19. Oktober 2018
Getreu dem Motto „neue Besen kehren gut“ wechselte der VfB letzte Woche mal wieder den Trainer. Rechnet man die 2-Tage-Interims-Lösung Andy Hinkel hinzu, wird Markus Weinzierl mein 45. (!) Trainer, seit ich im Herbst 1974 erstmals bei einem VfB-Spiel live dabei gewesen bin. Zwischen dem 09.11.1974 und dem 09.10.2018 liegen exakt 16.041 Tage, was eine durchschnittliche Verweildauer eines VfB-Trainers von 356 Tagen ergibt.
Gab es früher noch so etwas wie Kontinuität auf der Manager- und Präsidentenebene, die an „ihren“ Trainern etwas länger festhielten, haben wir in den letzten Jahren auch auf diesen Posten eine enorme Fluktuation.
Ob es daran liegt, dass sich jeder Sportdirektor und jeder Präsident am liebsten seinen Mann holt und alles was im Verein gut und teuer war über den Haufen wirft, oder ob es doch die Generation Gentner ist, die die Trainer schneller schafft als sie gucken können, lässt sich schwer sagen.
Fakt ist, dass Weinzierl Gentners zehnter (!) Trainer ist, den er in jenen fünf Jahren, in denen er die Kapitänsbinde trägt, erlebt. Ein weiterer Unterschied zu früher ist, dass keine echten Kerle mehr in der Mannschaft sind, die Probleme auch mal von innen lösen.
Früher gab es, wenn es die sportliche Situation erforderte, Mannschaftsabende ohne Trainer und Offizielle, bei denen sich der Frust von der Seele gesoffen wurde und Probleme offen angesprochen wurden. Bei der heutigen Warmduscher-Generation undenkbar, dass da einmal einer die Initiative ergreift, wo es doch so viel einfacher und bequemer ist, Dienst nach Vorschrift zu machen. Da verkriecht man sich dann lieber vor seine Playstation oder in den Schmollwinkel und ist sich bewusst, dass sich dieses Problem schon irgendwie von selbst löst. Was kann einem Profi auch schon passieren, sein Geld bekommt er sowieso, ob er Egomane ist oder sich einbringt, ob er sich täglich den Allerwertesten aufreißt oder lustlos über den Trainingsplatz schleicht, ob er wie ein Profi lebt oder ständig um die Häuser zieht.
Das Einzige, was passieren kann, ist, dass man eine Weile außen vor ist, womit sich die Vereine jedoch dann ins eigene Fleisch schneiden. Zum einen fehlt unter Umständen ein Leistungsträger, der auf dem Platz eine wichtige Rolle hätte einnehmen sollen, zum anderen verliert der Spieler an Marktwert und verlässt, zur Belohnung für sein schäbiges Verhalten, ablösefrei den Verein, um sich vom nächsten mit reichlich Handgeld überschütten lassen zu dürfen.
Daher kann und wird es sich kaum ein Verein leisten, Stinkstiefel, rigoros auszusortieren und wechselt im Zweifel lieber den Trainer. Vielleicht schafft es ja dann der Neue, die Laune wieder anzuheben und jene Prozent herauszukitzeln, die einige Spieler dem Vorgänger verweigerten.
Eine traurige Entwicklung, aber, so lang die Vereine keine Handhabe gegen Leistungsverweigerung und mangelnde Identifikation mit dem Verein haben, so lang man die Transferrechte verliert, wenn man einen Spieler vor die Tür setzt, so lang braucht man über die kurze Dauer von Trainerengagements nicht zu lamentieren.
Da brauchen jetzt auch keine Trainerkollegen Korkuts von oben herab dessen Entlassung und die mangelnde Geduld des VfB kritisieren, schon gar nicht einer wie Dieter Hecking, der seinerzeit den Club wegen höherer Verdienstmöglichkeiten bei Wolfsburg mitten in der Saison und Hals über Kopf verließ. Auch unter Trainern ist das Söldnertum verbreitet, nur eben nicht ganz so ausgeprägt wie bei den Herren Profis.
Wenn ein Physiotherapeut wie Gerhard Wörn in der Bild-Zeitung zitiert wird, dass er nach Trainerwechseln stets am meisten zu tun habe, weil alle engagiert zur Sache gehen würden, ist das ein Armutszeugnis für Fußball-Profis, die dem Verein und uns Fans verpflichtet sein sollten. Zwischen den Zeilen heißt das doch, dass sie es so lang schleifen lassen, bis sie erlöst werden, was nur als vereinsschädigend bezeichnet werden kann.
Mich kotzt diese Generation von Arbeitsverweigerern mehr und mehr an, einfach weil das Wohl und Leid der Vereine in ihre Hände gelegt wird und man als Fan machtlos ist und nur auf das Gute im Profi hoffen kann. Es gibt sie zwar immer noch, die Musterprofis, die dazu noch bereit sind, Verantwortung zu übernehmen, doch scheinen sie mehr und mehr zu einer aussterbenden Spezies zu gehören.
Das Lamentieren über den Ist-Zustand des Profifußballs hat jedoch nichts mit der Korkut-Entlassung zu tun. Ich bin nicht derart an Korkut gehangen, als dass ich ihm eine Träne nachweinen würde. Er hat meinen Respekt für die geile Rückrunde, mehr aber auch nicht. Wie unbelehrbar er sich zuletzt gegeben hat, wie langweilig seine Pressekonferenzen war, welch grottenschlechten Fußball unter ihm gespielt wurde wird wohl von seiner Amtszeit hängenbleiben.
Was in der Mannschaft zwischen dem furiosen Saisonfinale in München und der Pokalpleite in Rostock vorgefallen ist, weshalb das Team in der bisherigen Saison alles vermissen ließ, was ein paar Monate vorher noch grandios gemacht wurde, lässt sich von außen schwer beurteilen. Fakt ist, dass auch damals die Auftritte meist unansehnlich waren, aber mit höchster Konzentration als Team agiert wurde und man das Quäntchen Glück auf seiner Seite hatte.
Obwohl Korkut größtenteils auf die Spieler der erfolgreichen Vorrunde setzte, musste der eine oder andere wegen der Neuzugänge um seinen Platz bangen. Ist es das, dass sich die Etablierten wieder einmal dem Konkurrenzkampf zu verschließen versuchten und es den Neuen so schwer wie nur möglich machten? Ist es, wie es „Zimbo“ Zimmermann kürzlich meinte, dass man zwar Qualität hinzu geholt, jedoch Mentalität abgegeben hätte?
Jedenfalls stehen wir nun, nur achteinhalb Monate nach der Wolf-Entlassung, erneut vor einem Scherbenhaufen und einem neuerlichen Neuanfang.
Die Ausgliederungsbefürworter, die sich von der damals exzellenten Aufstiegsstimmung leiten ließen und großes Vertrauen in Schindelmeiser/ Wolf setzten, dürften sich inzwischen vor den Kopf gestoßen fühlen, hat sich doch seither, wie von den Kritikern befürchtet, rein gar nichts geändert.
Meine Hoffnung auf etwas mehr Kontinuität und Ruhe im Verein wurde mit der Schindelmeiser-Entlassung begraben. Nach Schindelmeisers Entlassung war es auch um Hannes Wolf geschehen. Ab diesem Zeitpunkt war es nur noch eine Frage der Zeit, wann er die Nase voll haben und den Bettel hinschmeißen würde.
Die beiden waren die Gesichter des Aufstiegs und hätten Gesichter einer neuen Epoche sein können. Dass Korkut und Reschke dann der totale Gegenentwurf zu diesen Menschenfängern sind, zeugt nicht von Überzeugung und schon gar nicht von einer Strategie. Es wird in den Tag hinein gelebt, man reagiert und agiert nicht. Es ist nicht förderlich, stets während der Saison den Trainer zu wechseln, wenn man nehmen muss, was man kriegt und die Auswahl reichlich begrenzt ist. Den sauberen Schnitt im Sommer hat man wieder einmal versäumt.
Auch wenn Wolfgang Dietrich kürzlich bei Sport im Dritten die Trennung von Jan Schindelmeiser erneut verteidigte und als alternativlos beschrieb, ist mir diese noch immer nicht plausibel. Dies von oben herab zu bedeuten und jegliche Kritik daran wegwischen zu wollen, zeugt für mich von wenig Stil. Gerade weil Schindelmeiser DAS Gesicht der Ausgliederungs-Werbeveranstaltungen war, man immer wieder betonte, wie gut man doch jetzt personell aufgestellt sei und welcher Plan dahinter steckte, wirft die Entlassung, die zum damaligen Zeitpunkt vermutlich schon festgestanden hat, auf Dietrich ein schlechtes Licht. Dass die Entscheidung in Aufsichtsrat und Vorstand einstimmig ausgefallen sein soll, ändert für mich nichts an dem faden Beigeschmack daran.
Als Vereinsmitglied habe ich großes Interesse daran, den wahren Grund für seine Demission zu erfahren, einfach um ihn besser zu verstehen und nicht weiter darauf herumreiten zu müssen.
Was ich immer nur heraushöre war, dass Schindelmeiser lieber im stillen Kämmerlein gearbeitet habe und seine Vorstandskollegen nicht über jeden Zwischenstand seiner Vorhaben informiert habe.
Das allein fände ich überhaupt nicht verwerflich, weiß man doch, wie viele „Maulwürfe“ sich immer mal wieder auf dem Vereinsgelände tummelten, die ein schlechtes Bild nach außen abgaben und zudem anstehende Deals gefährdeten.
Dass man mit seiner Kaderplanung für die Bundesliga nicht einverstanden gewesen sei, scheint eher zweitrangig gewesen zu sein, sollen die Risse doch schon lang vorher bestanden haben. Zudem war es ja noch mitten in der Transferperiode, so dass keiner weiß, wie Schindelmeisers Kader am 31.08. ausgesehen hätte.
Bei außergewöhnlichen Rechtsgeschäften wird auch ein Jan Schindelmeiser gezwungen gewesen sein, sich das OK seiner Kollegen im Vorstand einzuholen, so dass ich einfach nicht verstehe, was genau das Problem war.
Sollten gravierendere Gründe vorgelegen haben, die eine Trennung (zu diesem ungünstigen Zeitpunkt) unausweichlich gemacht haben, müssen diese meiner Meinung nach auf den Tisch, um ein Stück Glaubwürdigkeit zurück erlangen zu können.
Wie weit es die Herren im sowieso verlogenen Bundesligageschäft mit der Wahrheit halten, führte uns Schindelmeiser-Nachfolger Reschke in der letzten Woche schonungslos vor Augen.
Als Notlüge war es für Reschke legitim, nach dem Hannover-Spiel eine Korkut-Entlassung ins Reich der Fabel zu verweisen, um ihm am nächsten Morgen den Arschtritt zu verpassen.
Jener Reschke, der direkt nach seinem Amtsantritt die Fan- und Mitglieder-Schar, die nach der Abkehr vom Jugendstil, vorsichtig ausgedrückt, irritiert war, als „ahnungslose Vollidioten“ betitelte, dachte sich wohl dabei, diesen Vollidioten alles erzählen zu können und dass sie, da sie ja Vollidioten sind, auch nichts hinterfragen würden. Als Kind wurde mir eingetrichtert, „wer einmal lügt, dem glaubt man nicht“, wer weiß, vielleicht ging ja dieser Kelch an Reschke vorüber. Da passt es ins Bild, dass Zorc dieser Tage Reschke widersprach (oder auch der Lüge bezichtigte), als dieser behauptete 12 Millionen Euro für Bruun-Larsen geboten zu haben.
Es ist bei weitem nicht so, dass ich die Korkut-Entlassung an sich kritisiere, im Gegenteil, für mich kam sie viel zu spät. Dass man Korkut direkt nach der so erfolgreichen Rückrunde, trotz berechtigter Zweifel, ob er in der Lage sein würde, mehr zu sein als ein Feuerwehrmann, nicht direkt den Laufpass gab, dafür habe ich ja noch Verständnis.
Weshalb man aber ohne Not den ohnehin für die laufende Saison gültigen Vertrag frühzeitig verlängerte, versteht wohl kein Mensch. Bei allem Respekt für Tayfun Korkut, er ist beileibe kein Trainer, bei dem man Angst haben musste, dass er von einem anderen Verein abgeworben wird. Man hätte die Entwicklung abwarten und sich im Winter zusammensetzen müssen, ob eine weitere Zusammenarbeit Sinn macht.
Inwieweit Korkut bei der Kaderzusammenstellung mitwirken durfte, erschließt sich mir auch nicht. Offensichtlich konnte Korkut mit dem an Qualität verbesserten Kader wenig bis überhaupt nichts anfangen und schaffte es nicht, ein gutes Arbeitsklima zu schaffen. Schnell traten Grüppchen zutage, hier die Alten, dort die Jungen. Die Mischung, die Korkut aufs Feld schickte, stimmte nie. War das Setzen auf Stabilität mit möglichst wenig Rotation in der Rückrunde noch ein probates Mittel, war es nun Gift, um alle bei Laune zu halten.
Zudem übertrieb es Korkut mit den Defensivspielern bei seinen Aufstellungen wie zum Schluss auch Hannes Wolf, so dass es früh klar wurde, dass die Ära Korkut nicht von langer Haltbarkeit geprägt sein würde.
Spätestens nach dem Bayern-Spiel hätte Korkut entlassen gehört. Zuvor wurde immerhin schon beim Drittligisten Hansa Rostock und bei Mainz 05 verloren.
Dann kamen die Bayern, gegen die man oft mit der Ansetzung haderte, wenn wir sie zu einem Zeitpunkt bekamen, in denen sie voll im Saft standen. Erfahrungsgemäß haben die Bayern in Saisons nach einer Weltmeisterschaft Motivations- und Startprobleme, erstrecht, wenn die Spieler nach einer derart verkorksten WM zurückkehren und einigen erst so richtig bewusst wird, dass es wohl die allerletzte Chance war, noch einmal Weltmeister zu werden.
Selbstredend wäre es auch unter diesen Umständen eine Überraschung gewesen, gegen sie zu punkten, obwohl sich die Bayern im Pokal beim Underdog aus Drochtersen nur mit dem knappsten aller Resultate durchsetzten und beim Auftaktsieg gegen Hoffenheim auf Schiedsrichter-Hilfe angewiesen waren, also auch bei ihnen bei weitem noch nicht alles rund lief.
Unverwundbar wären sie also nicht gewesen, umso unverständlicher, dass Korkut eine Hasenfuß-Taktik ausgab und es schon gar nicht versuchte, den Bayern weh zu tun.
Dabei hätte das 1:4 zum Saisonfinale doch Mut machen müssen. Wie leicht die hoch verteidigende und in die Jahre gekommene Bayern-Verteidigung zu überspielen ist, führten wir ja nicht exklusiv vor. Nach dem selben Strickmuster schnappte sich die Frankfurter Eintracht den Pokalsieg und rannte die deutsche Nationalelf bei der WM in Russland ins Verderben.
Wenn man aber gerade einmal zwei Offensivkräfte aufbietet und den normalerweise verschmähten Anastasios Donis ohne Unterstützung systematisch verheizt, disqualifiziert man sich selbst. Null Eckbälle, null Torschüsse vom VfB, wohl selten in der Bundesligahistorie fuhren die Bayern einen ungefährdeteren Sieg ein als jenen vom ersten September.
Eine Entlassung schon zu diesem Zeitpunkt (optimal, da ebenfalls vor einer Länderspielpause) hätte den Start des neuen Trainers erleichtert, standen damals die Spiele in Freiburg, gegen Düsseldorf und in Hannover noch bevor, aus denen mehr als mickrige zwei Pünktchen hätten herausspringen müssen.
So startet Weinzierl mit dem Rucksack, gleich gegen Tabellenführer Borussia Dortmund und beim Championsleague-Teilnehmer Hoffenheim beginnen zu müssen, was die Gefahr eines Fehlstarts und des Verpuffens der Aufbruchsstimmung in sich birgt.
