Der VfB spielt in den letzten Jahren gegen den Abstieg, womit man sich als Hartgesottener fast schon arrangiert hat, steht doch die Vereinsliebe über Allem und ist vor allem nicht erfolgsabhängig. Was fehlt sind allerdings die so liebgewonnenen Europacup-Reisen, die eine willkommene Abwechslung zum sich doch stetig wiederholenden Ligaalltag darstellen.
So muss sich der gemeine Fan eben eine Ersatzbefriedigung suchen, die da heißt Nationalelf oder auf neudeutsch „Die Mannschaft“.
Nach Polen vor einem Jahr wollte ich bereits auch schon reisen, leider machte mir damals die Kartenpolitik des DFB einen Strich durch die Rechnung, der gerade einmal drei Wochen vor dem Spiel mit dem Kartenvorverkauf um die Ecke kam und damit unser geplantes 9er-Busle wegen der Unsicherheit platzte.
So nun eben Irland, das allerdings unabhängig von Polen, auch so schon auf dem Plan gestanden hatte. Da man ja nicht unendlich Urlaubstage zur Verfügung hat und einige schon so „nebenher“ aufgrund der englischen Wochen in der Bundesliga drauf gingen, hieß die Frage höchstens noch, ob wir Schottland oder Irland machen, beides ging leider nicht, wenngleich uns die Gruppenauslosung wirklich echte Leckerbissen serviert hatte. Da ich in Glasgow bereits drei Mal mit dem VfB und zuletzt vor zwei Jahren zu einem Ligaspiel von Celtic war, in Irland jedoch noch nicht, war schnell klar, dass Irland den Zuschlag erhalten würde.
Die Flüge, die Joa und Soke bereits gebucht hatten, kamen mir entgegen, da von Air France durchgeführt. Air France und KLM gehören zusammen, so dass ich nun endlich meine Gutscheine von der „Kopenhagen-Verspätung“ einlösen konnte, die auf drei Jahre befristet und Ende des Jahres abgelaufen wären.
Am Mittwochmorgen um 10.30 Uhr hoben wir gen Paris ab, wo wir umsteigen mussten. Die Zeit war wirklich sehr knapp bemessen, so dass wir uns sputen mussten, den Anschlussflieger zu erreichen. Auf dem riesigen Flughafen Paris Charles de Gaulle läuft man nämlich nicht mal schnell von A nach B, sondern rennt irgendwelchen Schildern hinterher, um schließlich an einer Bushaltestelle zu landen, von wo aus es dann ins Zielterminal geht. So rann die Zeit von dannen, so dass es nicht einmal mehr eine Zigarette reichte und wir gerade rechtzeitig zum Boarding am Abflugterminal ankamen. Aber, wollen wir mal nicht meckern, immer noch besser so, als dass man sich Stunden am Flughafen um die Ohren schlagen müsste.
Gegen 14.30 Uhr setzten wir dann auch bereits auf Dubliner Boden auf, eilten in Richtung Smoking Area und von dort zum Taxi. Für mich war es das erste Mal, dass ich in Irland war, wenn auch „nur“ in Dublin. Das nächste Mal ist auf jeden Fall eine Rundreise durch die so sehenswerte grüne Insel geplant, um erste Eindrücke von den Iren und ihrem Land zu sammeln, genügt aber auch schon ein viertägiger Dublin-Aufenthalt. Ich bin ja bekennender Insel-Fan und suchte nach England und Schottland nun das vom Vereinigten Königreich unabhängige Irland heim. In zwei Jahren, bei der WM-Qualifikation geht es dann, was jetzt schon so gut wie feststeht, ins nordirische Belfast!
Nach der gut 20-minütigen Taxifahrt ins Zentrum von Dublin checkten wir zunächst in unserem Hotel ein, welches Joa und Soke bereits vor drei Jahren, als die Nationalelf zuletzt ein Qualifikationsspiel auf der grünen Insel bestritt, gebucht hatten. Mir wurde dabei nicht zu viel versprochen. Es war zwar nicht der allerhöchste Standard und trotzdem nicht billig, ja, wenn ein paar tausend Deutsche anreisen, kann man schon kurz mal die Preise erhöhen, aber, der Komplex ließ keine Wünsche offen. Frühstück in der angrenzenden und unter Dublinern angesagten Murray’s Bar, dazu zwei weitere Bars, eine Diskothek und ein Schuppen, in dem fast die ganze Nacht Live-Bands auftreten direkt dort, wo die Feuertreppe vom Hotel endet. Mittendrin statt nur dabei sozusagen.
