22. Januar 2017
Auch wenn man das eigene Team mitunter verflucht und nicht mehr sehen kann, wenn die beiden letzten Spiele gegen Hannover 96 und die Würzburger Kickers sang- und klanglos verloren gehen, ist man nach ein paar Wochen Erholungspause für uns und dem Urlaub für die Spieler wieder heiß darauf, zu sehen, wie es weiter geht.
Die Hoffnung auf bessere Zeiten stirbt ja bekanntlich zuletzt, zudem war ich sehr gespannt, wie Trainer Hannes Wolf in Lagos seine erste Vorbereitung angehen werden würde.
Da die Sommertrainingslager mittlerweile sehr überlaufen sind und, vor allem wenn sie in den Sommerferien stattfinden von Familien mit kleinen Kindern und jungem Partyvolk übervölkert sind, findet man im Wintertrainingslager doch eine Atmosphäre vor, in der man „unter sich“ ist.
Hauptsächlich Allesfahrer verschiedener Fanclubs und Ultras-Gruppierungen sind dann vor Ort, eben Leute, die man kennt und mit denen man die Gelegenheit hat, sich besser kennenzulernen und gemeinsam etwas zu unternehmen.
Dass das Trainingslager außerdem auch die Möglichkeit bietet, dem kalten und grauen Deutschland eine Woche lang den Rücken zuzukehren und Sonne fürs Gemüt zu tanken, ist eine positive Begleiterscheinung, auch wenn man natürlich nicht drin steckt, welches Wetter einen denn erwarten würde.
Bereits vor zwei Jahren schlug der VfB an gleicher Stelle seine Zelte auf, damals war es für Portugal eher frisch und regnerisch. Wir hatten seinerzeit schon mal Temperaturen um die 12°, wenn dann noch Nieselregen und der typisch böige Wind am Atlantik hinzu kommen, wird es auch im Südwesten Europas ziemlich ungemütlich.
Dieses Mal freilich wurden wir von Sonne pur verwöhnt, das Thermometer kletterte nahe an die 20°-Marke und der Wind war nur an den ersten beiden Tagen etwas frisch. Als es bereits dem Ende unseres Aufenthalts zuging, erfolgte ein Temperatur-Sturz mit deutlich frischeren Temperaturen, ohne allerdings, dass der Sonnenschein nachgelassen hätte.
Der VfB buchte sich vom 13. bis zum 20. Januar ins Cascade Wellness & Lifestyle Resort ein. Wir planten unseren Aufenthalt umgehend nach Bekanntgabe des Termins, ebenfalls für eine Woche und nur um einen Tag nach vorne versetzt. Dies rührte daher, dass wir donnerstags günstig ab und bis Memmingen nach Faro reisen konnten, was uns leider das erst während des Trainingslagers vereinbarte Spiel in Huelva gegen Lausanne Sports (1:0) am Donnerstagabend kostete.
Im Vorfeld stimmten wir uns mit den Stammtrainingslagerfahrern ab, dass wir unser Domizil im 4-Sterne-Hotel Tivoli Lagos aufschlagen würden, das mitten im Zentrum von Lagos gelegen ist und einen Mietwagen bedingte, sofern man nicht vier Mal am Tag einen 45-minütigen Fußmarsch zum Trainingsgelände und zurück in Kauf nehmen oder aufs Taxi angewiesen sein wollte.
Den Mietwagen, der dank kostenlosem Upgrade ein Nissan Qashqai geworden ist, holten wir direkt am Flughafen ab und fuhren Donnerstagabend die 80 Kilometer von Faro nach Lagos. Einige Bekannte, die den gleichen Flieger ab Memmingen genommen hatten, trafen wir im Hotel wieder, so dass wir gegen 23 Uhr noch zusammen ins Adega da Marina essen gingen. Dieses Lokal gleicht eher einer Kantine denn einem Restaurant, so dass ich bereits bei unserem letzten Aufenthalt anmerkte, dort nicht mehr unbedingt hin zu wollen, doch, Donnerstagabend, 23 Uhr, hatten wir keine andere Möglichkeit mehr, so dass die Mahlzeit, Stichwort gewürzte Knochen, letztlich den Hauptzweck erfüllte, und uns so stärkte, um zum Abschluss des anstrengenden Anreisetages noch das eine oder andere Bierchen trinken zu können.
Den nächsten Tag dann hatten wir „frei“, da mit der Mannschaft erst gegen Spätnachmittag zu rechnen war. Planmäßige Ankunft des Teams war um 12 Uhr mittags in Lissabon, der noch eine gut dreistündige Busfahrt runter an die Algarve folgen sollte. Anders als noch vor zwei Jahren betrieb man nicht den Aufwand, den Mannschaftsbus gut 2.500 Kilometer voraus zu schicken, nur um die Mannschaft vom Flughafen abzuholen und wieder dorthin zu bringen. Die Wege in Lagos für das Team sind kurz, so dass der Bus noch vor zwei Jahren während des gesamten Aufenthalts eigentlich nur sinnlos herumgestanden war.
Wir nutzten unseren freien Tag ein paar kleinere Stadien entlang der Algarve abzuklappern und Bilder davon zu machen. Nahe Quarteira erinnerte ich mich an ein Schweizer Lokal in der Nähe, in dem ich während der Euro 2004, als wir unser Quartier in Quarteira aufgeschlagen hatten und per Mietwagen zwei Mal hoch nach Porto und einmal nach Lissabon zu den deutschen Spielen fuhren, das beste Cordon Bleu entlang der Algarve verköstigte.
Da beim ergoogeln der genauen Adresse Bewertungen vom Januar 2015 ins Auge stachen, stieg die Wahrscheinlichkeit, dass es das Restaurant noch gibt und auch, dass es im Winter geöffnet haben könnte. Eigentlich kamen wir zu spät dort an. Bis 15 Uhr hätte es warme Küche gegeben, das Küchenpersonal war nach Hause geschickt und doch wirkte bei der Gastwirtin meine Geschichte von 2004 und vor allem, dass ich mich noch an das gute Cordon Bleu von damals erinnern würde. So stellte sie sich selbst an den Herd, beorderte ihre greise und schwer auf den Beinen befindliche Mutter her und fing für uns das brutzeln an. Uns allen hat es sehr gemundet, so dass sich dieser Abstecher schon einmal gelohnt hat.
Den Gedanken, auch noch die Stadien in Faro in Angriff zu nehmen, verwarfen wir dann wieder. Zum einen machte das Essen träge und bremste unseren Tatendrang, zum anderen hatte es auch durchaus seinen Charme, das Team direkt nach Ankunft begrüßen zu können.
So fuhren wir also zurück und erhielten kurz vor der Ankunft am Tivoli eine SMS mit der Info, dass die Mannschaft ab 18 Uhr ihr erstes Training auf portugiesischem Boden im Estádio Municipal Fernando Cabrita in Lagos abhalten würde. Aufgrund schwerer Turbulenzen im deutschen Luftraum wegen des Wintereinbruchs war die Mannschaft verspätet gelandet. Da Hannes Wolf auf dieses erste Training Wert legte und der Trainingsplatz am Hotel kein Flutlicht besitzt, zog man kurzerhand ins Stadion um, was uns Gelegenheits-Groundhoppern natürlich sehr gelegen kam.
Das „Hallo“ war dann erst einmal groß, schließlich kennt man sich inzwischen, vor allem die Konstanten im Staff, ob Holger Laser, Günne Schäfer, Klenky, Peter Reichert oder Meuschi. Jedem mal hallo sagen. Hier wurde die Gelegenheit genutzt erste organisatorische Dinge in Erfahrung zu bringen und sich erklären zu lassen, weshalb bspw. Günther Schäfer entschied, den Mannschaftsbus zu Hause zu lassen. Das Training selbst war kurz und diente lediglich der Auflockerung der von Flug und Busfahrt geschundenen Muskulatur, für uns Fotografen waren die Lichtverhältnisse im Stadion sehr bescheiden, so dass der Smalltalk am Rande des Trainings ganz klar im Vordergrund stand.
Am nächsten Morgen dann stand das erste Training am Mannschaftshotel an. Dort trafen dann auch immer mehr (bekannte) VfBler ein, die vorwiegend von Frankfurt/ Hahn aus einschwebten, so dass sich auch da zunächst einmal eher Begrüßungsrituale und fachkundige Gespräche entwickelten, als dass man konzentriert das Training beobachten würde.
Da nicht nur die Mannschaft für die Rückrunde gewappnet sein muss sondern auch wir Fans und am Trainingsplatz erwartungsgemäß wieder kein Getränkeverkauf stattgefunden hat, führte uns unser erster Weg nach dem Training, jetzt wo wir nahezu komplett waren, zunächst einmal in den Supermarkt. Wie bei einem Flashmob fanden sich in diesem unverabredet immer mehr VfBler ein, so dass wir zeitweise den kompletten Betrieb lahm legten.
Wir, eben ganz Schwaben, hatten ein Sonderangebot über 20 Sagres-Fläschchen im Auge, von dem sich lediglich zwei Pack im Regal befanden. Da das 30er-Päckle ungefähr das Dreifache dessen kostete, machten wir Rabatz an der Kasse, dass sich schnellstmöglich jemand ins Lager bewegen und Nachschub besorgen sollte.
Nach kurzen Diskussionen wurde diesem Wunsch dann auch entsprochen, auch wenn die Wartezeit daraufhin zäh war. Währenddessen „warnten“ wir später eintreffende VfBler vor dem (teuren) Fehlkauf, so dass ein heilloses Durcheinander im Intermarché die Folge war und sämtliche Kassen blockiert waren. Nachdem alles zu unserer Zufriedenheit abgewickelt war, feierten wir eine kleine aber feine spontane Supermarkt-Parkplatz-Party, das Leben ist schön!
Danach ging es dann zu unserem ersten Fußballspiel während unseres Aufenthalts, erneut ins Estádio Municipal Fernando Cabrita zum 4.-Ligaspiel C.F. Esperança de Lagos-Futebol Clube de Ferreiras, welches 1:1 endete. Knapp 200 Zuschauer, darunter zwischen 20 und 30 VfBler sahen einen Kick auf mäßigem Niveau, der dennoch lustig war und Spaß machte. Bei Bier für einen Euro, Erdnüssen und Sonne pur lernten wir in der Kürze der Zeit sogar die Lieder der Lagos-Fanszene, welche teilweise Ohrwurmcharakter besitzen und einen bis heute nicht mehr los lassen.
Den darauf folgenden Abend, an dem erstmals alle zusammen waren und die Shaker-Bar unsicher gemacht wurde, würde ich schon heute als legendär bezeichnen. Noch habe ich keine allzu aussagekräftigen Bilder oder gar Videos davon gesehen, weiß aber, dass welche „in der Mache“ sind.
Am nächsten Morgen um 11.15 Uhr besuchten wir dann noch das 2. Liga-Spiel SC Portimonense- Sporting Lissabon B im Estádio Municipal de Portimão. Die gut 20 Kilometer lange Anfahrt sollte sich lohnen, war dort doch etwas mehr Stadionatmosphäre zu spüren als tags zuvor in Lagos. Die langen Schlangen, sowohl an den Ticketschaltern als auch später zum Einlass ins Stadion ließen nichts Gutes vermuten, waren wir doch schon recht knapp dran. So verpassten wir die Anfangsminuten dieses einseitigen Spiels, das Portimão klar mit 4:0 für sich entschied. Die Uhrzeit wäre prädestiniert gewesen, einen Frühschoppen abzuhalten, leider wurde jedoch nur alkoholfrei ausgeschenkt. Hat diese Unsitte also auch schon die zweite portugiesische Liga erreicht, mir fehl(t)en die Worte.
