigem Pass von Klein der Ball versprang und seine Rückgabe dadurch zu kurz geriet, war das Spiel ohnehin bereits so gut wie verloren, so dass ich dem Youngster keinen Vorwurf mache. Ulle hätte die Situation auch antizipieren und entschlossener herauslaufen können. Der Deckel war also drauf, daran änderte das 2:3 durch Niedermeier in der Nachspielzeit auch nichts mehr.
In der Woche tauchte im Netz eine ältere Fake-Geschichte wieder auf, die davon erzählte, Marcel Reif wäre vom DFB für Bayern-Übertragungen gesperrt worden, weil er sie immer so in den Himmel lobe und nicht neutral kommentiere. Mein spaßiger Kommentar dazu, natürlich mit einem Augenzwinkern, war, dass er dann zur Strafe die VfB-Spiele kommentieren müsse, davon Augenkrebs bekäme und mich das nicht tangieren würde, weil ich ohnehin bei jedem Spiel bin. Weit gefehlt, nun saß ich also im Cancun und musste sein Gesabber über mich ergehen lassen. Das mit dem Augenkrebs traf tatsächlich zu, er war nahezu entsetzt. „Was ist nur aus diesem VfB geworden“, „Schockstarre“, „keiner will den Ball haben“, „erbärmlich“, waren so noch die freundlichsten Vokabeln. Ganz Fußball-Deutschland wurde ganz deutlich vor Augen geführt, dass der erste Absteiger eigentlich schon feststeht. Man kann es sich beim besten Willen nicht vorstellen, wie in dieser verfahrenen Situation noch eine grundlegende Wende kommen soll.
Unterm Strich stehen also weiterhin 18 Punkte nach 22 Spielen. Nach meiner Rechnung müssen noch mindestens sechs Siege her, um dem Abstieg noch entgehen zu können. Nur, gegen wen sollen die gelingen?
Die Transparente in der Kurve vor dem Spiel wie „Wadenkrampf und Bluterguss, statt Selfiescheiß im Mannschaftsbus“ oder auch „Auf geht’s Stuttgart, kämpfen ihr Nieten“ waren eine deutliche Ansage, was von der Mannschaft erwartet wird. Bereits nach dem Hoffenheim-Spiel passten ja einige Ultras die Mannschaft am Clubgelände ab und stellten sie zur Rede. Anscheinend soll dies für so manchen Spieler erleichternd gewesen sein, sich einmal konstruktiv den Frust von der Seele reden zu können und in friedlichem Rahmen abgelaufen sein. Die Zeiten auf dem Wasen werden also rauer, die Mannschaft zunehmend in die Pflicht genommen, dem Abstiegskampf alles unterzuordnen und persönliche Eitelkeiten und Befindlichkeiten beiseite zu schieben. Ich hoffe sehr, dass auch weitere Aktionen im friedlichen Rahmen verlaufen und es nicht zu Eskalationen kommt, die wir schon erlebt haben und auf die ich wirklich verzichten kann.
Nach dem Spiel spielten sich herzzerreißende Szenen in der Kurve ab, die ein engeres Zusammenrücken zwischen Team und Fans dokumentieren. Waren es doch die Fans, die die Spieler trösteten und aufmunterten und nicht etwa die Mannschaft, die uns Mut gemacht hätte. Wie die Häufchen Elend kamen die Jungs in die Kurve, offensichtlich am Boden zerstört. Es wirkte fast so, als wären sie genauso erschrocken über die indiskutable Darbietung wie wir Fans.
Gerade die Youngsters, , unsere Timos, die sich mit dem VfB sicherlich am meisten identifizieren, hatten Tränen in den Augen und machten aus ihrem Herzen keine Mördergrube, wie sehr ihnen diese Situation an die Nieren geht. Gerade für die beiden muss die Vorstellung besonders schlimm und auch lähmend sein, für alle Ewigkeit mit der dunkelsten Stunde der VfB-Vergangenheit in Verbindung gebracht zu werden. Unsere Youngster tun mir in dieser Lage am meisten Leid, da wir keine Führungsspieler haben, die sie an die Hand und wieder aufrichten können, zumindest keine, deren Leistung und Auftreten sie dazu befähigen und glaubwürdig machen würden. Aber auch ein Moritz Leitner, dem man ja zutraut, dass ihm die Situation egal ist, stand da wie ein reumütiger Bub.
Am Freitagabend merkte man deutlich wie nie zuvor, welch immenser Druck der Mannschaft lastet und auch wie ratlos sie sind, damit umzugehen. Der Schulterschluss zwischen Fans und Mannschaft scheint also vorerst vorhanden zu sein, richten müssen es aber trotzdem diejenigen, die auf dem Platz stehen. Der Unterstützung dabei können sie sich nach wie vor sicher sein, so auch am nächsten Samstag in Hannover. Ob die Situation nach Niederlagen gegen Hannover und die Berliner Hertha noch die gleiche wäre, da habe ich meine Zweifel. Es ist purer Pragmatismus der Fanszene, still zu halten und das Team nicht noch weiter zu verunsichern, was dann womöglich noch kontraproduktiv wäre.
Sportdirektor Robin Dutt zählt inzwischen öffentlich den Trainer an, indem er ihn indirekt dazu auffordert, von seiner defensiven Grundordnung abzuweichen. Natürlich ist das in der Sache richtig, denkt doch fast jeder so, aber, ob es ein geschickter Schachzug ist, Stevens öffentlich Ratschläge zu erteilen, wage ich zu bezweifeln.
Wie ich Stevens einschätze kränkt ihn das, wenn man seine Überzeugung in Frage stellt und es würde mich nicht wundern, wenn er tatsächlich demnächst den Bettel hinwerfen würde. Da er ein ehrlicher, aber auch sturer Mensch ist, könnten die Äußerungen Dutts in die falsche Richtung gehen, nämlich dass Stevens, selbst sollte er schon andere Überlegungen angestellt haben, seine taktische Ausrichtung jetzt zum Bossen nicht ändern wird, nur um nicht den Eindruck zu erwecken, sich in die Aufstellung hineinreden zu lassen.
Inzwischen habe ich Zweifel, ob die Rückholaktion Stevens‘ richtig war. Nach Vehs Rücktritt war er zwar für mich der bestmögliche Nachfolger, da mir seine Art der Mannschaftsführung in der letzten Saison gefallen hat. Zudem merkte man ja unter Veh, dass der Hurra-Stil gefährliche Defensiv-Schwächen offenbarte. Mit Stevens erhoffte ich mir eine Stabilisierung der Defensive, aber natürlich nicht um den Preis, dass man sich sämtlicher Offensiv-Qualitäten berauben würde.
Maurizio Gaudino hat es letzte Woche beim Fußball-Stammtisch eigentlich plausibel erklärt, dass es falsch war, Stevens zurückzuholen. Die Spieler kannten ihn, so dass keine neuen Reize gesetzt wurden und somit auch keine Aufbruchsstimmung in der Mannschaft entfacht wurde. Natürlich ist das richtig, da Veh aber zurückgetreten war und sich die Mannschaft damals noch nicht ganz so schlecht präsentierte, waren diese Punkte für mich nicht vorrangig. Damals herrschte nach Vehs überraschendem Rücktritt erst einmal eine Leere und man war froh, diesen Abgang bestmöglich und vor allem schnell kompensiert zu haben.
Ob Stevens in den nächsten Spielen, in denen es weitestgehend gegen direkte Konkurrenten geht, bereit ist, mehr Risiko zu gehen, wird sich zeigen. Wenn nicht, muss eigentlich die Notbremse gezogen werden, denn so schlittern wir unweigerlich dem Abgrund entgegen.