Mit Markus Weinzierl als neuem Trainer kann ich gut leben (o. k., mir bleibt auch nichts anderes übrig). Meine Lieblings-Lösung hätte zwar Ralph Hasenhüttl geheißen, doch war dieser von Anfang an ziemlich unrealistisch. Er wird nach seiner Zeit bei Redbull auf den nächsten finanzstarken Verein warten und sich nicht darauf einlassen, beim VfB kleinere Brötchen backen zu müssen und den Schritt zurück zu gehen.
Gerechnet hatte ich mit Roger Schmidt, da sich Reschke ja gerne Personalien von Leverkusen aufschwatzen lässt. Dieser war wohl nicht von heute auf morgen aus China loszueisen (oder wollte nicht auf Gehalt verzichten), so dass es eben Markus Weinzierl geworden ist.
Weinzierl war vor seinem Engagement auf Schalke einer der am heißesten gehandelten Namen auf dem Trainermarkt, weil er sowohl in Regensburg als auch in Augsburg Beachtliches geleistet und den FCA gar in die Europa League geführt hatte.
Bei beiden Vereinen waren allerdings die Erwartungen nicht sonderlich groß und ein ruhiges Arbeiten in einem unaufgeregten Umfeld möglich. Selbst als der FC Augsburg vor sechs Jahren zur Winterpause mit neun Punkten da stand, hielt man am Trainer fest, was sich letzten Endes als richtig erwies, jedoch völlig untypisch ist im so hektisch gewordenen Bundesliga-Geschäft.
Schalke war da schon eine andere Hausnummer. Weinzierl scheiterte dort und musste bereits nach einem Jahr Platz für Ex-VfB-Jugendtrainer Domenico Tedesco machen.
Auf Schalke soll er nicht gerade der Lieblings-Trainer von Dennis Aogo und Holger Badstuber gewesen sein, schauen wir mal, ob sie sich beim VfB zusammenraufen. Eric Thommy kennt Weinzierl noch aus Augsburg und Christian Gentner über deren gemeinsamen Berater. Zweifel, dass diese Konstellation Interessenskonflikte hervorrufen könnte, versuchte Weinzierl schon bei seinem Amtsantritt zu zerstreuen.
Ich bin da skeptisch und nach wie vor der Auffassung, dass ein Sven Ulreich nur deshalb so lang (bzw. überhaupt) im VfB-Tor gestanden hat und Christian Gentner diese (Führungs-)Rolle beim VfB nur deshalb einnehmen konnte, weil seinerzeit Fredi Bobic das Sagen hatte und dessen bester Freund und Geschäftspartner Jürgen Schwab war.
Ich hoffe, dass unter Weinzierl endlich das Leistungsprinzip einkehren wird und er die Spieler nach ihrem derzeitigen Leistungsstand und nicht wegen vermeintlicher früherer Verdienste um den Verein aufstellen wird.
Der Verdacht liegt nahe, dass es einmal mehr die Alten waren, die Korkut die Gefolgschaft verweigerten.
Die Clique um Beck, Aogo und Gentner soll es gewesen sein, die Hannes Wolf stürzte, dieselben waren sich ihres Platzes unter Korkut nun wohl auch nicht mehr so sicher oder rebellierten, siehe Gentner in Rostock, wenn sie einmal auf der Bank Platz nehmen mussten. Korkut ging dann den Weg des vermeintlich geringsten Widerstands, indem er eine überalterte Truppe auf den Platz schickte, anstatt sich mit ihnen wegen eventueller Nichtberücksichtigung auseinandersetzen zu müssen. Erst ab dem Spiel in Leipzig, als die Dinge bereits ihren Lauf nahmen, verjüngte er die Startelf und brachte in Maffeo, Borna Sosa und Thommy drei unverbrauchte Kräfte, was allerdings auch der englischen Woche geschuldet gewesen sein könnte.
Die Aufstellung für das Spiel in Hannover schließlich war dann, analog zu Wolfs letzter, nicht anders zu verstehen, als die Bitte um seinen Rausschmiss.
Wie man derart destruktiv eingestellt in ein Spiel beim Tabellenletzten, versehen mit der schwächsten Offensive der Liga, gehen kann, ist mir auch heute noch ein Rätsel.
Durch den Trainerwechsel fallen die Alibis der Spieler weg, wir kennen das ja. Schon im Frühjahr warteten Spieler wie Aogo und Gentner plötzlich mit Leistungen auf, die, wenn sie sie schon vorher gebracht hätten, Hannes Wolf wohl nicht zur Aufgabe bewogen hätten.
Daher ist auch jetzt wieder zu befürchten, dass sie sich am Riemen reißen und fein raus sind, wenn sie die so leicht zu verstehenden und väterlich vorgetragenen Ansprachen Weinzierls in den Himmel loben.
Es ist zu wünschen, dass sich Weinzierl nicht verbiegen lässt und den längst fälligen Umbruch endlich einleitet und vor allem einleiten darf. Zorniger und Wolf, die die alten Hierarchien in Frage stellten und das Team runderneuern wollten, wurden von der Mannschaft kläglich im Stich gelassen und erfuhren schließlich auch keine Unterstützung „von oben“.
Ein Gentner wirkt schon die komplette Saison lang körperlich nicht fit und sollte nicht länger auf dem Flügel „geparkt“ werden, nur weil die Zentrale durch aggressivere und handlungsschnellere Spieler besetzt ist. Auf dem Flügel, ich kann es mir nicht anders erklären, wird er nur deshalb eingesetzt, weil ein Gentner eben immer spielen muss, für mich spielen wir so de facto mit einem Mann weniger.
Holger Badstuber tut mir Leid, weil er nach zwei haarsträubenden Fehlern lange außen vor war und seitdem nur noch verunsichert wirkt. Er geht offensiv an die Probleme heran und stellt sich auf seiner Facebook-Seite der Kritik.
Schade, dass diese vor allem von VfB-Fans meist beleidigend ausfällt und ihm noch immer vorgeworfen wird, dass er gerne zu einem Verein gewechselt wäre, der Championsleague spielt. Mir ist ein ehrgeiziger Spieler allemal lieber als ein Kapitän Gentner, der nach Mainz fährt und ausspricht, dort müsse man nicht unbedingt gewinnen. Das ist genau die Mentalität des Mit-zu-wenig-Zufriedenseins, die die Ära Gentner prägte.
Zudem sei noch einmal gesagt, dass Badstuber und der VfB letzte Saison nur einen Einjahresvertrag abgeschlossen hatten und es somit beiderseits legitim war, sich nach Alternativen umzuschauen. Jetzt, nachdem sich Badstuber ganz klar für den VfB entschieden und einen Dreijahresvertrag unterzeichnet hat, gab er ein klares Bekenntnis zum VfB ab und dürfte einen Teufel tun, sich gleich wieder vom Acker zu machen, selbst dann, sollte ein besseres Angebot ins Haus flattern.
Wenn er jedoch weiterhin permanent beleidigt und niedergemacht wird, braucht sich keiner zu wundern, sollte er doch um die Freigabe bitten. Bezeichnend auf den sozialen Netzwerken ist, dass es hauptsächlich Bayern-Fans sind, die ihn aufmuntern und ihm nachtrauern. Schon allein die Tatsache, dass man sich bei den erfolgsverwöhnten Bayern nach einem wie ihm sehnt, sollte verdeutlichen, zu was Badstuber fähig ist, wenn er in Topform ist.
Aogo (weshalb eigentlich wurde Mangala abgegeben?) und Beck rechtfertigten ihre Einsätze in dieser Saison noch überhaupt nicht, Castro scheint noch seine Rolle zu suchen und noch nicht richtig angekommen zu sein.
Castro wird den Anspruch an sich selbst haben, Führungsspieler sein und beim VfB eine tragende Rolle übernehmen zu wollen. Ohne wirklich Ahnung vom Innenleben der Truppe zu haben, kann ich es mir auch hier wieder vorstellen, dass es Kräfte im Team gibt, die das zu verhindern versuchen, weil sie um ihren eigenen Status fürchten. Solche Grabenkämpfe müssen Sportdirektor und Trainer vehement bekämpfen und mit aller Härte dazwischen grätschen, da sie äußerst vereinsschädigend und für mich zudem die Wurzel allen Übels der letzten Jahre sind. Von Castro verspreche ich mir mehr, als das was er bislang zeigen konnte.
Daniel Didavi hat ebenfalls einen schweren Stand seit seiner Rückkehr. Nach dem kollektiv schwachen Auftritt in Rostock war er das erste Bauernopfer Korkuts, indem er im darauffolgenden Spiel aus der Mannschaft flog. Seither hat er Schwierigkeiten richtig Fuß zu fassen und ist zudem (mal wieder) verletzungsgeplagt.
Auch von ihm verspreche ich mir sehr viel mehr. Vielleicht gelingt es Weinzierl als eine seiner ersten Amtshandlungen, sofern er fürs Dortmund-Spiel fit wird, Dida stark zu machen und vor allem die Position spielen zu lassen, die ihm am besten liegt, nämlich hinter den Spitzen.
Es wäre nicht Didavis erstes Comeback gegen Dortmund, 2014 kehrte er nach über einjähriger Verletzungspause gegen den BVB überraschend zurück und machte ein starkes Spiel, auch wenn dieses nach 2:0-Führung noch mit 2:3 verloren ging.
Ron-Robert Zielers Rolle im Team kann ich von außen ebenfalls schwer einschätzen. Gehört auch er zu der Clique, die Trainerwechsel durch ihre „Leistung“ auf dem Platz zu beschleunigen versuchen? War es Zufall, dass Zieler durch seine Patzer in Mainz zu Beginn der vergangenen Rückrunde Wolfs Demission maßgeblich mit beeinflusste? Waren es zuletzt in Freiburg, Leipzig und gegen Bremen zufällige Aussetzer oder welche mit Ansage? Ich halte ihn eigentlich für einen großartigen Rückhalt, weshalb mir die auffällig vielen Fehler in letzter Zeit etwas rätselhaft sind.
Insúa musste zuletzt für Borna Sosa weichen. In Freiburg spielte er eine sehr gute zweite Halbzeit, gegen Düsseldorf, wie viele andere auch, sehr durchwachsen, danach saß er draußen. Mit besonderem psychologischem Geschick war Tayfun Korkut nicht gesegnet, siehe Didavi, siehe auch Insúa.
Grundsätzlich begrüße ich es ja, wenn Talenten wie Borna Sosa keine Alten vorgesetzt werden und dadurch die Wahrscheinlichkeit erhöht ist, dass sie nicht die Lust verlieren und zugleich ihren Marktwert steigern, aber, Insúa halte ich für wichtig fürs Team.
Zum einen steckt seine ständig gute Laune an, zum anderen ist er ein wichtiger Integrator für Ascacibar und Gonzalez. Anhand dieser Faktoren und dem Umstand, dass seine Leistung selten unterirdisch ist und er sich nie hängen lässt, würde ich einen wie ihn nicht so schnell aus dem Team verbannen und Borna Sosa lieber auf der linken Außenbahn sehen, um zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen zu haben.
Bliebe noch Mario Gomez, DER Lebensversicherung der letzten Rückrunde. Gegen Bremen machte er ein bärenstarkes Spiel und setzte mehrere Male uneigennützig Gonzalez in Szene, der dann so unglücklich scheiterte. Er ist einer, der sich (nach Anlaufproblemen) aufopferungsvoll in den Dienst der Mannschaft stellt und sich auch nicht zu schade dafür ist, nach hinten zu arbeiten. Jedoch täte ihm die eine oder andere Anspielstation mehr vorne gut, so dass er nicht ständig gegen eine zahlenmäßige Übermacht von Abwehrspielern ankämpfen muss.
Ich bin gespannt darauf, wie Weinzierls Ausrichtung am Samstag gegen den Spitzenreiter aussehen wird. Nach Trainerwechseln ist die Truppe stets eine gewaltige Wundertüte. Da sich das Team bislang weit unter Wert geschlagen hat, ist von einem „weiter so“ bis zu einer wahren Leistungsexplosion alles im Bereich des Möglichen.
Dieser abgezockten Spezies Fußballprofi nehme ich nicht einmal mehr die so viel beschworene allgemeine Verunsicherung nach den ganzen Negativresultaten ab. Jetzt, wo die Alibis weggefallen sind und sich wieder einzig und allein alles auf sie fokussiert, wird es sich keiner mehr leisten können, nur mit halber Kraft aufzutreten und den Nebenmann links liegen zu lassen. Wir werden eine Einheit auf dem Platz sehen, da bin ich mir relativ sicher. Ob es dann reicht gegen den, vor allem in der Offensive, so vorzüglich besetzten BVB, werden wir sehen.
Mein Optimismus was bessere Spiele und bessere Ergebnisse betrifft kehrt langsam zurück, wenngleich ich dann einen umso größeren Groll auf die Spieler schiebe. Nach Trainerwechseln, die auch für mich längst Routine sind, kann ich mich über die ersten Erfolgserlebnisse nie so richtig freuen, zu sehr steckt noch der Ärger über die Spieler in mir, dass sie es überhaupt so weit haben kommen lassen und lediglich durch Handauflegen des neuen Trainers neue Energien freigesetzt wurden. An diesen Scheiß glaube ich nicht, es liegt einzig und allein am Willen und der Einstellung dieser kickenden Millionäre und da bin ich noch immer so naiv, dies von ihnen an JEDEM ihrer Tage beim VfB zu erwarten.
Korkut ist sicher einer der Trainer, denen ich am wenigsten hinterhertrauere und doch waren es einmal mehr die Spieler, die durch mangelndes Engagement und haarsträubende Leichtsinnsfehler den Trainerwechsel erst nötig gemacht haben.
Nachdem diese Saison fast schon wieder abgehakt werden muss, ehe sie richtig begonnen hat, es nur noch wenig zu erreichen und umso mehr zu verhindern gibt, wächst natürlich auch der Druck auf Reschke. Seine Außendarstellung (und damit die des VfB!) ist nach wie vor eine Katastrophe. Sollte eines Tages auch Weinzierl beim Team nicht mehr wohlgelitten sein und in naher Zukunft „mein“ Trainer Nummer 46 vor der Tür stehen, dürfte die Luft für Reschke langsam dünn werden.
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18. September 2018
Nach dem (O-Ton Reschke) schwierigen Auftaktprogramm mit Niederlagen im DFB-Pokal bei Hansa Rostock (dümpelt im Mittelfeld der 3. Liga) sowie in der Liga bei Angstgegner Mainz 05 und gegen die Münchner Bayern, sollte die Saison für den VfB mit Verspätung am 3. Spieltag beginnen.
Mit gleichlautenden Durchhalteparolen wurden wir in die Länderspielpause entlassen, ähnlich ist die Herangehensweise jetzt, nach dem Unentschieden in Freiburg und vor dem Heimspiel gegen Aufsteiger Fortuna Düsseldorf.
Korkut nennt es, gegen Düsseldorf den nächsten Schritt machen, während ich mich indes frage, welchen Schritt man denn im Breisgau getan hat. Eine katastrophale erste Halbzeit, in der es lediglich der Freiburger Abschlussschwäche zu verdanken war, dass wir nicht zur Pause hoffnungslos zurück lagen? War das ein Schritt zur Besserung? War es ein Schritt nach vorn, sich von eben diesen abschlussschwachen Freiburgern trotzdem drei Tore einschenken zu lassen?
Ich unterstelle einfach mal, dass es im weiteren Saisonverlauf nicht mehr sehr viele Teams geben wird, gegen die die Freiburger drei Tore schießen werden. War es ein Schritt nach vorn, es mit derselben destruktiven Ausrichtung wie gegen die Bayern zu versuchen? Nachdem gegen die Bayern schon mit Bekanntgabe der Aufstellung die weiße Fahne geschwenkt wurde, war die Hoffnung gegeben, dass Korkut gegen den ebenfalls noch punktlosen Abstiegskandidaten Freiburg vom Angsthasenfußball abrücken und mutiger agieren lassen würde.
Doch, nichts da, in Gonzalez und Gomez standen abermals ganze zwei Offensivkräfte zum Anpfiff auf dem Feld. Unser Spiel sollten doch tatsächlich über außen Castro und Gentner sowie zentral Aogo ankurbeln. Alles eher defensiv denkende Routiniers, jenseits der Dreißig und nicht (mehr) die Allerschnellsten.