Nach dem Spiel hieß es die Füße in die Hand zu nehmen und sich zu sputen, wartete doch schon um 14 Uhr das Aufeinandertreffen unserer Brustringträger mit dem MSV Duisburg auf uns, dem einzigen VfB-Testspiel während unseres Aufenthalts.
Eine Trainingseinheit verpassten wir an diesem Morgen nicht, Trainer Hannes Wolf legte offensichtlich wert auf eine frische Mannschaft und echte Erkenntnisse aus diesem Test. Diese waren dann schließlich, dass sich die Truppe defensiv zu stabilisieren scheint, vorne jedoch noch die Durchschlagskraft fehlt, folgerichtig das Ergebnis: 0:0.
Hannes Wolf hat gleich zu Beginn des Trainingslagers den Mannschaftsrat selbst bestimmt, wohl auch, um einem unerwünschten und unvorhersehbaren Wahlergebnis vorzugreifen und dieses somit zu verhindern. Meiner Meinung nach fand er dabei eine gute Mischung, die zugleich Achse auf dem Platz werden soll, indem er Keeper Mitch Langerak, Abwehrchef Timo Baumgartl, Kapitän und „Mittelfeld-Regisseur“ Christian Gentner sowie Sturmtank Simon Terodde für befähigt hält, in dieser Truppe den Ton anzugeben. Charakterlich hat er bei seiner Auswahl sicherlich ins Schwarze getroffen, inwieweit sich deren Standing im Team weiter erhöht und sie die Akzeptanz des restlichen Teams haben werden, bleibt abzuwarten. Akzeptanz erwirbt man sich immer am besten dadurch, wenn es einem gelingt, mit Leistung voran zu gehen.
Am nächsten Tag stand für mich nach dem einzigen Training am Vormittag ein absolutes Highlight auf dem Programm. Seit 1983 war ich unzählige Male an der Algarve und schlug dabei vor allem in den „wilden“ 80ern mein Lager stets in Sagres auf. Sagres ist bis heute eine Oase der Ruhe und Anziehungspunkt für unzählige Hippies und Aussteiger, fernab des Massentourismus à la Praia da Rocha (bei Portimão) und Albufeira.
Mit dem Örtchen, in dem mein damaliges Stammlokal Rosa Dos Ventos leider geschlossen ist und in sich zusammen zu fallen scheint, verbinden mich unzählige schöne Erinnerungen, so dass es immer auch eine Reise in die Vergangenheit ist, an einen Ort an dem man die Seele baumeln lassen kann.
Etwa sechs Kilometer von Sagres entfernt befindet sich das Cabo de São Vicente, der südwestlichste Zipfel Europas, an dem mittlerweile in den Sommermonaten die letzte Bratwurst vor Amerika verkauft wird.
Die für die Algarve typische Felsküste, der nahe gelegene Strand von Beliche, die Wellen, die von allen Seiten an die Felsen knallen, all das macht für mich das Cabo zu einem magischen Ort, an den ich bei jedem Algarve-Aufenthalt gerne und fast zwangsläufig zurückkehre.
Vor zwei Jahren noch peitschte der Wind derart, dass wir die Autotüren kaum öffnen konnten, dieses Mal war es weitaus angenehmer bei mäßigem Wind und strahlendem Sonnenschein. Mit den anderen VfBlern verabredeten wir uns am Kap, machten schöne Erinnerungs- und Gruppenfotos und nahmen schließlich in Sagres an der Praca da Republica noch einen kleinen Imbiss ein, bevor es wieder zurück nach Lagos ging. Da am Abend kein Training angesetzt war, konnten wir diesen Nachmittag sehr gechillt verbringen und vor allem ich in Erinnerungen schwelgen.
Der Abend im einzigen Irish Pub von Lagos, der zudem nur etwa 50 Meter entfernt von unserem Hotel entfernt ist, hatte es dann auch noch in sich. Ich weiß nicht mehr, wie oft wir an diesem Abend unser letztes Bier getrunken haben, jedenfalls zogen sich diese bis fast vier Uhr morgens hin. Der Wirt, aufgrund seines Bartes selbsternannter Santa Claus von Lagos und seine hinter dem Tresen schuftende Tochter schlossen das Lokal pflichtgemäß um 2 Uhr nachts ab.
Dann bekamen wir im eigentlichen Nichtraucher-Lokal Aschenbecher hingestellt und wurden gebeten, uns ruhig zu verhalten, da die Polizeistunde bereits vorüber war und die waschechten Iren sonst Ärger bekommen könnten. So entwickelte sich ein extrem lustiges Beisammensein, bei dem man schnell die Zeit vergaß!
Am nächsten Morgen schwächelten mein Zimmergenosse und ich dann, indem wir die Aufforderung, „wer bis 9 Uhr nicht fertig ist, kann liegenbleiben“ wörtlich (wie auch sonst?!) nahmen und liegen blieben. Die anderen setzten die Stadiontour gen Faro fort, wir starteten weitaus gemütlicher in den Tag und päppelten uns mit Kaffee und Mineralwasser langsam auf. Noch ohne gefrühschoppt zu haben, wurden wir von Holger Laser für vfb-tv zum Interview gebeten, was vielleicht erklärt, dass ich sprichwörtlich einen Kloß im Hals hatte. Naja, war ja „nur“ für die VfB-Familie…
Die Tradition eines Fanabends, bei dem sich einige Spieler und Offizielle an der Bar des Mannschaftshotels blicken lassen und der VfB die Zeche (bis zu einer bestimmten Uhrzeit) für Bier, Wein und Softgetränke übernimmt, setzte sich auch dieses Mal fort. Im Gegensatz zu so manchem Sommertrainingslager, wo der komplette Trainerstab und alle Spieler diesen Pflichttermin wahrnehmen (müssen), werden bei Wintertrainingslagern in der Regel eine Handvoll Spieler abgesandt.
Die Anordnung der Spieler auf die Tische war recht ungleich um nicht zu sagen unglücklich verteilt. Saßen an einem Tisch mit fünf Fans gleich vier Spieler (Großkreutz, Özcan, Gentner, Zimmer) konnte sich bspw. mein Tisch und jener nebenan um Matthias Zimmermann „streiten“.
Mitch Langerak war einziger Matador an einem weiteren Tisch, sowie Simon Terodde an jenem vom Rest unserer Reisegruppe. Terodde muss dabei einen erstklassigen Eindruck hinterlassen haben und war selbst so interessiert an unserem Fan-Leben, dass er auch einige Fragen mitgebracht hatte. Zudem richtete er durch die Blume formuliert Erwartungen an die Fans was deren Umgang mit der Mannschaft betrifft. Besonders im Gedächtnis blieb ihm dabei seine Zeit bei Union Berlin und deren Kodex, die eigene Mannschaft niemals während des Spiels auszupfeifen, ihr den Rücken zuzukehren oder das Spiel vorzeitig zu verlassen.
Langerak interessierte mich an diesem Abend ohnehin weniger, weil ich mich mit ihm in Grassau schon ausführlich unterhalten konnte, Großkreutz und Gentner waren ohnehin von einigen umgarnt, so dass ich dann nach einiger Zeit und einigen Bier doch noch mit Matthias Zimmermann ins Gespräch einstieg.
Leider fehlte mir bei ihm eine vernünftige Basis, weil er ziemlich desinteressiert wirkte und Phrasen wie vor Fernsehkameras von sich gab. Unter der Hand war während des Camps schon wieder zu hören, dass es in der Mannschaft Grüppchen gäbe, die eher gegen- als miteinander arbeiten würden, so dass ich Zimmermann unter anderem nach dem Teamgeist und ob alle miteinander auskämen befragte, wobei er mit „alles bestens“ antwortete. Dass Spieler, bei dem, was sie sagen, vorsichtig sind und einem nicht alles aufs Brot schmieren, ist natürlich und bin ich ja auch gewohnt, dass einer dabei aber stromlinienförmig antwortet und keine Vorlagen liefert, auch zwischen den Zeilen zu lesen, langweilt mich dann schon extrem.
Berkay Özcan sprach ich dann, kurz bevor er ging, auch noch an und redete mit ihm über den Mercedes-Benz Juniorcup, bei dem er im Vorjahr noch Spieler und in diesem Jahr Zaungast war. Dabei war seine steile Karriere und auch seine Freundschaft zu Mesut Özil ein Thema. Der Junge gefiel mir, weil er schnell, authentisch und ungekünstelt antwortete und einen freundlichen Eindruck hinterließ.
Außer Kevin Großkreutz (!) verließen die anderen Spieler die Veranstaltung nach und nach, so dass wir, auch weil wir nach dem offiziellen Teil weiter bleiben durften, in sehr gute Gespräche mit Fanbetreuung, Ultras und Fanclubvertretern einstiegen und so einiges über deren jeweilige Organisation und Aktionen erfuhren. Dies unterstrich einmal mehr den Zusammenhalt in der Fanszene und dass man eher nach dem gemeinsamen Nenner als nach Konfrontation strebt. So war dies an diesem Abend für mich das eigentliche Highlight.
Der Abend wurde lang und wäre möglicherweise noch länger geworden, wenn nicht vier Vertreter einer kleineren Ultras-Gruppierung, die mir schon beim Hochhalten eines Banners über Bibiana Steinhaus gegen Heidenheim negativ aufgefallen war, nichts Besseres zu tun gehabt hatten, als in der Hotelbar eines Luxushotels niveaulose Gesänge anstimmen zu müssen und nicht einmal bemerkt haben, dass dies in jeglicher Hinsicht, nicht nur des Ambientes wegen, daneben war und keiner der anderen Anwesenden mit eingestimmt hatte.
Das war negativer Höhepunkt eines ansonsten sehr schönen Abends. Dafür dürfen wir dem VfB dankbar sein und es weiterhin nicht als selbstverständlich erachten. Deshalb ärgert es mich auch sehr, wenn einige wenige bei solchen Gelegenheiten über die Stränge schlagen und die Gefahr dadurch erhöhen, dass solche Fanabende irgendwann der Vergangenheit angehören könnten.
Freilich würde sich der Verein ein Stück weit auch ins eigene Fleisch schneiden, würde er jene bestrafen, die sich zu benehmen wissen. Als Fan hat man nämlich selten Gelegenheit so nah am Puls des Vereins zu sein und sich durchaus auch die Sorgen und Nöte der Protagonisten anzuhören und für gewisse Verhaltensmuster ein Verständnis zu entwickeln. Daher können solche Fanabende dem Verein auch nützen, vor allem wenn man sich in der Bringschuld sieht und Vertrauen neu aufbauen möchte. In lockerer Atmosphäre unter Palmen und weit weg vom sonst vorherrschenden Ligadruck lässt es sich gut aufeinander zugehen!
Quelle: vfb.de
An unserem letzten Tag standen noch zwei Trainingseinheiten an. Während der ersten lud die Fanbetreuung einige Auserwählte zu einem Gespräch nach dem zweiten Training mit dem inzwischen eingeflogenen Präsidenten Wolfgang Dietrich ein. Dieser sei interessiert an einem Gespräch mit dem anwesenden Querschnitt an Fans, was ich sofort begrüßte.
Dietrich hat sich nach seinem schlechten Wahlergebnis, schließlich war er der alleinige Präsidentschaftskandidat, auf die Fahne geschrieben, die Leute mitnehmen und bis zur nächsten Mitgliederversammlung die Zustimmung für ihn steigern zu wollen.