Unser Königstransfer Kostic ist genauso außen vor wie Alexandru Maxim. Leitner darf genauso fast immer ran wie Hlousek. Martin Harnik soll den Stoßstürmer geben, während Ginczek zu den Amateuren verbannt wurde (und trifft und trifft).
Natürlich ist jede weitere Unruhe nicht förderlich und es spräche nicht für den VfB, beschäftigte man zum zweiten Mal in Folge drei Trainer in einer Saison. Aber, den Rücktritt Vehs würde ich da nicht einmal mitzählen, weil er ja selbst den Schlussstrich gezogen hatte und „freiwillig“ ging. Hier ist dem Verein „nur“ vorzuwerfen, dass er sich offensichtlich nicht über Veh informiert hatte, ob und inwiefern er sich seit seinem Rausschmiss 2008 verändert hat. Was so heraussickert, gab es mit Veh nämlich genau die gleichen Probleme, die man ihm schon damals nachgesagt hatte.
Ich möchte wahrlich keinen Trainerwechsel herbei reden, aber, wenn eine Situation verfahren ist, wenn einige Spiele hintereinander ähnlich und ohne Weiterentwicklung oder gar Verbesserung dahinplätschern, muss eventuell die letzte Patrone noch gezogen werden, um sich am Ende nicht vorwerfen zu müssen, nicht alles versucht zu haben.
Stevens wirkte schon in Sinsheim erschreckend ratlos und wusste auch nach dem Dortmund-Spiel keine Lösungsansätze. Dass die Kader-Zusammenstellung falsch ist, dass die individuellen Fehler abgestellt gehören und dass er kein Messias ist, sprach er in die Mikrofone.
Natürlich würde sich wohl jeder Trainer der Welt an diesem Kader die Zähne ausbeißen, aber, psychologisch scheint ihm in dieser Saison das Geschick zu fehlen, das ihn in der letzten Saison noch auszeichnete.
Die aufgeführten Thesen sind Tatsachen, die man weiß und jeder sieht, mir fehlt jetzt aber DER Spieler, den er stärkt (und der es ihm dann auch mit Leistung zurückzahlt), so wie er es in der letzten Saison mit Gruezo, Didavi und auch Traore schaffte. So etwas wäre ein Impuls, den man sich von einem Trainerwechsel erhofft, dieser ist leider seit Beginn seiner zweiten Amtszeit ausgeblieben. Mit Serey Dié hat man ja jetzt DEN Spielertyp, der gefehlt hat, der kratzt und beißt, so dass man das Mittelfeld offensiver ausrichten könnte. Mit neun defensiv denkenden Spielern werden wir es kaum aus dem Keller heraus schaffen.
Wenn man sich die Sportsendungen des Wochenendes wie den Fußball-Stammtisch und auch Sky 90 zu Gemüte geführt hat, muss man feststellen, dass dieser Offenbarungseid gegen Dortmund dazu geführt hat, das kaum noch jemand einen Pfifferling auf den VfB setzen würde. Alle sind mehr oder weniger sprachlos, wie hilf- und führungslos der VfB sich derzeit präsentiert.
Dennoch ist es natürlich verfrüht den Kopf in den Sand zu stecken, auch wenn sich immer mehr Teams aus der Abstiegszone verabschieden. Das nächste Spiel in Hannover dürfte (einmal mehr) richtungsweisend werden. Zeigt die Mannschaft eine Reaktion, hat der Zuspruch der Fans diese Wirkung und wird, Originalton Dutt, Energie freisetzen oder verfällt man weiterhin in die alte Lethargie und lässt das Spiel über sich geschehen. Natürlich haben wir in den letzten Jahren dort wenig gerissen, abgesehen vom 0:0 in der Rückrunde der letzten Saison, aber, der Sieg Paderborns in Hannover vor einer Woche sollte doch Mut machen, dass wir das auch schaffen könn(t)en. Sollte der Auswärtssieg gelingen, wäre Hannover zudem ebenfalls noch dick in der Verlosung.
Früher war Hannover der Inbegriff eines „Graue-Maus-Spiel“. Ein zugiges Stadion, überschaubare Unterstützung im Gästeblock und das in einer Stadt, wo man sonst eigentlich nur vorbei fahren würde. Mittlerweile hat sich Hannover gemausert. Nicht nur, dass sie sich seit Jahren in der Liga etabliert haben, das Stadion ist nach dem Umbau richtig schön geworden und es ist mittlerweile auch ein beliebtes Reiseziel des VfB-Anhangs. Die Stimmung im Stadion ist gut, auch wenn die Ultras „ihre Erste“ derzeit boykottieren. Ich freue mich also drauf, aber, wie immer in letzter Zeit, mehr auf das Drumherum und die Leute, als auf das Spiel.

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18. Dezember 2014

Ein Silberstreif am Horizont

Category: Frankys Blogs — Tags: , , , , , , , , – Franky @ 23:25

Nach dem Schalke-Spiel fiel mein Blog zugegebenermaßen etwas drastisch aus, weniger des Ergebnisses wegen, als mehr wegen des Auftretens unserer Truppe. Derbe Pleiten gab es auch früher schon, jedoch nicht in unschöner Regelmäßigkeit wie zurzeit. Lagen früher einige Jahre oder gar Dekaden zwischen zwei Debakeln setzte es in den letzten beiden Jahren schon zwei 1:6-Klatschen auswärts in München und in Dortmund, gegen die man zwar auch mal so hoch verlieren kann, jedoch nicht in der Art und Weise, wie es geschah. Viel schlimmer aber, das 0:4 gegen Schalke 04 war im siebten Heimspiel die fünfte Heimniederlage sowie das zweite 0:4 auf eigenem Terrain binnen fünf Wochen. Diese statistischen Fakten belegen, wie weit es mit dem VfB gekommen ist. War es früher die pure Freude ins Neckarstadion zu gehen, sparte man sich den Besuch anfangs von seinem Taschengeld ab oder ging, wenn das Geld knapp war, erst zur zweiten Halbzeit „runter“, als kein Eintritt mehr verlangt wurde, liefert man heute seine Knete für die Dauerkarte schon im Mai brav ab und kauft damit die Katze im Sack. Aufgrund einiger Aktionen, die der VfB in den letzten Jahren abzieht, bin ich sehr verärgert. Versprach man uns im letzten Jahr eine schonungslose Aufarbeitung der Vorsaison, von der nichts zu sehen war oder verramschte Eintrittskarten für 2,50 Euro oder wie zuletzt zum halben Preis. Als Dauerkartenkunde hat man von solchen Aktionen nichts. Ich bin wirklich geneigt, im nächsten Jahr erst einmal abzuwarten, ob sich im Verein etwas ändert, bevor ich meinen teuren Haupttribünenplatz wieder nehme.
