30. Juni 2012
oder
Jogi Löw: Vom Liebling der Nation zur persona non grata?
Was wurde nicht alles schwarz gemalt vor dieser Euro 2012 in Polen und der Ukraine. Nicht nur, was die Zustände in beiden Ländern angeht, auch der Zustand unserer Nationalmannschaft wurde sehr in Frage gestellt. Wir selbst „mussten“ in Basel mit ansehen, wie sich eine deutsche Nationalmannschaft, noch ohne die sich vom Champions League-Frust erholenden Bayern-Spieler, von einer Wintersportnation wie der Schweiz nach allen Regeln der Kunst vorführen ließ. Auch der abschließende Test gegen Israel machte nicht gerade Mut, was die bevorstehende Euro anging. Ich persönlich wollte aber nicht in den Chor der Schwarzmaler einstimmen, da ich Vorbereitungsspiele einschätzen kann und in die Fähigkeit des Trainerstabs der Nationalmannschaft Vertrauen habe, die Jungs auf den Punkt topfit zu machen. In den letzten Turnieren gelang dies schließlich immer.
Selten zuvor formulierte der gesamte Tross das Ziel Europameistertitel so offensiv wie in diesem Jahr. Nach zuletzt zwei dritten Plätzen bei Weltmeisterschaften und der Vize-Europameisterschaft 2008 wäre der Titel ja auch nur die logische Folge der Weiterentwicklung des Teams, das gespickt ist von technisch und taktisch hervorragend ausgebildeten jungen Spielern. Jedem im 23er-Kader wäre zuzutrauen bei der Euro seinen Mann zu stehen und Deutschland würdig zu vertreten. So nahm ich es Joachim Löw auch nicht übel, auf unseren Cacau zu verzichten, der einfach eine schlechte Saison hinlegte und für die bevorstehenden Anforderungen auch nicht spritzig genug wirkte. Unterstrichen hat er diese Einschätzung nach seiner Einwechslung im Test in Basel, als er doch wie ein Fremdkörper und übermotiviert wirkte und sich bei seiner wohl letzten Chance nicht wirklich empfehlen konnte. Ich hoffe, er findet beim VfB zu alter Leistungsstärke zurück, so dass er, wie Löw nach seiner Ausbootung in Aussicht stellte, weitere Chancen in der Nationalelf erhält.
Am 9.6. war es endlich soweit. Die Vorgeplänkel hatten ein Ende, von nun an konnten Fakten auf dem Platz geschaffen werden. Deutschland bekam in der sog. Todesgruppe mit Portugal gleich einen dicken Brocken vorgesetzt. Portugal mit ihrem Superstar Cristiano Ronaldo gehörte in den letzten großen Turnieren stets zu den Mitfavoriten und fühlte sich dieses Mal reif für den großen Wurf. Ronaldo erlebte die bislang beste Saison seiner Karriere, 46 Ligatore in Spanien sprechen Bände. Dazu verfügen die Portugiesen noch über eine Reihe von guten Einzelkönnern, die bei den besten Vereinen des Kontinents unter Vertrag stehen, so dass das Rezept auch nicht ausschließlich heißen konnte, Ronaldo aus dem Spiel zu nehmen. Deutschlands Aufstellung bot keine größeren Überraschungen. Dass Boateng auf den vakanten Rechtsverteidiger-Posten rücken würde, zeichnete sich schon im Vorfeld ab. Auf den offensiven Außenbahnen vertraute Löw zunächst den altbewährten Kräften Podolski und Thomas Müller, lediglich die Nominierung von Hummels anstatt dem lange verletzten Mertesacker neben Badstuber kam etwas überraschend. Das Spiel wurde die erwartet zähe Angelegenheit mit zunächst kaum Torchancen, hüben wie drüben. Im ersten Spiel dieser schweren Gruppe war für beide verlieren eigentlich verboten. So neutralisierten sich die Teams weitestgehend, ohne groß ins Risiko zu gehen. Dann aber, als Miroslav Klose schon mit den Hufen scharrte und auf seine Auswechslung wartete, diese sich aber recht lange hinzog, weil sich der vierte Offizielle mit dem herrichten der Auswechseltafel enorm viel Zeit ließ, schlug doch noch der zur Auswechslung vorgesehene Gomez zu. Nach einer leicht abgefälschten Flanke von Sami Khedira schraubte sich Gomez hoch und köpfte den Ball in die rechte Torecke. Bis zu diesem Zeitpunkt war von Gomez wenig zu sehen, was den selbsternannten Experten Mehmet Scholl zu der Aussage hinriss, er hätte Angst gehabt, dass Gomez sich wund liegen würde. In meinen Augen völlig überzogen, man kann von Gomez halten was man möchte, letzten Endes aber ist er dazu da, Tore zu schießen, diese Aufgabe hatte er zu 100 Prozent erfüllt und war somit der Matchwinner an diesem Abend. Weitere Sieggaranten waren Manuel Neuer, der in der Schlussphase noch die eine oder andere gute Einschussmöglichkeit der Portugiesen zunichtemachte, Boateng, der Ronaldo so gut es ging aus dem Spiel nahm und Mats Hummels, der ein glänzendes EM-Debut gab. Das erste Spiel dieser Gruppe gewannen überraschend die Dänen gegen die hoch gewetteten Niederlande, so dass es für diese im Aufeinandertreffen mit der deutschen Nationalmannschaft schon um alles oder nichts geht.
Die Schlagzeilen zwischen den ersten beiden Gruppenspielen wurden von Scholls Gomez-Kritik und dessen Verteidigungsplädoyers bestimmt, der seinerseits auf seine tolle Torquote in der Saison verwies und sich daraufhin nicht mehr groß ändern müsse.