Wenngleich ich Dietrich nicht gewählt habe und mir dabei weniger seine Vorgeschichte als S21-Sprecher und sein Schaffen als ehemaliger Inhaber eines undurchsichtigen Firmengeflechts ein Dorn im Auge waren, als die Tatsache, dass er wieder mal einziger Kandidat des ungeliebten Aufsichtsrats war und gegen alle Widerstände durchgeboxt wurde, habe ich es mir nach seiner Wahl vorgenommen, möglichst unvoreingenommen heranzugehen und zu gegebener Zeit über seine Taten zu urteilen.
Auch wenn die Art und Weise seiner Wahl weh tat und noch immer weh tut, muss jetzt der Verein im Vordergrund stehen. Dass dieser wieder in ruhigere Fahrwasser gerät, dafür braucht es Ruhe und keine Nebenkriegsschauplätze.
Dass sich Dietrich auch noch nach seiner Wahl auf Werbetour zu befinden scheint, spricht für sich und unterstreicht, wie er kämpfen muss, um die VfB-Gemeinde zu einen und von sich zu überzeugen. Diese “Tingelei” empfinde ich jedoch als legitim und, wie man hört, sehen bereits jetzt viele in ihm einen guten Präsidenten und den Verein insgesamt mit dem neuen Vorstand gut aufgestellt. Vom Fanclub Courage Gerlingen, den er beim Auftakt seines Jubiläumsjahres (10 Jahre) beehrte, hörte ich bereits, dass er dort einige Pluspunkte sammeln konnte.
Dass sich Dietrich überhaupt die Zeit nimmt und von sich aus an einem Dialog mit den Fans interessiert ist, werte ich jedenfalls als Positivum, dass wir binnen 24 Stunden zum zweiten Mal im erlauchten Ambiente des Mannschaftshotels empfangen wurden, als nicht selbstverständlich und schönen Nebeneffekt. Für Fragen ein anderes Ressort betreffend hat Dietrich zudem Marketing-Vorstand Jochen Röttgermann mitgebracht, der ebenfalls aktiv in die Runde eingebunden war.
Dietrich machte in Sachen Ausgliederung aus seinem Herzen keine Mördergrube und erklärte, dass sie für ihn zwar unumgänglich sei, die Entscheidung darüber, so oder so, jedoch in diesem Jahr vom Tisch sein müsse und dann auch als gegeben akzeptiert werde. Er wolle zwar keine Kritik an seinen Vorgängern üben, ABER, auf gut deutsch gab es in den letzten vier, fünf Jahren nur dieses eine Thema, weshalb das Tagesgeschäft sträflich vernachlässigt wurde.
Der Vereinsführung ist es klar, dass zunächst einmal Vertrauen der Mitglieder zurückgewonnen werden muss, ehe man reelle Chancen hat, die Ausgliederung durchzubekommen. An diesem Vertrauen kann u. a. durch solche Gespräche, VfB im Dialog oder auch durch Regionalversammlungen gefeilt werden, wenngleich alles mit der sportlichen Entwicklung steht und fällt.
Mein Hinrunden-Fazit fiel fatal aus und barg die unmissverständliche Forderung nach charakterstarken Neuzugängen, vorrangig im zentralen Mittelfeld, in sich. Bislang ist eher das Gegenteil der Fall, der VfB gab Spieler wie Sunjic, Sama und Besuschkow ab und verstärkte sich lediglich mit Julian Green. Dass bisweilen auch bei Abgängen von „Verstärkungen“ geredet werden kann, begründet sich damit, wenn man unzufriedene Spieler mit Stinkstiefelpotential von der Kaderliste bekommt und dadurch schon die Stimmung im Team angehoben wird. Unzufrieden waren die Genannten allesamt, ob sie auch schlechte Stimmung verbreiteten vermag ich nicht zu beurteilen.
Aus der Unterredung mit Dietrich blieb ferner hängen, dass Hannes Wolf davon überzeugt sei, mit diesem Kader den Aufstieg zu schaffen, unabhängig davon, ob noch Neuzugänge verpflichtet werden können oder nicht.
Auf meine Frage, ob denn noch der eine oder andere neue zu erwarten sei, antwortete Dietrich dann auch vorsichtig, für mich jedoch absolut plausibel und nachvollziehbar. Der VfB sei gewillt auch nicht nur einen einzigen Euro bei Transfergeschäften zu verschwenden. Man werde nur Spieler holen, die die Mannschaft sofort weiterbringen und keine für die Bank. Bankdrücker habe man bereits genügend, die seien es gewohnt, während Neue Unzufriedenheit und Unruhe hineinbrächten.
Ferner sei es zum jetzigen Zeitpunkt schwierig Spieler zu finden, die unser Team sofort verstärken, im Fall des Aufstiegs auch bundesligatauglich und gleichzeitig bereit wären, auch ein zweites Jahr zweite Bundesliga zu spielen.
Julian Green habe man nur geholt, weil ihn Marc Kienle aus seiner Zeit als Jugendleiter bei den Bayern kennt und Jürgen Klinsmann als US-Nationaltrainer, der noch immer nah am Verein ist, nur Gutes über den Jungen zu berichten gehabt habe.
Dies unterstreicht doch unser aller Forderung, künftig neben den fußballerischen Fähigkeiten vor allem auf die charakterlichen Eigenschaften zu achten und Schnellschüsse zu vermeiden. Unter dieser Prämisse kann ich mittlerweile gut ohne weitere Neuzugänge leben, bevor man sich Legionäre wie vor Jahresfrist Artem Kravets ins Haus holt, die einzig und allein an ihrem Gehaltsscheck interessiert sind und dem Gesamtgefüge eher schaden.
Zudem habe ich großes Vertrauen in die Arbeit von Hannes Wolf und traue es ihm zu, dass er aus dieser jetzt bestehenden Truppe das Bestmögliche herausholen und der Aufstieg in einer relativ schwachen 2. Liga auch ohne weitere Zukäufe ohne Wenn und Aber gelingen wird.
Ich ging mit einem guten Gefühl aus diesem Austausch und hoffe, dass sich dieses nicht als trügerisch erweist. Es ist bei weitem nicht so, dass ich nicht auch gerne noch einen namhaften Neuzugang hätte, bin aber Realist genug einzusehen, dass die Möglichkeiten auf dem Wintertransfermarkt stark beschränkt sind und zuerst die Bundesligisten zugreifen dürfen, bevor die unterklassigen Teams dran sind.
Zum Abschluss dieser Unterredung stand uns in kleinem Kreis dann noch Jochen Röttgermann Rede und Antwort und erweckte dabei ebenfalls einen lockeren und zugänglichen Eindruck.
Mein Eindruck von Wolfgang Dietrich nach dieser Runde hat sich etwas gebessert. Es scheint wirklich so zu sein, dass sich der Verein öffnet und transparenter werden möchte, wenn einem angeboten wird, jederzeit um ein persönliches Gespräch bitten zu können, was sowohl Dietrich als auch Röttgermann betraf.
Dietrich erweckte immerhin den Eindruck, sich Sorgen und Nöte von Fans und Mitgliedern anhören und sich ihrer annehmen zu wollen. Ob diese neue Offenheit nur ein Strohfeuer ist und wir Dietrich, wie viele befürchten, erst noch richtig kennen lernen werden, wird die Zukunft erweisen.
Ich für meinen Teil werde seinen weiteren Werdegang weiterhin misstrauisch und kritisch begleiten, hoffe aber, dass er die anfänglichen Zweifel zerstreuen kann und der Verein endlich zur Ruhe kommt.
Quelle: https://www.facebook.com/wolfgangdietrich
Noch aber sind meine größten Hoffnungsträger in diesem Verein Jan Schindelmeiser und Hannes Wolf, die schon jetzt, nach kurzem Wirken, einen neuen Geist hineinbrachten und weniger reden als dass sie schaffen. Es siecht schwer nach einem konsequenten Plan aus, was sie bisher bewerkstelligt haben. Der Kaderumbau ist, trotz beschränkter Möglichkeiten jetzt im Winter, in vollem Gange und wird sicherlich im Sommer sehr gravierend ausfallen. Diesen Herren sollte unser volles Vertrauen gelten, auch wenn wir, wie zum Ende der Vorrunde erlebt, vor Rückschlägen auch in Zukunft nicht gefeit sein werden. Die 2. Liga bietet die große Möglichkeit, den Verein zu konsolidieren und gleichzeitig auf ein solides Fundament zu stellen, und das im Einklang mit dem großen Ziel direkter Wiederaufstieg.
Vor allem Wolf erweckt mir den Eindruck, dass bei allem, was er tut, ein Plan dahinter steckt und er nichts dem Zufall überlässt. Trainer sind bei uns in den letzten Jahren bereits genug gescheitert, es ist an der Zeit, dass wir mal einem vertrauen und nicht gleich wieder alles schlecht reden, wenn etwas auf Anhieb nicht wie geschnürt läuft. Auch das ist ein Fazit unseres Portugal-Trips, jeder, wirklich jeder schwärmt in höchsten Tönen von Hannes Wolf, so dass auch wir Fans einen Teufel tun sollten, ihn wie viele seiner Vorgänger vom Hof zu jagen, bevor seine Mission hier nicht erfüllt ist. In einigen Zeitungsartikeln vor Weihnachten wurde bereits Kritik an Wolf laut, aus der Fanszene weniger. Es gilt auch hier zusammen zu stehen und dem Neuaufbau die nötige Zeit einzuräumen, ohne bereits jetzt wieder Köpfe zu fordern. Das sollte uns die jüngere Vergangenheit gelehrt haben, es kommt selten was noch Besseres nach!
Nach Lagos ist vor St. Pauli. Ich zähle bereits die Tage, bis es mal wieder um Punkte am Millerntor geht. Dort erwartet den VfB gleich die erste Reifeprüfung bei einem Gegner, der zum Ende der Hinrunde Morgenluft schnupperte und sich im Winter ordentlich verstärkt hat. Jedem, der nur annähernd mit Fußball etwas am Hut hat, ist es klar, dass es in St. Pauli nur über den Kampf gehen wird und man Nehmerqualitäten an den Tag legen muss. Dort kann sich zeigen, ob das Team aus dem Würzburg-Debakel seine Lehren gezogen hat, wenngleich sich die Mannschaft auch (fast) ohne Neuzugänge verändert hat. Die Neubesetzung des Mannschaftsrats gibt eine klare Hierarchie vor, Ginczek ist wieder fit und Anto Grgic scheint sich mittlerweile (endlich) ins Team gespielt und die Variationsmöglichkeiten im Mittelfeld erhöht zu haben.
Ich freue mich sehr auf kommenden Sonntag, schätze ich nicht nur die einzigartige Atmosphäre am Millerntor, sondern hege auch Sympathien für den Kiez-Club und habe einige Freunde dort.
Diese Freundschaft wird jedoch während der 90 Minuten ruhen, spielen wir in der gleichen Liga gibt es auch für mich selbstredend nur den VfB und nichts Anderes. St. Pauli wünsche ich zwar den Klassenerhalt, jedoch keine Punkte am Sonntag. Eher im Gegenteil, hat St. Pauli der gute Auftritt im Neckarstadion zu Saisonbeginn und die späte und unglückliche Niederlage im weiteren Saisonverlauf eher geschadet, hoffe ich nun auf einen desaströsen Auftritt der Kiez-Kicker mit gegenteiligem weiteren Verlauf in der Rückrunde.
Der VfB kann sich wieder großer Unterstützung sicher sein, bei keinem anderen Spiel in dieser Runde zuvor schien die Kartennot so groß gewesen zu sein, wie vor dem Aufeinandertreffen mit dem FC St. Pauli. St. Pauli ist nicht nur wegen des Stadions und der Atmosphäre ein Highlight im Fußballkalender, nein, auch die Stadt Hamburg lockt und ist jederzeit eine Reise wert.