Etwas, mit Verlaub gesagt, verarscht kommt man sich dann vor, wenn Korkut nach dem Spiel feststellt, dem VfB-Spiel habe die Schnelligkeit gefehlt. Schicke ich einen Traktor ins Formel 1-Rennen muss ich davon ausgehen, nicht hinterher zu kommen und vor allem, dass die Musik vorne ohne mich spielt.
Fast folgerichtig dauerte es gerade einmal 47 Sekunden, bis man dem Rückstand hinterherlaufen musste. Nach schlampigem Ballverlust von Gonzalez und weil Gentner den falschen Laufweg wählte und damit Gonzalez erst richtig in die Bredouille brachte (bevor sich jemand beschwert, weil ich unseren Capitano kritisiere – das hat Didi Hamann bei Sky so analysiert) ging es zu schnell für die Jungs vom Neckar.
An diesem Rückstand hatte der VfB lang zu knabbern und vermochte offensiv keinerlei Akzente zu setzen. Wie auch, wenn man hauptsächlich Spieler auf dem Feld hat, die den gepflegten Rückpass bevorzugen, anstatt das Spiel schnell zu machen und Überraschungsmomente zu schaffen. Korkut hatte sich vercoacht und riesiges Glück, dass die Freiburger aus der Stuttgarter Schwäche kein weiteres Kapital schlagen konnten. Dass der Ausgleich kurz vor dem Pausenpfiff der allererste Torschuss in der ersten Halbzeit war, spricht Bände.
Der Fußball in der Rückrunde war ebenso unansehnlich, aber, doch wenigstens erfolgreich. Damals galten für Korkut mildernde Umstände, musste er doch mit dem Spielermaterial auskommen, welches ihm gegeben war und musste er der über weite Strecken der Vorrunde (vor allem auswärts) verunsicherten Mannschaft Halt geben und sie ohne besondere Erwartungshaltung „einfach nur“ stabilisieren.
Mit Beginn der Vorbereitung aber haben sich die Vorzeichen geändert. Korkut durfte, so unterstelle ich es einfach mal, beim einen oder anderen Transfer mitreden, hätte Abgänge von Spielern, mit denen er nichts anfangen kann, forcieren können und hatte vor allem den Kader, manch einer spricht vom stärksten seit 2007, so früh beisammen, wie kaum einer seiner Vorgänger.
Da nach knapp zwei Monaten Vorbereitungszeit die Spiele aussehen, als würden die Jungs zum ersten Mal miteinander kicken und der Trainer mit unserem durchaus vorhandenen Potential nichts anzufangen weiß, bestätigt das den Ruf, der Korkut bei seiner Präsentation vorauseilte, nämlich dass er kein Trainer sei, der ein Team (weiter-)entwickeln könne.
In Freiburg retteten ihm Insúa mit einem Sonntagsschuss sowie Doppeltorschütze Mario Gomez den Allerwertesten. Die ersten VfB-Tore in dieser Saison überhaupt, die wohl gegen eine weniger naiv verteidigende Mannschaft so nicht fallen.
Dass man sich dann selbst nach zweimaliger Führung noch die Butter vom Brot nehmen ließ, ist völlig unverständlich. Freiburg erweckte nicht gerade den Eindruck, noch ein Tor machen zu können. Es war auch beileibe nicht so, dass man sich eines Sturmlaufs zu erwehren gehabt hätte und dennoch wechselte Korkut eine Viertelstunde vor Schluss defensiv und brachte Badstuber für Gentner.
Dadurch gab Korkut himself den Freiburgern das Signal für deren Schlussoffensive, anstatt mit einem schnellen Mann wie Donis auf die Entscheidung zu drängen.
Die Quittung in Form des Ausgleichs ließ nicht lange auf sich warten und war aufgrund des Spielverlaufs verdient. In einem von Fehlern auf beiden Seiten gespickten Spiel machte beim VfB dieses Mal Ron-Robert Zieler eine ganz unglückliche Figur. An guten Tagen lässt er wohl keinen der drei Schüsse rein! Zwei Tore in die kurze Ecke und ein Freistoßtor, bei dem die Mauer nicht gut genug gestellt war. Einen ähnlich schwarzen Tag erwischte Zieler zu Beginn der letzten Rückrunde in Mainz. Dieser hatte ihn nicht umgeworfen, wurde er danach doch der fast unüberwindbare Rückhalt, so dass ich guter Hoffnung bin, dass er auch dieses Mal darüber hinweg kommen wird.
Mario Gomez echauffierte sich über den Freistoßpfiff, was ich nicht ganz nachvollziehen kann. Andreas Beck lag auf dem Boden und wollte den Freistoß für sich bekommen. Diesem Wunsch verlieh er Nachdruck, indem er den Ball in die Hand nahm, ohne, dass der Schiedsrichter gepfiffen hatte. Eigentlich lernt man das in der E-Jugend, dass das Spiel erst unterbrochen ist, wenn der Schiedsrichter gepfiffen hat… Zwar ärgerlich in diesem Fall, doch, lamentieren hilft nicht weiter. Aus solchen Aussagen spricht die Unzufriedenheit über die Gesamtsituation, liest man zwischen den Zeilen.
Ein Remis ist in unserer Lage zum Sterben zu viel, zum Leben zu wenig. Natürlich ist es noch früh in der Saison, natürlich werden wir die Punkte für den Klassenerhalt noch früh genug eingefahren und doch weigere ich mich, in diese Allgemeinphrasendrescherei einzustimmen.
Punkte, die wir jetzt verschenk(t)en sind unwiederbringlich weg, ebenso wie das Pokal-Aus nicht mehr zu korrigieren ist. Sollte uns, dann (vermutlich wieder mit einem anderen Übungsleiter an der Seitenlinie) ein ähnlich formidabler Zwischen- oder Schlussspurt gelingen wie zum Ende der letzten Rückrunde, nach der uns gerade noch vier Punkte von einem Championsleague-Platz trennten, sind es gerade jene Punkte, denen wir nachtrauern werden.
Beklagt man sich seitens der Vereinsführung und der Spieler jetzt bereits über die Erwartungshaltung und erklärt Gegner wie Freiburg und Düsseldorf zu welchen auf Augenhöhe, gibt man Korkut und dem Team schon jetzt ein wunderbares Alibi, sich weiterhin nicht gerade überanstrengen zu müssen. Platz 15 dürfte auch mit halber Kraft zu erreichen sein.
In solchen Momenten und nach solchen Vorstellungen wünschte ich mir MV zurück, der rechtzeitig Alarm geschlagen und es nicht einfach so weiterlaufen lassen hätte.
Das zweite Jahr in der Bundesliga ist das schwerste, sagt man. Allerdings, für Vereine wie Hannover und den VfB, oder auch Köln und den HSV, sollten sie direkt wieder aufsteigen, gelten andere Maßstäbe als für Düsseldorf und Nürnberg.
Langjährige Bundesligisten sollten den Zweitligaaufenthalt zur Konsolidierung nutzen, sich von Altlasten befreien und mit neuer Stärke zurückkommen. Die Voraussetzungen beim VfB sind gegeben. Der Kader wurde hoffnungsvoll verstärkt, das Umfeld ist euphorisch, jetzt muss „nur“ noch der Trainer mitsamt seines Teams liefern.
Ich sehe den VfB schon jetzt am Scheideweg. Die Gefahr ist vorhanden, nicht nur die Anhängerschaft sondern auch einige Spieler zu vergraulen. Hatte man im Sommer seit langem mal wieder den Eindruck, der VfB sei wieder wer auf dem Transfermarkt und könne hoch gehandelte Talente zum VfB locken, weil man ihnen eine Perspektive aufzeigt, hier das optimale Umfeld für den nächsten Schritt vorzufinden, scheint sich das schon wieder ins Gegenteil umzuschlagen, worüber der eine oder andere sicherlich „not amused“ sein dürfte.
Spaß macht es den Jungs, wenn sie eingesetzt werden und herzerfrischenden Fußball spielen dürfen und nicht, wenn stets der Ältere den Vorzug erhält und ein Fußball gespielt wird, der nicht gerade vergnügungssteuerpflichtig ist.
Neuzugänge wie Maffeo und Borna Sosa brauchen Spielpraxis, um sich zu integrieren und ihrem Tatendrang freien Lauf zu lassen. Sind sie (zu) lange außen vor, werden sie resignieren, vor allem, wenn sie zur Kenntnis nehmen, dass sie sich zwar hinter Älteren, nicht unbedingt aber Besseren anstellen müssen.
Spieler wie Akolo, Thommy und Anastasios Donis müssen sich vor den Kopf gestoßen fühlen, wenn man im Sommer noch beteuert, man setze auf ihre Dienste und man im Ernstfall nicht den Mut aufbringt, sie Älteren vorzuziehen. Donis gegen die Bayern als einzige (fitte) Offensivkraft zu verheizen und der Meute, die ihn vehement forderte, damit verdeutlichen zu wollen, dass er doch nicht der Heilsbringer ist, ist Verarsche pur.
Dass der VfB im Juni völlig unnötig Tayfun Korkut’s Vertrag verlängerte, könnte uns bald teuer zu stehen kommen. Ich kann es mir nicht vorstellen, dass Korkuts Angsthasenfußball auf Dauer akzeptiert werden wird. Zudem scheint mir der Trainer gerade den Weg des geringsten Widerstands zu gehen, indem er sich mit den „Alten“ besser nicht anlegen möchte. Ob sie es ihm danken oder wann sie den Daumen gegen den Trainer senken, wir werden sehen!
Die von Vereinsseite stets angeprangerte überzogene Erwartungshaltung des VfB-Umfeldes kann ich nicht bestätigen. Kaum einer erwartet das Erreichen der Championsleague oder der Europaleague. Wenn das europäische Geschäft Folge einer geilen Serie sein sollte, nimmt man es zwar gerne mit, das hängt dann aber maßgeblich von der Konstanz oder Inkonstanz der Konkurrenz ab.
Was man jedoch erwarten können muss, ist, dass das vorhandene Potential ausgeschöpft wird und man bestrebt ist, ansehnlichen Fußball darzubieten. Wer ständig Hashtags nach dem Motto #wirsinddiegeilsten raus haut und mittels #jazumerfolg die Profiabteilung ausgliedert, darf sich nicht wundern, wenn die Erwartungshaltung steigt, und man sich mehr verspricht, als einen Punkt nach drei Spielen.
Wie dick das Band zwischen Korkut und Reschke, der ihn trotz großer Widerstände geholt halt, ist, wird sich zeigen, sollte gegen Fortuna Düsseldorf nicht gewonnen werden. Ich erwarte ein äußerst unangenehmes Spiel, wie fast immer, wenn es gegen Mannschaften geht, die Friedhelm Funkel betreut. Düsseldorf, als Abstiegskandidat Nummer eins gehandelt, ist achtbar in die Saison gestartet und hat bereits drei Punkte mehr auf dem Konto als der VfB. Ausgemusterte VfB-Profis wie Marcin Kaminski, Jean Zimmer und „Zimbo“ Zimmermann drücken den Rheinländern den Stempel auf, so dass man ihnen diesen Lauf fast schon gönnt.
Dies jedoch nicht am Freitag, da muss dem VfB der Befreiungsschlag gelingen, um den Saisonstart nicht völlig in den Sand zu setzen und einen ungemütlichen Herbst zu verleben. Bleiben die Ergebnisse weiterhin aus, sollte Reschke Korkut Ratschläge in Sachen Taktik geben, hat ja schließlich bei Hannes Wolf schon bestens funktioniert!
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28. August 2018
Der VfB verlor zum Saisonauftakt zuerst in Rostock, dann in Mainz und setzte fast schon traditionell den Saisonstart in den Sand.
Das Reiten auf einer Euphoriewelle ist nicht die Sache des VfB. Die fabelhafte Rückrunde, auf dem Papier ordentliche Transfers, die Rückkehr Benjamin Pavards als Weltmeister und eine harmonisch anmutende Vorbereitung ließen den gemeinen VfB-Fan seit Monaten mit einem Dauergrinsen durch die Gegend spazieren und von deutlich besseren Zeiten träumen, als wir sie im letzten Jahrzehnt zu durchleiden hatten.
Reschke bedeutete bereits, der VfB werde „nichts groß“ mit dem Abstiegskampf zu tun haben, was im Umkehrschluss ja nur bedeuten kann, Europa wir kommen. Das klassische Mittelfeld gibt es in der Bundesliga nicht mehr, wer nicht gegen den Abstieg spielt, spielt um Europa.
Der VfB wäre aber nicht der VfB, wenn er einen positiven Trend fortsetzen und die (Korkut-/ Reschke-)Kritiker endgültig verstummen lassen würde.
Das letzte halbe Jahr war für die VfB-Anhänger fast schon surreal, es gab nichts, aber auch überhaupt nichts zu bruddeln. Es war zwar nicht alles Gold, was glänzte, doch, entscheidend ist auf dem Platz, die Ergebnisse stimmten, also hatte der Trainer alles richtig gemacht. Die Spiele waren nicht immer ansehnlich, auch die immer gleichen Aufstellungen stießen hier und da sauer auf, aber, Korkut brachte das Glück zurück, so dass es wirklich nichts zu meckern gab. Die unberücksichtigten Reservisten ordneten sich unter und hielten, zumindest nach außen, ihren Mund und selbst die Rehawelt-Dauerpatienten Ginczek und Badstuber warf nichts mehr um.
Das Vertrauen in Korkut wuchs also, so dass die Hoffnung groß war, den Rückenwind in die neue Saison hinüber retten zu können.
Wie schon mehrmals auf dieser Plattform geschrieben, beurteile ich einen Trainer erst abschließend, wenn er mindestens eine Vorbereitung eigenverantwortlich durchgeführt hat und auch bei Personalentscheidungen ein Wörtchen mitreden durfte.
In der Rückrunde konnte Korkut nur gewinnen. Sein Ruf war ramponiert, erwartet wurde von ihm lediglich der Klassenerhalt. Zudem spielte ihm in die Karten, dass die Wintertransfers Thommy und Gomez saßen und die älteren Spieler, die Hannes Wolf wohl auf dem Gewissen hatten, bereit waren, für „den Neuen“ durchs Feuer zu gehen. Nicht zuletzt dürfte Korkut bis zum Saisonende auch von Hannes Wolfs Grundlagenarbeit profitiert haben, wäre ein solcher Schlussspurt doch nicht möglich gewesen, wenn im konditionellen Bereich geschludert worden wäre.
Das Wie war im vergangenen Jahr völlig egal, nur die Ergebnisse und der Abstand zu den Abstiegsplätzen zählten. Das Zauberwort hieß Stabilität, weshalb sich Korkut vor allzu großen Wechseln in der Anfangsformation scheute und gut und gerne mit zwölf, dreizehn Spielern ausgekommen wäre.
Nun haben sich die Voraussetzungen drastisch geändert. Früh, wie selten ein Trainer, hatte Korkut das Team beisammen. Der Kader liest sich auf dem Papier hervorragend, manch einer spricht vom besten seit 2007. Dass es bei dieser Fülle an Akteuren, die ihrem Selbstverständnis nach alle Stammspieler sein wollen, ein Hauen und Stechen um die begehrten Plätze geben würde, war vorauszusehen.
Korkuts Aufgabe bestand und besteht darin, dem Team (s)eine Spielphilosophie und Variabilität einzuimpfen und die Jungs auf den Ernstfall vorzubereiten. Dass es bei einem Kader von zwanzig potentiellen Stammspielern an jedem Wochenende Härtefälle geben wird, ist klar. Der Trainer muss diese moderieren und darauf hinwirken, dass alle an einem Strang ziehen.
Von einem echten Teamgeist erkenne ich in den ersten Wochen noch nichts. Noch scheint es in der Truppe nicht zu stimmen, wenn bereits nach zwei Spielen gemeckert wird, weil man einmal draußen saß und wenn die Nerven, verfolgt man die sozialen Netzwerke, blank zu liegen scheinen. Bis nächsten Freitag wäre noch Zeit, etwaige Stinkstiefel auszusortieren und im Kader nachzujustieren (wie es Michael Reschke formulierte).