Früher, vor Bosman, war mehr Identifikation seitens der Spieler mit dem Verein vorhanden, mehr Schwaben hatte man sowieso in der Mannschaft, aber, es war eben auch eine andere Zeit mit ehrbareren Spielern, die nicht ausschließlich ihr Gehaltsscheck interessierte, sondern die auch bereit waren und sich verpflichtet fühlten, etwas dafür zu leisten. Und, wer diese Pflicht aus den Augen verlor, dem las Gerhard Mayer-Vorfelder ganz schnell die Leviten. Heutzutage haben wir es mit einer Generation zu tun, „komm ich heut nicht, komm ich morgen“, die es vermeintlich geschafft haben, die es sich ohne große Gegenleistung in der Wohlfühloase VfB Stuttgart 1893 e. V. bequem machen und sich einen feuchten Kehricht darum scheren, für wen sie „arbeiten“, wie viel Herzblut bei den Fans und auch den (anderen) Mitarbeitern im Spiel ist und vor allem was in all denen zerbrechen würde, wenn sie den Karren weiterhin sang- und klanglos dem Abgrund entgegen rasen lassen. Darum bleibe ich dabei, dass man, sollte es auch ein zweites Mal gelingen, den Kopf noch aus der Schlinge zu ziehen, den VfB auf allen Ebenen runderneuern muss und vor allem bei der Spielerauswahl nicht nur den Fokus darauf zu legen hat, ob sie einigermaßen mit dem Ball umgehen können, sondern auch darauf, wie der Mensch tickt, welche Einstellung er mitbringt, ob er privat gefestigt und vor allem ob er teamfähig ist. Nur wenn das gegeben ist, wir wieder elf Spieler auf dem Platz haben, die bereit sind Gras füreinander zu fressen, Eifersüchteleien und Animositäten untereinander für neunzig Minuten ausblenden, kann es wieder eine Freude sein, den Spielen beizuwohnen. Früher ging man noch ins Stadion, um den Alltagsfrust auszublenden, heutzutage hat sich das umgekehrt, kommt man schon missgestimmt aus dem Wochenende, zumindest, was den VfB anbelangt. Der VfB hat ein riesen Potential an treuen Fans, die sich die ganze Sch… die letzten Jahre fast klaglos angetan haben, unterschätzen und es sich mit ihnen verscherzen sollte es der VfB aber nicht, irgendwann reißt jeder Geduldsfaden!
Mit Retter „Huub“ ist zumindest ein wenig Schluss mit lustig was die Mannschaft anbelangt. Er setzt, wie in der Vorsaison, auf teambildende Maßnahmen wie dem gemeinsamen Frühstück vor dem Training und achtet auch penibelst darauf, dass „seine Jungs“ wie Profis leben, sich ausgewogen ernähren und vor allem genug und das richtige zur rechten Zeit essen. Auch setzt Stevens, im Gegensatz zu Vorgänger Veh, auf Stabilität und hat lieber Arbeiter als Künstler auf dem Platz. Die ersten „Opfer“ dieser Personalrochaden scheinen in Leitner, Kostic und Maxim gefunden. Leitner und Maxim hatten es bereits bei Stevens‘ erster Amtszeit schwer. Gerade Leitner, dessen Leihgeschäft eine einzige Enttäuschung ist, wurde zuletzt überhaupt nicht mehr berücksichtigt, während Maxim sich durch seine starke Leistung nach der Einwechslung in Mainz den Startelfeinsatz in Hamburg verdient hat.
Wie zu lesen ist, denkt Alexandru Maxim an eine Flucht im Winter, trotz laufenden Vertrages bis 2017. Ich hoffe, der VfB wird einen Teufel tun, Maxim ziehen zu lassen. Wenn, dann müsste schon ein unmoralisches Angebot im ordentlichen zweistelligen Millionenbereich her, dass ich sagen würde, o. k. da kann man nicht nein sagen. Andernfalls soll sich der Junge durchbeißen. Die Fähigkeiten dazu hat er, er schlägt starke Standards, hat einen guten Schuss und ein gutes Auge für den Mitspieler. Ich sehe ihn gerne spielen und bin auch der Auffassung, dass eine funktionierende Mannschaft einen Spieler wie Maxim verkraften können muss, der eben nicht alle Wege nach hinten macht, durch Geniestreiche vorne aber dafür der Mannschaft hilft. Eine Hand wäscht die andere, das muss Stevens an die Truppe ran bringen. Natürlich steigen Maxims Aktien nicht unbedingt, wenn der leider oft langwierig verletzte Daniel Didavi zurückkehrt, dann muss er aber, wie im Mannschaftssport üblich, um seinen Platz kämpfen und nicht gleich bei den ersten Schwierigkeiten davonlaufen.
Nach Mainz fuhren wir mit dem RWS-Bus. Zu diesem „Topspiel der Woche“, Samstag 18.30 Uhr, hatte ich unser Ticket direkt beim Heimverein bestellt und saß auf der Haupttribüne, der besseren Perspektive zum fotografieren wegen aber auch, weil man sich außerhalb des Gästekäfigs einfach besser bewegen kann und „freier“ ist. Mainz 05 steckt in einer Negativspirale von sechs sieglosen Spielen, der VfB kam mit der Hypothek des 0:4 gegen Schalke 04 in die Coface-Arena, in der wir seit dem Umzug der Mainzer vom Bruchweg-Stadion noch keinen Punkt geholt haben. Da mein Vertrauen in die Truppe sowieso auf den Nullpunkt gesunken ist und ich die herausragenden Nehmerqualitäten des Aufbaugegners VfB zur Genüge kenne, hatte ich kein besonders gutes Gefühl vor dem Spiel, um es milde auszudrücken.
Mit Shinji Okazaki steht zu dem noch ein Ex-VfBler in den Mainzer Reihen, ist zu allem Überfluss auch deren bester Torschütze, so dass, wenn man den VfB kennt, davon auszugehen war, dass er, wie fast jeder Ex-Spieler, auch gegen uns treffen würde. Okazaki ist für mich ein Sinnbild der Ära Bobic/ Labbadia. Ich bemängelte oft, dass unter Labbadia das Leistungsprinzip außer Kraft gesetzt war, er seine Mannschaft im Kopf hatte und diese auch so aufstellte, wenn nichts Gravierendes vorgefallen war. So brachte man auch im „Fall Okazaki“ auf Teufel komm raus Stoßstürmer Ibisevic, und war er noch so lustlos oder formschwach und setzte stattdessen Okazaki überhaupt nicht ein oder wenn, dann nicht auf seiner besten Position. Ich hatte es seinerzeit schon thematisiert, dass Okazaki des Öfteren als bester Torschütze mit Selbstvertrauen aus einer Vorbereitung kam, um dann zum Auftakt, doch wieder auf der Bank zu versauern. Okazaki, der sich sowieso in einem ihm fremden Kulturkreis zurechtzufinden hatte, hatte zu allen sportlichen Problemen in Labbadia noch einen Trainer, der den Reservisten nicht einmal erklärt hat, weshalb er nicht auf sie setzt und, wie ich hörte, nur mit den „Stammkräften“ gesprochen hat. Dadurch hatte es ein sensibler Spieler wie Okazaki doppelt schwer nachzuvollziehen, in welch falschem Film er sich befand Ich fand es außerordentlich schade, wie es gelaufen ist und mag ihn nach wie vor, unvergessen sein Tor gegen Schalke beim ersten Spiel im fertig umgebauten Stadion oder sein Fallrückziehertor in Hannover.
