5. August 2017

Der Mohr hat seine Schuldigkeit getan

Die gestrige Nachricht schlug ein wie eine Bombe: Jan Schindelmeiser ist nicht mehr Sportdirektor beim VfB Stuttgart.

Auch ich war und bin es noch immer, fassungslos! Heute stehe ich, wie so oft in den letzten Jahren, am Scheideweg als Fan und frage mich, weshalb um alles in der Welt ich diesem Klepperlesverein Woche für Woche folge und nicht einmal dann von ihm lassen kann, wenn er mich zum x-ten bitterlich enttäuscht hat. Dann reift schnell die Erkenntnis, dass das einfach nicht geht. Der VfB ist nicht nur eine Handelskette, die man wechseln könnte, wenn sie einen verärgert, der Herzensverein ist mehr, eine Entscheidung fürs Leben, unabhängig von den handelnden Personen. Auf diese hat man, jetzt in der AG noch weniger als zuvor, keinen Einfluss und muss für sich das Beste draus machen. Was ich als Kunde (das sind wir doch schließlich) nicht machen muss, ist es, alles gutzuheißen und Leuten zu vertrauen, die für mich nichts anderes als ihren eigenen Vorteil und den Erhalt ihres Postens im Sinn haben.

Mit Schindelmeiser hatten wir zum ersten Mal seit Rolf Rüßmanns Zeit wieder einen Mann auf der Kommandobrücke, der den Job von der Pike auf gelernt hat. Nach Interimslösungen Magath und Briem/ Schneider folgten Azubis wie Heldt, Bobic und Dutt, die Manager spielen durften. Das sich auf die Fahnen geschriebene „Ausbildungsverein“ galt fortan nicht nur für die Spieler sondern auch die Sportdirektoren. Wohin uns dieser Stuttgarter Weg gebracht hat, ist bekannt.

Nach zähem Ringen (oder auch zaudern) präsentierte der Aufsichtsrat im Juli des vergangenen Jahres Jan Schindelmeiser als neuen Sportdirektor, weil man nach „reiflichen Überlegungen“ von ihm überzeugt gewesen sei, was schon damals aufgesetzt wirkte. Schließlich war Schindelmeiser direkt nach dem Abstieg schon frei gewesen und Dutts Aus kam ja auch nicht von heute auf morgen. So bekam dessen Verpflichtung das Gschmäckle, nicht erste sondern allenfalls vierte oder fünfte Wahl gewesen zu sein.

Derselbe Aufsichtsrat (angeblich ging der Daumen pro Entlassung ja von allen „einstimmig“ nach oben) mokiert sich nun ein Jahr später über die Arbeitsweise von Jan Schindelmeiser und darüber, dass seine Transferpolitik wirr und vogelwild sei und stark an seine letzte Zeit in Hoffenheim erinnere.

Abgesehen davon, dass man in Erfahrung hätte bringen können, worauf man sich mit Schindelmeiser einlässt, ist es doch so, dass der Sportdirektor am Ende allein den Kopf hinhalten muss.

Warum sollte Schindelmeiser seine Vorstandskollegen, die ihre Stärken im Finanz- und Marketingbereich haben, über jeden Gang bis ins kleinste Detail informieren? Wieso beansprucht dies überhaupt das Kontrollorgan Aufsichtsrat für sich? Hat dies und damit in erster Linie der e.V.-Präsident, der in der AG „nur“ noch im Aufsichtsrat sitzt, etwa noch nicht verinnerlicht? Ist es nicht in der Natur der Sache, dass der Sportvorstand das Handeln im sportlichen Bereich bestimmt? Dass es der Presse nicht in die Karten spielt, dass neuerdings im Verborgenen gearbeitet wird, liegt auf der Hand. Muss dann aber auch der Aufsichtsrat beleidigte Leberwurst spielen, wenn man ihn über angedachte Verpflichtungen nicht ständig auf dem Laufenden hält? Was soll Schindelmeiser den Wirtschaftsbossen, Fanvertreter und den Ex-Spielern Buchwald und Ohlicher, die Sportmanagement nur vom Hören Sagen kennen, ständig erzählen? Sind es nicht die Ergebnisse, die letztendlich zählen? Oder geht es mal wieder um Eitelkeiten, weil sich Herren, die „in freier Wildbahn“ als Alphatiere unterwegs sind, zurückgesetzt fühlen?