Irland, das 2010 noch unter den EU-Rettungsschirm musste, welchen man 2013 wieder verlassen konnte, ist sichtlich am aufblühen und befindet sich mitten in einem neuen Wirtschaftswunder. Gut für die Iren natürlich, die langsam aus der depressiven Phase herauskommen, für den Touristen natürlich nicht so gut, da sich enorm viele Baustellen in der Stadt befinden und diese somit erst einmal keinen so einladenden Eindruck macht.
Am ersten Tag war uns das jedoch ziemlich egal. Im Zimmer erst einmal die riesige Deutschland-Fahne gehisst und Bilder gemacht, um dann die unmittelbare Umgebung zu erkunden. Wir kamen kaum aus unserem Hotel- und Partykomplex heraus, tranken Pitcher um Pitcher und erfreuten uns, glücklich angekommen und in einer anderen Welt zu sein.
Da Anreisetage gemeinhin anstrengend sind und auch noch die beiden vorherigen Arbeitstage in den Knochen steckten, lagen wir irgendwann nach Mitternacht bereits im Bett. Gut, dass wir genug Bier intus hatten, die Party „unten“ war noch in vollem Gange, so dass die lauten Beats durch die dünnen Wände zu hören und auch zu spüren waren. Anita schläft ohnehin mit Ohrstöpseln und auch mich störte das nicht lang und ich verabschiedete mich schnell in die Welt der Träume.
Am Donnerstag, dem Matchday, machten wir uns nach einem ausgiebigen Frühstück zu Fuß auf den Weg in die City und begutachteten sie schon etwas ausgiebiger als am Vortag. Recht bald hieß das Ziel aber dann doch Temple Bar, dem Partydistrikt von Dublin, der nicht nur durch seine zahlreichen Bars sondern auch die gehobenen Preise heraussticht aus dem, was wir bislang erlebt hatten.
Soke, der das Frühstück verpennt hatte, warf sich dort in einem Straßencafe erst einmal etwas feste Nahrung ein, während wir den Klängen eines wirklich guten Straßenmusikanten lauschten. Das erste Bier testeten wir dort auch an, schmeckte aber noch nicht besonders gut, Carlsberg eben.
Danach zogen wir weiter und blieben schließlich im Gogarty’s hängen, einem schön mit deutschen und irischen Fahnen geschmückten Pub, in dem die Deutschen per Plakat willkommen geheißen wurden und sich mehr und mehr Fans einfanden. Deutsche und irische Kamerateams machten ihre Runde und sammelten Stimmen und Stimmung ein, unter anderem auch der Bayern-Sendern Nummer 1, Sport 1, bei dem wir in der allabendlichen Sendung auch gleich im Bilde waren.
Mein Bier hatte ich nur abgestellt, um die Hände zum drehen und für die Kommunikation mittels Smartphone freizuhaben und schon machte man sich in Deutschland Sorgen um mich, ob ich denn dort kein Bier bekäme. Da hab ich eben doch sehr fürsorgliche Freunde! Es wurde immer voller und wir trafen schon dort einige Bekannte, verabredet wie auch zufällig.
Die Bierpreise in diesem Partyviertel hatten es allerdings in sich, 7 Euro für ein Pint oder 35 Euro für eine Runde, stolz! Dennoch war es ein sehr lustiger Nachmittag, das Bier schmeckte trotz der Preise schon wieder beängstigend gut und auch die Stimmung und die Vorfreude unter den Fans wurde immer besser. Die Iren sind einfach ein tolles Völkchen, Partypeople, keiner auf Stress aus und immer gut gelaunt. Dort lässt es sich hervorragend feiern, ohne ständig Bedenken haben zu müssen, dass es krachen könnte. Bei internationalen Spielen gehört es für mich dazu, wie das Spiel selbst, die Stimmung in der Stadt zu erleben und sich mit Gleichgesinnten auf das Spiel einzustimmen und auch schon einzusingen.