So bemüht sich scheinbar jedermann um Karten. Viele, die jetzt noch händeringend nach Karten suchen, sind sogenannte Rosinenpicker, die diese eine Spiel auswärts machen wollen, die man sonst und zu ungünstigeren Anstoßterminen aber eher selten antrifft. Das sind dann auch jene, die die horrende Preistreiberei auf den einschlägigen Internetplattformen am Leben erhalten, indem sie für ihr einziges Auswärtsspiel bereit sind, tief in die Tasche zu greifen. Jedem dieser „Fans“ sei angeraten, überteuert erworbene Tickets dem Verein zu melden, damit dieser gegen den Verkäufer vorgehen kann. Mittlerweile wird jedes verkaufte Ticket mit der Seriennummer registriert, so dass jenen Leuten, die sich auf Kosten echter Fans eine goldene Nase verdienen möchten, der Garaus gemacht werden kann und sie von weiteren Ticketkäufen ausgeschlossen werden können. Es wäre wünschenswert, ginge der Verein konsequent gegen sie vor.
Dies ist jedoch nur ein Randthema in der noch immer vorherrschenden Euphorie. Die VfB-Gemeinde ist heiß auf den Rückrundenstart, heiß auf unser vermeintlich letztes Halbjahr in der 2. Liga. Um diese Euphorie am Leben zu erhalten, wäre ein ordentlicher Start in St. Pauli und bei den darauffolgenden zwei Heimspielen gegen Düsseldorf und Sandhausen Gold wert.
Ich bin zuversichtlich, dass Wolf seine Jungs langsam dort hat, wo er sie haben möchte und die Mannschaft nach und nach kapiert, was Wolf von ihr erwartet. Dies ist meine Erkenntnis des Trainingslagers, es kann auch ohne weitere Neuzugänge funktionieren, wenn ein Rädchen ins andere greift und Wolf die vorhandene Truppe besser gemacht hat. Unser bester Fußballlehrer seit langem ist Wolf für mich jetzt schon, hat er es geschafft, in der Winterpause aus diesem Spielermaterial eine funktionierende und ordentlich spielende Mannschaft zu formen, hat er das Zeug ein wirklich Großer zu werden. Wir werden sehen!
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29. Dezember 2015
Joshua Kimmich verlässt den VfB gen München
Das Jahr 2015 begann noch vor dem Trainingsauftakt mit einer weniger schönen Mitteilung. Joshua Kimmich, einst mit einer Rückkaufoption nach Leipzig verschachert, kehrt dem VfB endgültig den Rücken und wechselt zum Rekordmeister Bayern München. Der VfB nahm zwar seine Rückkaufoption wahr, jedoch nur, um Kimmich zu den Bayern weiterzureichen.
Kimmich wurde, als Bobic und Labbadia noch die Verantwortung trugen, zu RB Leipzig abgeschoben, weil ihm, dem riesen Talent, keine Perspektiven im eigenen Verein aufgezeigt werden konnten. Man setzte damals offensichtlich auf die falschen Pferde wie Robin Yalcin und Rani Khedira wie man heute weiß und (ver)stärkte zudem den Brausenclub, womit man einen nicht unwesentlichen Anteil an derem Aufstieg hat. Bei Leipzig wirken die von Bobic weggemobbten und ehemals im VfB-Jugendbereich sehr erfolgreichen Thomas Albeck und Frieder Schrof, die wussten, welches Kronjuwel der VfB da in seinen Reihen hat und mit Kusshand zugriffen.
Dadurch entfremdete sich Kimmich logischerweise vom VfB, so dass er keine Lust mehr verspürte, noch einmal für den Krisenclub vom Cannstatter Wasen die Fußballschuhe zu schnüren. Diese Tatsache und jene, dass man ohnehin keine Chance hat, einen Spieler gegen seinen Willen zu halten, wenn der große FC Bayern ruft, taten ein Übriges. Und, nicht zu vernachlässigen, war der VfB auf die Kimmich-Millionen angewiesen, um das Geschäftsjahr 2014 noch mit einem leichten Gewinn verbuchen zu können und um für den Rest der Saison „flüssig” zu bleiben.
Der VfB indes, der auf Tabellenplatz 15 überwinterte, nahm als erster Bundesligist das Training wieder auf. Huub Stevens zog dabei die Zügel merklich an und ließ seine Mannen in der Vorbereitung um 6.30 Uhr früh antanzen und bat um 7 Uhr zum ersten Lauf. Beim so schwierigen Unterfangen Klassenerhalt sollte nichts dem Zufall überlassen werden.
Robin Dutt als Nachfolger von Fredi Bobic vorgestellt
Am Dreikönigstag wurde Robin Dutt als neuer Sportdirektor und damit als Nachfolger von Fredi Bobic vorgestellt. Dutt, der die Saison noch als Chef-Trainer von Werder Bremen begonnen hatte, wechselte also wieder einmal die Seiten. Nachdem er den Sportdirektor-Posten beim DFB geschmissen hatte, weil seine Berufung doch der Trainerjob sei, nun also die Rolle rückwärts. Ich war von Anfang nicht begeistert von dieser Personalie, auch wenn es nach Fredi Bobic im Grunde nur besser werden konnte. Immer wieder mal keimten Gerüchte auf, Dutt wäre deshalb die Nummer eins der VfB-Verantwortlichen gewesen, weil er vom selben Anwalt Christoph Schickhardt beraten würde, wie auch Präsident Bernd Wahler persönlich und der VfB in seiner Gesamtheit. Vetterleswirtschaft dieser Art kennt man vom VfB, daher wäre es auch keine Überraschung, wenn dies die vordergründigen Beweggründe für Dutts Verpflichtung gewesen wären und das Wohl des VfB erst an zweiter Stelle gekommen wäre.
Qualitäten als Schreibtischtäter konnte Dutt bislang keine vorweisen, eher im Gegenteil, aus Kreisen des DFB hörte man, konzeptionelles Arbeiten gehöre nicht unbedingt zu Dutts Stärken. Matthias Sammer hatte auf der Position des DFB-Sportdirektors Maßstäbe gesetzt, seine Fußstapfen waren für Robin Dutt merklich zu groß. Mir gefallen Leute grundsätzlich nicht, die sich Dinge vorher nicht richtig überlegen und andere dann aus egoistischen Motiven in ein plötzliches Vakuum stürzen, wie es Dutt mit dem DFB getan hatte, so dass ich äußerst skeptisch war, was seine Verpflichtung anging. Dutt hatte zwar nicht den sonst so präferierten Stallgeruch, ist aber in Leonberg zu Hause, so dass der VfB schon auch eine Art „heim kommen“ für Robin Dutt bedeutete.
Wer hat, der hat, daher stattete man Dutt gleich einmal und ohne eine vorher angesiedelte Probezeit abzuwarten mit einem 4-Jahres-Vertrag und einem Vorstandsposten aus. Mir persönlich wäre ein streitbarerer Geist wie Jens Lehmann oder auch Oliver Kahn lieber gewesen, wenn man schon einen Anfänger mit dieser anspruchsvollen Aufgabe betraut. Dennoch, sobald die Tinte unter einem Vertrag mit dem VfB trocken ist, gebe ich jedem Neuen die Chance, meine Vorurteile auszuräumen und wünsche ihm und vor allem dem VfB dabei alles Gute.
16. bis 24. Januar: Trainingslager in Lagos/ Portugal
Im Trainingslager in Lagos an der Algarve preschte Bernd Wahler, der sich ansonsten für meinen Geschmack zu bedeckt hält, damit vor, dass man daran denke, mit Huub Stevens den Vertrag zu verlängern, Stevens jedoch für seine Entscheidung alle Zeit der Welt geben würde. Ein Schelm, der Böses dabei denkt, mit dem Abstand von gut elf Monaten hatte er mit dieser Aussage wohl eher die Absicht, Stevens bei Laune zu halten.
Das Trainingslager in Portugal war zugleich „mein“ erstes Wintertrainingslager. Die Wintervorbereitung hatte ich bislang eher selten auf dem Schirm, zum einen, weil ich nicht gleich im Januar neuen Urlaub verbrauchen wollte, zum anderen aber auch, weil mich die Ziele meist nicht unbedingt reizten.
Eine Ausnahme wäre sicherlich Südafrika im Jahr zuvor gewesen, da war es mir nach der Bekanntgabe etwas zu knapp, diesen Trip zu planen und kurzfristig Urlaub zu bekommen, was ich mittlerweile schwer bereue. Jetzt also Lagos, wo ich seit 1983 schon etliche Urlaube verbrachte und wo mir Land und Leute einfach zusagen. Mit dem Wetter hatten wir Pech. Bevor der VfB ankam, hörten wir von Dauerurlaubern, hätte es sechs Wochen lang keinen Regentag gegeben. Als wir dort waren, machte sich die Sonne rar, es regnete immer wieder und es war, wie am Atlantik üblich, meist sehr windig. An manchen Tagen kletterte das Thermometer kaum über 10°, die Regel waren allerdings etwa 15°, die bei sehr böigem Wind auch schon unangenehm sein können. Die Trainingsbedingungen und das Hotel sollen für das Team super gewesen sein, für uns Fans war es nicht gerade optimal, da wir viele Einheiten nur hinter einem großen Fangnetz verfolgen konnten, welches ob der „Treffsicherheit“ der meisten Kicker allerdings auch nötig war.
Alles in allem waren es sehr schöne Tage an der Algarve. Etwa 20-30 Fans waren vor Ort und es herrschte eine sehr lockere Atmosphäre, auch zwischen Team und Betreuern und den Fans.
Auf dem Trainingsplatz indes gerieten Ibisevic und Harnik bei einer Keilerei aneinander und Moritz Leitner wurde von Stevens gerüffelt, weil er nach einem Zweikampf den sterbenden Schwan mimte und dafür mit einem Straftraining um 6 Uhr in der Früh bedacht wurde.
Das erste Testspiel gegen den albanischen Erstligisten KF Laçi gewann man indes mit 5:0. Da es der Fußball-Gott in diesen Zeiten mit dem VfB nicht gut meint, passte es ins Bild, dass einer der seltenen VfB-Siege wohl nur deshalb so deutlich ausfiel, weil das Spiel ins Visier der albanischen Wettmafia gerückt war und wohl verschoben worden ist. Als Augenzeuge wunderte man sich über diese Gerüchte freilich nicht, stellten die Albaner die Verteidigung in der zweiten Halbzeit doch fast gänzlich ein.
Am 22.01. wurde der Wechsel von Raphael Holzhauser zur Wiener Austria bestätigt. Der Sportdirektor von Austria Wien, ein gewisser Franz(l) Wohlfahrt, tütete den Transfer ein. Holzhauser, der mit den Amateuren wie auch die Austria in Belek im Trainingslager weilte, musste also nur das Hotel wechseln. Alles in allem ein logischer Wechsel, weil er beim VfB nicht über die Rolle des Reservisten hinauskam und auch sein Lebenswandel insgesamt nicht dem eines Bundesligaprofis entsprach. Bis er während seiner Leihe zum FC Augsburg in Ungnade gefallen ist, zeigte er durchaus, was er drauf hat, vor allem bei Standards, und mit seinem begnadeten linken Fuß.
Das zweite Testspiel in Lagos gegen den portugiesischen Zweitligisten SC Farense endete nach schwachem Auftritt 1:1 unentschieden, Kostic traf für die Schwaben. Außer dem windigen Wetter bleibt in negativer Erinnerung an das Trainingslager in Lagos, dass weit und breit kein anderes Team in diesen Gefilden seine Wintervorbereitung absolvierte, so dass es an Gegnern mangelte und diese Tests somit kein Gradmesser für die anstehenden Aufgaben waren.