Dass es in den ersten beiden Spielen auf dem Rasen weder spielerisch noch menschlich zusammenpasste, sah man. Es war kein Aufbäumen, kein sich helfen erkennbar und auch Trainer Korkut schien keinen Plan B in der Tasche zu haben, wie die stets positionsgetreuen Wechsel verdeutlichen. Die lange Phase des Trainierens, sich Findens und sich Einspielens hat offensichtlich (noch) keine Früchte getragen. Diesen Saisonstart hatte man sich wahrlich anders vorgestellt.
Seit Wochen stand für mich fest, dass ein erfolgreicher Auftakt in Rostock Signalwirkung für die kommenden Spiele haben würde.
Dass es leichtere und dankbarere Lose gegeben hätte, als über 830 Kilometer weit zu einem ambitionierten Drittligisten reisen zu müssen, der schon vier Ligaspiele absolviert hatte und demnach im Gegensatz zum VfB wusste, wo er steht, war klar.
Dass es im Kessel brodelt, wenn Ost auf West trifft und, wie man weiß, Schwaben im Nordosten Deutschlands nicht sehr wohlgelitten sind, war selbst jedem Fan klar, der sich mit der Reise und etwaigen Sicherheitsüberlegungen auseinandergesetzt hatte.
Ob Tayfun Korkut dem Team diese zu erwartenden äußeren Umstände vermittelt hat, weiß ich nicht. Jedenfalls ließ das Team nach einer ersten Chance durch Mario Gomez in der 3. Minute alles vermissen, was nötig gewesen wäre, sich gegen das frühe Aus zu stemmen.
Mit Hacke, Spitze, eins, zwei drei und ständigem Lamentieren, wenn einem ein Rostocker „aus Versehen“ mal auf den Fuß getreten ist, nimmt man den Kampf jedenfalls nicht an. Das alarmierende an diesem Pokal-Aus war, dass der VfB nicht nur in puncto Einstellung unterlegen war, sondern auch kein Klassenunterschied zu erkennen war. Die Statistiker zählten 4:26 „Torschüsse“, bei denen der Torhüter der Gastgeber nicht einmal ernsthaft eingreifen musste. Man vermisste Genauigkeit und Durchschlagskraft!
Mich nervt es extrem, dass das Pokalausscheiden und ein schlechter Ligastart auch noch kleingeredet werden. Das Pokal-Aus ist unumstößlich und nicht mehr gutzumachen. Viele tun dies mit „ist ja nur Pokal“ ab, ich nicht. Für den Verein ist der DFB-Pokal ein äußerst lukrativer Wettbewerb und DIE Chance sich in sieben Spielen für den Europapokal zu qualifizieren. Für uns Fans bieten vor allem die ersten Runden, wenn es nicht gerade gegen einen Bundesligisten geht, schöne Fahrten zu neuen und interessanten Grounds im sonst recht monotonen Bundesligaalltag.
Nichtsdestotrotz hätte ich nächstes Jahr gegen ein näheres Ziel nichts einzuwenden. Die Losfee meinte es in den letzten Jahren nicht besonders gut mit uns, mussten wir doch auch schon nach Cottbus, Kiel, zwei Mal Babelsberg und Lüneburg reisen.
Dagegen waren Homburg und Bochum zwischendurch echte Kurzstrecken dagegen. Doch, die Auslosung ist kein Wunschkonzert, so dass sich vor Rostock nicht die Frage des Ob sondern nur des Wie stellte.
Eine reine Busfahrt, hin- und gleich wieder zurück, schied aus, schließlich ist man(n) keine zwanzig mehr. Nach dem Abwägen mehrerer Optionen stieß ich auf eine Ostseekreuzfahrt ab Warnemünde (keine 15 km vom Ostseestadion entfernt) mit Rückkehr am Spieltag um 8 Uhr, was mir perfekt erschien und sich auch als perfekt erwies.
Rostock scheint prädestiniert zu sein für Anreisen der außergewöhnlichen Art, weshalb ich eine kleine Anekdote von anno dazumal erzählen möchte:
Bereits 1996, als ich zum ersten Mal im Ostseestadion war, zu Zeiten des magischen Dreiecks also, waren wir mit geliehenen DB-Netzkarten 1. Klasse unterwegs und gefühlt das gesamte Wochenende in irgendwelchen Zügen.
Als sich auf der Hinfahrt auf dem letzten Teilstück zwischen Lübeck und Rostock ein Herr zu uns ins Abteil gesellte und eifrig mit „kicker“-Statistiken und ausgedruckten Excel-Tabellen hantierte, fragten wir ihn, ob er denn beruflich mit dem Spiel zu tun hätte, was er bejahte. Es war der NDR3-Hörfunkreporter der guten alten Samstagskonferenz!
Er bot uns an, uns mit zum Spiel zu nehmen, da ihn ein Kollege am Bahnhof erwartete und sie nur zu zweit seien, was wir dankend annehmen, waren wir doch unsicher, was uns, in voller VfB-Montur, dort zu erwarten hätte.
So wurden wir also standesgemäß am damaligen Marathontor des Ostseestadions abgesetzt und fragten unseren neuen Freund zum Abschied noch nach seinem Namen, um seinen weiteren Werdegang verfolgen zu können. Es war Kai Dittmann, mittlerweile deutschlandweit bekannt als Sky-Reporter.
Das Spiel endete übrigens 2:2 nach 2:0-Führung (Tore: Bobic, Balakov). Akpoborie erzielte den Anschlusstreffer, weil unser Ösi Franz Wohlfahrt daneben griff, O-Ton Wohlfahrt: „da hat ein Maulwurf rausgschaut“.
Doch, zurück zur Neuzeit: Der VfB hat also in Rostock die erste Titelchance verschenkt und kaum einen schien das fürchterlich aufzuregen. Da verstehe ich die Welt nicht mehr.
Auch die Niederlage in Mainz schmerzt, läuft man doch von Anfang an einem Rückstand hinterher und setzt sich damit unnötig unter Druck. Die einkalkulierte Niederlage gegen Bayern vorausgesetzt dürfte es bereits nach zwei Spieltagen unruhig am Neckar werden.
Der VfB hätte es sich einfacher machen können. Die Hürden in Rostock (am Wochenende zuhause 0:4 gegen Kickers Würzburg) und Mainz waren nicht gerade unüberwindbar. Im Gegenteil, mit dem Rückenwind der Vorsaison hätte man so richtig durchstarten können. Doch, das VfB-Gen scheint es in sich zu haben, dass dem Team erst das Wasser bis zum Halse stehen muss, ehe es Beine bekommt, meist dann, wenn ein anderer Übungsleiter an der Seitenlinie das Zepter schwingt. Noch sind wir nicht so weit, noch ist genügend Zeit, diesen gefährlichen Trend zu stoppen und in ruhigere Fahrwasser zu kommen, doch, Nachtigall, ick hör dir trapsen.
Tayfun Korkut ist jetzt gefordert, Konsequenzen aus dem zuletzt harmlosen und pomadigen Auftreten zu ziehen. Gonzalo Castro ist (noch) nicht der Strippenzieher, den man sich erhofft hatte, völlig unverständlich für mich, dass in Rostock Santiago Ascacíbar für ihn weichen musste.
Gentner, der wenig erfreut über seinen Platz auf der Bank in Rostock gewesen ist, nach seiner Einwechslung jedoch auch keine Impulse setzte, wirkte auch in Mainz nicht fit und hätte ausgewechselt gehört wie Mario Gomez. Stattdessen mussten die Jungen, Gonzalez und Thommy dran glauben, nach Leistung ging es bei diesen Auswechslungen sicher nicht.
Wählt Korkut etwa den Weg des geringsten Widerstands, indem er Diskussionen mit den alten Haudegen aus dem Weg geht und es sich lieber mit den Jungen verscherzt? Zählen alte Meriten mehr als die aktuelle Leistung?
Dass es erneut Holger Badstuber war, der den Mainzern in einem typischen 0:0-Spiel den Weg zum Sieg ebnete, ist Fakt. Und doch stimme ich nicht in das allgemeine Badstuber-Gebashe ein. Zum einen hat er einen riesigen Anteil daran, dass wir in der Vorsaison so wenige Gegentore wie schon lange nicht mehr kassiert haben, zum anderen kann man sich durchaus auch fragen, wo Emiliano Insúa herumturnte, als Badstuber ins Laufduell musste, so in Rostock, so auch in Mainz.
Was sich in den sozialen Netzwerken derzeit abspielt, wie Badstuber beleidigt wird, ist für mich unterste Schublade. Ich hatte es zuletzt immer wieder geschrieben, dass es zum einen völlig legitim von ihm war, sich andere Vereinsoptionen anzuhören, weil sein Vertrag mit dem VfB ja ausgelaufen war und zum anderen ein ehrgeiziger Spieler, der sich nicht in der Wohlfühloase einrichtet sondern weiter kommen und besser werden möchte, um einiges wertvoller ist, als Spieler, die einfach zufrieden damit sind, überhaupt hier zu sein.
Badstuber stemmt sich gegen Niederlagen und wird unausstehlich nach Niederlagen, genau so sollte eigentlich jeder Leistungssportler sein. Wenn aber die sogenannten Fans weiter auf ihm herumhacken und seine Championsleague-Ambitionen (die er mit der Unterschrift ohnehin ad acta gelegt hat, es sei denn, er würde die Championsleague mit dem VfB erreichen) ins Lächerliche ziehen, könnte es ihn nur noch mehr verunsichern und kontraproduktiv für uns alle sein. Ich hoffe, Korkut lässt sich durch diese Negativstimmung nicht beeinflussen, indem er ihn herausnimmt, sondern stärkt ihm den Rücken und sieht zu, dass die Abwehr so organisiert ist, dass der langsamere Innenverteidiger nicht ständig in aussichtslose Laufduelle gehen muss.
Summa summarum waren auch nicht die beiden von Badstuber mitverschuldeten Gegentore schuld an den Niederlagen, sondern dass es gegen zwei durchschnittliche Mannschaften nicht gelang, auch nur ein Tor zu schießen. Gute Torchancen in den beiden Spielen lassen sich an einer Hand abzählen. Insgesamt war das Spiel zu behäbig, zu statisch, mit zu vielen Tempoverhinderern auf dem Platz.
Natürlich kann man konstatieren, dass es für Schnappatmung zu früh ist, dass es erst das erste Saisonspiel war und noch weitere 33 vor uns liegen. Man kann das Versagen in Rostock und Mainz auch damit kleinreden, dass wir in Rostock noch nie und in Mainz noch nie im neuen Stadion gewonnen haben. Auch der Verweis auf die Vorsaison könnte beruhigen, als wir in der Vorrunde auswärts drei mickrige Pünktchen eingefahren und dafür die Kohlen zu Hause aus dem Feuer geholt haben.
Dass wir mit Mainz auf Augenhöhe waren, kann man positiv wie negativ einordnen. Positiv sicherlich, weil Mainz nicht zu den ersten Abstiegskandidaten zu zählen ist, negativ aber auch, weil es eben nur Mainz war und noch wesentlich dickere Brocken in der Liga auf uns warten.
Auf den Heimnimbus, der Garant dafür war, dass wir in der letzten Saison nie auf einem direkten Abstiegsplatz standen, sollte man sich am Samstag nicht verlassen, wenn der Gegner Bayern München heißt. Dass die Bayern die schlechte WM und die blamable Schlussphase der letzten Saison nicht auf sich sitzen lassen wollen, unterstrich bereits das klare 5:0 im Supercup gegen Pokalsieger Eintracht Frankfurt. Nicht minder werden die Lederhosenträger motiviert sein, den VfB zu demütigen, der ihnen mit jenem 1:4 so genüsslich in die Meisterfeier-Suppe gespuckt hatte.
Nach den beiden Auftaktpleiten muss aus VfB-Sicht ein Sieg her, egal wer der Gegner ist. Man hätte es einfacher haben können, hätte man es in Rostock nicht an Einstellung und Konzentration vermissen lassen und hätte man sich in Mainz nach ordentlicher Anfangsviertelstunde nicht auf das gefährliche Vabanque-Spiel eingelassen, dass am Ende ein einziger Lucky Punch entscheidend sein würde.
Das hatte sich mit zunehmender Spieldauer abgezeichnet. Dass es dann ausgerechnet Anthony Ujah war, dem der von den Mainzern vielumjubelte Siegtreffer gelang, war zu befürchten. Von seinen nunmehr 24 Bundesligatoren gelangen ihm ein Viertel (!), nämlich sechs, gegen den VfB, so dass nicht nur Mainz Stuttgarts Angstgegner ist, sondern auch noch ein echtes Schreckgespenst in seinen Reihen hatte.
Gespannt darf man sein, was sich bis zum Transferschluss noch tut beim VfB. Özcan und neuerdings auch Donis gelten als Abgangskandidaten, wobei ich vor allem Letzteres nicht nachvollziehen könnte. Heute hat Korkut dementiert, Donis noch abzugeben, schaun mer mal, was sein Wort am Ende des Tages wert sein wird.
Der griechische Internationale soll ein schwieriger Charakter, ein schlampiges Genie und kein wirklicher Teamplayer sein. Das alles sollte dem VfB bekannt gewesen sein, als er ihn für ca. drei Millionen Euro von Juventus Turin verpflichtete. Ich kann es mir nicht vorstellen, dass ihm die Akzeptanz seiner Mitspieler nicht gewiss wäre, würde er regelmäßig auftrumpfen wie gegen die Bayern, doch dafür braucht er Einsatzzeiten. Noch denkt Korkut zu defensiv und bringt ihn dem Vernehmen nach deshalb nicht, weil er nicht genug nach hinten arbeitet und keiner ist, der auf Höhe des eigenen Strafraums einen Gegenspieler weggrätscht. Da nimmt man dann lieber eine 0:1-Niederlage in Kauf, anstatt Offensivpower aufzubieten, um auch mal 2:4 gewinnen zu können.
In Mainz war Donis nicht einmal im Kader, was als Indiz seines möglichen Abgangs bewertet werden muss. Für mich ist Donis mit seiner Schnelligkeit eine Waffe, einer, der Wege geht, mit denen die Gegenspieler nicht unbedingt rechnen, also einer der für Überraschungsmomente sorgen kann, was er vor allem beim 4:1-Sieg in München eindrucksvoll unterstrich.
Würde man sich gerade vor dem so schweren Spiel gegen die Münchner Bayern dieser Waffe berauben und den womöglich einzigen Spieler, vor dem die Bayern wirklich Respekt haben, abgeben, wäre das für mich schwer nachvollziehbar.
Man darf gespannt sein, wie Korkut das schwierige Unterfangen gegen die Bayern anzugehen gedenkt. Erfahrung oder junges Blut, das ist hier die Frage. Mit zu vielen (älteren) Spielern, die das Tempo verschleppen und das Spiel verlangsamen, würde man den Bayern in die Karten spielen.
Schlagen kann man sie jedoch mit schnellem, passgenauem Spiel und wenn man hinter ihre Abwehrreihe kommt, siehe das famose 4:1 zum Abschluss der letzten Saison, siehe das Pokalfinale, siehe auch die WM, bei der die Bayern-Verteidiger immer schlecht ausgesehen haben, wenn es schnell ging.
Wird Korkut den nicht wirklich fit wirkenden Gentner noch einmal auf die Bank setzen und stattdessen einen schnellen Mann wie Donis bringen? Wird er gar den Sturm-Messias Mario Gomez draußen lassen, an dem das frühe WM-Scheitern noch zu nagen scheint? Mit Nicolas Gonzalez stünde eine gute Alternative bereit und es wäre Platz für Didavi in der Mannschaft.