Zum Glück fanden Anita und ich rechtzeitig noch den Absprung und navigierten zurück ins Hotel, wo wir in der Murray’s Bar unser Abendmahl einnahmen. Essa musch, für eine ordentliche Grundlage war damit gesorgt. Für mich gab es, wie fast immer auf der Insel, Cheeseburger mit Pommes, was noch am ehesten mit meinem schwäbischen Gaumen vereinbar ist. In Sachen essen, ich gebe es zu, bin ich typisch deutsch, „was der Bauer net kennt, frisst er net“. So beschränken sich meine kulinarischen „Genüsse“ auf der Insel meist auf Burger oder Ham-and-Cheese-Sandwiches, womit ich allerdings drei, vier Tage auch gut leben kann. Nach dem Essen warteten wir in der Fibber Magees Rockbar direkt an unserem Hotel auf den Rest der Truppe und genehmigten uns noch ein Bierchen. Schon kurz darauf tauchten auch Soke und Joa mit einem bekannten Unioner im Schlepptau auf. Noch geschwind aufs Zimmer, frisch gemacht und das Trikot mit den vier Sternen übergestreift, ging es auch schon mit dem Taxi in Richtung Aviva-Stadium. Wie bei „großen“ Fußballspielen üblich, ging es, je näher man am Stadion war, nur noch im Schritttempo und später gar nicht mehr voran, so dass wir es vorzogen, den Rest der Strecke in Richtung des bereits in Sichtweite gelegenen Stadions zu Fuß zurückzulegen. Dies allerdings (natürlich) nicht ohne vorher noch einen Stopp in einem schmucken Pub einzulegen.
War es die Dunkelheit, war es unser Bierkonsum oder waren die Eingänge „nur“ nicht beschriftet, jedenfalls standen wir drei oder vier Mal an, um dann wieder zum nächsten Eingang geschickt zu werden. So verrann die Zeit und wir mussten uns mittlerweile Sorgen machen, rechtzeitig zum Einlauf der Teams und der Nationalhymnen unsere Plätze eingenommen zu haben.
Da es in britischen Stadien weder alkoholhaltiges Bier gibt und man noch rauchen darf, zündeten wir uns, trotz der Zeitknappheit noch kurz eine an, bevor es in die Forbidden Area hinein ging und diesbezüglich Schluss mit lustig war. Wir hechelten die endlos erscheinenden Stufen in Richtung dritten Oberrang hinauf, nichtsahnend, dass wir auch gemütlich hätten den Aufzug nehmen können. Dieser stach uns erst ins Auge, als wir das Stadion nach dem Spiel wieder am verlassen waren.
Das irische Nationalstadion, in dem vorwiegend die irische Rugby-Nationalmannschaft und die Fußball-Nationalmannschaft ihre Heimspiele austragen, wurde erst 2010 eröffnet und ist daher entsprechend modern. Die immer weiter gehende Gängelung von UEFA und FIFA, gerade was Fankultur angeht, wie reine Sitzplatzstadien, Alkohol- und Rauchverbot machen sich inzwischen auch immer mehr Verbände und Vereine zu eigen, so dass man schon aus dem Grund nicht umhin kommt, zu den Spielen auf den letzten Drücker zu gehen. Manchmal ist es vorher dann noch so gemütlich und stimmungsvoll, dass man sich fast schon aufraffen muss, zu gegebener Zeit überhaupt den Weg ins Stadion anzutreten.
Die Entschädigung für diese Entbehrungen erfolgt dann aber meist auf dem Fuße. Vor allem, wenn es in ein Stadion geht, in dem ich noch nicht war, funkeln meine Augen, wenn ich aus dem Katakomben hinein blicke in das weite Rund, die Flutlichter den Rasen hell erleuchten und die Fanlager auf beiden Seiten gespannt und erwartungsfroh Stimmung machen. Dann bin ich in meinem Element, dann möchte ich in diesem Augenblick nirgendwo anders sein, dann weiß ich, mal wieder alles richtig gemacht zu haben.