Große Lust auf den VfB verspürte ich zudem nicht, als wir im Dauerregen von Mainz an unserem Platz angekommen waren. Direkt vor unserem Block auf der Haupttribüne Seite waren die Nasen von Sky Hellmann, Didi Hamann, Metzelder und Loddar schon kräftig am analysieren, als wir nach unzähligen Gesprächen im eingezäunten Busparkplatzbereich und auch im Innenraum des Stadions an unserem Platz angekommen waren. Nach YNWA und schöner Schalparade ging es hinein ins Spiel. Die Aufstellung von Stevens erstaunte dann doch. Dass er nach dem Schalke-Debakel auf gleich fünf Positionen wechselte war nachzuvollziehen, dass er aber Mit Werner, Ginczek und wohlwollend auch noch Gentner gerade einmal drei Offensivkräfte aufbot, überraschte dann doch. So war es nicht verwunderlich, dass sich der VfB hinten reindrängen ließ und vorne in der ersten Halbzeit überhaupt nicht stattfand. Dennoch bedurfte es für die Mainzer eines Standards. Geis verwandelte den Freistoß aus 22 Metern sehenswert direkt, wobei Okazaki Ulreich schlitzohrig die Sicht versperrte. Kurz nach Wiederbeginn hatte Ginczek die erste VfB-Chance, diese war jedoch hochkarätig, lief er doch alleine auf den Mainzer Schlussmann Karius zu. Karius, der aus der Torwartschmiede des VfB stammt, reagierte glänzend mit einem Reflex. Danach war es aber wieder für lange Zeit vorbei mit der VfB-Herrlichkeit. Die Mainzer übernahmen wieder die Initiative und waren dem 2:0 näher als der VfB dem Ausgleich. Erst durch die Hereinnahmen von Maxim und Kostic kam der VfB zu mehr Ballkontrolle und folglich auch zu Torchancen. Die aber, die zum Ausgleich führte, war im Grunde überhaupt keine. Kostic‘ als Flanke gedachter Ball kullerte am Ende an Freund und Feind vorbei ins Tor. Sein erster Bundesligatreffer, kurios, aber egal. Danach wurde der VfB mutiger und hätte bei genaueren Zuspielen sogar noch den Sieg davon tragen können. Doch, auch die Mainzer hatten den Sieg in Person von Okazaki vor Augen, dessen Ball in der Nachspielzeit von Christian Gentner noch von der Linie gerettet werden konnte. So stand am Ende ein alles in allem glücklicher Punkt auf der Haben-Seite. Nach der Negativserie in Mainz in den letzten Jahren gewann ich diesem durchaus Positives ab, auch wenn man sich als Schlusslicht der Tabelle natürlich von dort nicht weg bewegt, wenn man seine Spiele nicht gewinnt. Stevens hob die Stabilität hervor, die seine Umstellungen gebracht hatten, das war nach dem indiskutablem Auftritt gegen Schalke auf jeden Fall ein Fortschritt und nicht der falscheste Ansatz.
Wer über die Überbelastung der armen Spieler jammert, sollte die Fans in einer englischen Woche auch nicht außer Acht lassen, vor allem dann nicht, wenn es in dieser zwei Mal auswärts zur Sache geht. Keine 72 Stunden nach dem Abpfiff in Mainz wurde der VfB schon wieder in Hamburg gefordert. Für uns hieß dies, Sonntag gegen 0 Uhr ziemlich geschafft zu Hause gewesen, den Sonntag mehr oder weniger zum regenerieren und ausruhen genutzt, um sich dann am Montagmorgen auf den Weg nach Hamburg zu machen. Wir hatten zwar einen angenehme Zeit für unseren Flug gewählt, nämlich 10 Uhr morgens, trotzdem hieß es früh aufzustehen, um den Weg zum Flughafen und die Prozeduren dort ohne großen Zeitdruck hinter sich zu bringen. Wird Hamburg erfahrungsgemäß hart, war mir eigentlich daran gelegen, gemütlich in den Tag zu starten, wohlwissend, dass der Abend sicher lang werden würde. Weit gefehlt, wenn man Bekannte am Flughafen trifft und von denen zum Frühschoppen animiert wird. So wurde die Wartezeit schon feuchtfröhlich hinter sich gebracht.
Da wir bereits zig Mal in Hamburg waren und die meisten Sightseeing-Ziele schon hinter uns haben, war es uns relativ egal, dass das Wetter an diesen drei Tagen zu keinen Outdoor-Aktivitäten, abgesehen vom Spiel, einlud. Irgendwo drinnen, sei es im Hotel oder am Montagnachmittag in der Pils-Börse, war es da doch am gemütlichsten. Montagabend dann aber hatten wir eine Verabredung in Hamburg-Altona auf dem Ottenser Weihnachtsmarkt zum Glühwein mit Schuss trinken. Dieser Abend war ein gelungener Opener für den Hamburg-Aufenthalt und klang im Schweinske Altona noch nett aus. Die ersten Verluste gab es dabei auch zu verzeichnen, ohne jetzt Namen zu nennen, ich war’s definitiv nicht. ;-)
Nach (zu) kurzer Nacht starteten wir dann mit einem sensationell reichhaltigen Frühstück in unserem Hotel Novotel Hamburg City Alster in den Tag. Für den Nachmittag hatte der Hamburger VfB-Fanclub Roter Brustring Hamburg (RBHH) zum Warmup auf Hamburgs geilsten Weihnachtsmarkt, den Santa Pauli am Spielbudenplatz, mitten auf der Reeperbahn, geladen. Dort verabredeten wir uns mit anderen VfBlern, die auch schon angekommen waren, um uns aufs Spiel einzustimmen. Es war windig und nasskalt, Hamburger Wetter eben. Ich finde es immer wieder schön und bin dankbar dafür, wie sich die Jungs vom RBHH ins Zeug legen und eine gemeinsame Anlaufstelle für die VfB-Fans, die im Lauf der Zeit natürlich immer mehr wurden, schaffen. Leider machten die Terminierungen für „ihr“ Heimspiel einer neuerlichen Barkassenfahrt, die bei Samstag-Terminen traditionell für VfB-Fans nach dem Spiel stattfindet, in den letzten Jahren einen Strich durch die Rechnung, aber, der Treff auf dem Santa Pauli hatte auch etwas und war schön und stimmungsvoll. Bemerkenswert dabei war, dass es sich eine Reisegruppe aus dem Sponsorenpool des VfB mit Norbert Haug, dem ehemaligen Motorsport-Chef von Mercedes Benz, sowie Buffy Ettmayer ebenfalls nicht nehmen ließ, beim Treff vorbei zu schauen. Noch schnell Fotos mit beiden gemacht und ein wenig mit Buffy gesmalltalkt, der ja für beide Vereine am Ball war, und schon gab es das Kommando zum gemeinsamen Abmarsch und zur gemeinsamen Fahrt mit S-Bahn und Shuttle-Bus zum Stadion. Dort trafen wir auch noch zahlreiche Freunde und Bekannte. Schon bemerkenswert, dass zu einem Spiel in Hamburg unter der Woche noch gut 1.500 VfBler anreisen. Der harte Kern ist eben überall dabei, wer konnte, war dabei, schließlich bekommt auch nicht jeder in der Vorweihnachtszeit frei, sonst wären es noch einige mehr geworden. Langsam bin ich es müßig, mich über die Terminierungen von Spielen aufzuregen, bei denen die Vereine mehr als 300 Kilometer auseinander liegen. Dass nur solche Vereine bspw. sonntags gegeneinander spielen, bei denen die Entfernungen kürzer sind, wird ja schon lange außer Acht gelassen. Und, dass es in einer Saison mit drei englischen Wochen, den VfB alle drei Mal erwischt, auswärts ran zu müssen, dazu noch in Dortmund, Hamburg und Köln, was man alles gerne mal mit Übernachtung macht, ist schade und unterstreicht den nicht vorhandenen Stellenwert der Fans im Handeln der DFL.