Dass Korkut Didavi nach dessen wenig erquicklichem Auftritt in Rostock für Mainz gleich herausnahm, verwunderte mich stark. Von ihm kann man sich, selbst wenn er nicht im Hochbesitz seiner Kräfte ist, noch etwas Außergewöhnliches erwarten. Seinen Spielmacher gleich nach dem ersten schwachen Spiel herauszunehmen und ihn indirekt zum Sündenbock von Rostock zu machen, zeugt von wenig psychologischem Geschick. Gerade die Kreativspieler, die im Spiel ständig etwas probieren und nicht nur Rückpässe nach Schema F spielen, sind oft die Sensibelsten und benötigen das Vertrauen des Trainers, Fehler machen zu dürfen. Ein Felix Magath, einst selbst Spielmacher, hat es mit Krassimir Balakov einst vorgemacht, wie man einen in der Kritik stehenden Spielmacher aufbaut.
Ich hoffe, Korkut findet die richtigen Schrauben, an denen er bis zum Bayern-Spiel drehen muss. Der VfB muss sich in allen Belangen verbessern, von der Einstellung her, im Defensivverhalten und vor allem im Offensivspiel.
Mit der Verstärkung des Kaders sind die Ansprüche zweifellos gestiegen. Rein ergebnisorientierter Fußball, der nicht einmal von Erfolg gekrönt ist, dürfte dem Umfeld in der noch jungen Saison schwer zu vermitteln sein. Korkut ist gefordert, auch in puncto Attraktivität zuzulegen, die Spieler dazu hat er bekommen. Die Hoffnung auf schnelle Besserung ist bei mir fast schon wieder weg, eher befürchte ich ein von Durchhalteparolen getragenes Hangeln von Spiel zu Spiel, nach denen wir von den Herren Korkut, Gentner & Co. vorgetragen bekommen, welche Fortschritte doch schon wieder zu erkennen waren (natürlich nicht für den Laien!). Tritt dies ein, dürfte dem VfB einmal mehr ein heißer Herbst bevor stehen (der meteorologische beginnt ja bereits am Samstag), same procedure as every year eben.
Nun hoffe ich auf eine Überraschung gegen die Bayern und freue mich tatsächlich bereits jetzt auf die Länderspielpause danach. So schnell hatte ich noch nie fürs erste genug!
So konnte es nicht weitergehen, das war nicht mehr mein VfB. Also, einmal den Reset-Knopf gedrückt und alles auf Anfang. Same procedure as every year! Wie diese Episode weitergeht, sollte sich nicht Grundsätzliches im Team und in der Ausrichtung ändern, ist absehbar. Schlechte Ergebnisse, schlechte Stimmung im Team, unzufriedene Spieler und ein immer lauter rumorendes Umfeld und wir stünden vor dem gefühlt tausendsten Neuanfang. Korkut, dessen Vertrag unnötigerweise jüngst erst verlängert wurde, muss sich nun beweisen. Er muss zeigen, dass er nicht nur Feuerwehrmann sondern auch ein Team entwickeln kann.
Die Voraussetzungen nach dem Urlaub waren perfekt. Der Kader stand fast vollständig fest, bis auf unseren Weltmeister standen so gut wie alle Akteure rechtzeitig auf der Matte, um sich kennenzulernen, dem Team eine Spielphilosophie einzubläuen und die Jungs um die Stammplätze kämpfen zu lassen.
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21. Juli 2018
Seit Sonntag ist die WM Geschichte und wir können uns wieder den wirklich wichtigen Dingen im (Fußball-)Leben zuwenden, dem VfB nämlich. Doch bevor ich einen Ausblick auf den VfB wage, möchte ich noch auf das WM-Turnier und dabei ganz besonders auf das Abschneiden der deutschen Nationalelf zurückblicken.
Noch nie hat mich ein WM-Ausscheiden einer deutschen Nationalmannschaft emotional weniger belastet als dieses Mal. Und das, obwohl es das historisch schlechteste Ergebnis einer deutschen Nationalmannschaft bei einer Fußball-Weltmeisterschaft überhaupt war.
Schon im Vorfeld stießen mir einige Dinge sauer auf. Da war zum einen die Özil-, Gündogan, Erdogan-Affäre. Für mich war es nach dem Treffen der beiden türkischstämmigen deutschen Nationalspieler mit dem türkischen Despoten Erdogan zum denkbar ungünstigsten Zeitpunkt (zwei Tage vor der Nominierung des vorläufigen WM-Kaders) ein Unding, diese beiden ohne jegliche Aufarbeitung des Themas zu nominieren und schließlich auch zur WM mitzunehmen.
Dass es der DFB duldete, dass Özil den Medientag schwänzte und das hochkochende Thema lieber totschwieg, und, fast noch schlimmer, ein Oliver Bierhoff sich am Rande des Saudi Arabien-Spiels hinstellt, und sagt, jetzt sei es aber auch mal gut mit dem Thema, unterstreicht eindrucksvoll, wie weit sich der DFB inzwischen von der Basis entfernt hat.
Dass es mit einem Basta des Nationalelf-Managers nicht getan war, bewiesen die Pfiffe sowohl in Leverkusen als auch später bei der WM.
Ferner kam es im Team offensichtlich nicht gut an, dass langzeitige Rekonvaleszenten, allen voran Manuel Neuer, eine Einsatzgarantie erhielten, und der Weltmeister-Bonus auch noch vier Jahre nach dem Titel wichtiger zu sein schien, als die aktuelle Form.
Der Gewinn des Confed-Cups und der U21-EM 2017 hätten Anlass genug sein müssen, den Arrivierten Feuer unter dem Hintern zu machen, zeigten diese Titel doch, dass das Reservoir aus dem Bundestrainer Löw schöpfen kann, schier unendlich ist. Zudem lockte der Bundestrainer die Spieler vor allem zum Confed-Cup mit falschen Versprechungen, wenn am Ende doch wieder fast ausschließlich die Platzhirsche auf dem Platz stehen.
Leider machte Löw denselben Fehler wie schon einige Weltmeister vor ihm (oder ist es Zufall, dass der Weltmeister seit Jahren fast ausnahmslos in der Vorrunde scheitert?), den Zeitpunkt einer Blutauffrischung zu verpassen und sich nicht rechtzeitig von einstigen Leistungsträgern loszusagen.
Dankbarkeit ist im Fußball-Geschäft nur bis zu einem gewissen Grad angebracht und darf in Ausnahmefällen einem besonders wertvollen Spieler entgegengebracht werden, von dem man überzeugt ist, dass er sich noch fangen und im weiteren Turnierverlauf wichtig werden könnte.
Wenn aber die halbe Mannschaft aus ausgelaugten und formschwachen Ex-Größen besteht und das Leistungsprinzip ad absurdum geführt wird, bekommt man eben schon nach der Vorrunde die Quittung in Form des Ausscheidens präsentiert.
Dass es zwischen Löw und Bierhoff, zwischen die lange kein Blatt Papier passte, nicht mehr stimmt, entlud sich nicht nur an der Auswahl des WM-Quartiers, mit dem keiner so richtig zufrieden war. Als Bierhoff nach der Auftaktniederlage gegen Mexiko einen Reporter harsch mit „das müssen Sie den Trainer fragen“ abkanzelte, dachte ich nur, „Nachtigall, ick hör dir trapsen“.
Hinzu kamen weitere Nebenkriegsschauplätze, die auf den ersten Blick keine große Sache wären, wie das nächtliche Abschalten des WLAN’s im Teamhotel in Vatutinki, weil einige Spieler nachts lieber exzessiv zu zocken schienen, anstatt sich professionell auf den nächsten Arbeitstag vorzubereiten.
Es sagt viel über die heutige Spielergeneration aus, wenn man sich lieber an die Konsole flüchtet, anstatt Probleme beim Schopfe zu packen und Alarm zu schlagen, wenn die Ziele gefährdet sind.
Dabei war es weiß Gott nicht die erste Weltmeisterschaft, bei der es teamintern gekracht hat. Der Unterschied zu heute war jedoch der, dass es früher Typen gab, die entgegensteuerten, wenn sie merkten, dass der Trainer mit der Situation überfordert ist.
Der WM-Titel 1974 zum Beispiel wurde erst möglich, nachdem Franz Beckenbauer nach dem 0:1 gegen die DDR die Macht übernahm und quasi die Mannschaft selber aufstellte und selbst 2014 war es erst ein Weckruf aus der Mannschaft, der das Team zurück in die Spur brachte.
Kapitän Lahm stellte mal wieder seine eigenen Interessen über die der Mannschaft und beharrte darauf, im defensiven Mittelfeld spielen zu dürfen, während es auf den Außenverteidigerpositionen krankte und diese ausschließlich durch Innenverteidiger bekleidet waren.
Löw sah sich an sein Versprechen Lahm gegenüber gebunden und trug den Willen des Kapitäns mit. Nach dem mühevollen und glücklichen 2:1 gegen Algerien entband Lahm Löw von seiner Zusage, nachdem einige Führungsspieler Alarm geschlagen hatten. Fortan stabilisierte sich die deutsche Mannschaft und zeigte ein anderes Gesicht, das Ende der Geschichte ist hinlänglich bekannt.
Diese Führungsspieler der WM 2014 traten in den letzten Jahren nach und nach zurück. Wir haben keinen Podolski mehr, keinen Lahm, keinen Schweinsteiger, keinen Mertesacker und auch keinen Klose mehr. Joachim Löw fehlte bei der WM in Russland ein verlängerter Arm auf dem Feld, es gab keinen einzigen, der sich gegen das Ungemach stemmte und die anderen mitgerissen hätte.
Die Spiele plätscherten dahin, man ergötzte sich an Ballbesitz ohne im Strafraum gefährliche Situationen heraufzubeschwören. Den etatmäßigen Führungs- oder auch Möchtegernführungsspielern fehlte das Standing (Neuer, wegen seiner langen Absenz; Özil, siehe oben), die Form (Hummels, Khedira, Müller) oder sie sind schon vom Naturell her keine Lautsprecher (Kroos).
Die Weltmeister von 2014 erfüllten die Erwartungen nicht, die sie sicher auch an sich selbst gestellt hatten und besaßen zudem noch die Frechheit bspw. einen Plattenhardt im Spiel zu schneiden und Timo Werner zwar extrem viel laufen zu lassen, um ihn dann doch nicht seine Stärken ausspielen zu lassen, indem man stets den Quer- oder Rückpass vorzog, anstatt zielstrebig nach vorne zu spielen.
Es wurde Angsthasenfußball der übelsten Sorte dargeboten, so dass ich wirklich froh darüber war, als das Elend gegen Südkorea sein jähes Ende fand.
Löw ignorierte sämtliche Alarmzeichen im Vorfeld. Nach extrem durchwachsenen Tests gegen Österreich und Saudi-Arabien wiederholte er gebetsmühlenartig, dass er schon öfter bewiesen habe, zu wissen, was zu tun sei und er auch wüsste, wie das Team auf den Punkt topfit zu bekommen sei.
Diese Arroganz erinnerte mich schwer an Armin Veh nach der Meisterschaft mit dem VfB, der später beim HSV antrat und erklärte, „ich muss keinem mehr etwas beweisen“. Das ist genau der falsche Ansatz, ein Trainer muss sich immer wieder mal neu erfinden und die Zeichen der Zeit erkennen, wenn „seine“ Spieler oder sein Spielstil im wahrsten Sinne des Wortes überholt sind.
Den einst erfolgreichen Ballbesitzfußball kann ich vielleicht noch mit einer blutjungen Mannschaft und Spielern, die laufen, laufen und nochmal laufen, spielen lassen. Es geht darum Lücken zu finden und in diese blitzschnell hineinzustoßen und so Überraschungsmomente zu schaffen, was jedoch einer Ü30-Mannschaft nicht gelingt, die auf dem Feld umher trabt, als befände sie sich bei einem Altherrenturnier.
Den Spaniern ging es vier Jahre zuvor ähnlich, schade, dass sie Löw nicht als leuchtendes Beispiel, nämlich, wie es nicht funktioniert, herangezogen hat.
Nach vorne fehlte also die Durchschlagskraft, nach hinten war man anfällig. Manuel Neuer sah sich wohl selten so vielen Eins- gegen Eins-Duellen konfrontiert wie in den drei Vorrundenspielen. Auch dies für mich eine Folge dessen, dass Spieler wie Hummels und Boateng in die Jahre gekommen und Kimmich völlig außer Form sind.
Der VfB und Eintracht Frankfurt haben es vorgemacht, wie hinter die Bayern- und somit fast identische Nationalelf-Abwehrformation zu kommen ist, die Mexikaner und Schweden scheinen dabei genau hingeschaut zu haben.
Dass die Bayern-Spieler nach dem Championsleague-Aus Motivationsprobleme plagten, bekam man zum Saisonende vor Augen geführt. So schön sich unser 4:1 Auswärtssieg vom letzten Spieltag noch immer anfühlt, so irreal kommt er einem noch vor.
Es wäre hypothetisch zu hinterfragen, ob dieser so auch gelungen wäre, hätten die Bayern noch das Championsleague-Finale vor der Brust gehabt oder wäre es in der Meisterschaft noch um etwas gegangen. Als Form- und Stimmungsbarometer der Bayern-Profis und damit dem Gros der Nationalmannschaft hätte man die letzten Spiele der Bayern aber heranziehen und Schlüsse daraus ziehen müssen.
Schien es noch unfassbar und einmalig gewesen zu sein, in welcher Manier Donis die Bayern-Abwehr ein ums andere Mal stehen ließ, wurde es zur Methode, als es den Frankfurter gerade mal eine Woche später im Pokalfinale mit den gleichen Mitteln gelang. Das System, die Bayern zu knacken, bekam den schönen Beinamen „Bruda, schlag den Ball lang“.
Ein langer Ball, ein schneller Stürmer und die nicht (mehr) so schnellen Verteidiger, ob Hummels, Boateng oder Süle, hatten das Nachsehen. Doch dem maß Löw keine Bedeutung zu, was sich schon andeutete, als man sich selbst gegen Österreich und Saudi-Arabien ein ums andere Mal düpieren und die Außenseiter zu ungewöhnlich vielen Torchancen kommen ließ.
Diese Abwehrprobleme setzten sich nahtlos bei der WM fort. Da man durch geschossene Tore zwar Spiele gewinnt, Meisterschaften aber in der Regel aufgrund einer sicheren Abwehr, war es mir schon während des Mexiko-Spiels klar, dass ein Ausscheiden in der Vorrunde im Bereich des Möglichen sein würde.
In all den Jahren stand ich immer zu Jogi Löw, auch wenn viele der Auffassung waren, mit dem Spielermaterial des letzten Jahrzehnts hätte mehr herauskommen müssen als „nur“ ein Weltmeistertitel.
Ich sah dabei das Positive: seit 2006 immer mindestens das Halbfinale erreicht! Unter den letzten Vier ist die Luft dünn, so dass Nuancen über Sieg oder Niederlage entscheiden können, mal ist man der Glücklichere, mal nicht.
Ich sah dabei auch einige Fehler Löws, doch, welcher Mensch macht keine Fehler. Da sich diese Fehler, die für mich in erster Linie am Setzen auf nicht fitte vermeintliche Leistungsträger sind, ständig wiederholten, und nun zum frühen Aus führten, bin ich der Auffassung, dass es ein „Weiter so“ nicht geben darf.
Ob 2008 Ballack oder 2012 Schweinsteiger, stets schleppte man Spieler durch, die nicht im Vollbesitz ihrer Kräfte waren, womit man de facto mit einem Mann weniger auf dem Platz stand. 2018 wurde dem ganzen die Krone aufgesetzt, indem aus Dankbarkeit oder auch Trotz (Özil!) zu viele formschwache oder nicht fitte Spieler als unverzichtbar erklärt wurden.
Löws große Stärke bestand dagegen in den letzten Jahren darin, das Team immer auf den Punkt fit zu bekommen und eine Mischung aus Spielern zu finden, die als Einheit auftrat und an einem Strang zog. Das hat er dieses Mal nicht geschafft, in erster Linie deshalb, weil das Leistungsprinzip nicht mehr galt. So stellt sich schon die Frage, ob sich Löw in 14 Jahren DFB nicht abgenutzt hat und auch auf der Trainerposition ein Neuanfang her muss.