Unsere Karten haben wir direkt über den irischen Verband bezogen und saßen demzufolge “auf der anderen Seite” inmitten lauter Iren und vereinzelten Deutschen. Schon beim Erklingen der Nationalhymnen hörte man heraus, wer hier akustisch die Oberhand haben würde.
Nicht deshalb, weil die Iren naturgemäß in der Überzahl waren, sie sangen da schon voller Inbrunst, während man “die deutsche Seite” kaum vernehmen konnte. Der Auswärtssupport war absolut enttäuschend und das das Spiel über durchgängig. Auch in der Bundesliga ist ja das Phänomen zu beobachten, dass, je weiter die Reise ist oder je mehr die jeweilige Stadt zum Party machen einlädt, desto mehr Alkoholleichen im Block sind, die auf gut deutsch „ihr Maul nicht aufkriegen“.
So hatte man auch in Dublin den Eindruck einige fassten das Spiel lediglich als lästige Trinkunterbrechung auf oder hielten gar ein Nickerchen ab. Gerade auswärts ist man doch normalerweise besonders motiviert, den Heimfans zu demonstrieren, wo der Bartel den Moscht holt und möchte sie stimmlich übertreffen, zumindest insofern, dass von den heimischen Gesängen in der Gästekurve nichts ankommt. Während die übrigen drei Seiten des Stadions jeweils vierstöckig sind, hat die Nordkurve, in der der Gästeblock angesiedelt ist, lediglich einen Rang, was darin begründet liegt, dass direkt dahinter Wohnhäuser angesiedelt sind. So war der Block ohnehin sehr breit gezogen und in West- und Osttribüne teilintegriert, einen richtigen deutschen Stimmungsblock konnte ich während der gesamten Spieldauer dennoch nicht ausmachen.
Nach Irland wollte halt fast jeder, wobei ich mich davon nicht ausnehme. Bin ja selber eher selten der Nationalmannschafts-Fan und bin dorthin hauptsächlich mitgeflogen, weil wir eine super Truppe beisammen hatten und weil die Iren einfach „ihr Geld wert sind“. Wir waren ja schon unmittelbar nach der WM 2006 in Stuttgart und vor zwei Jahren bei einem Quali-Spiel in Köln gegen die Iren dabei, wobei man den Iren an dieser Stelle ein Lob zollen kann, dass der Auswärts-Support der Iren noch besser ist als daheim und das obwohl die Iren da weiß Gott auch nicht nüchtern am Start sind.
Nach der irischen Hymne malte ich mir bereits aus, wie die Iren wohl abgehen würden, wenn sie 1:0 in Führung gingen, ging da aber noch davon aus, dass wir dann trotzdem noch 1:3 gewinnen würden.
Das Spiel begann dann auch wie erwartet. Deutschland übernahm auf dem Platz die Initiative und kam zu ersten Chancen, welche jedoch halbherzig, wenn nicht überheblich, vergeben wurden. Die Iren hingegen übernahmen das Kommando auf den Rängen und schmetterten ihre Kult-Hymne „Fields of Athenry“ sowie „Come on you Bhoys in Green“, so dass schon sehr früh im Spiel Gänsehautfeeling angesagt war.
Auf dem Rasen bekam man mehr und mehr den Eindruck, Deutschland wolle die Aufgabe mit halber Kraft und Hacke, Spitze, eins, zwei drei lösen, anstatt dem Kampf der Iren zu trotzen und kämpferisch dagegen zu halten. Das Auftreten der Deutschen missfiel mir schon in der Anfangsphase. Die Körpersprache wirkte arrogant, Zweikämpfe wurden weitestgehend vermieden. Bevor man sich aufs Eins gegen Eins einließ, sprang man vorsorglich hoch, um sein so hochpreisiges Weltmeisterfüßchen zu schonen, wenn ein Ire die Frechheit besaß mit Körperkontakt zu spielen oder mit einer der Wichtigkeit des Spiels angemessenen Härte einzusteigen, wurde sich vor dem Iren aufgebaut nach dem Motto „was bildest Du dir ein, einem Weltmeister die Stirn bieten zu wollen“. So kam der Auftritt auf der Tribüne an, nicht nur bei uns sondern natürlich auch beim irischen Publikum. Es war dieses mimosenhafte, das mir schon früh die Hutschnur platzen ließ und die Iren vom Glauben abfallen ließ. In einem Land, in dem Gaelic Football und Rugby zu den Volkssportarten zählen, stößt man noch mehr als anderorts auf Unverständnis, wenn man sich bei jeder noch so kleinen Berührung hinwirft und mit weinerlichen Blicken den Schiri anfleht, diese Majestätsbeleidigung(en) nun endlich zu unterbinden.