Löw vertraute gegen die Niederlande der siegreichen Elf des Portugalspiels, van Marwijk brachte im Vergleich zum Spiel gegen Dänemark mit dem wiedergenesenen Mathijsen lediglich einen neuen Spieler, so dass Huntelaar und van der Vaart weiterhin auf der Bank schmoren mussten. Die Niederlande waren nach der Auftaktniederlage zum Siegen verdammt und brannten zudem auf Revanche für die 0:3-Schmach von Hamburg im November des letzten Jahres. Die erste Chance hatte dann auch van Persie, doch er scheiterte am eins gegen eins gegen den bravourös sich dagegen stemmenden Neuer. Im Gegenzug dann hatte Özil das 1:0 auf dem Fuß, traf aber nur den Pfosten. Danach verflachte die Partie etwas, beide Teams waren um Sicherheit in ihren Aktionen bemüht. Bis zur 24. Minute, als Schweinsteiger einen Pass in die Schnittstelle der holländischen Abwehr spielte, Gomez den Ball sensationell mitnahm und im Kasten versenkte. An seinem verhaltenen Jubel merkte man Gomez an, wie sehr die Debatte um seine EM-Tauglichkeit an ihm genagt haben musste. Knapp eine Viertelstunde später sorgte er dann, wieder nach Zuspiel von Schweinsteiger, eiskalt für die Vorentscheidung. Danach, im Gefühl des sicheren Sieges, ließ die DFB-Elf etwas die Zügel schleifen, so dass die Niederlande stärker auf- und knapp 20 Minuten vor Spielende sogar noch zum Anschlusstreffer kamen. Die Niederlande riskierten in der zweiten Hälfte mit der Hereinnahme von Huntelaar, van der Vaart und später auch noch Kuyt alles, mehr als der Ehrentreffer sprang jedoch zum Glück nicht mehr heraus. Das einzige was man der deutschen Mannschaft an diesem Tag vorwerfen konnte, war, dass die Konter nicht sauber zu Ende gespielt wurden und man sich auf die knappe Führung verließ. So ließ sich diese Euro mit zwei Siegen gegen Top-Nationen für Deutschland hervorragend an. Dennoch stand man noch nicht sicher im Viertelfinale, da Portugal die Dänen noch im letzten Moment schlug. Im letzten Gruppenspiel gegen Dänemark wurde also noch ein Punkt benötigt, um sicher weiter zu kommen, was auch der Tatsache geschuldet war, dass bei dieser Euro bei Punktgleichheit der direkte Vergleich mehr wert ist als das Torverhältnis, so dass uns die Dänen bei einem Sieg auf jeden Fall in der Tabelle überholen würden. Die Holländer ihrerseits hatten so ebenfalls noch eine Minimalchance weiter zu kommen, sollten sie die Portugiesen schlagen und Deutschland Dänemark mit zwei Toren Unterschied in die Knie zwingen. Tja, früher konnte man die Situation in der Gruppe einfach an den Ergebnissen und der Tabelle ablesen, heute braucht’s dazu im Zweifel noch den UEFA-Koeffizienten und ein Blick auf die Fairplay-Wertung…
Solch eventuelle Rechenspielchen konnte sich die deutsche Mannschaft aber zum Glück ersparen, da sie die Dänen letztendlich glücklich 2:1 schlug. Erstmals bei diesem Turnier musste Löw personell improvisieren, da sich Boateng gegen die Niederlande eine Gelbsperre einhandelte. Was sich in den Tagen davor bereits abzeichnete bewahrheitete sich schließlich: Lars Bender, eigentlich eher ein „6-er“, nahm diesen Part ein. An dieser Stelle kann ich mir einen schönen Gruß an Christian Träsch nicht verkneifen, der sicher gute Aussichten gehabt hätte, die rechte Außenverteidiger-Position zu bekleiden, wenn er nicht dem Lockruf des Geldes gefolgt wäre und diese Position beim VfB angenommen hätte. Beim VfB ist alles gut, wir haben schließlich jetzt Gotoku Sakai und in der Nationalmannschaft spielt den Posten Innenverteidiger Boateng oder wird, wie gegen die Dänen, von Mittelfeldspieler Bender ersetzt.
Um festzustellen, dass uns die Dänen nicht unbedingt liegen, genügt ein Blick in die Statistik. Seit Mitte der 90er-Jahre haben wir kein Spiel mehr gegen sie gewonnen, zudem verlor Deutschland das EM-Finale 1992 gegen Dänemark völlig überraschend. Gegen das dänische Abwehrbollwerk haben sich schon die vermeintlichen niederländischen Himmelsstürmer, trotz deutlichem Chancenplus, die Zähne ausgebissen. So wurde es auch die erwartet die schwere Aufgabe. Zwar brachte uns Podolski in seinem 100. Länderspiel bereits in der 19. Minute mit 1:0 in Führung, doch schon fünf Minuten später klingelte es im Kasten von Manuel Neuer. Eine Eckballvariante, die vorauszusehen war, da wenige Minuten zuvor schon einmal angewandt, auf den an der Strafraumgrenze postierten Bendtner, der den Ball in die Mitte zurück köpfte und dort von Krohn-Dehli versenkt wurde, brachte prompt dem Ausgleich. Danach glich das Spiel dem Tanz auf der Rasierklinge, erst recht als Mitte der zweiten Halbzeit Portugal gegen Holland führte und Deutschland fast den Rückstand durch den immer agilen Bendtner kassierte. In der 80. Minute war es aber nicht Bendtner sondern der Startelfdebütant Bender, der für den Siegtreffer, das eigene Weiterkommen und das Aus der Dänen sorgte. Deutschland hatte sich also in der schwersten aller Vorrundengruppen mit neun Punkten als Gruppensieger durchgesetzt und bekam zur Belohnung mit Griechenland den wohl leichtesten aller Viertelfinalteilnehmer vorgesetzt. Die Tage zwischen dem Dänemark- und dem Griechenlandspiel waren geprägt vom mehr oder weniger lauten Murren von Reservisten, die bisher kaum oder noch gar nicht eingesetzt wurden, namentlich von Reus, Götze und Kroos.
Vor allem Kroos kam offensichtlich mit der Reservistenrolle nicht zurecht, wähnte er sich doch als Stammspieler, da er im letzten Jahr fast in jedem Spiel mitwirken durfte. Dies allerdings meist dann, wenn Schweinsteiger und/ oder Khedira ausfielen, die sich beide völlig zu Recht auf der Doppel-Sechs festgespielt haben. Daher frage ich mich „was erlaube Kroos?“. Es zeugt allgemein nicht von gutem Stil während eines Turniers öffentlich Kritik zu üben und sich auszuheulen. In diesem Fall aber schlägt sie meiner Meinung nach dem Fass den Boden aus. Das deutsche Team war siegreich, Khedira überragend und Schweinsteiger, wenn auch nicht in allerbester Verfassung, dennoch als Teamleader (zu diesem Zeitpunkt noch!) unverzichtbar. Jener Tony Kroos, der im Champions League Finale keine Eier hatte und Manuel Neuer beim Elfmeterschießen den Vortritt ließ, meldete lauthals Ansprüche an. Hier war es einzig der Souveränität Löws geschuldet, dass aus Kroos‘ Vorpreschen keine Staatsaffäre wurde.