Der DFB hat zwar völlig ohne Not seinen Vertrag noch vor der WM bis 2022 verlängert und auch Löw beteuerte nach kurzer Bedenkzeit weitermachen zu wollen, doch, ich meine, das letzte Wort ist hier noch nicht gesprochen. Im internen Kreis hat Löw in dieser Woche seine Aufarbeitung präsentiert, die breite Öffentlichkeit möchte man bis zum 24.08. im Unklaren lassen, dann, sage und schreibe gerade einmal 14 Tage vor dem nächsten Pflichtspiel gegen Frankreich in der Nations League.
Vor der WM lag die Ruhe um die Nationalmannschaft und ein gutes WM-Turnier im nationalen Interesse, was sich darin ausdrückte, dass die beiden Erdogan-Huldiger aufs Büßerbänkchen des Bundespräsidenten gebeten wurden, um Schönwetter zu machen.
Dass der Bundespräsident dieses Schmierentheater mitspielte und kurzfristig zur Audienz bat, hat seinem Ansehen eher geschadet und den „Türken“ nicht genutzt. Für mich war es eine armselige Inszenierung, die meine Meinung über die beiden nicht geändert hat. Beides sind erwachsene Menschen, beide sind von hochbezahlten Beraterstäben umgeben, sie hätten sich der Außenwirkung ihrer Wahlkampfwerbung bewusst sein müssen.
Je länger die Öffentlichkeit über die Konsequenzen aus dem WM-Debakel im Unklaren gelassen wird, desto mehr pirschen neunmalkluge „Experten“ hervor. Jüngster Kandidat, Philipp Lahm. Während des WM-Turniers sah ich denselben Philipp Lahm gemütlich am Starnberger See sitzen und wachsweiche Analysen zu den Spielen der Deutschen absondern. Er hat nicht ein einziges Mal Klartext gesprochen, den Finger in die Wunde gelegt und Dinge beim Namen genannt und jetzt auf einmal möchte er erkannt habe, dass Löws Menschenführung nicht mehr zeitgemäß ist?
Lahm hätte Gelegenheiten genug gehabt, sich zu positionieren und Dinge, die im Argen anzusprechen. Hinterher, wenn auch der Letzte von gut 80 Millionen Deutschen mitbekommen hat, dass es im Team nicht stimmte, nachzutreten, ist für mich zum einen lächerlich und zeugt zum anderen von seinem schlechten Charakter, den er seit 2010 immer wieder bewiesen hat.
Lahm scheint seine Auszeit nach dem Karriereende beenden wollen und auf einen (hochdotierten) Posten im Fußball-Business zu drängen.
Rummenigge sprang Lahm zur Seite und schlug ihn gar als DFB-Vizepräsidenten vor, indem er selbst zum Rundumschlag gegen DFB ansetzte und alle dort tätigen Verantwortungsträger als Amateure betitelte. Aber, Rummenigge wäre nicht Rummenigge, würde er mit einem solchen Angriff nicht bezwecken wollen, etwas für seinen FC Bayern herauszuholen.
Zum einen sehe ich das Wort „Amateure“ als Schimpfwort unangebracht, zum anderen kann man ausnahmsweise mal froh darüber sein, dass beim DFB die Interessen der Amateure auch noch berücksichtigt werden und Amateurvertreter die Mehrheit im DFB-Bundestag haben.
Ginge es nach Rummenigge würde die Kommerzialisierung im Fußball noch schneller voranschreiten, die Schere noch schneller auseinander gehen, was die Bayern zwar unter Umständen international konkurrenzfähiger werden ließe, auf der anderen Seite jedoch noch mehr Amateurvereine ihre Existenz kosten würde.
Daher ist es für den deutschen Fußball, den Breitensport und die Nachwuchsförderung eminent wichtig, dass die Amateurvereine ihr Stimmrecht behalten und wenigstens kleinere Erfolge feiern dürfen, wie jüngst die Veränderung der Aufstiegsregelung in den Regionalligen.
Um diese Struktur beizubehalten, braucht es Vertreter der Amateurvereine mit Rückgrat in gehobenen Positionen und keinen Philipp Lahm, der sich dreht wie das Fähnchen im Wind und von seinem Ex-Vorgesetzten ins Amt gelobt wird.
Je länger die Verkündung der Ergebnisse der Ursachenforschung seitens des DFB auf sich warten lässt, desto unwahrscheinlicher werden personelle Konsequenzen auf höchster Ebene. Weder ein Grindel, noch ein Bierhoff und schon gar nicht Joachim Löw dürften zur Disposition stehen, wobei zumindest über Bierhoff diskutiert werden sollte.
Der Tausendsassa wäre mit seinem Jahrhundert-Projekt der DFB-Akademie ohnehin ausgelastet genug, um vom Posten des Nationalmannschafts-Managers zurücktreten zu können. Bierhoff steht wie kein zweiter für die Eventisierung der Nationalelf und würde einem Neuanfang mindestens genauso im Wege stehen wie Jogi Löw. Ein neues Gesicht auf diesem Posten könnte den Fokus zurück auf den Fußball und weg von unsäglichen Hashtags und Claims („Die Mannschaft“) lenken, was ein erster Schritt zurück zur Nahbarkeit des Teams wäre.
Dass Bierhoff, wie auch Grindel der ins selbe Horn blies, hinterher noch gegen Özil nachgetreten hat, obwohl er selbst im Vorfeld der WM sämtliche Konsequenz in dieser Affäre vermissen ließ, rückt ihn zusätzlich in ein schlechtes Licht und erweckt den Anschein, als bezwecke er damit einzig und allein seinen eigenen Allerwertesten zu retten.
Doch, selbstverständlich, drehte sich die Welt auch nach dem deutschen WM-Desaster weiter und die Weltmeisterschaft wurde zu Ende gespielt.
Ein WM-Turnier mit 32 Mannschaften nimmt in der Regel erst ab der KO-Phase Fahrt auf. Die Vorrunde bot meist gähnende Langeweile, Taktiererei und wenig fußballerische Feinkost.
Auch danach wurde es kaum besser, in der Nachbetrachtung fallen mir vielleicht drei mitreißende Spiele während des gesamten Turniers ein. Das Niveau insgesamt und der Leistungsstand einiger Top-Stars der Branche empfand ich als erschreckend. Der Bogen im Fußball ist längst überspannt. Hier ein unbedeutender Cup, dort einer und in den „Pausen“ Reisen über mehrere zehntausend Kilometer, um den Trikotabsatz und die Fernsehpräsenz auf den neuen Märkten in Asien zu steigern.
Die Folge dessen ist, dass viele Spieler 70 bis 80 Spiele in den Knochen haben und ausgelaugt zur WM kommen. So verkommt das Turnier immer mehr zu einem Muster ohne Wert. Die besten Erfolgsaussichten hat dann ein harmonierendes und funktionierendes Kollektiv, in dem sich die Spieler selbst pushen (siehe Pogba) und zu Höchstleistungen antreiben, auch wenn das Fleisch schon extrem schwach ist.
Dass Frankreich nach dem Halbfinalsieg gegen phasenweise fantastisch aufspielende Belgier sich den Weltmeistertitel sichern würde, war zu erwarten. Frankreich, das ich schon vor Turnierbeginn als Weltmeister getippt hatte, hatte nach dem Halbfinale einen Tag länger Zeit zur Regeneration und zudem keine drei Verlängerungen in den Knochen, im Gegensatz zu den Kroaten.
Dass deren Finalsieg jedoch durch eine Schwalbe von Griezmann eingeleitet wurde, stößt mir auch heute noch sauer auf. Das 1:0 in einem Spiel ist nun mal richtungsweisend und beraubte die Kroaten einer einmaligen Chance, auch wenn sie zwischenzeitlich zum Ausgleich gekommen waren.
Wann endlich werden solche Betrüger, wenn eindeutig überführt, nachträglich für eine Reihe von Spielen gesperrt, so dass eine solche Aktion noch lange nachwirkt? Solang sie damit durchkommen und am Ende noch für ihre Abgezocktheit gefeiert werden, wird sich an diesen Zuständen nichts ändern.
Ganz besonders habe ich den Titel natürlich unserem Stuttgarter Jungen, Benjamin Pavard, gegönnt. Ein Wahnsinn, wie seine Karriere innerhalb eines halben Jahres an Fahrt aufgenommen hat. Er wäre glücklich gewesen, als Nummer 23 zur WM mitfahren zu dürfen und wurde Stammspieler. Spätestens durch sein wichtiges Tor gegen Argentinien, Marke Tor des Monats, spielte sich Pavard in die Herzen seiner Landsleute, und er bekam gar einen eigenen Fangesang.
Dass ein Stammspieler einer phasenweise furios aufspielenden französischen Nationalmannschaft Begehrlichkeiten weckt, ist normal, als Weltmeister sowieso.
Sollte an der jüngst veröffentlichten Meldung, dass Pavard spätestens 2019 zu den Bayern wechselt, etwas dran sein, wäre ich enttäuscht. Enttäuscht darüber, dass er den VfB für die dann nicht mehr verhandelbare festgeschriebene Ablösesumme von etwa 35 Millionen Euro verlässt und nicht etwa für deutlich mehr schon in diesem Sommer.
In Zeiten eines überhitzten Transfermarktes und wenn ein Spieler angeblich auch im Fokus absoluter internationaler Top-Clubs wie Barca oder PSG steht, hätte man sich dann doch mehr erhofft, zumal der VfB spätestens seit dem Verbleib von Holger Badstuber auch ohne Pavard gut aufgestellt wäre.
Sollte die Meldung der Tatsache entsprechen, stellen sich mir doch noch einige Fragen. Stimmt die kolportierte Klausel, dass die festgeschriebene Ablösesumme nächsten Sommer Makulatur sein würde, würde sich der VfB für die Championsleague qualifizieren? Was würde dann passieren? Zahlen die Bayern auch dann jeden Preis oder wurde diese Eventualität schon mit verhandelt? Oder wechselt Pavard doch schon in diesem Sommer an die Isar? Was wäre es den Münchnern ein früherer Wechsel und das Vermeiden des Risikos, dass der VfB sich für die Championsleague qualifiziert, wert? Es ist ja nicht so, dass ich auf Platz 4 spekulieren würde. In der letzten Saison fehlten dem VfB aber gerade einmal vier Punkte für das Erreichen der Championsleague, so dass die Hoffnung darauf nicht ganz ins Reich der Träumerei zu verweisen ist, zumindest dann, sollte der Rest der Liga weiterhin so schwächeln.
Sollte sich Pavard wirklich schon während der WM für die Bayern entschieden haben, sind dem VfB ohnehin die Hände gebunden. Dann scheidet ein Verkauf in diesem Sommer zu einem anderen Verein sowieso aus, was einmal mehr vor Augen führen würde, dass Verträge ohne Ausstiegsklauseln Wunschdenken sind und dass die Macht die Spieler und deren Berater besitzen.
Den Wahrheitsgehalt dieser SWR-Meldung kann ich nicht sonderlich gut einschätzen. Bislang stach der SWR in meiner Wahrnehmung nicht dadurch hervor, gut informiert in Sachen Transfers zu sein und Informationen exklusiv gesteckt zu bekommen. Ich kann es mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass sich Pavard während des Turniers um seinen Vereinswechsel gekümmert und einen Vertrag unterschrieben hat. Vielleicht hat da ja jemand aus der Mercedesstraße eine falsche Lunte gelegt und der SWR ist hereingefallen.
Ich würde mich freuen, würde Benji auch in der kommenden Saison, dann als Weltmeister, für den VfB auflaufen, sähe unsere Abwehr aber auch ohne ihn gut aufgestellt.
Der VfB hat sich, wie ich meine, ordentlich verstärkt und seinen Kader früh wie selten nahezu komplett beisammen gehabt. Von jungen vielversprechenden Talenten wie Borna Sosa, Maffeo und Gonzalez über Marc-Oliver Kempf, einem bundesligaerprobten Spieler vor dem nächsten Schritt bis hin zu Gonzalo Castro, dessen Zeit in Dortmund nicht so glücklich verlief, der meiner Meinung nach jedoch zu einer wichtigen Stütze im VfB-Spiel werden kann.
Dazu gilt es zwei „Rückkehrer“ zu begrüßen, über die ich mich, im Gegensatz zu vielen Hatern, sehr freue.
Zum einen Holger Badstuber, der nie einen Hehl daraus gemacht hat, zu einem Top-Verein, der der VfB nun mal (noch) nicht ist wechseln und international spielen zu wollen. Die ganz großen Adressen hatten kein Interesse, auf Experimente hatte Badstuber offensichtlich keine große Lust. So band er sich für drei Jahre an den VfB, was durchaus als Treuebekenntnis gewertet werden darf, auch wenn man weiß, dass Verträge im Fußball-Business das Papier nicht wert sind, auf dem sie gedruckt sind.
Nach dem Motto „lieber den Spatz in der Hand, als die Taube auf dem Dach“ entschied sich Badstuber, beim VfB zu bleiben. Ihm blieb natürlich nicht verborgen, dass der VfB in diesem Sommer klotzte statt kleckerte und realisierte, dass, wenn sich der VfB weiter so rasant entwickelt, das internationale Geschäft mit dem VfB keine Utopie sein muss.
Weshalb ich mich über seinen Verbleib so freue ist einfach, dass er für mich ein wichtiger Faktor war, weshalb wir in der letzten Saison so wenige Gegentore gefangen und weshalb sich Timo Baumgartl nach Jahren der Stagnation spürbar weiter entwickelt hat. Zudem ist Badstuber ein Typ, der das sog. Bayern-Gen in sich trägt und lieber gewinnt als verliert. Ergeben sich einige in ihr Schicksal und reden Niederlagen schön, so legt Badstuber den Finger in die Wunde und ist richtig angefressen, wie nach dem 0:3 in Dortmund, der einzigen Niederlage während Korkuts bisheriger Amtszeit. Mit ehrgeizigen Spielern lässt sich etwas gewinnen, deshalb bin ich froh, dass Badstuber dem VfB sein Ja-Wort gegeben hat.
Der zweite Rückkehrer heißt Daniel Didavi. Über ihn freue ich mich ganz besonders, habe ihm den Wechsel nach Wolfsburg aus damaliger Sicht auch nicht krumm genommen, nachzulesen auf meiner Hommage an unseren 10er, nachdem sein Abgang feststand: http://www.frankys-stadionpics.de/blog/?p=4009
Weil ich so überzeugt von ihm und davon bin, dass es keine leeren Phrasen sind, wenn er beteuert VfBler durch und durch zu sein, bin ich mir auch relativ sicher, dass er nach seiner Rückkehr 150% Einsatz bringen und so schnell nicht mit anderen Angeboten kokettieren wird. Er stand nach Jahren unermüdlichen Abstiegskampfes am Scheideweg, fragte sich wohl, ob er sich im Herbst seiner Karriere die Frage gefallen lassen möchte, nicht alles versucht zu haben. Jetzt kommt der Bursche geläutert zurück und weiß zu schätzen, wie Holger Badstuber auch, was er am VfB hat.
Dida ist genau der Spielertyp, den wir letzte Saison so schmerzlich vermisst haben. Er kann ein Spiel lesen, Stürmer in Szene setzen und hat einen begnadeten linken Fuß. 15 Scorerpunkte beim Relegationsteilnehmer Wolfsburg sind aller Ehren wert. Ich drücke ihm (und, ganz uneigennützig natürlich auch uns) fest die Daumen, dass er seine Knieprobleme endgültig überwunden hat und wir noch viele tolle Spiele von ihm sehen. Freue mich schon auf Grassau und bin sehr gespannt, ob er mich noch kennt.
Die Kunst Tayfun Korkuts muss jetzt darin liegen, in den verbleibenden vier Wochen bis zum Beginn der Pflichtspiele die beste erste Elf zu finden.
Als Korkut kam, fand er Traumvoraussetzungen beim VfB vor. Getreu dem Motto „ist der Ruf erst ruiniert, lebt sich’s völlig ungeniert“ konnte er die Arbeit aufnehmen und hatte keinen Erwartungsdruck.