Ein offizielles Fanfest gab es dieses Mal zwar nicht, jedoch lud uns der VfB auf „zwei, drei“ Getränke an die Hotelbar im Mannschaftshotel Cascade Resort ein. Zuletzt war es üblich, dass zu Fanfesten die gesamte Mannschaft einschließlich Trainer- und Betreuerstab kommt, dieses Mal fand dieses Treffen auf „freiwilliger“ Basis statt, wobei den Führungsspielern Gentner und Ulreich sowie auch Schwaab, Niedermeier und Klein sicherlich angeraten wurde, zu erscheinen. Umso erfreulicher, dass sich auch ein paar Youngsters wie Timo Werner und Mart Ristl blicken ließen. Letzterer hatte erst kurz vor Beginn des Trainingslagers beim Mercedes-Benz Junior Cup im Sindelfinger Glaspalast auf sich aufmerksam gemacht und stieß nach guten Leistungen dort gleich zum Kader der Profis. Auch die anderen jungen Wilden haben es mir nicht nur durch ihre Trainingsleistungen angetan, sondern auch deshalb, weil sie noch so wohltuend normal sind. Sie grüßen freundlich und helfen nach den Einheiten dem Meuschi noch beim zusammen räumen, während solche, die ihre Nase weit oben tragen (Leitner) ihr Zeug nur hinrotzen. An der Stelle macht sich eine gute Kinderstube schon bemerkbar.
Zum Abschluss des Trainingslagers dann noch ein nicht alltägliches Highlight. Die Mannschaft flog, wie wir, in der Holzklasse mit Germanwings zurück in die Heimat, wo wir sie jedoch nicht mehr belästigen oder in ihrem Ablauf stören wollten. Lediglich Robin Dutt schüttelte ich beim Warten aufs Gepäck am Stuttgarter Flughafen noch die Hände und wünschte ihm alles Gute. Allerdings nicht für seine Aufgabe beim VfB sondern anlässlich seines 50. Geburtstags, den er am Tag des Rückflugs beging.
Auftaktniederlage gegen Mönchengladbach
Am 31.01. schließlich endete sie, die Zeit voller neuer Hoffnungen, ohne Niederlagen und sonstiger größerer Enttäuschungen. Die Zeit der Wahrheit stand wieder an, der Rückrundenstart. Und den versemmelte der VfB mal wieder gründlich. Beim 0:1 gegen Borussia Mönchengladbach blieb der VfB im fünften Heimspiel in Folge ohne eigenes Tor, Negativrekord! Es war die nahtlose Fortsetzung einer katastrophalen Vorrunde, so dass die Vorfreude auf eine bessere Rückrunde schon in den Startlöchern stecken blieb. Nach einer katastrophalen Anfangsphase und hochkarätigen Chancen der Gladbacher schaffte es der VfB immerhin, den Champions League Anwärter auf sein Niveau herunterzuziehen, so dass die Partie zunehmend verflachte. Da zeigte sich dann, dass die Elf vom Niederrhein an diesem Tag zu packen gewesen wäre. Symptomatisch, dass sich der VfB beim entscheidenden 0:1 auch noch auskontern ließ. Dumm, dümmer, VfB! Und doch wäre in der vierten Minute der Nachspielzeit fast noch der Ausgleich geglückt, wenn, ja wenn, Georg Niedermeier aus vier Metern ins leere Tor und nicht nur die Latte getroffen hätte.
Verpflichtung von Serey Dié
Wenige Stunden vor Schließung des Transferfensters wurde schließlich noch der einzige Winterneuzugang an Land gezogen. Der ivorische Nationalspieler Serey Dié, der sich zum Zeitpunkt der Verpflichtung noch beim Afrika-Cup befand, gilt als Enfant terrible. Während seiner Zeit beim FC Basel war er zwar stets unumstrittener Publikumsliebling, fiel aber auch immer wieder negativ auf, so bspw. 2012 als er nach einem Spiel gegen den FC Lausanne einen Balljungen ohrfeigte, der ihm während des Spiels den Ball zu langsam zugeworfen hatte. Seine Eskapaden und Sperren beim FC Basel häuften sich, so dass dieser Hochkaräter plötzlich bezahlbar auf dem Markt war und Robin Dutt, der ihn auch schon zum SC Freiburg locken wollte, zugriff. Wie man aus heutiger Sicht sagen kann, saß eine der ersten Amtshandlungen Dutts gehörig, Dié schwang sich in der Rückrunde zum Leistungsträger und einem DER Garanten des Klassenerhalts auf. In der Bundesliga sollte Serey Dié noch zwei Spiele lang fehlen.
Nullnummer in Köln
Direkt nach der Winterpause setzten die Terminplaner eine englische Woche an. Für den VfB ging es dabei nach Köln, wo der VfB seit Ewigkeiten nicht mehr verloren hatte. Dritte englische Woche der Saison, nach Dortmund und Hamburg zum dritten Mal auswärts, was für mich bedeutete, dass ich einen Tag Urlaub nehmen musste, besser gesagt zwei halbe Tage. Am Spieltag nachmittags mit dem Zug in die Domstadt, Übernachtung und früh morgens mit dem Zug zurück und vom Hauptbahnhof direkt ins Geschäft. Was tut man nicht alles, um sich unter der Woche auswärts ein erbärmliches 0:0 reinzuziehen. Dieses Spiel war die Hochzeit des Stevenschen Defensiv-Wahns. Bei einem heimschwachen Gegner, der zu Hause ähnlich „treffsicher“ ist wie der VfB, mit einer Riegel-Rudi-Taktik anzutreten, und das nach einer Heimniederlage gegen Gladbach und der bevorstehenden Heimniederlage gegen die Münchner Bayern, spottet jeder Beschreibung. Das Spiel entwickelte sich erwartungsgemäß zum Duell Not gegen Elend auf unterstem Niveau. Das bewegendste an diesem Abend war noch die Gedenkminute für Udo Lattek, als sich das ganze Stadion einschließlich des VfB-Blocks erhob und dem Altmeister klatschend die letzte Ehre erwies.
Heimniederlage gegen die Bayern
Der Angsthasenfußball von Köln wurde als Mutmacher für die Partie gegen die Bayern verkauft, die Null sollte auch gegen den Spitzenreiter stehen. Nur, dass die Kölner Angriffsbemühungen ähnlich limitiert aussehen wie die vom VfB und die Durchschlagskraft der Bayern eine andere ist, wischte man in den Gedankenspielen kurzerhand beiseite. Die Bayern, in der Rückrunde nach einem Debakel in Wolfsburg und einem Remis gegen Schalke ebenfalls noch sieglos, mussten in Stuttgart schon gewinnen, um nicht in eine bajuwarische Krise zu schlittern. Doch, keine Angst, ihr Bayern, auch wenn der VfB vieles nicht kann, Aufbaugegner kann er wie kaum ein Anderer. Dass die Brust der Bayern schon einmal breiter war, merkte man ihrer Spielanlage an. Der VfB spielte gut mit, auch wenn er sich insgesamt zu wenig zutraute, um die Bayern ernsthaft zu gefährden. Und trotzdem hätte man durch Sakai in Führung gehen können, der aber nur den Außenpfosten traf. Kurz vor der Pause nahmen dann die Dinge ihren Lauf. Ein abgefälschter Ball fiel Arjen Robben vor die Füße, der humorlos und sehenswert über Ulreich hinweg abschloss. Und, als wäre es der Sonntagsschüsse noch nicht genug, traf David Alaba kurz nach dem Seitenwechsel per Freistoß in den Winkel. Das war’s, der VfB bekam mal wieder viel Lob, viele Respektsbekundungen, viel Honig ums Maul geschmiert, dass man ja gar nicht so schlecht wäre, wie es der Tabellenstand aussagt. Doch, die Tabelle lügt nicht und gestaltet sich aus VfB-Sicht gnadenlos, ohne Berücksichtigung einer B-Note weist sie nach 20 Spieltagen den 18. und damit letzten Tabellenplatz für den VfB aus.
Last-Minute-Knockout in Sinsheim
Das Warten auf Serey Dié hatte schließlich ein Ende. Die Ivorer gewannen den Afrika-Cup durch ein 9:8 nach Elfmeterschießen gegen Ghana, so dass Serey Dié erhobenen Hauptes seinen Dienst beim VfB antreten konnte. Freitags vor dem Hoffenheim-Spiel absolvierte Serey Dié seine erste Trainingseinheit mit dem Team, so dass er für einen Startelfeinsatz an der Autobahnraststätte noch nicht in Frage kam.
Stevens rückte auch in Sinsheim nicht von seiner Riegel-Taktik ab und war in erster Linie, analog zu Köln, darauf aus, ein 0:0 zu ermauern. Antifußball von der schlimmsten Sorte, destruktiv ohne Ende, um mit dem Team, an dem sich Bobic messen lassen wollte, überhaupt punkten zu können, schien Stevens jedes Mittel recht. In Timo Werner und Martin Harnik standen zu Beginn gerade einmal zwei Offensivkräfte auf dem Platz, der Rest waren durchweg mehr oder weniger Zerstörer. Mit solchen Auf- und Vorstellungen wie in der Saison bereits zuhauf gesehen, darf man sich nicht wundern, dass es mittlerweile viele außerhalb des Schwabenlands gibt, die dem VfB den Abstieg wünschten.
So trat der VfB also auch bei Hoffenheim an wie das Kaninchen vor der Schlange. Hoffenheim, mit drei Niederlagen in die Rückrunde gestartet und daher auch nicht mit sonderlich viel Selbstvertrauen ausgestattet, wurde damit eingeladen, selbst die Initiative zu ergreifen und sich ihre verloren gegangene Sicherheit zurückzuerlangen. Nach einer halben Stunde Not gegen Elend nutzte Roberto Firminho nach einer Standardsituation einen Abpraller, der vor seine Füße fiel, zum überraschenden 1:0. Dieses Gegentor war zunächst der Weckruf für den VfB, der aktiver wurde und kaum zehn Minuten später zum Ausgleich durch Gotoku Sakai kam. Der Japaner erzielte damit sein erstes Bundesligator überhaupt und das erste VfB-Tor in der Rückrunde.
In der zweiten Hälfte verflachte die Partie immer mehr, Chancen auf beiden Seiten waren Mangelware. Ob Robin Dutt während des Spiels schon Einfluss nahm und Huub Stevens dazu bewegte, in Maxim und Ibisevic zwei zusätzliche Offensivkräfte zu bringen, ist reine Spekulation. Vielleicht hat es Stevens ja selbst erkannt, dass selbst ein Unentschieden bei dieser Tabellenkonstellation zu wenig wäre. Klare Chancen sprangen indes keine heraus, weil aufgrund technischer Schlampigkeiten die letzte Präzision fehlte. Als man sich bereits auf dieses schiedliche friedliche Unentschieden geeinigt zu haben schien, schenkte Timo Baumgartl einen Ball leichtfertig her, der über Volland zu Sebastian Rudy gelangte und den dieser nur noch einzuschieben brauchte. Dritte Minute der Nachspielzeit und dann dieser Nackenschlag. Die Lichter schienen auszugehen auf dem Wasen, Huub Stevens raunzte auf der anschließenden Pressekonferenz einen Journalisten an: „Haben Sie einen Rat für mich?“. So ratlos hatte man den Knurrer aus Kerkrade selten erlebt, ich befürchtete seinerzeit nach Veh den zweiten Trainer-Rücktritt in dieser Saison. So weit kam es zum Glück nicht, wobei Stevens bei seinen Halbjahres-Engagements sicherlich auch die mutmaßlich exorbitant hohe Nichtabstiegsprämie im Kopf hat und schon daher nicht bereit ist, davon zu laufen. Augen zu und durch!