Nach dem glücklichen Punktgewinn von Mainz wusste ich auch vor Hamburg nicht so recht, was wir zu erwarten hätten. Hamburg ist im Aufwind und hat die letzten drei Heimspiele allesamt gewonnen, auf der anderen Seite machte mir Mut, dass der VfB in den letzten Jahren öfter mal in Hamburg gewann, obwohl die Gesamtauswärtsbilanz dort nach wie vor verheerend schlecht ist. Stevens brachte im Gegensatz zum Mainz-Spiel den wieder einsatzbereiten Harnik und Maxim für Ginczek und Werner. Das Spiel begann mit einem engagierten HSV, der anfangs die Spielregie übernahm, erste Chancen gab es aber hüben wie drüben. Der VfB war präsenter als noch in Mainz im ersten Durchgang, hatte aber große Probleme mit dem guten Hamburger Pressing in der Anfangsphase, das den VfB immer wieder zu Ballverlusten verleitete. Den ersten unschönen Aufreger gab es in der 20. Minute, als Van der Vaart Georg Niedermeier fernab des Spielgeschehens von hinten um rempelte. Gelb wäre das Mindeste in dieser Situation gewesen, alleine wegen dieser Dummheit des Niederländers wäre auch die rote Karte akzeptabel gewesen. Jeder im Stadion sah es, „nur“ eben die vier Schiedsrichter hatten Tomaten auf den Augen.
Als Sky-Kultreporter Rolf „Rollo“ Fuhrmann von Van der Vaart wissen wollte, was ihn bei dieser Aktion geritten hätte, rastete er vor laufender Kamera aus und fragte Rollo, ob er schlecht geschlafen habe. Ein arroganter A… , früher begnadeter Fußballer, heute ein Altstar, der mehr durch Eskapaden neben und Handgreiflichkeiten auf dem Platz auffällt, denn durch fußballerische Glanzpunkte. Wer den HSV nicht mag, muss sich eigentlich wünschen, dass Van der Vaart noch lang sein Unwesen im HSV-Team treibt. Er macht nur noch ganz selten den Unterschied aus, ist sonst eher Mitläufer denn Leistungsträger, blockiert aber einen Stammplatz, weil, einen Van der Vaart setzt man doch nicht auf die Bank.
Nach dieser Situation war es aber zum Glück vorbei mit der HSV-Herrlichkeit. Die Fehlpässe auf Hamburger Seite häuften sich, das Publikum wurde ungeduldig und pfiff die Rothosen aus, während der VfB mehr und mehr Spielkontrolle und Sicherheit erlangte und Chance um Chance kreierte. Schön herausgespielt war dann auch das 0:1. Klein nahm einen Fehlpass von Van der Vaart (danke!) auf, passte zu Harnik und nahm Tempo auf. Harnik auf Maxim, der den Ball bekam, weil Behrami stolperte. Maxim mit Auge und Übersicht auf Klein, der inzwischen in Position gelaufen war und gegen die Laufrichtung von Drobny einschob. Riesen Jubel im Block und auf dem Feld, spätestens ab diesem Zeitpunkt, war mir klar, hier geht heute was. Kurz darauf war Halbzeit. Aus der Kabine kam der VfB nicht nur früher als der HSV sondern auch besser. Beinahe hätte es 0:2 gestanden, Harnik und Niedermeier verpassten, jetzt auf unserer Seite, haarscharf das erlösende Tor.
Mittlerweile hatte ich ein richtig gutes Gefühl, zu desolat präsentierte sich der HSV, ein weiteres Tor lag in der Luft, dann hätte ich mir durchaus auch ein 0:4 wie 2012 vorstellen können, weil die VfB-Brust breiter und der HSV immer hilfloser wurde. Doch plötzlich übernahm Schiedsrichter Brych die Hauptrolle und schickte Georg Niedermeier wegen einer vermeintlichen Notbremse mit glatt Rot vom Platz. Nie und nimmer war das eine Notbremse, Sakai wäre noch zur Stelle gewesen. Dass Niedermeier nur die Mindestsperre von einem Spiel erhielt, unterstreicht meine Sicht der Situation, kommt sie doch einem Freispruch gleich. Um seine Schiris zu schützen verhängt der DFB diese „Mindestsperre“, schwachsinnig dieses „Gesetz“, aber ein Gesetz ist nun mal so schwachsinnig wie die Herren, die es beschließen.
Im Fußball gelten eben andere Gesetze wie im normalen Leben, Fußballer werden trotz erwiesener Unschuld verurteilt, Fans werden Restriktionen auferlegt, ihrer Freiheit beraubt, präventiv einfach mal als potentielle Straftäter angesehen, von Polizeikonvois begleitet und sind der Willkür dieser ausgesetzt. Fast schon aberwitzig in Hamburg wie eine Gruppe VfBler, die meinetwegen dem Ultras-Lager zuzurechnen sind und deren Zug erst früh morgens zurück nach Stuttgart fuhr, die also noch eine schöne Nacht auf dem Hamburger Kiez verbringen wollten, in der S-Bahn und bis auf den Kiez Polizeigeleit bekamen. Wir fuhren zufälligerweise mit der gleichen Bahn in die Stadt und fanden es nur lächerlich und beschämend. Keine Ahnung, bis wohin die Jungs begleitet wurden, auf die Toilette sicherlich auch noch, als wir die Gruppe nachts um 3 Uhr wieder trafen, war von den bis an die Zähne bewaffneten Turtles nichts mehr zu sehen.
Nach der roten Karte, um wieder zum Spiel zurück zu kommen, war es natürlich ein ganz anderes Spiel. Der HSV versuchte Druck aufzubauen und die Überzahl zu nutzen, der VfB war „nur“ noch darauf bedacht, den Vorsprung über die Zeit zu retten. Das machten sie überraschend gut und geschickt, der HSV kam auch in Überzahl und offensiver Wechsel kaum zu nennenswerten Torchancen. Der VfB zwar nach wie vor mit manch haarsträubendem Ballverlust, wenn auch im Vergleich zu etlichen Spielen zuvor, stark minimiert, aber, dieses Mal mit einer kämpferisch absolut überzeugenden Vorstellung. Der Sieg war insgesamt hochverdient und macht auf einmal Mut, den Klassenerhalt schaffen zu können. Huub Stevens weiß, was zu tun ist und findet langsam „seine“ Formation. Auf Schönspielerei kommt es in diesen Tagen nicht an, wir müssen von Spiel zu Spiel denken und in Eichhörnchenmanier Punkte sammeln.
Gelänge gegen Paderborn der zweite Heimsieg der Saison, hätte man mit dann 19 Punkten eine solide Basis für die Rückrunde gelegt. Aber, Vorsicht vor Paderborn, einfach nur bemerkenswert, was die Underdogs für eine Saison spielen. Mit großem Kampf- und Teamgeist spielen sie den einfachen Ball, eben das was sie können. Diesbezüglich könnten sich unsere Jungs eine Scheibe davon abschneiden und demütig zum kleinen Einmaleins des Fußballs zurück kehren, erst Sicherheit in die Aktionen bekommen, anstatt mit Hacke, Spitze, eins zwei drei den Ball zu vertändeln und in Konter zu laufen. Diesen Schlendrian treibt Stevens ihnen nach und nach aus und berücksichtigt Spieler, die diese Lektion partout nicht lernen möchten, seltener oder überhaupt nicht mehr.
Gegen Paderborn erwarte ich kein mitreißendes Spiel, eher ein Taktikgeplänkel und auf beiden Seiten die primäre Vorgabe, keine Fehler zu machen und ein Gegentor herzuschenken Solche Spiele kennen wir noch aus der Rückrunde der Vorsaison, als Stevens bei seiner ersten Amtszeit fast so etwas wie eine neue Heimstärke auf den Wasen zurückbrachte, die letztlich auch die Basis für den Klassenerhalt war. Mir wäre es auch völlig egal, wenn wir einem Grottenkick beiwohnen und (erst) in der 88. Minute den 1:0-Siegtreffer bejubeln dürften, Hauptsache, wir geraten nicht in Rückstand. Dann nämlich dürfte es gegen tiefstehende Ostwestfalen sehr schwierig werden, das Spiel noch zu drehen.