Als einzige Zielvorgabe hatte er den Klassenerhalt zu erfüllen und das, obwohl der VfB bis auf den ersten Spieltag (Platz 16) nie auf einem möglichen Abstiegsplatz stand. Ein Spielsystem oder gar eine Weiterentwicklung des Teams wurde von ihm nicht verlangt, so dass das Zauberwort bis zum rechnerisch feststehenden Klassenerhalt nach dem Bremen-Spiel einzig und allein „Stabilität“ hieß.
Das implizierte, dass Experimente, die das fragile Gebilde ins Wanken hätten bringen können, ebenso verboten waren, wie unerzwungene Startelfwechsel. Mit dieser Marschroute stürmte der VfB auf Platz sieben und verpasste die Europaleague-Qualifikation nur um Haaresbreite.
In der neuen Saison findet Korkut eine neue Situation vor. Er hat einen ordentlichen Kader, bei dem sowohl die Mischung zwischen jung und alt als auch zwischen erfahren und unerfahren zu stimmen scheint.
Korkut ist alleinverantwortlich für die Saisonvorbereitung und muss die Mannschaft auf den Punkt bis zum Pokalspiel am 18. August in Rostock fit bekommen. Weil der VfB einen ausgeglichen Kader hat, den Reschke sicherlich zu großen Teilen in Absprache mit Korkut zusammengestellt hat, wäre Korkut gut beraten, seine Aufstellungen variabler zu gestalten und möglichst alle bei Laune zu halten.
In der Vorsaison hatte Korkut bei allem, was er anfasste, ein glückliches Händchen. Spieler, denen er sein Vertrauen schenkte, dankten es ihm mit Leistung, jene, die außen vor waren, blieben (zumindest nach außen) ruhig und selbst die Trainingsdosierung und -intensität schien optimal gewesen zu sein, spielten doch sonst von Verletzungen schwer gebeutelte Spieler, wie Ginczek und Badstuber, die Rückrunde fast komplett durch.
Ob das Zufall war oder Korkut es einfach kann, wird sich zeigen. Derzeit bin ich sehr optimistisch was den Kader angeht und hoffe, dass Korkut etwas daraus macht.
Reschke hat seine Hausaufgaben weitestgehend gemacht, rastet aber nicht, so dass es mich nicht wundern würde, wenn er noch jemanden aus dem Hut zaubert.
Nachdem Reschke mit den Wintertransfers und Korkut (bisher) goldrichtig gelegen hat und auch die Transferaktivitäten in diesem Sommer in Zeitpunkt und Qualität richtig gut aussehen, stelle ich ihm zumindest für sein zweites Halbjahr beim VfB ein ausgezeichnetes Zeugnis aus, was ich im Winter nie für möglich gehalten hätte. Da Fußball aber Tagesgeschäft ist und sich die Dinge von heute auf morgen auch wieder drehen können, will ich den Tag nicht vor dem Abend loben.
Von mir aus kann es gerne so weiter gehen, wie zum Ende der letzten Saison. Von den Siegen in Leverkusen und München nach gefühlten Ewigkeiten dort, zehre ich stimmungstechnisch noch heute.
Wenn es die Zeit zulässt, melde ich mich zwischen Grassau und Rostock nochmal mit meinen Eindrücken vom Trainingslager im Chiemgau. Bis dahin, lasst es Euch gut gehen!
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16. Mai 2018
Noch ist es nicht ganz so weit, erst müssen die Bayern nächsten Samstag den DFB-Pokal gewinnen, doch, dass sich die Bayern binnen Wochenfrist ein zweites Mal in die Suppe spucken lassen, das kann ich mir beim besten Unwillen nicht vorstellen. Der Meister wird alles daran setzen, seinen großen Trainer Jupp Heynckes mit dem Double in den Ruhestand zu verabschieden, so dass wir, da bin ich mir sicher, nach dem Finale die Korken knallen lassen können.
Hatte ich vor vier Wochen noch harsch die Einstellung, die zurückgekehrte Bequemlichkeit und Selbstzufriedenheit moniert, darf ich mich nach vier Siegen zum Saisonabschluss sehr gerne revidieren. DAS hätte ich der Truppe und Tayfun Korkut wahrlich nicht zugetraut. Ein jeder, der es mit dem VfB hält, war sich sicher, dass wir bis drei Spieltage vor Schluss die 40 Punkte für den Klassenerhalt auf der Habenseite haben müssen, weil in Leverkusen, gegen Hoffenheim und in München wenig bis nichts zu ernten sein würde.
Doch dann gewinnt man geschwind mal gegen Bayer und Hoffenheim bei circa 4 zu 50 Torschüssen und legt eine fast unheimlich erscheinende Effizienz an den Tag. Diese Siege gegen zwei Championsleague-Anwärter allein waren schon sensationell.
Vor allem der erste Sieg in Leverkusen seit 2002, wenngleich er glücklich war, kam für mich richtig unerwartet, so dass ich seither in Sachen VfB auf Wolke sieben schwebe. Ein Spiegelbild der Rückrunde war dann der nicht minder unerwartete Auftritt gegen Hoffenheim. Wieder war es ein Spiel, das man eigentlich nicht gewinnen kann.
Hoffenheim schoss vier Mal so oft aufs Tor wie der VfB und zeigte die deutlich reifere Spielanlage. Der VfB aber setzte erneut eine kämpferisch überragende Vorstellung dagegen und warf sich mit allem, was er hatte, in die Hoffenheimer Schüsse. Selbst als man die letzten 25 Minuten in Unterzahl bestritt, gab man nicht klein bei. Im Gegenteil, Mario Gomez nutzte unsere einzige Torchance im zweiten Durchgang zum vorentscheidenden 2:0 und zog den Hoffenheimern dadurch endgültig den Zahn.
Tayfun Korkut, der Gustav Gans der Bundesliga, hat das Glück, das man braucht, auf den Wasen zurückgebracht. Seine Bilanz jedoch darauf zu reduzieren, würde ihm nicht gerecht werden. Er hat an den richtigen Stellschrauben angesetzt, überfordert die Spieler nicht und lässt sie das spielen, was sie können.
Bestes Beispiel, der Kapitän Christian Gentner, der jahrelang eher Hemmschuh in der Schaltzentrale war, denn der handlungsschnelle, zweikampfstarke Stratege, den es in der Mittelzentrale braucht.
11Freunde hat Gentes Rolle treffend analysiert, in dem die Onlineausgabe des Sportmagazins feststellte „Vor allem kann Korkut nicht hoch genug angerechnet werden, dass er Christian Gentner nicht wie seine Vorgänger im zentralen Mittelfeld aufstellt, sondern auf dem rechten Flügel. Hier kommen Gentners Kampfgeist und seine Dynamik zum Tragen, seine fehlenden Spielgestalter-Fähigkeiten fallen wiederum nicht so stark ins Gewicht. So hat Korkut Leistungen aus Gentner herausgekitzelt, die man vor der Rückrunde kaum für möglich gehalten hat.“
Einige weitere Spieler, wie zum Beispiel Dennis Aogo oder auch Daniel Ginczek machten unter Korkut zuletzt einen Leistungssprung, so dass der positive Trend mehr auf akribische Analysen der Spiele und der Fähigkeiten der Spieler zurückzuführen ist, als auf pures Glück. Dieses kam dazu und man hat es sich wahrsten Sinne des Wortes erarbeitet.
Bis zum auch rechnerisch sicheren Klassenerhalt, wurde Korkut zum Vorwurf gemacht, immer an denselben Aufstellungen festzuhalten und deshalb zu leicht ausrechenbar zu sein. Die Ergebnisse gaben ihm Recht, das Zauberwort hieß „Stabilität“. Für den Klassenerhalt schien jedes Mittel recht, Vertrauen zu den Alternativen auf Bank und Tribüne schien nicht vorhanden zu sein.
In Zeiten des sportlichen Aufschwungs fehlen den Kritikern über die Art und Weise natürlich die Argumente, trotzdem war mir Wolfs Devise, keiner dürfe sich zu keinem Zeitpunkt ausruhen und müsse sich in jedem Training neu anbieten und zeigen, sympathischer. Doch, Sympathie gewinnt keine Spiele, letztlich zählen die Ergebnisse, und diese sprechen eine deutliche Sprache – für Korkut, gegen Wolf.
Letztlich kommt es im Fußball eben doch auf die Leistungen auf dem Platz und nicht im Training an, solang die Reservisten bei Laune bleiben und nicht resignieren. Korkuts Herangehensweise mit dem Setzen auf Stabilität und Eingespieltheit fruchtete besser als die von Wolf, der seine Trainingsweltmeister mit Einsätzen belohnte, die Mannschaft dadurch aber zu oft durcheinander wirbelte.
Nach den Heim-Unentschieden gegen den HSV und Hannover 96 sowie der deutlichen und einzigen Niederlage unter Korkut in Dortmund, brodelte es dann aber doch im Umfeld. Auch fast alle Blogger, mich eingeschlossen, monierten, dass Spieler wie Anastasios Donis auf der Bank versauerten, während immer die gleichen Akteure, vor allem im Offensivbereich, ihren Stiefel herunterspielen durften.
Just im Spiel darauf gegen Werder Bremen sprang Tayfun Korkut über seinen Schatten und verhalf Donis erstmals seit seinem Debüt in Wolfsburg wieder zu einem Einsatz. Donis kam von der Bank und sorgte mit dafür, dass man nicht erneut, wie noch gegen Hannover 96 vor Wochenfrist, um den Ausgleich bettelte, sondern weiter nach vorne Akzente setzte. Die Folge, Joker Donis legte in der Nachspielzeit mustergültig für Joker Özcan auf, und sicherte damit nicht nur den Heimsieg sondern auch den vorzeitigen Klassenerhalt.
Manchmal hat man tatsächlich den Eindruck, der eine oder andere VfBler, ob Trainer oder Spieler, verfolge die Stimme(n) der Fans im Netz und ziehe an der einen oder anderen Stelle auch seine Rückschlüsse. Dies wäre aus meiner Sicht nicht einmal verwerflich und als Schwäche auszulegen, sondern zeugt von Interesse und dem Blick über den eigenen Tellerrand. Sven Ulreich war so ein Kandidat, der schaute immer verstohlen weg, wenn er mich sah, gehörte ich bekanntermaßen nicht zu seinen allergrößten Fans.
Eines meiner Credos über die Bundesliga der Gegenwart lautet, spielt man nicht gegen den Abstieg, spielt man um Europa. Dies bewahrheitete sich in dieser Saison einmal mehr. Kaum war der Klassenerhalt unter Dach und Fach, gewinnt sensationell in Leverkusen und schon war sie da, die Diskussion darüber, ob der VfB reif für Europa sei oder eine Qualifikation für den internationalen Wettbewerb nicht zu früh käme. Ich kann mit dieser Diskussion und einer Denke, es wäre besser gewesen, die letzten Spiele in den Sand zu setzen, überhaupt nichts anfangen. Schon der zahlenden Kundschaft, ähm Anhängerschaft, gegenüber wäre es eine Frechheit, nicht das Letzte aus sich herauszuholen. Zudem stehen auf dem Platz Leistungssportler, die aus der Natur der Sache heraus lieber gewinnen als verlieren (sollten).
Somit verbietet sich die Frage, ob Europa zu früh kommt, von selbst. Der VfB war, und ist es immer noch, nicht nur von den eigenen sondern auch den Ergebnissen der Konkurrenz abhängig und wenn am Ende dann ein Platz steht, der zur Teilnahme am internationalen Wettbewerb berechtigt, kommt diese nicht zu früh sondern zurecht.
Fünf Jahre nach der sensationellen Tour nach Rijeka im 9er-Busle lechze ich förmlich nach weiteren internationalen Erlebnissen und neuen Grounds, was eine schöne Abwechslung zum mitunter tristen und sich ständig wiederholendem Einheitsbrei Bundesliga ist. Unter den Allesfahrern sind wir uns einig, da habe ich bislang keinen einzigen getroffen, der nicht auf Europa gehofft hätte, wenngleich eine Qualifikation selbstredend keiner erwartet hat.
Die Mannschaft, wenn sie denn einigermaßen zusammengehalten werden kann, dürfte den Ansprüchen der Europa League sicher genügen. Beim Umfeld hingegen habe ich so meine Zweifel. Dieses muss seine internationale Tauglichkeit erst noch unter Beweis stellen. Für mich gibt der VfB ein erbärmliches Bild ab, wenn bei Spielen gegen weniger klangvolle Namen die Untertürkheimer Kurve komplett gesperrt ist und sich im Rest des weiten Runds kaum mehr als 10.000 Zuschauer verlieren. Jeder hat seine Gründe, dass er mal nicht kann. Sei es die weite Anfahrt unter der Woche, seien die zwei oder eine der beiden Anstoßzeiten beruflich nicht machbar, doch, seien wir mal ehrlich, käme der FC Barcelona anstatt der aserbaidschanische Meister zur selben Zeit, das Stadion wäre voll! Da wäre es wirklich wünschenswert, dass diese „Fans“ künftig wegen dem VfB und nicht wegen des Gegners ins Neckarstadion kämen und somit auch unattraktivere Spiele zu Fußballfesten machen.
Der VfB ist mit dem Dauerkartenverkauf für mich zu früh hervor geprescht und hat leider nicht das so rühmliche Saisonende abgewartet. Dann nämlich hätte man die Europaleague-Spiele, etwa bis zum Ende der Gruppenphase, gegen Aufpreis in die Dauerkarten integrieren und ähnlich des „Follow-my-team-Systems“ bei Welt- und Europameisterschaften bei nicht erfolgter Qualifikation Beträge zurückerstatten können. Im schlimmsten Fall hätte man einen Verwaltungsaufwand, der sich im EDV-Zeitalter jedoch in Grenzen hielte, im besten bei jedem Spiel, zumindest auf dem Papier, mindestens 30.000 Zuschauer.
Nach dem Heimsieg gegen Hoffenheim war der Europacupzug dennoch für mich abgefahren, weil die Konkurrenz am 33. Spieltag nicht mitspielte. Am letzten Spieltag musste nicht „nur“ Frankfurt auf Schalke verlieren, sondern auch der VfB in München gewinnen, um wider Erwarten doch noch in die Europaleague einzuziehen. Dass dieses Unterfangen schier unmöglich sein würde, untermauert die Statistik, hat der VfB in 49 Bundesliga-Begegnungen bei den Bayern doch gerade einmal fünf Siege eingefahren.
Ich kenne viele, selbst unter Allesfahrern, die sich das Spiel in München nicht mehr antun. Diese Auswärtstour erfordert ein hohes Maß an Selbstbeherrschung und Nehmerqualität.
Entlang der A8 zwischen Stuttgart und München befindet sich wohl kein Rast- oder Parkplatz, auf dem es rund um den einstigen Südgipfel nicht schon ordentlich gescheppert hätte. Die Bayern-Karawane beginnt ja nicht erst weit hinter Ulm, selbst aus hiesigen Regionen rücken Fanbusse an, so dass Begegnungen schon zwangsläufig stattfinden. Man muss sich ein dickes Fell angeeignet haben, um die Provokationen und das Miasanmia-Gehabe versuchen zu ignorieren, erstrecht, wenn die vermeintlichen Bayern auch noch schwäbisch schwätzen.
Im Stadion geht es dann weiter mit den Scharmützeln, man wird als „Gast“ ins oberste Stockwerk verfrachtet und bekommt Lightbier vorgesetzt. Vergnügungssteuerpflichtig sind Besuche im Schlauchboot also eher nicht und, wie wenn das alles nicht schon schlimm genug wäre, setzt es meistens auch noch eine Packung. Daher habe ich vollstes Verständnis für jene, die zuhause geblieben sind oder sich lieber die Amas in Hoffenheim angesehen haben.
Auch ich war lange mit mir am Ringen, ob ich mir dieses Spiel und die Meisterfeier der Bazis wirklich noch antun soll. Erfahrungsgemäß lassen sich die Bayern die Party ja nicht vermiesen und haben uns schon bei ähnlicher Konstellation, selbst mit B- und C-Mannschaften, keine Chance gelassen.