Kroos‘ Jammern wurde vom Bundestrainer auch gegen Griechenland nicht erhört. Dennoch wirbelte Löw die Startformation während dieser Euro erstmals gehörig durcheinander. Boateng ersetzte nach abgesessener Gelbsperre erwartungsgemäß wieder Lars Bender. Zudem kamen Reus für Müller, Schürrle für Podolski und Klose für Gomez zum Zug. Sehr zum Missfallen des Bundestrainers war dieses als Überraschung gedachte Wechselspiel bereits in den frühen Nachmittagsstunden am Spieltag publik geworden, so dass fortan die Suche nach dem Maulwurf auf der Agenda stand. Griechenland musste ohne seinen Kapitän Karagounis auskommen, der im entscheidenden Gruppenspiel gegen Russland wegen einer vermeintlichen Schwalbe zu Unrecht seine zweite Gelbe Karte gesehen hat.
Löws Schachzüge gingen von Beginn an auf. Die deutlich agilere deutsche Offensive zwang die Griechen von einer Verlegenheit in die nächste. Einzig die Chancenverwertung ließ zu wünschen übrig. In der 39. Minute schließlich war der Bann gebrochen. Lahm zog, ähnlich wie bei seinem Auftakttor gegen Costa Rica bei der WM 2006, nach innen und fasste sich ein Herz. 1:0, eines muss man dem Kapitän ja lassen. Wenn er trifft, dann meist in den wichtigen Spielen, wie zuletzt auch 2008 im Halbfinale gegen die Türkei.
10 Minuten nach der Pause passierte dann das, was es eigentlich zu vermeiden galt. Nach Ballverlust von Schürrle ging es ganz schnell, Samaras schloss den schulmäßigen Konter zum schmeichelhaften 1:1 ab. Deutschland schüttelte sich kurz und setzte die offensive Marschroute unvermindert fort. Die Folge: nur gute fünf Minuten später klingelte es erneut im griechischen Kasten durch einen wunderschönen Treffer „unseres“ Sami Khedira. Dadurch war der griechische Widerstand weitestgehend gebrochen. Klose und Reus legten noch nach, der Handelfmeter in der Schlussminute zum 4:2 war nur noch von statistischer Bedeutung.
Die Wechsel von Jogi Löw zahlten sich also voll aus, weshalb er in den Medien schon als „der Mann, der alles richtig macht“ gefeiert wurde. Leider aber zu viel der Vorschusslorbeeren, wie sich noch herausstellen sollte.
Deutschland hat also das Halbfinale gegen Italien erreicht, ein Team, das vor der Euro eher wenige auf dem Zettel hatten. Bezeichnend, dass fürs Halbfinale nur Teams aus den Gruppen B und C qualifiziert waren und die „Top-Gesetzten“ Gastgeber Ukraine und Polen sang- und klanglos in der Vorrunde ausschieden. Hier sollte sich die UEFA mal überlegen, ob es sportlich gerecht ist, Teams als Gruppenköpfe zu setzen, die in der Weltrangliste unter ferner liefen stehen, auch wenn sie Gastgeberländer sind.
Jetzt also gegen Italien, gegen das Deutschland noch nie ein Pflichtspiel gewonnen hat. Ich war sehr optimistisch, dass jetzt dafür die Zeit reif wäre. Deutschland trat sowohl auf als auch neben dem Platz mit breiter Brust auf, dass man sich kaum vorstellen konnte, dass irgendetwas schief gehen konnte. Dass die Italiener gegen England 120 Minuten gehen mussten und zwei Tage weniger Zeit hatte als Deutschland, betrachtete ich aber nicht als Vorteil Italien. Zwischen Sonntag und Donnerstag konnten sich auch die Italiener ausreichend regenerieren.
Thema der Woche war der Knöchel der Nation. Bastian Schweinsteiger gab in einem Zeitungsinterview erstmals zu, dass er sich um seinen Knöchel große Sorgen mache und der Kopf mehr möchte, als sein Körper derzeit zu leisten imstande ist. Seit seinem im Februar beim DFB-Pokalspiel beim VfB erlittenen Außenbandriss kam er nie richtig in den Rhythmus und spielte, wenn er denn spielte, mit Schmerzen. Das ein oder andere starke Spiel legt er ja hin, meist aber hinkt er den Ansprüchen gehörig hinterher, so auch zuletzt gegen Griechenland, als er von ihm nicht gewohnte Fehlpässe fabrizierte. Da aber zwischen den beiden Spielen wieder sechs Tage lagen und er in den letzten Trainingseinheiten wieder mit trainieren konnte, stand hinter seinem Einsatz auch kein Fragezeichen.
Vor dem Italien-Spiel hatte sich unser Maulwurf offensichtlich frei genommen. Schade eigentlich, vielleicht hätte Löw seine Aufstellung sonst noch einmal überdacht. Er brachte wieder Podolski für Schürrle und Gomez für Klose. Dazu noch völlig überraschend Kroos, der helfen sollte, das Zentrum zuzumachen, für den gegen Griechenland überragenden Reus.
Für mich waren alle Wechsel nicht nachvollziehbar. Podolski ist nach dem Kölner Abstieg nur noch ein Schatten früherer Tage und wirkt ausgelaugt von einer langen Saison. Von Kloses Einsatz gegen Griechenland profitierte vor allem Özil, der eine Anspielstation mehr zum kombinieren gehabt hatte. Daher erhoffte ich mir, dass Klose drin bleibt. Und ganz unverständlich: Kroos für Reus. Diese Maßnahme sah sehr nach „Reagieren“ aus anstatt mit einem Reus, von mir aus auch Müller, Druck zu erzeugen. Hinterher ist man natürlich immer schlauer, so waren die Maßnahmen der berühmte Griff ins Klo. Deutschland legte eine ansehnliche Anfangsphase hin und hätte früh in Führung gehen können, wenn Pirlo nicht auf der Linie geklärt hätte. Italien näherte sich dem deutschen Tor eher zaghaft und versuchte es mit Weitschüssen, die jedoch keine große Gefahr erzeugten. Es war sicher kein Zufall, dass das 0:1 aus deutscher Sicht über die linke Seite fiel. Kroos zog es als sog. Zentrumsspieler (zu) viel in die Mitte, weshalb seine Seite zu oft verwaist war. Cassano ließ Boateng und Hummels wie Schuljungen aussehen und kam zum flanken. Im Zentrum setzte sich Balotelli gegen Badstuber durch und köpfte unhaltbar für Neuer ein. Ausgerechnet das enfant terrible der Italiener, der in jedem Spiel eine tickende Zeitbombe ist, wurde eingeladen „Man of the Match“ zu werden. Denn auch beim 0:2 zeigte er seine Klasse, als er einen langen Ball Montolivos, nicht ernsthaft gehindert von Lahm, erlief und in die Maschen hämmerte. Damit war das Spiel so gut wie gelaufen. Gegen Italien einen Rückstand aufzuholen war schon seit eh und je schwer, so auch dieses Mal. Den Deutschen gelang es kaum, zwingend vor dem starken Buffon aufzutauchen, das Anschlusstor durch Özils Elfmeter fiel zu spät.