DAS Erfolgskonzept der letzten Monate war für mich eindeutig die gute Zusammenarbeit zwischen Sportdirektor und Trainer. Da diese zu Beginn seiner Mission mit Jos Luhukay nicht gut funktionierte, korrigierte Schindelmeiser dies und zog mit Hannes Wolf einen wahren Glücksgriff an Land. Noch immer hat(te) man den Eindruck, die beiden harmonierten prächtig und funken vor allem auf einer Wellenlänge, was die Kaderzusammenstellung angeht. Stück für Stück besorg(te) Schindelmeiser jene Puzzleteile, die Hannes Wolf fehlen, um die Mannschaft seiner Idealvorstellung näher zu bringen.

Für mich war die bisherige Transferpolitik schlüssig und nachvollziehbar. Als Verein, der selbst nach der Ausgliederung nicht auf Rosen gebettet ist, muss man sich im überhitzten Transfermarkt zunächst einmal hinten anstellen.

Noch immer, der Neymar-Wahnsinn verdeutlicht es, bedienen sich die Finanzstärksten bei anderen absoluten Top-Teams. Erst wenn deren Kader, von „oben nach unten“ stehen, kommt ein Aufsteiger wie der VfB an die Reihe.

Auch wenn viele schimpfen, weil unser Kader Anfang August noch nicht komplett ist, habe ich vollstes Verständnis dafür und kaue nicht nervös an meinen Fingernägeln. Es war noch nie so viel Geld im Kreislauf, noch nie wurden derart horrende Summen verlangt und bezahlt wie in diesem Transfersommer. Deshalb kann in alle Richtungen noch viel passieren.

Aus diesem Grund ließ mich auch die bislang erfolglose Suche nach Verstärkungen im Defensivbereich nicht verzweifeln, im Gegenteil, ich war davon angetan, dass man keinen sinnlosen Schnellschuss getätigt hat, nur um die Leute zu beruhigen.

Für mich hatte alles Hand und Fuß, was Schindelmeiser für den VfB geleistet hat. Wohltuend ruhig und sachlich wurde mehr gearbeitet als geschwätzt, Transfers wurden erst bekannt, wenn sie in trockenen Tüchern waren. Das kannte man vom VfB so seit Jahren nicht.

Weil man sich beim VfB mit Maulwürfen (vor allem im Aufsichtsrat) bestens auskennt, sind die Schindelmeiser zum Vorwurf gemachten Alleingänge sicherlich ein Stück weit notwendig gewesen, um das eine oder andere Geschäft im letzten Moment nicht noch zu gefährden.

Angeblich wurde Schindelmeiser darüber hinaus intern kritisiert, dass er es im Laufe des Jahres nicht geschafft habe, einen Kaderplaner einzustellen. Mit Verlaub, bei den vielen Hansels, die für viel Geld auf dem Wasen herum springen, ist da ein Kaderplaner derart wichtig, um sich deshalb mit seinem wichtigsten Mann zu überwerfen?

Wolf und Schindelmeiser bau(t)en das Team der Zukunft, Hitzlsperger und Kienle, sollten diesen zuarbeiten und dafür verantwortlich sein, dass es in naher Zukunft wieder Talente aus dem eigenen Nachwuchs in den Profikader schaffen. Da über Jahre im Nachwuchsbereich geschludert und vor allem in der Bobic-Ära viel Porzellan zerschlagen wurde und Koryphäen vergrault wurden, erfordert der Wiederaufbau Zeit.

Es kann Schindelmeiser nicht zum Vorwurf gemacht werden, dass das Potential des Nachwuchsleistungszentrums brach liegt und man noch nicht die erhofften Früchte erntet.

Schindelmeiser hat an einigen Stellschrauben gedreht, ob diese Änderungen Erfolg bringen oder nicht, lässt sich heute noch überhaupt nicht sagen. Jedenfalls löste er alte Seilschaften aus Bobic- und Dutt-Zeiten auf und installierte von unten bis hin zu den Amateuren neue Trainer. Das jahrelange Missmanagement im Nachwuchsbereich, das im Abstieg unserer Amateure und dem Fast-Abstieg der U19 gipfelte, lässt sich nicht binnen eines Jahres beheben. Dafür benötigt es Geduld, die man in der AG wohl nicht aufzubringen bereit ist. Wenn Schindelmeiser eines nicht konnte, dann, zaubern!

Mit den bislang getätigten Transfers kann ich nach den Eindrücken der beiden Trainingslager vollauf leben, wenngleich ich weiteren echten Verstärkungen natürlich auch nicht abgeneigt wäre.