Fanliebe gegen “Echte Liebe”
Dutt stärkte Stevens zwar öffentlich den Rücken, intern wuchsen seine Zweifel aber, ob die geplante Erneuerung des VfB mit Stevens möglich wäre, so dass wohl (spätestens) nach dem Hoffenheim-Spiel die erste Kontaktaufnahme mit Alexander Zorniger erfolgte.
Für den VfB ging es nach dem Nackenschlag in Sinsheim gleich freitags gegen Borussia Dortmund weiter. Der BVB spielte selbst eine Horror-Saison und fand sich vor nicht allzu langer Zeit auf den Abstiegsrängen wieder, befand sich aber nach zuletzt zwei Siegen in Folge auf dem aufsteigenden Ast. Auch im dritten Heimspiel der Rückrunde versuchte es der VfB mit einer nominell defensiv aufgestellten Mannschaft. Frappierend schon in der Anfangsphase, wie sich ein Klassenunterschied zwischen den beiden Teams zeigte. Dortmund kombinationssicher und zielstrebig, der VfB ängstlich und ohne jegliches Selbstvertrauen, was in der frühen Führung durch Aubameyang mündete. Doch, völlig überraschend, kam der VfB zurück. Niedermeier wurde im Strafraum von Sahin von den Beinen geholt und holte dadurch einen Strafstoß für den VfB heraus. Da Sahin Niedermeier kurz vor der Torlinie von den Beinen holte, hätte er zwingend rot sehen müssen, doch Schiedsrichter Aytekin ließ seine Karten stecken, weil er, wie er später zugab, diese Doppelbestrafung doof findet und somit Selbstjustiz übte. Da es nur der VfB war, durfte Aytekin ohne jegliche Sanktionierung weiter sein Unwesen auf Deutschlands Fußballplätzen treiben, nicht auszudenken, was mit ihm passiert wäre, wenn er die Bayern so benachteiligt hätte. Müßig darüber zu spekulieren, ob der VfB in Überzahl gewonnen oder sich der BVB dann wenigstens mit einem Remis begnügt hätte. Gündogan brachte seine Farben noch vor der Pause in Führung, kurz vor Schluss, nach Fehler von Baumgartl in Co-Produktion mit Ulreich, erzielte Reus das entscheidende 1:3. Das 2:3 in den Schlusssekunden durch Georg Niedermeier stellte nur noch Ergebniskosmetik dar, so dass man auch im fünften Rückrundenspiel ohne Sieg und bereits mit fünf Punkten Rückstand auf den 15. Platz am Tabellenende festsaß.
Die Nerven, auch bei den Fans, lagen blank und dennoch spielten sich nach dem Dortmund-Spiel in der Cannstatter Kurve herzzerreißende Szenen ab. Die Spieler bekamen nicht etwa den Zorn der Fans ab wie noch vor Wochenfrist in Sinsheim, im Gegenteil, sie, allen voran Timo Baumgartl, wurden in den Arm genommen, geherzt und getröstet, Szenen so unglaublich, dass sie um die Welt gingen. Der Schulterschluss mit den Fans ist also vorhanden, das Signal klar. Wir zusammen, ihr für uns, wir für euch, wir geben nicht auf!
Remis im Kellerduell
In Hannover sprang Huub Stevens (endlich) über seinen Schatten und nominierte mit Harnik, Werner, Maxim und dem endlich zurückgekehrten Daniel Ginczek gleich vier Offensivkräfte. Bei den ebenfalls kriselnden 96ern reichte es freilich auch nicht zum Befreiungsschlag. Nach Toren von Gentner und Stindl trennte man sich 1:1. Dass die Nerven in diesem Kellerduell blank lagen zeigte sich auch bei einer Rangelei zwischen Harnik und Stindl, die beide des Feldes verwiesen wurden und für Harnik eine Zwei-Spiele-Sperre zur Folge hatte. Eigentlich dämlich und dennoch aus zweierlei Aspekten noch positiv hervorzuheben. Zum einen zeigt sich in solchen Szenen, dass dem Spieler die Situation nicht völlig am Arsch vorbeigeht und zum anderen hätte man Harnik schon länger mal eine Denkpause gewünscht, in der Hoffnung, dass er danach geläutert und stärker zurückkommen würde.
Nach dem Hannover-Spiel preschte erstmals Ralf Rangnick vor und erklärte auf Sky und ServusTV, dass Alexander Zorniger „spätestens“ zur neuen Saison neuer VfB-Trainer werden würde. Wie man heute weiß, war dies damals längst in trockenen Tüchern, so dass man mit Stevens ein falsches Spiel spielte. Kein Wunder, dass dieser immer gereizter auf in diese Richtung gehende Fragen reagierte. Und doch können wir dankbar sein für die Professionalität, die Huub Stevens an den Tag legte, indem er dieses Kasperletheater mitspielte und nicht einfach den Bettel hingeschmissen hat. Ich vermute mal, dass ihm seit dem Abstiegskampf des Vorjahres und den emotionalen Momenten, die er mit dem VfB und uns Fans erlebte, der VfB trotz allem ans Herz gewachsen war und er uns nicht im Stich lassen wollte, wie es ein halbes Jahr vorher Armin Veh getan hatte. Auf der anderen Seite war aber natürlich auch fraglich, ob der VfB sich eine Entlassung Stevens‘ überhaupt hätte leisten können, unabhängig davon wurde das Heimspiel gegen den Mit-Abstiegskonkurrenten Hertha BSC Berlin einmal mehr zum Schicksalsspiel für den Trainer hochstilisiert.
Am Ende stand die null auf beiden Seiten, obwohl der VfB die engagiertere Mannschaft mit den besseren Chancen war. Ein Heimsieg wäre verdient gewesen, gelang aber nicht, so dass man auch nach dem 24. Spieltag Schlusslicht war, mit noch immer fünf Punkten Abstand zum rettenden Ufer.
Mehr als das Ergebnis blieben die Ausschreitungen vor und nach dem Spiel in Erinnerung. Obwohl Bundesligavereine, Sicherheitsvertreter, Polizei, DFL und was weiß ich, wer noch, stets betonen, dass Spiele unter Berücksichtigung sämtlicher Sicherheitslagen angesetzt werden würden, setzte man dieses Spiel gegen die Hertha, deren Fans eine Freundschaft zu unseren Erzfeinden vom KSC pflegen, bei Dunkelheit und an einem Freitagabend an. Den KSC ließ man intelligenterweise an einem anderen Tag und nicht parallel spielen, so dass es vorprogrammiert war, dass einige hundert Gelbfüßler-Chaoten anreisen würden, die mit dem Spiel an sich nichts am Hut hatten und lediglich Ärger suchten.
Dass es dann bei Dunkelheit unübersichtlich wurde und zu unschönen Szenen kam, haben sich die Ordnungshüter selbst zuzuschreiben. Vor allem nach dem Spiel eskalierte die Situation, als die Polizei nichts besseres zu tun hatte, wegen ein paar hundert blauen Deppen den Bahnhof zuzusperren und tausende VfBler damit auszusperren und an ihrer Heimfahrt zu hindern.
Wohlgemerkt handelte es sich um ein Abendspiel und nach 23 Uhr schwimmen einem beim dürften ÖPNV-Angebot im Großraum Stuttgart nun mal die Felle davon, so dass die Nervosität vor den Toren stieg und vereinzelt versucht wurde, den Bahnhof zu stürmen. Auch da hatte dann die Polizei wieder ihren großen Auftritt, in dem sie durch Türschlitze Pfefferspray versprühte und somit zur allgemeinen Beunruhigung der Lage maßgeblich beitrug. Ganz großes Kino an diesem Abend!
Eher noch weiteres Öl goss Präsident Wahler dann ins Feuer, indem er die Vorkommnisse kritisierte, ohne ein vollständiges Bild über die Ereignisse gehabt zu haben. Vor allem von ihm, der selten etwas sagt, sollte, wenn er denn etwas sagt, gehaltvolleres kommen, nachdem er sich informiert hat und nicht einfach nachplappern, was Polizeichefs ihm in den Mund legen, die selbst auf der Suche nach Rechtfertigungen sind.
Debakel in Leverkusen
Wenn nicht bald die Wende und damit der erste Rückrundensieg gelingt, dürfte der VfB kaum mehr zu retten sein. Auch nach dem Hertha-Spiel stellte sich die Frage, ob der VfB mit Stevens weitermacht oder gar weitermachen muss. Abgesehen vom finanziellen Aspekt und der Fälligkeit einer Abfindung im Falle einer Stevens-Entlassung, hat sich Dutt durch die frühe Festlegung auf Alexander Zorniger maßgeblich dieser letzten Patrone beraubt. Würde Zorniger sofort einspringen (müssen) könnte er bereits vor seinem geplanten Amtsantritt verbrannt sein, nämlich dann, sollte das Unternehmen „Rettung“ schiefgehen. Daher war es schon logisch, dass Stevens auch in Leverkusen noch auf der Bank sitzen würde. Ausgerechnet beim Angstgegner Leverkusen auf die Wende zu hoffen, war schon reichlich vermessen. Der VfB begann zwar ordentlich und ließ die Werkself kaum zur Geltung kommen, leider schaffen es die Schwaben selten bis nie, eine solche Gangart konsequent und konzentriert über 90 Minuten auf den Platz zu bringen. Nach einer halben Stunde lud der VfB Bayer förmlich zur Führung ein, indem gleich fünf Spieler eine wahre Slapstick-Orgie hinlegten, und damit Wendell freispielten, der seinen ersten Bundesligatreffer erzielte. Vier Minuten später legte Drmic nach, so dass die gute erste halbe Stunde wie weggeblasen war und Bayer nun eindeutig Chef im Ring war. In der 50. Und 59. Minute erhöhte die Werkself auf 4:0 und spulte in der Folgezeit ihr Pensum im Schongang herunter, mit Gedanken beim schon dienstags anstehenden Championsleague Spiel bei Athletico Madrid. Nicht auszudenken, welche Dimension dieses Debakel angenommen hätte, wenn Bayer mit der gleichen Intensität der ersten Stunde weitergemacht hätte. Der VfB zerfiel in seine Einzelteile und hatte Bayer auch nichts mehr entgegenzusetzen, nachdem sie zwei Gänge heruntergeschaltet hatten. Beängstigend!
Erster Rückrundensieg!
Der erste Rückrundensieg gelang dann im folgenden Heimspiel gegen die Frankfurter Eintracht, die man auswärts schon 5:4 (!) schlagen konnte. Die Eintracht ging zwar kurz nach der Halbzeit in Führung, zwei Mal Ginczek sowie Alexandru Maxim drehten jedoch das Spiel. Der VfB blieb dadurch zwar immer noch Letzter, konnte den Rückstand auf Platz 15 aber auf zwei Punkte verkürzen, was neue Hoffnung auf den Klassenerhalt machte. Vor allem, dass Daniel Ginczek endlich seine ersten Tore für den VfB erzielte, nährte die Hoffnung auf mehr. Der Junge ist ein ganz starker Knipser, wenn er denn die Fitness, das Selbstvertrauen und auch die richtigen Zuspiele bekommt, wie an diesem Tag von Harnik und Maxim.