Das Finale 2012 lautet also Italien-Spanien, eine Ansetzung, die es schon als Gruppenspiel gab, übrigens war das eines der besseren Spiele der diesjährigen Euro, die fußballerisch mehr Magerkost als Leckerbissen bot. Viele Mannschaften traten äußerst defensiv an und suchten ihr Heil in überfallartigen Kontern. 2016 erwartet uns eine Europameisterschaft in Frankreich, erstmals aufgestockt auf 24 Mannschaften. So wird das Niveau weiter verwässert und die Gruppenphase fast bedeutungslos, wenn auch noch die vier besten Gruppendritten ins Achtelfinale einziehen.
Mit dem Auftreten der deutschen Mannschaft war ich weitestgehend zufrieden. Kritik an manchen Entscheidungen habe ich oben geäußert. Nach dem Halbfinale muss man dazu die Frage stellen, ob man nicht Schweinsteiger die nötige Pause einräumen hätte müssen. Er war gegen Italien der schwächste Mann auf dem Platz, guten Ersatz hätte man mit Bender, Gündogan oder auch Kroos zur Verfügung gehabt. Im Finale 2008 war für mich mitentscheidend für die Niederlage, dass man Ballack auf Teufel komm raus fitgespritzt hatte, er der Mannschaft aber letztendlich nicht helfen konnte. Dieses Mal also Schweinsteiger und wieder hatte man den Eindruck, der Gegner hätte einen Spieler mehr auf dem Platz. Dies kann man Jogi Löw ankreiden, dass er hier seinen Worten, dass er nur 100%ig fitte Spieler einsetzen würde, keine Taten folgen ließ. Solche Entscheidungen sollte Löw künftig alleine treffen und seinem Bauchgefühl folgen. Dass er nicht alles richtig gemacht hat, hat Löw in Interviews ja auch eingeräumt und auch die Verantwortung für die Niederlage übernommen.
Dass aber jetzt von einigen Medien, allen voran die mit den vier großen Buchstaben, der Rücktritt von Löw gefordert wird und das komplette Spielermaterial in Frage gestellt wird, dafür habe ich überhaupt kein Verständnis. Ich kann mir nach wie vor keinen besseren Trainer für die Nationalmannschaft vorstellen, der es versteht, wie kaum ein anderer, junge Leute ins Team einzubauen und ein super Klima zu schaffen. Wenn man ein Halbfinale eines großen Turniers erreicht hat, sind am Ende Nuancen oder die Tagesform entscheidend, die zum großen Wurf fehlen. Jetzt aber von Versagern zu sprechen halte ich für eine bodenlose Frechheit. Löw als erster wird sich in den Allerwertesten beißen, dass er für dieses Spiel einige falsche Entscheidungen getroffen hat. Für mich spielt die Nationalmannschaft weiter einen tollen Fußball, wenn man sich vor Augen führt, über welchen Rumpelfußball wir noch vor acht Jahren diskutiert haben. Die Mannschaft ist noch nicht am Ende ihrer Entwicklung, da ein riesen Reservoir an talentierten Spielern vorhanden ist. Der nächste, der mit Macht hinein drängt ist für mich Julian Draxler, der ja nur knapp aus dem Kader flog. Podolski wird Arsene Wenger bei Arsenal wieder in die Spur bringen und Reus wird bei Dortmund noch einen Sprung machen. Gegen Italien wurden die Schwächen auf der Rechtsverteidiger-Position und in der Innenverteidigung aufgedeckt. Hier haben wir noch das größte Steigerungspotential. Hummels ist für mich der Abwehrchef der Zukunft, Mertesacker und Badstuber sehe ich als Wackelkandidaten. Diese Vakanz sollte eigentlich unsere Innenverteidiger Schorsch Niedermeier und Serdar Tasci anspornen sich für höhere Weihen zu empfehlen. Bleiben also noch die Außenverteidiger, wo viel davon abhängt, welche Seite Lahm im Verein spielt. Sonst sehe ich uns hervorragend aufgestellt.
Ein weiterer Kritikpunkt, den ich in den letzten Tagen lese, ist, wir hätten zu viele „Weichspüler“ im Team und niemanden der in schlechten Phasen voran geht und dazwischen haut. Das können insbesondere Khedira und Schweinsteiger, wenn er denn fit ist. Auch Lahm vermag mal ein Zeichen zu setzen, siehe sein Tor gegen Griechenland. Was wird also erwartet? Wünscht man sich einen Typ van Bommel oder Jermaine Jones, der ständig am Rande des Platzverweises steht? Oder wünscht man sich einen Steffen Freund und Jens Jeremies zurück, die zwar fußballerisch limitiert waren, einem Gegner aber durch fieses Einsteigen oder versteckte Fouls den Schneid abkauften? Ich persönlich bin froh, dass wir inzwischen die meisten Situationen spielerisch lösen können und so in den letzten Jahren Gegner wie England, Argentinien, zwei Mal die Niederlande, Brasilien und Portugal geschlagen haben. Dass es gegen Italien nicht gereicht hat, mein Gott, so ist Fußball.
Unser ganzes Land trägt Trauer! Ja, das hängt womöglich damit zusammen, dass wir urplötzlich ein Volk von 80 Millionen Fußballfans sind. Schwarz-Rot-Geil! Ein Event über Wochen, ein Zusammengehörigkeitsgefühl, drei Wochen Party satt, in den Armen wildfremder Menschen feiernd! Dann, Niederlage gegen Italien, Party jäh gestoppt und plötzlich ist alles scheiße. Würden diejenigen, die jetzt am lautesten aufschreien, Bundesligaspieltag für Bundesligaspieltag ihrem Team hinterher reisen und mit der ein oder anderen bitteren Niederlage im Gepäck eine endlos lang erscheinende Strecke auch wieder zurückfahren müssen, dann würden sie möglicherweise verstehen lernen, dass auch Niederlagen zum Sport dazu gehören. Die Niederlage, wie sie zustande kam, war verdient, fertig, aus. Trotzdem verabschiedet sich Deutschland erhobenen Hauptes aus dem Turnier. Das kapieren hoffentlich auch möglichst bald die Boulevardmedien, ohne ein Trainer-Team aus dem Amt getrieben zu haben, für das es weit und breit keine Alternative gibt.
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26. Juni 2011
Heute möchte ich mich einmal einem VfB-fremden Thema widmen, das mich in den letzten Wochen und Monaten bewegt hat: der Umgang mit Michael Ballack in Teilen der Öffentlichkeit und durch den DFB, insbesondere von Joachim Löw.