Unsere Defensivprobleme der letzten Jahre werden mir zu sehr immer nur an der Viererkette festgemacht. Dabei geht es doch um das Defensivverhalten der gesamten Mannschaft! Mit Zieler, einem Torwart der ähnlich wie zuletzt Jens Lehmann dirigiert und seine Vorderleute stellt und einem durch die Verpflichtungen von Burnić und Mangala stärker gewordenen zentralen Mittelfeld, sehe ich uns auch ohne Verstärkung in der Innenverteidigung besser aufgestellt als in der Vorsaison.

Sollten diese beiden, zusammen mit Ebenezer Ofori, ihr Potential ausschöpfen und sich dem Bundesligafußball anpassen, könnte es für einen wie Christian Gentner schnell sehr eng werden. Im Trainingslager im Stubaital war ich von den dreien sehr angetan, vor allem was ihre technische Beschlagenheit, ihr Raum- und Spielverständnis und ihre Schnelligkeit angeht. Auf viele junge Spieler zu setzen, birgt natürlich Chancen und Risiken zugleich, da der Kader aber auch in der Breite derzeit nicht schlecht aufgestellt ist, wäre mir davor nicht bange.

Bis gestern sah ich in der Innenverteidigung Timo Baumgartl und Benjamin Pavard als favorisiert an und liebäugelte nach seiner starken Vorbereitung mit „Zimbo“ Zimmermann als rechtem Verteidiger.

Nun wurde, dem Vernehmen nach eskalierte wegen dieser Personalie der Streit zwischen Dietrich und Schindelmeiser, Holger Badstuber verpflichtet. Im letzten halben Jahr auf Schalke hat Badstuber keine Bäume ausgerissen, so dass ich, ähnlich wie es Jan Schindelmeiser auch gewesen sein soll, sehr skeptisch bin, ob uns dessen Verpflichtung weiter bringt.

Entweder man vertraut der bisherigen Innenverteidigung bedingungslos und baut sie auf, oder man holt jemanden, der sofort unumstrittener Stammspieler werden soll. Dann aber präsentiere ich keine halbgare Lösung mit einem Spieler, bei dem man nach jedem Zweikampf Angst haben muss, dass er liegen bleibt und länger ausfällt.

Auf dem Fan-Abend letzte Woche Freitag in Neustift im Stubaital hatte ich Gelegenheit, mit dem Aufsichtsratsvorsitzenden und e.V.-Präsidenten Wolfgang Dietrich zu sprechen.

Eine Sache brannte mir unter den Nägeln, nämlich, jener Artikel von Gunter Barner in den Stuttgarter Nachrichten vom 18.07.2017, in dem er, damals zur allgemeinen Verwunderung, von atmosphärischen Störungen zwischen Schindelmeiser und den AG-Kollegen berichtete.

Ich fragte ihn also direkt, ob etwas dran sei und ob man sich um Jan Schindelmeiser sorgen müsse. Dies verneinte er! (!)

Ich war schon auf einigen Fan-Abenden und hänge meist Dinge, die ich dort erfahre, nicht an die große Glocke. Über Kevin Großkreutz in Lagos, kein Wort, Ehrenwort! ;-) .

Aber hier, sorry für die deutlichen Worte, fühle ich mich jetzt doch verarscht. Ich bin bei weitem nicht so blauäugig zu glauben, dass man mir bei solchen Anlässen alles auf die Nase binden würde, aber, es gibt diplomatischere Kandidaten, Veh war zum Beispiel so einer, die, wenn es ans Eingemachte geht, eben sagen, „darüber kann ich nichts sagen“ oder einen zwischen den Zeilen an seinen Gedanken teilhaben lassen.

Barner kanzelte er im Gespräch ab, „der habe zwei, drei Spielerberater angerufen, die momentan beim VfB nicht zum Zuge kämen und daraus sei dieser Artikel resultiert. Es wäre normal, dass auch mal kontrovers diskutiert werden würde, am Ende zögen jedoch alle an einem Strang.“

Danach erkundigte ich mich noch nach dem Stand der Verpflichtung eines neuen Innenverteidigers bzw. ob auf jeden Fall noch einer kommen würde. Das relativierte er und meinte, man wolle Jungs wie Pavard (dessen großartiger Dankespost an Jan Schindelmeiser hier https://www.facebook.com/BenjaminPavardOfficial/posts/1336949399734018) und Baumgartl den Weg nicht um jeden Preis versperren und sie in ihrer Entwicklung bremsen. Ich fragte dann, ob Hannes Wolf das genau so sieht, was er bejahte und mich beruhigte!