Je länger das Spiel dauerte, desto mehr fing ich an, es den Iren zu gönnen, dieses Verhalten der deutschen Diven zu bestrafen. So trug ich dann auch den irischen Führungstreffer zwanzig Minuten vor Schluss mit Fassung und erfreute mich an dem, was sich um uns herum abspielte. Ein unfassbarer Jubel, gestandene Mannsbilder mit Tränen in den Augen und ein Geräuschpegel, der seinesgleichen sucht. Anders als wir erfolgsverwöhnten Deutschen müssen die Iren im Fußball die Feste feiern, wie sie gerade fallen und dieser denkwürdige Donnerstag war eben einfach ihr Tag. Natürlich hätte Deutschland mit mehr Ernsthaftigkeit und einer besseren Chancenverwertung zur Halbzeit bereits mit 5:0 führen können, aber, wer wüsste das besser als wir VfB-Fans, wenn du die Dinger vorne nicht machst, geht der Schuss manchmal eben auch nach hinten los.
Die Iren ihrerseits konnten es sichtlich kaum fassen, gegen den Weltmeister in Führung zu liegen und platzten fast vor Stolz. Es war ein tolles Erlebnis mitten drin statt nur dabei zu sein, die Häme und die gesenkten Daumen, die uns entgegen gestreckt wurden, trugen wir mit Fassung und noch mehr mit Humor.
Letzen Endes muss man es sowieso hinnehmen wie es ist, zumal das Ergebnis ja kein Beinbruch war und drei Tage später gegen Georgien ja schon der zweite Matchball wartete.
Am Ende war ich richtig froh, dass Deutschland, obwohl mit etlichen Lederhosen in der Mannschaft, den sprichwörtlichen Bayern-Dusel an diesem Tag nicht hatte und kein Ball vorne mehr reinrutschte, um das Minimalziel, ein Pünktchen, noch zu holen und am Ende gar noch alles richtig gemacht zu haben. Diesen Denkzettel hatten sich die Deutschen redlich verdient so dass es mir im Falle eines späten Ausgleichs eher peinlich gewesen wäre, hätten wir die Iren am Schluss noch trösten und wir uns rechtfertigen müssen.
So ließen wir den Iren zum Glück ihre Freude über dieses Husarenstück und beglückwünschten sie. Für mich war es ein tolles Erlebnis, das Positive überwog eindeutig, auch wenn ich im Vorfeld fest davon ausgegangen war, wenigstens mit der Nationalelf, die es für mich noch immer ist, endlich mal wieder einen Sieg davontragen zu können. Dass es von unseren Diven dann gerade einmal noch 7 (!) nötig hatten, in die Fankurve zu trotten, sprach zusätzliche Bände über deren Einstellung an diesem Tag.
Wir schlugen danach auch keine Wurzeln mehr und begaben uns zu den Treppen, um endlich wieder „ins Freie“ zu gelangen, nicht ohne auf dem Weg hinab unzählige Hände zu schütteln und uns fast schon für die Arroganz des deutschen Auftritts entschuldigen zu müssen.
Unten auf der Straße, erst einmal eine Zigarette gedreht und sich von den Menschenmassen in Richtung City schieben zu lassen. Ganz? Nein! Schwirrte im Kopf schon ein „jetzt ein Taxi, das wär’s“ herum, stachen uns plötzlich zwei Rikschas ins Auge, die um Fahrgäste buhlten. Da ließen wir uns nicht zwei Mal bitten und nahmen diese gleich in Beschlag. Das war’s uns wert, hatten wir doch zunächst nur den einen Gedanken möglichst schnell unsere trockenen Kehlen befeuchten zu können. Der Rikscha-Wallah (so heißen die „Führer“ ihrer Vorbilder in Fernost tatsächlich) gab alles und konnte einem fast schon Leid tun, wie er sich abstrampelte. In bemerkenswertem Tempo und unter Ignorierung sämtlicher roter Ampeln lieferte er uns, nachdem er sich kurz mal verfahren hatte (!), recht zügig am Hotel ab, wo wir uns umgehend am Tresen wiederfanden.