Der VfB spielte zwar eine Stunde lang wie ein Absteiger, kam aber mithilfe der Frankfurter wider Erwarten noch zurück. Wenn einer Aufbaugegner ähnlich gut kann wie wir, dann ist das die Eintracht. Auch an dieser Stelle nochmals vielen Dank, wenn wir das Spiel verloren hätten, wenn bei Ginczek der Knoten an diesem Tag nicht geplatzt wäre, wenn…? Vermutlich wäre eine Niederlage gegen die Eintracht dem Abstieg gleichgekommen. So machte sich zwar große Erleichterung breit, jedoch auch die Erkenntnis, dass man drei Punkte und nicht mehr gewonnen hatte. Die Situation ist brenzlig genug, der Sieg nährte aber die Hoffnung, dass die Jungs wieder an ihre eigenen Stärken glauben und in den nächsten Spielen befreiter aufspielen können.
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11. Februar 2015
Nachdem das Buchprojekt endlich Konturen annimmt und sich in der Schlussphase befindet, finde ich endlich mal wieder Zeit, die aktuelle Lage unseres VfB zu kommentieren.
Die Winterpause verlief einigermaßen unspektakulär und doch machte sie mir zunächst einmal Sorgen. Unser Super-Talent Joshua Kimmich, mit Rückkaufoption an RB Leipzig verkauft, erklärte klipp und klar, dass er nicht mehr zum VfB zurückkehren wolle. Wer mochte es ihm verdenken? Er hatte es niemals vor, so früh sein hiesiges und familiäres Umfeld zu verlassen, wurde damals aber von Fredi Bobic und Bruno Labbadia dazu gedrängt, indem sie ihm nicht einmal einen Platz in der zweiten Mannschaft, also in der 3. Liga, zugestehen wollten. Er selbst wäre diesen Umweg gerne gegangen, um sich für höhere Aufgaben zu empfehlen. Eine Leihe (bzw. Verkauf mit Rückkaufoption), oder besser Abschiebung, zu einem anderen Verein birgt immer das Risiko, dass der Spieler sich woanders wohler fühlt, und innerlich mit seinem Stammverein abschließt. Das war bei Julian Schieber so, das war auch zeitweise bei Daniel Didavi so, der am Ende nur froh war und es auch sein konnte, dass der VfB, als er mit einer schweren Verletzung vom Club zurück kam, ihm beigestanden hat und seinen Vertrag verlängerte, so dass er keine Zukunftsängste haben brauchte.
Bei der U19-Europameisterschaft fiel mir Kimmich sehr positiv auf, so dass ich mich sehr auf ihn freute und natürlich hoffte, dass der VfB auch hingeschaut hat und die Rückkaufoption in Anspruch nimmt.
Spieler, die man so leichtfertig fortschickt, erfahren in einem fremden Umfeld auf einmal Dinge, die es beim VfB schon lang nicht mehr gibt. Wertschätzung des Vereins, Wertschätzung der eigenen Fans und ein leistungsorientiertes Umfeld, wo eben der spielt, der besser ist und sich im Training aufgedrängt hat. Bei uns aber ist die Stammmannschaft seit Jahren ein mehr oder weniger geschlossener Kreis mit ein paar Positionen, die aus unterschiedlichen Gründen unantastbar sind. Sei es eine besondere Lobby, Stammplatzgarantien oder auch schädliche Geschäftsbeziehungen von (Ex-)Manager Bobic mit Spielerberater Schwab (Gentner, Ulreich). Solche Verstrickungen und das daraus resultierende jahrelange Durchschleppen von manchen Spielern sind für mich maßgeblich mitverantwortlich für die Misere, wie wir sie in den letzten Jahren hatten und haben.
Hätten solche Garantien oder „Freundschaftsdienste“ keine Rolle gespielt, stünde möglicherweise heute Leno im Tor und zwei der vielen schon neben und wegen Gentner gescheiterten Nebenmänner, nicht zuletzt wären die Chancen für einen Joshua Kimmich ungleich größer gewesen, es ins Team zu schaffen. An dieser Stelle zitiere ich mal User homer aus dem offiziellen VfB-Forum, wie ich finde, ein sehr guter Ansatz zur Personalie Gentner: „Bekommt Gentner einen reinen Abräumer neben sich gestellt (Kvist), wird nach kurzer Zeit dieser kritisiert, weil er kein Spiel aufbauen kann, obwohl es dann eigentlich Gentners Aufgabe war. Bekommt Gentner einen Spielorganisator, der feine Bälle von hinten heraus spielen kann zur Seite (Oriol, Leitner), hagelt es schon bald Kritik, dass diese keine Zweikämpfe gewinnen. Dabei wäre das dann Gentners Aufgabe. So oder so, Gentner kam immer gut raus aus der Situation…“.
Dies sind nur einige Nachwirkungen der Ära Bobic, die uns vermutlich noch eine ganze Weile beschäftigen werden.
Durch den Verkauf Kimmichs an den FC Bayern, der sogar noch die unendliche Güte besaß, einen Teil der Ablöse Cash auf den Tisch des Hauses zu legen, wurde verhindert, dass ob der notorischen Geldarmut gar ein Leistungsträger im Winter verkauft werden musste, „nur“ um die laufenden Kosten bis Saisonende zu sichern. So kam der VfB zu diesem Geld wie die Jungfrau zum Kinde und hat natürlich auch gleich zugegriffen, um Löcher zu stopfen, wie es schön hieß. Auch wenn viele Kimmich eine Karriere wie Sami Khedira zutrauen und der „Abgang“ höchst schmerzlich ist, blieb dem Verein im Grunde keine andere Wahl. Es bringt ja auch nichts, einen unwilligen Spieler zu holen, außerdem, wenn Bayern ruft, hat man als VfB Stuttgart im Grunde sowieso keine Chance, den Spieler zu halten. Das Tischtuch wurde bei seinem Wechsel nach Leipzig zerschnitten, daher war das Verhältnis jetzt nicht mehr zu kitten, schade!
Dann wurde am Dreikönigstag Robin Dutt als Bobic-Nachfolger vorgestellt. Ich gebe es zu, mein Favorit war er nicht. Nach wie vor halte ich es ihm vor, dass er den elementar wichtigen Posten des Sportdirektors beim DFB beim erstbesten Angebot eines Bundesligisten, hingeschmissen hatte. Das war für mich erstens schlechter Stil und zweitens das Verhalten eines Menschen, der nicht weiß, was er will. Natürlich ist er jetzt beim VfB wieder näher an einer Mannschaft dran, als er das beim DFB war, aber, seine Aufgaben dürften dort auch vor der Unterschrift schon bekannt gewesen sein. Selbstredend brachte sich der VfB selbst in diese Bredouille, mitten in einer Saison, den Sportdirektor wechseln zu müssen, weil unter die Personalie Fredi Bobic nicht wie von vielen erwartet und gefordert schon im Mai 2014 der Schlussstrich gezogen wurde. So brachte man sich wieder einmal selbst unter Zugzwang und musste aus den Resten, die der Markt hergab, die bestmögliche Lösung suchen. Einen Stefan Reuter anzubaggern, der beim FC Augsburg einen tollen Job verrichtet, hielt ich nicht nur für aussichtslos sondern auch für stillos. Ein Manager, der während der Saison alles stehen und liegen lässt, um wegen ein paar Euro fuffzig mehr woanders anzuheuern, wäre wohl alles nur nicht loyal und vertrauenswürdig.
Ich hätte, aus Mangel an wirklich guten Alternativen, damit leben können, wenn Jochen Schneider und Huub Stevens zusammen die Planungen vorangetrieben und den neuen Mann zum 1.7. erst präsentiert hätten. Dann hätte man sich durchaus (jetzt schon) darum bemühen können, jemanden, wie Reuter oder auch Schmadtke, um nur zwei potentielle Kandidaten zu nennen, aus ihrem Vertrag zu bekommen. Wäre man sich einig geworden, hätte der neue Mann ja trotzdem in Entscheidungen, die neue Saison betreffend, eingebunden werden können.
Hätte, wenn und aber, jetzt haben wir Dutt und ich drücke die Daumen, dass es gut wird und wieder aufwärts geht. In Sachen Verzahnung Nachwuchs – Amateure – Profis eilt ihm aus Freiburg ja ein guter Ruf voraus. Ist diese Durchgängigkeit wieder eine Selbstverständlichkeit und schafft er es die Leistungskultur in unserem Verein wieder zum Leben zu erwecken, wäre schon viel gewonnen. Wünschenswert wäre es auch, wenn dieser Sportdirektor seinen Urlaub dann nehmen würde, wenn die Arbeit getan ist und nicht im Juli. Bei zukünftigen Neuverpflichtungen soll ja in Zusammenarbeit mit dem Scouting, Management und Trainerstab eine Einstimmigkeit erzielt und erst dann jemand verpflichtet werden, wenn diese gegeben ist. Es wäre schon ein bahnbrechender Fortschritt, wenn von nun an die Spieler, die an den Neckar gelotst werden, auf ihren Charakter hin, ihr privates Umfeld, ihre (Spiel-)Intelligenz und weitere Kriterien durchleuchtet würden und man keine Spieler mehr ausschließlich nach einem DVD-Studium oder einem Telefonat aus New York City verpflichtet. Bisher hört man von Dutt beim VfB nur Gutes, ich hoffe, es bleibt so und wünsche ihm ein gutes Händchen und viel Erfolg.
Meine Vorbehalte habe ich jetzt bei Seite geschoben, ich wünsche mir einfach, dass Dutt uns wieder in ruhigere Fahrwasser führt und wir alle gemeinsam wieder bessere Zeiten erleben, angefangen natürlich mit dem Nichtabstieg. Vor Ablauf seiner ersten 100 Tage verbietet sich eine Beurteilung sowieso, nach ein, zwei Transferperioden kann man ein erstes Zwischenfazit ziehen.
In diesem Jahr waren wir erstmals im Wintertrainingslager in Lagos. Das Wetter ließ zu wünschen übrig, angeblich hatte es sechs Wochen lang nicht geregnet, bis der VfB dann kam. Wir hatten jeden Tag Regen, mal mehr, mal weniger und böigen Wind, so dass es zwar wärmer als in Deutschland war, nicht aber so warm, wie wir es uns gewünscht hätten. Stevens‘ Training hatte mir sehr gut gefallen, die Jungs haben richtig Gas geben müssen. Stevens, mal locker, mal streng, eine gute Mischung. Chima Onyeike und „Papa“ haben die „Mannschaft“ richtig schwitzen lassen, so dass sie eigentlich konditionell auf der Höhe sein sollten. Es fallen eben die extremen technischen Unzulänglichkeiten, die man auch in den Spielen sieht, auf und, da ich schon verschiedene Mannschaften in verschiedenen Trainingslagern gesehen habe, kann ich auch sagen, dass die Stimmung schon besser war als derzeit in der Truppe, aber, das sieht man ja auch bei den Spielen auf dem Platz. Wenn man dann noch manche Torschusstrainings sah, bei denen die meiste Laufarbeit Zeugwart Micha Meusch, der die Bälle suchen und einsammeln musste, kann es einem schon etwas angst und bange werden. Symptomatisch für dieses Trainingslager bei nicht ganz so optimalen Wetterbedingungen und kaum vorhandenen Testgegnern war dann noch, dass das erste von nur zwei Testspielen (leider auf der Hotelanlage, ohne Tribüne, vor allem ohne Bierstand!) gegen die albanische Spitzenmannschaft K.F Laci ins Visier der albanischen Wettmafia geraten ist und sich somit das 5:0 als wertlos herausstellte. War aber schon auch eine komische Taktik der Albaner, die in der zweiten Halbzeit ihre Viererkette an der Mittellinie postiert hatten. Von der Fanbetreuung war Klenky vor Ort, der uns etwa 25 Fans dann noch im Namen des VfB in die Bar des Mannschaftshotels auf ein paar Kaltgetränke eingeladen hatte. Von den Spielern war der Kapitän angekündigt, gekommen sind dann (bis zum Beginn des Mannschafts-Abendessens) zusätzlich noch Schorsch Niedermeier, Ulle, Flo Klein, Timo Werner und Mart Ristl. War ein kurzes Aufeinandertreffen, aber wirklich nett, auch wenn man schon den Eindruck bei so manchem hatte, dass er froh war, als es endlich vorüber war. Gerade in diesen düsteren Zeiten ist eben auch da nicht alles Friede, Freude, Eierkuchen sondern man hinterfragt schon das eine oder andere, wenn man schon mal die Gelegenheit dazu hat.