Als der Worst Case, in München abzusteigen, nicht mehr eintreten konnte, ließ ich mich überreden, wenigstens mitzufahren und eine nette Saisonabschlussfahrt zu veranstalten. Zu dem Zeitpunkt wusste ich noch nicht einmal, ob ins Stadion rein gehen oder nur auf dem Busparkplatz oldschool Radio hören würde, die Fahrt mit Freunden stand eindeutig im Vordergrund.
Nach der Serie zuletzt wandelte sich dann aber die Stimmungslage und Erwartungshaltung. Schließlich reisten wir als zweitbeste Rückrundenmannschaft und somit mit breiter Brust an.
Hatten wir unmittelbar nach dem Amtsantritt von Korkut in einigen Spielen augenscheinlich jenes Glück, das Hannes Wolf fehlte, konnte es nach dieser Vielzahl von Spielen kaum mehr Zufall sein, dass so gut wie keiner in der Lage war, den Korkut-Code zu knacken. Wäre uns durch die Sperren von Ascacibar und Aogo nicht die zuletzt so stabile und gut auf sich abgestimmte Doppel-Sechs komplett abhanden gegangen, hätte ich uns gar gute Chancen gegeben, auch aus München etwas mitnehmen zu können.
Zu allem Überfluss fiel dann kurzfristig auch noch Mario Gomez aus, der am Vorabend des Spiels Vater geworden war. Herzlichen Glückwunsch an dieser Stelle! Weil Korkut bislang seine Formationen so wenig wechselte bzw. auch wechseln musste und daher viele Spieler ohne Spielpraxis dabei waren, hätte ich direkt vor dem Spiel keinen Pfifferling mehr auf den VfB gewettet.
Daher hielten wir uns noch Ewigkeiten am Bus auf und waren nicht erpicht darauf, schnell in die Arena zu gelangen. So kam es, dass ich als Stadionfotograf den Einlauf der Teams und das Intro in den Fankurven zunächst verpasste. Dennoch kam ich gerade noch rechtzeitig, um den Treffer zum 0:1 durch Daniel Ginczek sehen und bejubeln zu können. Da ich vor hatte, sollte das Spiel seinen befürchteten Verlauf nehmen, das Stadion genauso schnell wieder zu verlassen, wie ich es betreten hatte, ersparte ich mir den beschwerlichen Gang in den Oberrang und verweilte die komplette Spieldauer hinweg hinter den Rollstuhlfahrerplätzen auf der Gegengerade.
Nachdem die Bayern relativ früh, wenn auch glücklich, zum Ausgleich kamen, schien das Spiel in die erwartete Richtung zu gehen. Kurz am Sieg schnuppern und dann den A… versohlt bekommen, das kenne ich von unzähligen Begegnungen in München zur Genüge. Die Bayern hatten in der Folgezeit einige gute Chancen, die sie aufgrund eigenen Unvermögens oder wegen eines hervorragend aufgelegten Ron-Robert Zieler nicht nutzten. Normalerweise rächt sich das ja im Fußball, jedoch nicht unbedingt beim in der Liga dominanten FC Bayern.
Zieler ist auch so ein Garant unserer starken Defensivleistungen im Verlaufe dieser Saison. Zwölf Zu-Null-Spiele sprechen Bände. Seit Jens Lehmann haben wir endlich wieder einen Keeper im Kasten, der uns auch Siege festhält. Mittlerweile sollte es niemanden mehr geben, der noch Mitch Langerak hinterher trauert. Dieser spielt mittlerweile in Japan beim hierzulande völlig unbekannten Club Nagoya Grampus, nachdem er in der Vorrunde in Levante keinen einzigen Liga-Einsatz hatte!
Ein weiterer wichtiger Baustein unserer stabilen Defensive ist Holger Badstuber. An dessen Seite reiften Pavard zu einem fast schon Weltklasse-Mann und Timo Baumgartl mindestens zu einem überdurchschnittlichen Bundesliga-Verteidiger. Ich hoffe sehr, dass man sich mit ihm auf eine Ausweitung seines Engagements verständigt. Eine eventuelle Europaleague-Teilnahme könnte die Chancen dafür erhöhen.
Badstuber war, wie auch Daniel Ginczek, nahezu die gesamte Rückrunde über fit, was die Frage aufwirft, ob Korkut so viel dosierter trainieren lässt als Hannes Wolf oder ob Korkut auch diesbezüglich einfach nur Glück hatte. Normal ist das alles nämlich nicht!
Auch wenn unsere starke und zusammengewachsene Defensivabteilung einmal mehr relativ wenige Hochkaräter zugelassen hat, drückte ein anderer Akteur dem Spiel seinen Stempel auf: Anastasios Donis! Was der Grieche in München ablieferte, dafür gehen mir die Superlative aus. Mit welchem Antritt er die beiden ersten VfB-Tore initiierte, wie er erst Rafinha, dann Süle stehen ließ, Weltklasse. Donis schoss ein Tor selbst und bereitete zwei weitere vor, besser geht es kaum. Ginczek, Donis, Akolo, Ginczek hießen am Ende die Torschützen eines denkwürdigen Spiels. Donis ist mit seiner Schnelligkeit eine Waffe, Korkut muss sich für die nächste Saison etwas einfallen lassen, ihn in die Stammelf einzubauen.
Korkuts Bilanz liest sich herausragend. Ich war auch nicht begeistert, als er als neuer Chefcoach vorgestellt wurde, jedoch nicht, dass ich etwas gegen ihn persönlich gehabt hätte, es war viel mehr die Enttäuschung darüber, dass Super-Spürnase Reschke mit einer derart unkreativen Lösung aufwartete und ich Korkut eher als Leisetreter eingeschätzt und es ihm nicht zugetraut habe, den damaligen Sauhaufen von Mannschaft auf Kurs zu bekommen.
Das ist das Schöne am Fußball, es geht um Momentaufnahmen und den jetzigen Moment dürfen wir genießen, ohne zur Abbitte verpflichtet zu sein, wie es Reschke schon früh in der Rückserie einforderte. Korkut hat den richtigen Ton beim Team getroffen und es geschafft, die Mannschaft zu einer Einheit zusammenzuschweißen.
Durch die ersten ordentlichen Ergebnisse konnte er in Ruhe arbeiten und das Team weiter bringen. Für ihn war es im Nachhinein sicher auch kein Nachteil, mit welchen Vorbehalten er hier bei seinem Amtsantritt konfrontiert war, dazu fällt mir der gute alte Sponti-Spruch „ist der Ruf erst ruiniert, lebt sich’s völlig ungeniert“ ein!
Durch die anfänglichen Erfolge wuchs das Selbstbewusstsein, der Zusammenhalt und beraubte die unzufriedenen Ergänzungsspieler ihrer Argumente. Hinzu kam, dass die Winterneuzugänge zu Volltreffern wurden. Wer hätte es schon Thommy, den ich nicht einmal kannte, zugetraut, unser Offensivspiel derart zu beleben, wer Mario Gomez dass er tatsächlich den so dringend benötigten Qualitätsschub im Vergleich zu Simon Terodde bringen würde. Exemplarisch dafür das zweite Tor gegen Hoffenheim, das eben nur ein Klassespieler so macht, vor allem dann, wenn es sich wirklich um die einzige sich bietende Torchance handelt. Diese Tore hat Terodde in der Vorrunde nicht gemacht, so dass dieser Tausch letztlich goldrichtig war.
Dass die Geschichten des Spiels in München vor allem Spieler schrieben, die auf der Miste von Schindelmeiser und Wolf gewachsen sind, freut mich schon ein wenig. Ob Mangala (92% gewonnene Zweikämpfe), Akolo, Donis oder auch Zieler, alle lieferten eine bärenstarke Vorstellung ab und sind der Beleg dafür, dass Schindelmeiser eben doch nicht nur Schrott eingekauft hat, was einige in Anbetracht der vielen verliehenen Spieler, die noch Schindelmeiser geholt hatte, behaupten.
Nach dieser phänomenalen Rückrunde und vor allem dem Spiel bei den Bayern muss ich meinen Hut vor Tayfun Korkut ziehen. Wurde ihm meist vorgeworfen, unflexibel zu sein und rein auf Stabilität zu setzen, bewies er gegen die Bayern Flexibilität und trat mit einem Matchplan an, der offensichtlich selbst Jupp Heynckes überrascht hat.
Zwar wurde Korkut zu seinem Glück gezwungen, doch er bewies großen Mut, Akolo als Mittelstürmer, Ginczek und Donis auf den Außenbahnen und dazu noch Thommy hinter dieser geballten Offensive zu bringen. Ob Donis’ Sololäufe zum Plan gehörten, ist nicht überliefert. Jedenfalls war es genau das richtige Rezept gegen eine hoch verteidigende Mannschaft mit schnellen Läufen hinter die Linien zu kommen.
Die Tore fielen zudem alle auch noch zum perfekten Zeitpunkt. Ein frühes Tor, um den Bayern zu zeigen, dass man nicht hergefahren ist, reine Staffage der Meisterfeierlichkeiten zu sein, ein Tor zum sprichwörtlich psychologisch günstigen Zeitpunkt vor der Pause, sowie die beiden Treffer kurz nach der Halbzeitpause, in der sich die Bayern sicherlich noch einiges vorgenommen hatten und diese Pläne schnell wieder begraben mussten.
So stand nach 55 Minuten ein unfassbares 1:4 auf der Anzeigetafel! Jedoch nicht für mich, ich konnte zwar den Gästeblock gut fotografieren, sah von meinem Platz aber die Anzeigetafel nicht.
Deshalb ging ich unmittelbar nach dem 1:4 völlig perplex auf die Ordnerin des Eingangs zum nächstgelegenen Block zu und fragte, ob ich kurz rein dürfe, um die Anzeigetafel zu fotografieren, was dann auch geklappt hat.
Ab dem Moment war ich dermaßen geflasht und bin es im Grunde immer noch. Zwar traute ich dem Braten noch immer nicht, doch, die Zeit verrann. In der Zwischenzeit kam ich mit einem Bayern-Fan relativ gut ins Gespräch, was dazu führte, dass die Zeit noch schneller rum ging und ich langsam begann, an die Sensation zu glauben.
Dieser Bayern-Fan outete sich als VfB-Sympathisant und war ziemlich interessiert daran, weshalb es mit Hannes Wolf schief ging und welche jungen Spieler sich in dieser Saison wie entwickelt hatten. Er gönnte uns dann zwar den Sieg, bedauerte aber diesen Heim-Abschluss für Jupp Heynckes. Ich versuchte ihm dann Mut zuzureden, indem ich ihm vor Augen führte, dass sich mit diesem 1:4 der Kreis für Jupp Heynckes endgültig geschlossen hat. War er im Oktober 1991 noch nach einem 1:4 gegen die Stuttgarter Kickers (!) nach seiner ersten Amtszeit bei den Bayern mit Schimpf und Schande entlassen worden, bekam er nun, fast 27 Jahre später, beim 1:4 gegen den großen Stadtrivalen der Kickers Blumen, Beifall und viel Herzschmerz zum Abschied! Wenn das mal nicht DIE perfekte Pointe seiner Geschichte war!
Dieser Bayern-Fan, dem es wegen der permanenten Sonneneinstrahlung auf der Gegentribüne zu warm geworden war, lieh mir dann sogar noch für die letzten Minuten seine Dauerkarte, so dass ich zwischenzeitlich fast Höhe Mittellinie gesessen bin und die Schlussminuten dieses denkwürdigen Spiels aus der Nähe miterleben durfte.
Fast vierzig Jahre lang fahre ich zu den meisten unserer Spiele nach München und durfte nun, nach 1994 und 2010, erst den dritten Sieg live miterleben. Diese Zahlen belegen das historische Ausmaß, dass es dem VfB im hundertsten Bundesliga-Aufeinandertreffen zum allerersten Mal gelang, vier Tore in einem Spiel gegen die Bayern zu erzielen, untermauern dies ebenfalls.
Die Bayern hatten sicherlich nicht ihren allerbesten Tag und waren auch nicht mehr mit voller Konzentration bei der Sache. Dennoch gibt es am grandiosen Auftreten des VfB nichts kleinzureden. Der VfB fand gegen die langsam in die Jahre kommende Bayern-Abwehr das richtige Mittel und war vor dem Tor einmal mehr gnadenlos effizient. Dieser Sieg geht so oder so in die Geschichtsbücher ein, für diesen Sieg brauchen wir uns nicht zu entschuldigen.
Danach war kein Halten mehr. Die Bayern-Feierlichkeiten interessierten mich nicht mehr die Bohne. Wie Rumpelstilzchen hüpfte ich aus der Arena und fiel unzähligen Freunden und Bekannten um den Hals. Diesen phänomenalen Tag wird wohl keiner, der dabei war, jemals vergessen.
Der VfB schließt die Saison als Aufsteiger also auf einem hervorragenden siebten Tabellenplatz ab und ihm fehlen am Ende sage und schreibe gerade einmal noch vier Punkte zur Championsleague-Teilnahme. Wo diese vier Punkte liegengeblieben sind, darüber möchte ich jetzt überhaupt nicht anfangen zu schwadronieren, sonst kommt womöglich Trauer darüber auf, dass wir „nur“ Siebter geworden sind.
Meine Respektbekundung an Tayfun Korkut und dafür, was er kurzfristig aus der Truppe herausgeholt hat, ist oben nachzulesen. Mit dem Abpfiff der Saison zählen diese Meriten allerdings nicht mehr viel. Einen Trainer zu beurteilen geht frühestens, wenn er eine Saisonvorbereitung absolviert und erste Transfers getätigt hat. Noch immer bin ich skeptisch, ob Korkut den Jahreswechsel als VfB-Trainer erleben wird.
Nicht weil ich nach dieser starken Rückrunde an Korkut selbst zweifeln würde, nein, deshalb, weil wir über den VfB und die Charaktere in der Mannschaft sprechen. Die große Kunst von Korkut muss es weiterhin sein, Stimmung und Spannung hochzuhalten und nebenbei Ergebnisse liefern, damit das (schwierige) Umfeld ruhig bleibt. Dass es über weite Strecken der Saison nicht an der Qualität sondern vor allem an der Mentalität fehlte und zuletzt auch der zweite Anzug gut saß, macht Hoffnung auf eine entspannte Sommerpause. Ich gehe optimistisch in diese und würde mich ehrlich freuen, wenn Korkut weiterhin ein solch gutes Händchen haben würde, wie bisher. Mit einer Vertragsverlängerung, die über 2019 hinaus schon anstehen soll, würde ich allerdings erst noch bis nach dem stürmischen Herbst abwarten.
Ähnliches Glück wie Korkut lässt sich in der Rückrunde auch Michael Reschke bescheinigen. Wäre ihm das Experiment Korkut missglückt, wäre er zum Abschuss freigegeben gewesen. Mit den Erfolgen kehrte auch bei ihm eine Souveränität ein, die ich ihm nach seinen „Elefant im Porzellanladen-Auftritten“ im ersten halben Jahr seines Wirkens wahrlich nicht zugetraut habe.
Dass er nun am Montag, gerade einmal zwei Tage nach dem (Saison)finale furioso, zur Pressekonferenz lud und dabei sage und schreibe 7 ½ Personalentscheidungen verkündete, überraschte dann doch gewaltig. Fünf Neuzugänge, die Vertragsverlängerungen Jens Grahls und Emiliano Insúas sowie das Bekenntnis von Mario Gomez zum VfB hatte Reschke zu verkünden.
Chapeau, so früh war beim VfB noch keiner dran und die Namen der Neuen lesen sich interessant, soll es sich doch vor allem bei Sosa und Maffeo um international umworbene Top-Talente und die Zukunft für unsere Außenverteidigerpositionen handeln. Dass die VfB-AG dafür ordentlich Euros locker gemacht hat, geschenkt, wenn sie ihren Vorschusslorbeeren nur annähernd gerecht werden.
Im weiteren Verlauf der Transferperiode wird Reschke sicher auch noch mit dem einen oder anderen gestandenen Spieler aufwarten, abhängig davon, wer den Verein noch verlassen wird. Bislang habe ich bei den Planungen der kommenden Saison ein gutes Gefühl und würde Reschke nach seinem ersten Jahr und dem ungenügenden Beginn schon mal ein „befriedigend“ ins Zeugnis schreiben.
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