Wir tranken noch ein paar Bierchen zusammen und hatten viele irische „Freunde“, die sich noch immer diebisch freuten und uns immer wieder in den Arm nahmen und sich bedankten. Der lange Tag forderte seinen Tribut, einer nach dem Anderen verabschiedete sich in Richtung Zimmer.
Ich dagegen harrte weiter aus, da sich VfB-Freunde aus dem Leintal und dem Hohenlohischen über Facebook ankündigten, „uns“ einen Besuch. Es zog sich etwas hin, da ihnen, wie es so ist im Leben, ein paar Pubs auf dem Weg zu uns in die Quere kamen. Aber, das Warten lohnte sich, auch sie rauschten mit Rikschas an, so dass wir den Abend in der angrenzenden Disko ausklingen ließen und diesen Ort erst gegen drei Uhr verließen, als die Iren die Schotten dicht machten.
Wurden die Anderen freundlich gebeten, den Ausgang in Richtung Straße zu nehmen, nahm ich die andere Seite in den Innenhof und musste lediglich noch ein paar Stufen hinauf in den 3. Stock bewältigen, um mich endlich in das viel zu weiche Bett fallen lassen zu können. Als Hotelgast genießt man dort schon einige Privilegien und besitzt quasi den Generalschlüssel in diesem Komplex. Ein kurzer Hinweis an den Security-Menschen am Eingang, dass ich Hotel-Gast bin, genügte, um die Disko auf die andere Seite verlassen zu dürfen, in der Rockbar Fibbers Magees, wo um diese Uhrzeit noch Bands auftreten und es normalerweise Eintritt kosten würde, reichte es ebenfalls, zu vermerken, dass wir Hotelgäste sind, um „very welcome“ zu sein.
Trotz recht langer Nacht und wegen des unbequemen Bettes war kurz nach 8 Uhr morgens die Nacht schon wieder vorbei, so dass es zeitig zum Frühstück ging. Der Magen knurrte, gab es doch schon seit dem Vortag 17 Uhr keine feste Nahrung mehr. Da Joa und Soke bereits mehrmals in Dublin waren und Soke zudem am Vortag seine Schuhe vollends ruinierte und für Nachschub sorgen musste, trennten sich zunächst unsere Wege, damit Anita und ich eine Stadtrundfahrt unternehmen konnten.
Diese führte uns zunächst „zurück“ zum Aviva-Stadium, dann durch Villen- und Botschaftsviertel zurück in die Innenstadt, u. a. mit der St Patrick’s Cathedral, Temple Bar, Zoo und der Old Jameson Distillery bis hin zum Guinness Storehouse. Dort stiegen wir aus und leisteten uns die 20€ Eintritt für die (nichtgeführte) Besichtigung. Es war sehr viel los, auf manchen Stockwerken ein richtiges Gewusel, so dass ich letzten Endes froh war, den 7. Stock erklommen zu haben und mein „Gratis-Guinness“ in Empfang nehmen zu dürfen.
Von dort oben hat man einen wunderschönen Panorama-Blick über Dublin. Leider war auch in der Bar sehr viel los, so dass ich keine Lust darauf hatte, mich wegen ein paar Fotos durch die Menge zu kämpfen.
Interessant ist die Historie der Guinness-Brauerei allemal, faszinierend welchen Geschäftssinn Arthur Guinness 1759 bewies, als er mit gerade einmal 100 £ Startkapital für eine Brauerei am St. James Gate einen Pachtvertrag über sage und schreibe 9.000 Jahre für läppische 45 £ Jahreszins abschloss und die Guinness-Brauerei gründete. Die dunkle Farbe des Bieres rührt im Übrigen von einem Missgeschick einer Londoner Brauerei her, der die Gerste verbrannte, und die das so entstandene Bier zwar zum halben Preis veräußerte, bei den Abnehmern aber auf helle Begeisterung stieß. Arthur Guinness verfeinerte die Rezeptur im Lauf der Jahre. Von seinen 21 Kindern erreichten nur zehn das Erwachsenenalter, diese bauten jedoch das Guinness-Imperium zu dem auf, was es heute ist. Als eine der Haupt-Attraktionen von Dublin ist das Guinness-Storehouse für den kulturinteressierten Touristen ein Muss.