Ein Silberstreif am Horizont ist der unerwartete Auswärtssieg in Hamburg allemal, auch zwei Tage später noch tut er verdammt gut.
Nachdem wir den Volkspark verlassen und endlich einen Busshuttle bekommen hatten, wurde der Abend im Kreise von Freunden und angesichts eines runden Geburtstags noch richtig lustig und lang. Am Mittwoch, bei erneut sehr bescheidenem Wetter, besuchten wir noch das sehenswerte Miniatur-Wunderland, bevor es abends zurück ins Königreich Württemberg ging. Tolle Tage liegen hinter uns und bereits übermorgen geht es schon wieder in unser geliebtes Neckarstadion. Ein fast volles Haus, davor und danach diverse Treffen auf ein Saisonabschlussbierchen mit Freunden, was kann es Schöneres geben?

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2. Dezember 2014

Von Pech-Armin und Huub im Glück

Auch noch gut acht Tage nach dem Rücktritt von Armin Veh, kann ich das Geschehene nicht so recht einordnen. Ist Veh tatsächlich freiwillig zurückgetreten oder hat man ihm den Rücktritt doch nahegelegt, um den Schein nach außen zu wahren, damit niemand sein Gesicht verliert?
Überall wo Veh bisher Dienst tat, kokettierte er über kurz oder lang mit seinem Abschied, wenn nicht alles so lief, wie er es sich vorstellte und wie seine (zu hohen?) Ansprüche an sich selbst sind. In dieser Hinsicht ist er ein typischer Wassermann, freiheitsliebend, motiviert, wenn er sich selbst verwirklichen kann, aber eben auch frustriert, wenn er nicht so kann, wie er gerne möchte und wenn es nicht so läuft, wie er es sich wünscht. Dann neigt er aus diesem System auszubrechen und sich seine Freiheit wieder herzustellen. Ein wenig mehr Gelassenheit täte da Not, kann er doch als Trainer auch nicht alles selbst beeinflussen. Was kann ein Trainer beispielsweise dafür, wenn ein Sven Ulreich in Bochum den Ball völlig unmotiviert in die Mitte zum von drei Gegenspielern umringten Romeu passt und somit die nächste Zittersaison maßgeblich einleitet, wenn man sich gegen Wolfsburg durch einfache Ballverluste in der eigenen Hälfte öfter dilettantisch auskontern lässt, in Bremen bei zwei Standards pennt oder gegen Augsburg von den Schiedsrichtern benachteiligt wird. Was kann Armin Veh dafür, dass der fällige Torwartwechsel zum Eigentor wird, weil Thorsten Kirschbaum sich noch schlechter präsentiert als Sven Ulreich in den letzten zweieinhalb Jahren.
Dass das Umkrempeln des VfB nicht von heute auf morgen geht, dürfte allen klar gewesen sein. Daher war das Umfeld bisher auch wohltuend ruhig, obwohl man auf dem 18. Platz angekommen war. Das Vertrauen in den Meistertrainer von 2007 war also durchaus vorhanden.
Den Rücktritt mit mangelndem Glück zu begründen, halte ich für Quatsch. Allerdings werfe ich Veh auch nicht Fahnenflucht vor oder dass der Kapitän das sinkende Schiff verlassen hat.
Die (wahren) Gründe muss man in der Person Vehs suchen. Veh war schon immer einer, der durch Charme, Charisma und Lockerheit faszinierte und Zuhörer in seinen Bann ziehen konnte. Dies kehrte er jedoch nur nach außen, innen sieht es wohl anders. Die Situation vom VfB und dass er keine Mittel hatte (kurzfristig) dem Trend entgegenzuwirken nagte sichtlich an ihm und ließ ihn schließlich resignieren. Schon nach der Meisterschaft und vor allem gegen Ende seiner ersten Amtszeit war zu beobachten, dass es Veh nicht schaffte, sich auf schwierige Situationen ein- und in gewisser Weise auch umzustellen. Er macht sein Ding und hat keinen Plan B in der Tasche, dann läuft er lieber davon. Seinerzeit hatte Veh Horst Heldt als Freund und Manager an seiner Seite hatte und auch einen Erwin Staudt als Präsident, der sich um das Betriebsklima und die Sorgen und Nöte seiner Angestellten scherte.
Jetzt, in seiner zweiten Amtszeit, hatte Veh jedoch weder Heldt noch Leute wie Hübner und Bruchhagen um sich, die ihn in schweren Zeiten an die Seite nahmen und auf andere Gedanken brachten oder auch mal einfingen. Ich denke, Veh ist ein Mensch, der das hin und wieder mal braucht, der harmoniebedürftig ist und dem interner Zuspruch durchaus wichtig ist. Bernd Wahler möchte ich nicht unterstellen, dass ihm ein gutes Betriebsklima nicht auch am Herzen liegen würde, er ist jedoch mehr als Krisenmanager denn als Seelenmasseur gefragt in diesen Tagen. Und, Jochen Schneider ist zu unerfahren, um die Zeichen der Zeit der rechtzeitig erkannt zu haben.
Am Sonntag hatte Veh noch einen Auftritt bei Sky 90, den ich mit Spannung erwartete. Die offizielle Sprachregelung blieb bestehen, nämlich die, dass allein das fehlende Glück, welches Veh auf sich projiziert, den Ausschlag für den Rücktritt gegeben habe. Vielleicht erfahren wir in fünf Jahren einmal mehr, was diese Mission tatsächlich zum scheitern brachte. Ansonsten erläuterte Veh noch einmal, dass sich der Verein verändern muss, dass man über einige der Protagonisten der letzten Misserfolgs-Jahre nachdenken müsse, ob sie den Verein noch weiterbringen. Ein Jahr im Tabellenkeller könne Zufall sein, der Trend nach unten, den der VfB seit Jahren aufweist, jedoch nicht mehr. Was mich aufhorchen ließ, war die Aussage, dass 2007 mit 70 Mitarbeitern 130 Millionen Umsatz erwirtschaftet wurden und es heuer mit 160 Mitarbeitern gerade einmal 100 Millionen Umsatz sind. Gesundes Wachstum sieht anders aus.
Und, Veh erklärte noch einmal, dass er nach drei Jahren Eintracht Frankfurt eigentlich Trainerpause machen und bei Sky als Experte anheuern wollte, bis eben der VfB kam. Diesen Verein liebt er noch immer, schien aber doch mehr in der Vergangenheit zu schwelgen als die Gegenwart zu realisieren. Unser VfB ist leider mit dem von 2007 nicht mehr zu vergleichen, wir haben uns seither dramatisch zum Nachteil entwickelt. Dessen war sich Veh wohl nicht bewusst, als er auf dem Wasen unterschrieb. Er schätzte den Kader stärker ein als er tatsächlich ist, was ich ihm nicht einmal vorwerfe. Alle unseren Spieler zeigen ja hier und da starke Spiele und was sie wirklich drauf haben. Dass aber gute Einzelspieler noch keine Mannschaft ausmachen, dass man nicht nur das fußballerische Können sondern auch den Charakter der Spieler betrachten muss, bevor man sich ein Urteil bildet, dürfte Veh jetzt erkannt haben. Das sehen wirklich nur die, die tagtäglich mit der Truppe arbeiten und auch noch eher wir Fans, die sich ständig mit dem VfB beschäftigen.