Ich zählte mich während seiner Karriere auch stets zu seinen Kritikern, weil er oftmals, auch durch seine Spielweise, arrogant wirkte und in „großen“ Spielen zu oft untertauchte oder auch versagte, siehe sein Eigentor 2002 in Unterhaching. Ein Alpha-Tier, das dem Druck nicht gewachsen ist, war natürlich gerne ein gefundenes Fressen für seine zahlreichen Kritiker. Ein ewiger Zweiter, der sinnbildlicherweise auch noch die Nummer 13 auf seinem Trikot trug.
Dass er aber ein verdienter Nationalspieler ist, steht außer Zweifel. Neben Oliver Kahn war er bei der Weltmeisterschaft 2002 der tragische Held, der erst durch seine Tore das Viertel- und Halbfinale entschied und sich dann ganz in den Dienst der Mannschaft stellte, als er einen Fehler von Ramelow auf Kosten einer gelben Karte ausbügeln musste, die eine Sperre im Finale gegen Brasilien zur Folge hatte. Auch in den Folgejahren war er DAS Aushängeschild der Nationalmannschaft, nicht umsonst ernannte ihn Jürgen Klinsmann auf dem Weg zur WM 2006 im eigenen Land zum Capitano.
2008 dann war er für mich eher ein egoistischer Held, als er aufgrund einer verhärteten Wade fitgespritzt wurde und, von falschem Ehrgeiz getrieben, unbedingt das Finale gegen Spanien bestreiten wollte. Mit halber Kraft ist auch ein Ballack für das deutsche Team nichts wert, vor allem wenn es gegen die laufstarken Spanier geht. Da hätte Joachim Löw dazwischen hauen MÜSSEN, was er aber leider nicht getan hat. Zu allem Überfluss gab es nach dem Spiel noch auf dem Platz einen lautstarken Disput mit Nationalmannschafts-Manager Oliver Bierhoff, der schon damals atmosphärische Störungen rund um den Capitano vermuten ließ.
Kurz vor der WM 2010 dann bedeutete ein brutales Foul des Berliner Ghetto-Kindes Kevin-Prince Boateng das WM-Aus für Ballack, das Fußball-Deutschland zunächst einmal in eine Schockstarre versetzte. Ballack bekleidete ja nicht „nur“ die Schaltstation im Mittelfeld mit Bastian Schweinsteiger, nein, er war dazu noch der absolute Leader des Teams, nach ihm kam lange niemand in der teaminternen Hierarchie.
Mit der Vorbereitung auf die WM bekleidete dann Sami Khedira den Part neben Schweinsteiger, das Kapitänsamt übernahm Philipp Lahm. Khedira spielte sich überraschend schnell in der Stammelf fest und auch Lahm nahm die neue Führungsrolle gut an. Einige im Team wirkten wie befreit, dass der „Führungsstil“ liberaler wurde und noch junge, aber doch schon langjährige Nationalspieler, wie Schweinsteiger, Podolski, Lahm gingen mehr aus sich heraus. Dass die WM dann mit Platz 3 und großen Siegen gegen England und Argentinien sehr erfolgreich wurde, hatte die Folge, dass zunächst kein Hahn mehr nach Michael Ballack krähen würde. Lahm verkündete noch während der WM, dass er das Kapitänsamt nicht mehr freiwillig hergeben würde. Dies ließ die DFB-Führung und insbesondere der Trainerstab ebenso ungesühnt wie seinerzeit die Ohrfeige von Podolski gegen Michael Ballack in Wales. Dabei kam Lahm nicht etwa durch einen Rücktritt Ballacks oder eine Nichtnominierung aus Leistungsgründen an das Amt, sondern durch einen unverschuldeten Ausfall von Ballack, der einigen offensichtlich gut in die Karten gespielt hatte.
Schon damals stand eigentlich fest, dass es Michael Ballack schwer haben dürfte, wieder ins Team zurück zu kommen, zumal es derzeit ein riesen Reservoir an jungen potenziellen Nationalspielern gibt, die man jederzeit ins kalte Wasser werfen kann. Weshalb man aber nicht schon lang klärende Worte gesprochen hat und Ballack bis jetzt hingehalten hat, finde ich respektlos gegenüber Ballack. Die Entscheidung stand insgeheim, da bin ich mir sicher, schon bei der WM fest, dass Ballack keine Zukunft in der Nationalmannschaft mehr haben würde. Nachdem von Seiten des DFB ein Jahr lang nur herumgeeiert wurde und Ballacks Abschied noch nicht verkündet war, wäre spätestens zu den letzten 3 Länderspielen der Saison der richtige Zeitpunkt gewesen, Ballack, nach den Ausfällen von Schweinsteiger, Träsch und Khedira, nachzunominieren oder Klartext zu reden. Auch da hat sich Löw schön gewindet. Vermutlich war er schon zu viel mit seiner Duz-Freundin Merkel zusammen und weiß daher, wie es geht, Probleme einfach auszusitzen.
Ich hätte es mir gewünscht, dass man in der Nationalelf noch einmal feststellen hätte dürfen, ob Ballack das Team noch verstärken kann oder ob er doch mehr Belastung ist. Einen sportlichen Wettkampf hätte er verdient gehabt, nachdem ihn diese schwere Verletzung aus der Bahn geworfen hatte. In Österreich und Aserbaidschan hatte man im Übrigen auch gesehen, dass das Personal nach den ganzen Ausfällen sehr dünn war. Zuletzt ist ja sogar Lahm als „Sechser“ eingesprungen, nachdem auch noch der zuvor verletzte Khedira abgereist war. Spätestens hier hätte man einen Ballack gebrauchen können, statt dessen wurde in Höwedes ein Verteidiger nachnominiert.
Nun prescht Wochen später Herr Löw vor und verkündet das Ende der Nationalmannschaftskarriere von Michael Ballack in beiderseitigem Einvernehmen, welches es nach Aussagen Ballacks nie gab. Es steht natürlich Aussage gegen Aussage, doch wäre es nicht das erste Mal, dass Löw so mit verdienten Spielern umspringt.
Man darf gespannt sein, welche „Wahrheiten“ in nächster Zeit noch ans Tageslicht kommen und ob Becker, Ballack’s Berater, herausrückt, was es mit der Schwulen-Combo auf sich hat, die er vergangenen Sommer im Zusammenhang mit der Nationalmannschaft ins Gespräch brachte. Die letzte schmutzige Wäsche wird hier sicherlich noch nicht gewaschen sein.