Positiv herausgestochen haben für mich in Lagos eigentlich ausschließlich die Youngsters. Von den überraschend Mitgenommenen Jugend- und Amateurspielern haben mich vor allem Ristl und Sama überzeugt, auch Vlachodimos machte einen starken Eindruck. Er hat etwas Katzenartiges wie einst Gerhard Heinze. Timo Werner besticht für mich durch sein normales Auftreten. Anfangs hatte kaum einer seine Lippen zu einem Guten Morgen auseinandergebracht, nicht so Timo Werner, der uns gleich ein, „hallo, Servus“ entgegenwarf. Auch Meuschi (und den anderen Teambetreuern) gegenüber, dem die meisten ihr Zeug nur hinwerfen, pflegt er einen normalen Umgang, reicht es ihm hin oder legt es noch zusammen und trägt auch jeden Tag als einer der wenigen Spieler einen Kasten Ensinger zurück ins Hotel. Es sind so Kleinigkeiten, die aber auf eine gute Erziehung, ein gutes Elternhaus schließen lassen und einen, der nicht meint, ihm gehöre die Welt und dass er etwas Besseres sei. Ich finde ihn einen klasse Burschen und hoffe inständig, dass er hier bei seinem Traumverein sein Glück findet und seine sportlichen Ziele erreichen kann. Es wäre ein Jammer, ihn verlieren zu müssen, nur, weil der Verein durch jahrelange Misswirtschaft an die Wand gefahren wurde. Natürlich steckt er im Formtief derzeit, ihn muss man aber stützen, weiß man doch, was er drauf hat. Läuft es in der Mannschaft wieder besser, spielen wir sicherer, kann auch er seine Stärken wieder besser ausspielen. Es ist immer schwer für einen Teenager die Bürde des großen Hoffnungsträgers zu tragen, der das Ruder herumreißen soll, verkehrte Welt bei uns, eigentlich sollten diesen Part die erfahrenen Spieler einnehmen…
Robin Dutt indes hat mit Serey Die, dem frischgebackenen Afrikameister, seinen ersten Neuzugang an Land gezogen. Anscheinend hatte er ihn schon zu seiner Freiburger Zeit auf dem Zettel, damals war er unbezahlbar. Da er bei seinem Ex-Club FC Basel in Ungnade gefallen ist, war er jetzt zum Schnäppchenpreis zu haben. Ihm eilt der Ruf des „Enfant terrible“ voraus, der immer „gut“ für eine rote Karte ist. Einige Szenen habe ich auch bereits vom Afrika-Cup gesehen, die das untermauern. Ich hoffe mal, dass er, der ja den europäischen aus Basel gewöhnt sein sollte, sich ein wenig zügelt, nicht dass er gleich wieder fehlt, bevor wir ihn richtig kennenlernen durften. Ein Spielertyp, der uns bisher fehlt, ist er auf jeden Fall, zweikampfstark, ein Kampfschwein und brutal schnell zudem und das trotz seiner schon 30 Jahre auf dem Buckel. Ich freue mich auf ihn und bin gespannt, wer aus unserem Hochgeschwindigkeitsmittelfeld für ihn weichen muss. Hoffentlich reicht es bereits für Hoffenheim, wenn er bereit ist. Wie man es vom VfB aber kennt, wird er sicherlich erst einmal einsam seine Runden an Clubheim drehen, anstatt mit der Mannschaft nach Sinsheim zu fahren. Ein Spielertyp, der uns gefehlt hat, ist er auf jeden Fall. Ob er auf Anhieb eine Führungsrolle einnehmen kann, wird man sehen. Verständigen kann er sich nur auf Französisch, aber, man weiß ja, die Fußballersprache ist international.
Die Rückrunde ist bereits wieder drei Spieltage alt. War es nun ein Fehlstart oder einfach nur dem schweren Startprogramm geschuldet? Einen Punkt mehr als zu Beginn des Jahres 2014 haben wir ja bereits gesammelt. Gegen Gladbach und Bayern rechnete ich jedenfalls schon vorher mit einer Niederlage. Gegen Gladbach fiel sie sogar knapper aus, als ich es befürchtet hatte. Der Beginn war katastrophal, so dass man schnell hätte in Rückstand liegen können, wenn nicht müssen. Danach wurde Gladbach dann schwächer, so dass das Spiel ausgeglichen war und sogar auch der VfB in Führung hätte gehen können. Just dann, als man nicht unbedingt mit der Gladbacher Führung rechnen musste, kam sie. Dämlich dabei, dass sich der VfB auskontern ließ. Irgendwie lernt die Mannschaft nicht aus den Fehlern der Vergangenheit. Dennoch hatte man noch Chancen und in der Nachspielzeit durch Georg Niedermeier DIE Chance schlechthin. Den muss er machen, unglaublich die Kugel aus vier Metern an die Latte zu hämmern. Dennoch war das Spiel ein Spiegelbild der Hinrunde. Unglaubliche Schwächen bei gegnerischen Standards und Konteranfälligkeit auf der einen, Harmlosigkeit im Angriff auf der anderen Seite, weil es eben so gut wie nie gelingt, hinter die gegnerische Abwehrreihe zu kommen. Dies verhindert zum einen das behäbige Spiel aus dem Mittelfeld, das oft beim eigenen anstatt beim gegnerischen Torwart endet oder technische Unzulänglichkeiten wie ungenaue Pässe oder Fehler beim Ballstoppen, die einem Angriff den Schwung nehmen. Das sind die sogenannten Basics, die ein Profi eigentlich drauf haben müsste.
Danach ging es nach Köln, endlich mal wieder, immer wieder ein Highlight die Atmosphäre in diesem Stadion und auch die Stadt. Die letzten sieben Bundesligaspiele in der Domstadt verlor der VfB nicht, zudem ist Köln nach dem VfB zweitschlechteste Heimmannschaft. Wenn nicht jetzt, wann dann, war man geneigt zu sagen, sollte es mit einem kleinen Befreiungsschlag klappen, zumal die nächsten Aufgaben gegen Bayern, in Hoffenheim, gegen Dortmund und in Hannover kaum einfacher werden dürften. Meine Hoffnung darauf bekam schon den ersten Dämpfer, als ich die Mannschaftsaufstellung vernommen hatte. Eine Offensive mit lediglich Sararer und Harnik fand ich von vornherein ein wenig dürftig und zeugte nicht unbedingt davon, dass man das Spiel unbedingt gewinnen wollte. Man hatte zwar durch Harnik und Leitner zwei Chancen, was aber in 90 Minuten insgesamt zu wenig ist. Weitere Offensivkräfte wie Ibisevic und Maxim wechselte Trainer Stevens erst in der 87. Und in der 90. Minute ein, so dass es schon den Anschein erweckte, Stevens wäre tatsächlich bei schwachen Kölnern mit dem 0:0 zufrieden, was ich nicht nachvollziehen konnte. Die Defensive stabiler aufzustellen als es Armin Veh tat, ist zwar ein probates Mittel, wenn diese neue Stabilität jedoch dann Offensivakteure und weitestgehend Offensivaktionen ausschließt, ist das Ganze nicht mit anzuschauen und zudem nicht sehr erfolgversprechend. Für mich war das folgerichtige 0:0 in Köln eindeutig zu wenig.
Dann kamen die Bayern. Auch wenn es nicht das befürchtete Debakel gab, auch für ein 0:2 und eine unerwartet gute Abwehrleistung gibt es keine Punkte. Die Bayern taten nicht mehr als nötig und siegten, so dass sie ihr Ziel erreicht hatten. Bereits nach dem Hinspiel gab es Pappenheimer, die sich dafür feiern lassen wollten, weil es kein Debakel gab, auch dieses Mal gab es überwiegend lobende Stimmen aus der Mannschaft. Ich lese, man habe Pech gehabt, wenig zugelassen usw. Einen Torschuss, den von Sakai, haben wir in 90 Minuten zustande gebracht, Manuel Neuer musste keinen einzigen Ball halten, so kann man einfach nicht gewinnen. Und wenn man sich dann bei dem 0:1 wie auf dem Bierdeckel ausspielen lässt, Ulle zudem zu weit vor dem Tor steht, liegt man eben zurück und es ist doppelt schwer noch etwas Zählbares zustande zu bringen. Dann noch das 0:2 und die Bayern konnten das Ergebnis kraftschonend verwalten. So waren alle zufrieden, der VfB dass ja die Abwehr so toll stand und die Bayern, weil sie ihren ersten Rückrundensieg mühelos einfahren konnten. Alle? Nein, ich war nicht zufrieden. Natürlich hatte ich nicht ernsthaft dran geglaubt, dass wir den Bayern weh tun könnten, aber, ich bin eben auch Zeitzeuge früherer Schlachten und gebe mich nicht damit zufrieden, als Sparringspartner lediglich ein blaues Auge und keinen K. O.-Schlag versetzt bekommen zu haben. Verloren ist verloren, wir dümpeln weiterhin mit 18 Punkten im Keller vor uns hin, uns fehlen weiterhin noch sechs Siege, um gute Chancen auf den Klassenerhalt zu haben.
Nur, gegen wen sollen die gelingen? Wir haben zwar einige direkte Konkurrenten noch zu Gast im Neckarstadion, ob das jetzt gut ist in Anbetracht von zuletzt sechs (!) Heimspielen ohne eigenes Tor, sei dahingestellt. Spiele, wie das in Köln, wo einem in Anbetracht der unterirdischen Leistung des Gegners die Punkte auf dem Silbertablett serviert werden, müssen ohne Wenn und Aber gewonnen werden, soll das zarte Pflänzchen Hoffnung weiter blühen. Ich versuche es, positiv zu denken und daran zu glauben, dass es Huub ein zweites Mal richten wird. Nur gibt es derzeit sehr wenig, das mir Hoffnung macht. Der VfB ist die Mannschaft in der Liga, die den langweiligsten und langsamsten Fußball praktiziert, für die der Spielaufbau ein Fremdwort ist und die aus ihren einfachen Fehlern einfach nicht zu lernen imstande ist. So wird es sehr, sehr schwer.
Ob es ausgerechnet an der Autobahnraststätte Sinsheim am Samstag die Wende geben wird? Hoppenheim ist zwar noch schlechter in die Rückrunde gestartet als der VfB, hat aber spielerisch weit mehr zu bieten als wir, so dass zu befürchten ist, dass wir einmal mehr der ideale Aufbaugegner für einen am Boden liegenden Gegner sind. In ähnlicher tabellarischer Situation setzte es dort im letzten Jahr ein sang- und klangloses 1:4, damals allerdings noch im Hurra-Stil mit Thomas Schneider an der Linie. Hoffnung macht mir allenfalls, dass das Stadion in weiß-roter Hand sein wird. Wie viele andere auch, habe ich mein Ticket beim Heimverein direkt bestellt. Auch Stand heute gibt’s da noch Tickets, so dass auch jetzt noch VfBler die Chance haben, sich an diesem Kontingent zu bedienen, greift zu! Ob die Mannschaft diese Unterstützung als Auftrag betrachtet oder sich wie in einem Heimspiel wähnt und dann nicht einmal mehr ein Tor zustande bringt, warten wir es ab. Im Grunde kann es nur besser werden!
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