Veh rate ich, als Nostalgiker der er ist, sein Vorhaben aus der HSV-Zeit wahr zu machen und auf den Job des Sportdirektors umzusatteln. Dort ist er weniger dem tagtäglichen Druck der Öffentlichkeit ausgesetzt, wird nicht jeder Schritt und Tritt beobachtet, ist er nicht von der Gunst seiner Spieler abhängig und kann vor allem gestalten anstatt sich mit dem zu begnügen, was ihm der Verein vorsetzt.
Wenn Veh diese Erkenntnis für sich nicht erlangen sollte, kann man im Grunde jeden Verein nur davon warnen, Armin Veh als Trainer zu holen. Nach Rostock und Reutlingen tat er es beim VfB bereits zum dritten Mal, „seinen“ Verein mitten in der Saison zu ver- und ein großes Vakuum zu hinterlassen. Seine anderen Vereine verließ Veh meist freiwillig zum Vertragsende, weil er frei sein möchte und nicht gefangen im Haifischbecken Bundesliga oder im Korsett eines Vereins.
Ein Club, der nach Kontinuität strebt, wird daher in naher Zukunft sicherlich nicht bei Veh anrufen, um ihn zu verpflichten. Meiner Meinung schadet dieser neuerliche Rücktritt seinem Ruf als Trainer. Abschließend wünsche ich Armin Veh, dass er sich die Sinnfrage stellt und sich genau überlegt, was er in Zukunft noch machen möchte und wie er sich sein nächstes Engagement vorstellt. Ich mag Veh nach wie vor, als Meistertrainer ist er sowieso für die VfB-Fangemeinde unsterblich, behalte ihn aber auch als freundlichen Menschen in Erinnerung, der immer ein offenes Ohr hatte. Klingt fast wie ein Nachruf, soll aber keiner sein. Ab jetzt oder besser gesagt seit letztem Freitag ist wieder „Huubschraubereinsatz“ auf dem Wasen.
Huub Stevens ist wieder da, ein knappes halbes Jahr nach dem Spiel im Schlienz-Stadion, als der VfB zum Saisonabschluss gegen eine Fanauswahl antrat und Stevens feierlich und mit viel Tam-Tam verabschiedet wurde. Ich hatte mir damals gewünscht, man würde zusammen weiter machen, fand dann aber Veh noch die charmanteste und mit die beste aller möglichen Nachfolge-Lösungen und bin auch jetzt froh, dass sich Stevens zum zweiten Mal bereit erklärt hat, dem VfB aus der Patsche zu helfen.
Huub Stevens ist das Gegenstück zu Armin Veh. Versuchte es Veh mehr mit Lockerheit, unserem „Kindergarten“ beizukommen, ist Stevens für seinen harten Stil und als Disziplinfanatiker bekannt. Wer ausschert und nicht mitzieht, hat bei ihm verloren. Wer mehr mit Schönspielerei als durch Kampf auffällt, für den ist kein Platz in der Stammelf. Stevens bringt Erfahrung und Eigenschaften mit, die dieser Mannschaft gut tut, wie man bereits in der Rückrunde der letzten Saison feststellen konnte. Hat uns tatsächlich zuletzt das Quäntchen Glück gefehlt, Stevens wird sich dieses sprichwörtlich versuchen zu erarbeiten, da er nicht an Zufälle glaubt. Eigentlich stellen wir jetzt zurück auf Mai 2014, eine Tatsache, die der VfB und Huub Stevens sich hätten ersparen können, wenn man sich bereits damals auf eine Weiterbeschäftigung verständigt hätte. Auch wenn es nicht zielführend ist, in den Sünden der Vergangenheit zu wühlen, mich würde es doch sehr interessieren, wie und warum es letztendlich zur Trennung kam. War es Huub Stevens, der nach seinem Saloniki-Engagement und dem Abstiegskampf mit uns eine Pause brauchte, in Ordnung und akzeptiert. Lieber sich selbst eine Pause verordnen, anstatt wider der inneren Stimme auf Teufel komm raus Raubbau am eigenen Körper zu betreiben und sich das erst einzugestehen, wenn man mitten im nächsten Engagement steckt.
Wenn aber der Abschied auf Zeit auf der Miste des VfB gewachsen sein sollte, ist diesem nicht mehr zu helfen. Das kann dann eigentlich nur damit zusammenhängen, dass der ehrenkäsige Fredi Bobic Huub Stevens nicht weiter beschäftigen wollte, weil die beiden wohl in diesem Leben keine Freunde mehr werden. Bei der Verpflichtung von Stevens setzten sich Aufsichtsratsvorsitzender Schmidt und Wahler gegen Bobic durch, der ja gerne Krassimir Balakov zurück an den Neckar gelotst und damit seinem nächsten Kumpan einen Posten zugeschachert hätte. Stevens verbannte Bobic gleich zu Beginn (zu Recht) auf die Tribüne, bereits zu Bobic‘ aktiver Zeit bei der Berliner Hertha rasselten die beiden ja aneinander. So scheint es einmal mehr, dass Bobic eigene, persönliche Interessen über die des Vereins stellte. Eine andere mögliche Variante, weshalb man Stevens nicht das Vertrauen für die jetzige Saison aussprach, wäre die, dass man bei Veh schon länger im Wort stand.
Nicht nur aufgrund der jetzigen Umstände wäre die beste Lösung gewesen, Huub Stevens im Amt zu behalten und stattdessen Fredi Bobic bereits im Mai zu entlassen, dann wäre uns womöglich einiges Ungemach erspart geblieben. Stevens hätte dann schon seine eigene (dem Vernehmen nach auf dem Papier sogar schon vorhandene) Saisonplanung umsetzen können. Er wusste ja bereits, auf welche Spieler er setzt, auf welchen Positionen wir für ihn zufriedenstellend besetzt sind und wo man hätte etwas tun müssen. Eines wäre so sichergestellt gewesen, so naiv wie mit Armin Veh und dessen Einschätzung der Mannschaft wären wir nicht in die Saison gegangen.
Mit Stevens auf der Bank hatte ich am Freitag gleich ein gutes Gefühl. Die Mannschaft kennt ihn weitestgehend, er die Mannschaft. So erschien es mir durchaus im Bereich des Möglichen, dass vier Tage im Kreis der Mannschaft ausreichen könnten, um die Sinne neu zu schärfen und die Mannschaft gut für das Freiburg-Spiel ein- und aufstellen zu können. Hat man bei einigen unserer Spieler öfter mal den Eindruck, dass sie nicht die Hellsten sind und die Situation verkennen, weil sie sich stärker einschätzen als sie, wie an der Tabelle abzulesen ist, tatsächlich sind, wird die Trainerkabine neu bezogen, erkennen auch diejenigen, dass es wieder einmal fünf vor zwölf ist und sie plötzlich kein Alibi mehr haben.
Den Freiburg-Trip, zum Heimspiel unserer Freunde von den Murgtalschwaben, dehnten wir ein wenig aus und planten ihn von vornherein mit einer Übernachtung, um den so sehnlichst gewünschten Auswärtssieg danach gebührend feiern zu können. Bereits gegen 12 Uhr stellten wir das Auto in Weisenbach im Murgtal ab, stärkten uns noch für den langen Tag und machten uns dann mit der Bahn auf den Weg nach Freiburg. Gegen 16 Uhr kamen wir am Hauptbahnhof an und besuchten zunächst den Weihnachtsmarkt auf dem Münsterplatz, wo wir mit Bekannten verabredet waren. Nach drei Gläsern Glühwein und sehr wohlgestimmt ging es weiter in den Schwarzwaldblick, in Sichtweite des Schwarzwaldstadions, wo wir jedes Mal hingehen, wenn der VfB seine Visitenkarte im Breisgau abgibt. Ein Wahnsinn, wie viele Bekannte man bei Auswärtsspielen immer trifft und welche Gaudi man zusammen immer hat. So vergaß man fast die Zeit, sie rannte sprichwörtlich weg. Gerade noch pünktlich zum Einlauf der Mannschaften erreichten wir unseren Platz auf der Gegentribüne. Besser geht es kaum zu sitzen, Reihe 5 mit super Sicht aufs Spielfeld und auch auf unseren Fanblock. Für mich zwar immer schade, wenn ich das Intro und bei Auswärtsspielen die gegnerische Schalparade respektive in Freiburg das Badener Lied verpasse, aber, wir hatten beim Vorglühen richtig Spaß, so dass ich das verschmerzen konnte, verpasste ich ja vom Spiel nichts.