Dass Ballack das angebotene 99. und letzte Länderspiel am 10. August als Farce abtut und es ablehnt ist nur konsequent. Solche Almosen hat ein Spieler, der 12 Jahre lang die Knochen für die Nation hingehalten hatte, nicht nötig. Ein Abschiedsspiel wird er sicherlich nach Beendigung der Karriere bekommen, dafür ist dann noch genügend Zeit.
Die vergangene Saison war für Ballack eine zum vergessen. Nach seiner schweren Verletzung kam er nie richtig in Tritt und musste sich, selbst wenn einsatzbereit, erst einmal hinten anstellen. Sein Arbeitszeugnis 2010/11 war wirklich kein Bewerbungsschreiben für weitere Einsätze in der Nationalelf. Auf der anderen Seite gab es auch in der Ära Löw genügend Fälle, die zeigten, dass eine gute Form und Stammspielersein im Verein nicht mehr Voraussetzung sind, um eine tragende Rolle in der Nationalmannschaft zu spielen.
Ich würde mich freuen, Ballack käme, jetzt ohne den Druck in Bezug auf ein mögliches Comeback in der Nationalmannschaft, noch einmal richtig auf die Beine. In der kommenden Saison kann er es allen noch einmal beweisen und ein wertvoller Spieler für Bayer Leverkusen sein. Es wäre ihm zu wünschen, dass er nicht nur als „tragischer Held“ in die Fußballannalen eingeht.
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11. Juli 2010
Die deutsche Nationalmannschaft beendet die Weltmeisterschaft in Südafrika auf Rang drei. Nach einem temporeichen Schlagabtausch gegen Uruguay setzte Khedira per Kopf den Schlusspunkt und drehte die Partie, in der die Südamerikaner zwischenzeitlich 2:1 geführt hatten. Thomas Müller und Jansen hatten für die weiteren Treffer einer aufopferungsvoll kämpfenden DFB-Auswahl gesorgt, die wie 2006 die Endrunde als Dritter abschließt.
Bundestrainer Joachim Löw gab im Vergleich zum 0:1 im Halbfinale gegen Spanien wegen dem Ausfall des eigentlich vorgesehenen Wiese (Schleimbeutelentzündung) Bayern-Schlussmann Butt für Stammkeeper Neuer Gelegenheit zu seinem ersten WM-Einsatz überhaupt. Er musste sowohl auf die grippekranken Lahm und Podolski als auch Klose (Rückenbeschwerden) verzichten und tat dies freiwillig in Bezug auf Trochowski (Bank). Aogo, Jansen, Müller nach abgelaufener Gelbsperre sowie Cacau rückten in die Startelf.
Uruguay Coach Oscar Tabarez brachte nach dem 2:3 gegen die Niederlande drei Neue: Kapitän Lugano hatte seine Kniebschwerden auskuriert, Fucile seine Gelb- und Suarez seine Rotsperre abgesessen. Gargano, Victorino und Alvaro Pereira nahmen auf der Bank Platz.
Trotz der vielen Änderungen im Team begann die DFB-Auswahl in Port Elizabeth beherzt und setzte Uruguay unter Druck. Dank Müller zappelte der Ball auch früh im Netz, doch der vermeintliche Torschütze stand zuvor im Abseits. Uruguay antwortete mit zwei Forlan-Freistößen, das deutsche Team behielt aber das Heft mit schnellem Direktspiel in der Hand. Glück hatte Uruguay in der zehnten Minute, als ein Friedrich-Kopfball nach einer Ecke am Querbalken landete.
Die Südamerikaner versuchten über Kampf ins Spiel zu finden, konnten die beiden Torjäger Forlan und Suarez – die bei Mertesacker und Friedrich zunächst gut aufgehoben waren – nicht entscheidend in Szene setzen. Deutschland trat weiter mutig auf, setzte mehr Akzente und wurde nach knapp 20 Minuten belohnt. Torwart Muslera ließ einen Schweinsteiger-Knaller aus 30 Metern nach vorne abprallen, Müller war mit seinem fünften Turniertor zur Stelle.
Die DFB-Elf hatte alles im Griff und ließ Uruguay nicht zur Entfaltung kommen. Die “Celeste” kam aber dennoch in der 28. Minute zum überraschenden Ausgleich. Perez luchste Schweinsteiger den Ball ab, die aufgerückte Abwehr wurde durch den Pass auf Suarez ausgehebelt. Der bediente Cavani – 1:1!
Bei strömendem Regen versuchte das Team von Joachim Löw in der Folge immer wieder über Özil das Spiel in die Spitze zu forcieren – ohne Erfolg. Gegen die bissige Defensive der Südamerikaner fehlten der finale Pass und das Durchsetzungsvermögen in den Zweikämpfen. So kreierte die DFB-Elf kaum Chancen und hatte Glück, dass Cavani nach einem Konter zu Unrecht zurückgepfiffen wurde (39.) und Suarez bei einem schnellen Gegenstoß den Ball frei vor Butt nicht im Tor unterbrachte (43.).
Unverändert ging es in die zweite Halbzeit, auch am Spiel selbst änderte sich wenig. Deutschland hatte ein optisches Übergewicht, fand aber nachwievor gegen die resoluten Uruguayer kein probates Mittel, um zu Torchancen zu kommen. Zu umständlich agierte die DFB-Elf, wie es gehen kann zeigte der Weltmeister von 1930 und 1950. Konnte Butt noch die Doppelchance durch Cavani und Suarez vereiteln, so war er bei Forlans Volley-Aufsetzer nach einer schönen Kombination machtlos (51.). Die Antwort ließ dank eines Fehlers von Muslera nicht lange auf sich warten. Jansen nickte eine weite Flanke Boatengs, die der Torwart unterlaufen hatte, zum 2:2 ins Tor (56.).
Es blieb ein offener Schlagabtausch. Beide Teams hielten das Tempo hoch und suchten die Entscheidung. Özil verdribbelte sich bei einem Konter (58.), Cacau hatte das Visier zu hoch eingestellt (71.) und Kießling scheiterte am gut reagierenden Muslera. Auf der anderen Seite musste Butt bei einem Schuss von Suarez ebenso sein ganzes Können aufbieten wie bei dem Versuch Forlans aus spitzem Winkel (65.).
In der 83. Minute landete der Ball dann doch im Tor – in dem der Tabarez-Elf! Nach einer Ecke brachte Uruguay den Ball nicht aus der Gefahrenzone, Khedira sorgte mit einer Kopfball-Bogenlampe für das 3:2 – die Entscheidung. Forlan setzte in der Nachspielzeit einen Freistoß zwar noch an die Latte, Deutschland ist aber letztlich verdienter WM-Dritter. Die DFB-Elf, die bei der Endrunde zu überzeugen wusste, bestreitet bereits am 11. August ein Freundschaftsspiel in Kopenhagen gegen Dänemark.