Nachdem wir uns mit den anderen wieder zusammengefunden hatten, bot unser „Terminkalender“ noch einen besonderen Programmpunkt. Den Abstecher in den traditionsträchtigen Dalymount Park zum Dubliner Derby Bohemians Dublin gegen St. Patrick’s Athletic.
Ein wenig mehr Derby-Atmosphäre hatten wir uns schon erhofft gehabt, es war überraschend ruhig geblieben, sowohl auf den Tribünen als auch vor dem Stadion. Keine Pyro, kein Platzsturm, keine Scharmützel der verfeindeten Fangruppen haben wir mitbekommen. Vielleicht lag es ja daran, dass sich die sportliche Brisanz der Partie in Grenzen hielt. Fünfter gegen Vierter, übrigens schon der 30. Spieltag, da die irische Saison im Kalenderjahr gespielt wird.
Das Highlight war dann fast schon, dass Johnny Logan im Bohemians-Trikot umher spazierte und sich huldigen ließ. Weiteres Highlight, das nicht unerwähnt bleiben darf, in den beiden Bars im Inneren des Stadions gab es doch tatsächlich die günstigen Pints, die wir während unseres Dublin-Aufenthalts genießen durften. Das Heim-Team gewann 2:0, so dass die Stimmung am Ende richtig gut war.
Danach ging es mit dem Taxi zurück ins Hotel. Weshalb auch in die Ferne schweifen, wenn man vor der Haustür alles hat, was man braucht. In der Fibber Magees Bar, durch die ganztägig süßlich riechende Rauchschwaden zogen, ließ es sich aushalten, so dass wir dort für guten Umsatz und bei Soke für gute Laune sorgten, arbeitet dort doch seine (chinesische) Lieblingsbedienung. Auch an diesem Abend schaute noch ein Bekannter vom Fanclub vorbei mit dem wir auf das Wiedersehen im fernen Dublin anstießen. Jeder erblasste vor Neid, der unsere Location und die kurzen Wege dort zu Gesicht bekam.
An unserem letzten Abend landeten wir, wie schon am Vorabend zum Schluss noch in der Disko, wo man sich in Anbetracht des Publikums gleich 20 Jahre jünger fühlte, und zu später Stunde gar noch schwofte, bis die Fetzen flogen.
Gut, dass wir um drei Uhr rausgeschmissen wurden und ich mich nicht mehr dazu überreden ließ, weiter in die Rockbar zu ziehen, um noch ein Konzert anzuschauen, schließlich stand ja der Abreisetag an.
Diesen konnten wir gemütlich starten, kurz vor 10 Uhr sollten wir eben ein Taxi zum Flughafen bekommen, um nicht in Hektik zu kommen. Es hat alles super geklappt, wir waren rechtzeitig da, dumm nur, dass unser Flug erst eine Stunde, 20 Minuten, später als geplant abhob. Dadurch hatten wir in Paris die gleiche Rennerei wie auf dem Hinflug und erreichten unser Abflug-Terminal gerade so noch rechtzeitig und „pünktlich“ zum Boarding, was aber wiederum gewährleistete, dass wir recht pünktlich in Stuttgart landeten.
Als Fazit unserer Tour kann konstatiert werden, dass die Zusammenstellung der Truppe und derer, die mehr oder weniger ständig dabei waren (Marco, die Hallenser, etc.) super gepasst hat und sich auch Anita gut eingefügt hat. Unsere Länderspieltouren sind eigentlich als reine Männertouren deklariert, so dass hier, danke Soke und Joa, eine Ausnahme gemacht wurde.
Auch sonst fällt mein Fazit durchweg positiv aus. Eine „neue“ Stadt kennengelernt, zwei „neue“ Stadien und Fußballspiele besucht, mein Englisch mal wieder aufgefrischt und der britischen Pubkultur, die es mir so angetan hat, gefrönt.