So saßen wir also auf der Gegentribüne, auf der unser Platz stolze 57 Euro kostete, ich kann mich nicht erinnern, jemals für ein Bundesligaspiel mehr bezahlt zu haben. Mein Allzeitrekord liegt zwar bei 240 Euro für ein Ticket, aber, es handelte sich schließlich um das Halbfinale der WM 2006 Deutschland-Italien in Dortmund und es war der reguläre FIFA-Preis für diese Kategorie bei einem Halbfinale.
Als ich den Preis das erste Mal hörte (Karten mussten ja über unsere badischen Freunde besorgt werden, mit württembergischer Postleitzahl geht beim SCF überhaupt nichts) musste ich mir erst einmal bewusst werden, ob ich zur Championsleague in einen Fußballtempel oder zu einem Aufeinandertreffen zweier Abstiegskandidaten in die Freiburger Bruchbude gehen würde, aber, sei’s drum. Bevor ich etwa 40 Euro für einen Sitzplatz im Gästebereich berappe und, wie schon vorgekommen, hinter einer Plexiglasscheibe sitze und nur alkoholfreies Bier verabreicht bekomme, dann doch lieber zu diesem Preis hinein unters Freiburger Volk.
Zu Beginn war dem VfB die Verunsicherung, die die rote Laterne einfach mit sich bringt, anzumerken. Freiburg griff beherzt an und hatte mehrfach die Führung auf dem Fuß. Umso verwunderlicher, dass nach einer halben Stunde plötzlich der VfB durch die Sturmspitze Martin Harnik in Führung ging. Diese Führung stellte den Spielverlauf auf den Kopf. Gute zehn Minuten später aber, ich verrichtete gerade meine Notdurft, brandete großer Jubel auf, denn, Freiburg traf aus 25 Metern zum 1:1. Natürlich habe ich auch dieses Tor inzwischen gesehen und bin der Meinung, abgesehen davon, dass man den Schuss nicht einmal versucht hatte zu verhindern, dass Ulle den Ball normalerweise haben muss. Er wirkt zwar erleichtert, dass der böse Veh weg ist, ein besserer Torwart ist er dadurch leider noch lange nicht. Es gab im Spiel noch zwei, drei weitere Situationen, in denen er nicht gut aussah, so dass sich unser Torwartproblem fortsetzt.
Nach dem 1:1 hatten wir bei einem Lattenschuss noch Glück, so dass das 1:1 zur Pause für den VfB schmeichelhaft war. Zu Beginn der zweiten Halbzeit war der VfB in puncto Balleroberung präsenter und fand in Mitrovic sein Opfer. Ein Ballverlust des Serben an Sararer führte über Gentner und den wuchtigen Nachschuss von Carlos Gruezo zum 1:2. Dass Gruezo bei Stevens wieder schlagartig bessere Karten als unter Armin Veh haben würde, war mir ziemlich klar.
Wie der Holländer die Doppel-Sechs endgültig zu besetzen gedenkt, wird man vielleicht schon gegen Schalke sehen, wenn Oriel Romeu wieder einsatzberechtigt ist. Durch seine Sperre stellte sich die defensive Schaltzentrale mit Gruezo und Leitner fast von selbst auf. Gespannt darf man auch darauf sein, ob Leitner in Freiburg als Lückenbüßer herhalten musste oder ob er den zweiten Anlauf unter Stevens besser meistert als den ersten, wo er meist nur auf der Bank saß. Stevens steht eben mehr auf Malocher als auf Schönwetterfußballer. In Freiburg gefiel mir Leitner phasenweise richtig gut, war es doch auch, der Werner mit einem mustergültigen Pass auf die Reise schickte, und dieser wiederum Bürki zum 1:3 tunnelte. Nach Notbremse und folgerichtigem Platzverweis für Mitrovic war es dann Harnik, der seinen Doppelpack schnürte und zum 1:4 traf.
Das Glück war uns dieses Mal also hold, hätte der Schuss in der ersten Halbzeit durchaus auch nach hinten los gehen können. Veh befand bei Sky 90 sofort, mit ihm wäre auch dieses Spiel verloren gegangen, hypothetisch natürlich, und wenig zielführend. Ob wir gewonnen haben, weil Stevens das Glück mit an den Neckar brachte, Freiburg das Tor nicht traf, der VfB in Mitrovic einen Gönner fand oder wir einfach einmal vorne die Kisten machten, ist mir ziemlich schnuppe. Fußball ist erwiesenermaßen kein Glückspiel, es gibt zwar die eine oder andere Strähne, der man entgegenwirken kann, wenn man die regelmäßigen Trainingseinheiten dazu nutzt, an den vorhandenen Defiziten zu arbeiten und sich Woche für Woche zu verbessern. Dafür haben wir jetzt den richtigen Mann, Marke Fußballlehrer, an der Seitenlinie. Er würde sich persönlich beleidigt fühlen, gäbe es nichts zu verbessern, daher dürften die kommenden Monate das reinste Vergnügen für ihn als VfB-Trainer werden.
Dem VfB gelang es mit dem Auswärtssieg auf den Relegationsplatz 16 mit nunmehr zwölf Punkten zu klettern. Es war allemal ein Auftritt, der Mut macht für die nächsten schwierigen Aufgaben. Mit Siegen steigert sich automatisch auch wieder das Selbstvertrauen, das Vertrauen in ihren neuen alten Trainer ist ohnehin gegeben. Nun heißt es zuhause gegen den Lieblingsheimgegner Schalke 04 nachzulegen. In seiner ersten Amtszeit schaffte es Stevens, eine neue Heimstärke (unter anderem auch gegen seine alte Liebe Schalke) zu generieren, die jetzt wieder bitter nötig wäre, um die nötigen Punkte im Kampf um den Klassenerhalt zu erringen. Aus den vier verbleibenden Spielen bis zur Winterpause sollten möglichst noch zwei Siege herausspringen, dann, mit 18 Punkten, hätte man eine vernünftige Basis für die Aufholjagd in der Rückrunde gelegt.
Für uns ging es nach dem Spiel noch einmal in den Schwarzwaldblick, wo die Sky-Sendung „Mein Stadion“ mit Uli Potofski zu Gast war. Fast als die letzten Gäste und zu später Stunde begaben wir uns schließlich auf die Suche nach dem Auto unserer Rückfahrgelegenheit. Da mittlerweile keine Bahn mehr zu jenem Park & Ride Platz fuhr, irrten wir in etwa eine geschlagene Stunde herum, und fanden das Vehikel dann auch schließlich. Für diese verlorene Zeit wurden wir insofern entschädigt, dass wir, entgegen des Plans uns nach Bühl zur S-Bahn zu chauffieren, mit Tempo 220 im Audi AS bis vor die Haustür nach Weisenbach gefahren wurden, die wir gegen 3 Uhr morgens erreichten. Total kaputt zwar, aber, mit dem ungewohnten Gefühl eines Sieges, der auch heute noch unheimlich gut tut.

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