(kicker.de)
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7. Juli 2010
Am Mittwochabend kann das deutsche Team ab 20.30 Uhr den letzten Schritt in Richtung Finale der Weltmeisterschaft in Südafrika machen, mit einem Sieg über Spanien winkt der DFB-Auswahl der vierte Stern. Gut für Bundestrainer Joachim Löw, dass er gegen die Iberer bis auf den gelbgesperrten Thomas Müller auf alle Spieler zurückgreifen kann. Auch auf Sami Khedira und Arne Friedrich.
Die deutsche Nationalmannschaft hat sich am Dienstag auf den Weg nach Durban begeben, wo es am Mittwoch im Halbfinale der WM zur Neuauflage des EM-Endspiels gegen Spanien kommt. Nach den klaren Erfolgen gegen England (4:1) und Argentinien (4:0) strebt das DFB-Team mit einem Sieg gegen den Europameister das achte Mal in der deutschen Fußball-Geschichte ein WM-Endspiel an. “Wir haben in zwei Spielen gesehen, dass wir auch Teams schlagen können, die auf dem Papier besser sind”, geht Vize-Kapitän Bastian Schweinsteiger optimistisch in die Partie gegen die Del-Bosque-Elf.
Mit dabei: Khedira (Muskelverhärtung) und Friedrich (Oberschenkelprellung). Beide Defensivspezialisten haben ihre Verletzungen auskuriert und konnten am Dienstagabend das Abschlusstraining auf dem Platz der Northlands Primary School in Durban bestreiten. Joachim Löw standen somit alle Akteure des 23-köpfigen Kaders zur Verfügung. “Das Wichtigste ist, dass der Trainer auf alle Spieler zurückgreifen kann”, hatte Teammanager Oliver Bierhoff mitgeteilt – abgesehen von Müller.
Bei der Übungseinheit durften die Reporter nur das Aufwärmen der Akteure beobachten. Die restliche Trainingseinheit fand wie üblich unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt.
In der anschließenden Pressekonferenz unterstrich Löw noch einmal, dass für ihn “Spanien die am besten organisierte Mannschaft ist”. Für den Bundestrainer sind die Iberer die Mannschaft, “die am wenigsten Fehler macht”. Er will mit seiner Elf gegen den Europameister “nicht bewusst defensiver spielen”. Löw ist sich bewusst, dass man “die Spanier nicht komplett aus dem Spiel nehmen kann”, sieht die Chance aber darin, “weiter auch nach vorne zu spielen”.
In Bezug auf Cacau (Bauchmuskelzerrung) gab sich Löw bedingt zuversichtlich: “Er hat das Abschlusstraining normal mitgemacht, wird jedoch nach dem Training von unserer medizinischen Abteilung nochmal untersucht.” Die Stimmung im Team, merkt er an, “sei nicht überschwänglich. Ich sehe Konzentration, spüre, dass wir mehr wollen. Das Ziel kann nur sein, das Spiel zu gewinnen.”
Die von Philipp Lahm angestoßene öffentlich geführte Diskussion um das Kapitänsamt lässt Löw indes kalt: “Das berührt uns hier überhaupt nicht. Natürlich macht es ihm Spaß, Verantwortung zu übernehmen, und natürlich würde er sie gerne auch weiter übernehmen. Jeder kann hier seine Meinung sagen, und das ist die Meinung von Philipp.” Allerdings stellte der Bundestrainer auch klar: “Natürlich weiß Philipp, dass der Trainer diese Entscheidung übernehmen wird, und das wird nach der WM geschehen.”
(kicker.de)
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5. Juli 2010
Das beste Deutschland aller Zeiten?!
Die größten DFB-Teams hatten immer jeweils ein herausragendes Merkmal. Das aktuelle nicht. Sein Erfolg hat viele Facetten. Ist es jetzt schon besser als Beckenbauer und Co.? Wenn man derzeit über die deutsche Nationalmannschaft nachzudenken beginnt, wird man schnell stutzig und auch ein bisschen verwirrt. Wenn sich der Nebel dann allmählich lichtet und man die beiden letzten Meisterwerke und überhaupt das gesamte WM-Turnier Revue passieren lässt, dann hat man plötzlich sie im Sinn: Gerd Müller und Günter Netzer. Wie sie sich durch die Schweizer Abwehr brillieren, Hacke Müller, Spannstoß Netzer, Tor. Das schönste des Jahres 1972. Es war jenes magische Jahr, das aus den frisch gekürten Europameistern die Mannschaft des Jahrhunderts machte.
Mit Maier, Beckenbauer, Breitner, Overath, Netzer, Müller. Und die zwei Jahre später auch Weltmeister werden sollte. Den schönsten und nebenbei auch erfolgreichsten Fußball aller Zeiten hat Deutschland mit dieser Mannschaft gespielt. Gleichzeitig Welt- und Europameister war eine DFB-Auswahl seither nie mehr. Aber jetzt gibt es tatsächlich eine Gruppe, die der Mystik der 70er-Helden ihren Geist austreiben kann. Oder vielleicht schon ausgetrieben hat. Denn noch nie wurde Deutschland außerhalb seiner Grenzen so viel Respekt und Beifall entgegengebracht. Für das Spektakel waren bisher fast immer andere zuständig, Deutschland beschränkte sich zumeist auf den Gewinn der Titel. Jetzt entbrennt eine hitzige Diskussion, ob diese neue deutsche Nationalmannschaft tatsächlich schon besser sein kann als ihre erfolgreichen Vorgänger, zu denen sicherlich auch die Mannschaften von 1990 und 1996 zu zählen sind. Jede dieser Mannschaften hatte eine besonders herausstechende Eigenschaft. Das Team um Beckenbauer war die spielerisch beste bis zur laufenden WM, die 90er Weltmeister um Lothar Matthäus hatten die größte Dynamik, Berti Vogts’ Europameister die größte Willensstärke. Aber selbst in diesen Paradedisziplinen kann ihnen Joachim Löws Truppe zumindest das Wasser reichen.
Das neue System:
Die Mannschaft hat eine feste Spielidee. Angriff als erste Option, ohne dabei aber die Grundlagen in der Defensivarbeit zu vergessen. Löw hat sich seit zwei Jahren seinen Stamm von Spielern ausgesucht, die nicht unbedingt die Besten der letzten Saison waren, sondern am besten in das Kollektiv und auf den für sie vorgesehenen Platz passen. Dafür gab es reichlich Kritik, selbst von Trainerkollegen aus der Liga, die ja eigentlich wissen sollten, dass Form jederzeit Klasse schlagen kann – sofern ein durchdachter Plan dahinter steckt. Vor zwei Jahren war das 4-4-2 mit Doppel-Sechs das bevorzugte Spielsystem. Über das 4-5-1 ging es fließend in das derzeitige 4-2-3-1 über, das deutlich offensiver ausgerichtet ist. Das ursprüngliche System bleibt als Schablone zurück, die man jederzeit falls nötig über die Mannschaft stülpen könnte. “Eine Rückkehr zum 4-4-2 ist immer eine Option”, sagt Löw. Auch wenn er vom erfolgreichen System derzeit bei der WM wohl ziemlich sicher nicht mehr abrücken wird. Deutschland ist flexibel, kann auf den anstehenden Gegner reagieren und auf bestimmte Spielsituationen.
Das Offensivspiel:
Seit Jürgen Klinsmann pflegt Deutschland einen anderen Stil. Allerdings war das Klinsmann-Credo noch sehr auf überfallartiges Attackieren ausgelegt – so sehr, dass ihn seine eigenen Spieler einige Male zügeln mussten, nicht zu naiv-offensiv in ein Spiel zu gehen. Löw hat schon damals die Hauptarbeit im Hintergrund gemacht und die Dinge im Laufe seiner vierjährigen Amtszeit verfeinert. Vor allem die letzten Monate waren von ganz entscheidender Bedeutung. Deutschland spielt einen präzisen, ausgeklügelten Ball. Ohne große Hektik, dafür mit jeder Menge Variationen und Kreativität. “Fußball ist ein Kopfspiel”, sagt Bayern-Trainer Louis van Gaal. Vom Niederländer scheint sich Löw in der Erschaffung und Umsetzung seiner Idee jede Menge abgeschaut zu haben. In fünf WM-Spielen hat die DFB-Elf jetzt 13 Tore erzielt, dreimal dabei vier in einem Spiel. Lediglich die Mannschaft der 70er Jahre kann der Offensivpower der heutigen Mannschaft noch das Wasser reichen. Sonst gab es in der jüngeren Geschichte keine Mannschaft, die offensiv stärker gewesen wäre.
Die Harmonie im Team:
Nach Michael Ballacks Verletzung entstand schnell ein kaum zu schließendes Machtvakuum innerhalb der Mannschaft. Die Hierarchie, die sich seit mehr als acht Jahren um Ballack herum aufgebaut hatte, krachte in sich zusammen. Die Kapitänsfrage war schnell geklärt, wenn auch mit einigen Nebengeräuschen. Aber schnell war erkennbar, dass diese Mannschaft gar keinen großen Anführer mehr braucht. Ihr reichen die fünf kleinen, “halben” Anführer aus dem Mannschaftsrat, die mehr Demokratie zulassen und mehr auf Augenhöhe mit den vielen jungen Spielern agieren, als es zuvor der Fall war. Die Älteren wurden schon Wochen vor dem Turnier nicht müde, den ausgezeichneten Zusammenhalt und die Chemie innerhalb des Kaders zu loben. Die Mannschaft von 1996 und vielleicht auch die von 1990 hatten einen ähnlichen Teamgeist – angesichts der sehr ungewöhnlichen Freizeitverhältnisse in der Einöde des Velmore Grand Hotels im südafrikanischen Niemandsland aber eine außergewöhnliche Leistung.
Das Trainerteam:
Löw hatte als Chef einige sehr brenzlige Situationen zu überstehen seit der EM 2008. Zuerst der Streit mit Ballack und Frings, die Demission Kuranyis, Ärger mit der Liga, die andauernden Personaldiskussionen und zuletzt die geplatzte vorzeitige Vertragsverlängerung. Aber er hat sich durchgesetzt, ist seinen Weg gegangen. Löw hat enorm dazugelernt in den letzten Jahren, auch im Bezug auf seinen Trainings- und Coaching-Stil. Die Mannschaft scheint auf den Punkt topfit, die Trainingssteuerung der Fitnesscoaches sitzt. Dazu kommen die Analysen von Urs Siegenthaler, der den kommenden Gegner in zahllosen kleinen Häppchen serviert und Löw sich davon in Absprache die wichtigsten Details herauspickt. In der Gesamtheit hatte der DFB nie mehr seiner so genannten Funktionäre und ein größeres Funktionsteam bei einem Endturnier dabei. Die vielen Aufwendungen scheinen sich aber bezahlt zu machen. Zumal auch hier ein Rad ins andere greift.
Die Einzelspieler:
Um es kurz zu machen: Bastian Schweinsteiger ist auf dem besten Weg, der Spieler des Turniers zu werden. Kein anderer leitet seine Mannschaft wie der Münchener, kein Xavi, kein Gerrard, kein Messi, kein Lucio. Dazu kommen in den WM-Neulingen Mesut Özil und Thomas Müller zwei Kandidaten für den besten Nachwuchsspieler des Turniers. Müller dürfte die Wahl bei sieben Scorerpunkten aus fünf Spielen längst gewonnen haben. Eine Umfrage des größten südafrikanischen Sportsenders Supersport sieht derzeit Müller mit großen Vorsprung vor Özil. Danach kommen Ayew (Ghana), Suarez (Uruguay) und dos Santos (Mexiko). Natürlich gab es ähnliche Ehrungen früher noch nicht. Der letzte, der als der wertvollste Spieler einer WM ausgelobt wurde, war Matthäus 1990. Der hatte da noch den jungen Klinsmann als aufstrebenden Star an seiner Seite.
Die Perspektive:
Auf der letzten Pressekonferenz vor dem Auftaktspiel gegen Australien machte Löw ein bisschen den Eindruck, als würde er die Mannschaft quasi schon vorbeugend für kommende Turniere groß reden. Es hörte sich so an, als würde der Bundestrainer über einen Perspektivkader reden, dem ab der EM 2012 ganz sicher die Zukunft gehöre – dann aber wohl eher nicht mehr unter seiner Regie. Jetzt schickt sich der Perspektivkader an, Weltmeister zu werden. Die jüngste DFB-Auswahl seit 76 Jahren steht in der Tat vor einer großen Zukunft. Aber wenn die Chance schon mal da ist… Verglichen mit den anderen großen deutschen Mannschaften wird dieses Team wohl noch einige Jahre mit demselben Stamm zusammenspielen können. Was das Deutschland aus 2010 aber noch von seinen Vorgängern unterscheidet: Dieses Team hat noch nichts gewonnen. Und erst Titel machen aus talentierten Mannschaften große Mannschaften.
(spox.com)
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