Dietrich brachte dann von sich aus den Namen Neven Subotic ins Spiel, den viele fordern würden, den er aber nicht wolle, weil er vermutlich zu satt sei und bereits fast alles gewonnen habe. Der VfB brauche hungrige Spieler, die Mentalität mitbringen und sich mit dem Verein zu 100% identifizieren.

Irgendwie plausibel, zumal ich, siehe oben, auch in der jetzigen Besetzung keine übergroßen Bauchschmerzen bekäme. Plausibel zumindest dann, wenn nicht eine Woche später Holger Badstuber als die neue Innenverteidiger-Hoffnung präsentiert worden wäre. Der hat noch mehr gewonnen als Subotic, ist gleich alt, nur um einiges verletzungsanfälliger. Ob Schindelmeiser Badstuber unbedingt wollte und Dietrich nicht, oder umgekehrt, da gehen die Berichte auseinander. Selbst, sollte Schindelmeiser sich durchgesetzt haben und ihn gegen den Willen des Aufsichtsratsvorsitzenden geholt haben, wäre zu hinterfragen, weshalb Schindelmeiser dann nicht vorher entlassen wurde, wenn sich daran der Streit entlud. Eine klare Linie jedenfalls sieht anders aus!

Hätte ich mir also sparen können, das Gespräch, aber, hinterher ist man halt immer schlauer. Über die Gründe des Rausschmisses wird man wohl nie die Wahrheit, vor allem die von beiden Seiten, erfahren, so dass uns Fans und Bloggern nichts anderes übrig bleibt, fleißig mit zu spekulieren, zumal das Vertrauen in die Vereinsführung auf einem neuerlichen Tiefpunkt angekommen ist.

Mein Eindruck über diesen Präsidenten verfestigt sich immer mehr. Er, der Kandidat des Aufsichtsrats musste kommen, um die Ausgliederung durchzudrücken und mit eisernem Besen zu kehren, stets im Interesse der Sponsoren und damit in erster Linie denen von Daimler Benz. Die Schindelmeiser zur Last gelegten Alleingänge können auch in die Richtung interpretiert werden, dass sich so mancher auf den Schlips getreten fühlte, weil er nicht bis ins letzte Detail in die Vorgänge involviert war.

Schindelmeiser soll es auch sauer aufgestoßen sein, dass Dietrich so offensiv verkündet, man wolle schon bald die Nummer drei in Deutschland hinter den Bayern und dem BVB sein und in sehr naher Zukunft bereits die Championsleague-Plätze anpeilen. Natürlich sitzt es in einem Geschäftsmann drin, dass man sich hehre Ziele setzen muss, um überhaupt welche zu erreichen. Doch, da trennt sich nun mal die Spreu vom Weizen. Schindelmeiser kommt aus dem Fußball und weiß, dass man als Aufsteiger erst einmal gut daran tut, kleinere Brötchen zu backen. Der letzte Präsident, der von der Championsleague träumte, „führte“ uns schließlich in die 2. Liga.

Für mich hat Schindelmeiser bis dato alles richtig gemacht. Auch die Philosophie, mit hochkarätigen Leihspielern, die man sonst nicht bekommen würde, eine schlagkräftige Truppe zu formen, ist für mich so lang legitim, so lang der Trainer dazu bereit ist, jedes Jahr ein neues Team zu formen. Da es Hannes Wolf offensichtlich eine große Freude bereitet, mit jungen entwicklungsfähigen Spielern zu arbeiten und sie von Tag zu Tag besser zu machen, sehe ich nichts Verwerfliches daran, hungrige Spieler auszuleihen.

Insgesamt stelle ich Schindelmeiser daher ein herausragendes Arbeitszeugnis aus und stelle fest, dass er im Rahmen der vorhandenen Möglichkeiten das Beste für den VfB herausgeholt hat. Seine ruhige Art, seine Geduld, seine Politik der kleinen Schritte wirkten wohltuend auf mich nach dem Größenwahn der letzten Jahre. Schindelmeiser war der Einzige, dem man blind sein Geld anvertrauen hätte können und bei dem man sich sicher sein konnte, dass er verantwortungsvoll damit umgeht.

In der endlosen Ausgliederungsdebatte waren Hannes Wolf und er das Faustpfand, wie oft hörte man im Vorfeld der Abstimmung Stimmen wie „der schmeißt die Kohle nicht zum Fenster raus“. Ich warnte, wie die anderen Ausgliederungskritiker auch, nicht zu kurz zu denken und die Entscheidung für oder wider Ausgliederung nicht an derzeit handelnden Personen festzumachen, weil diese schneller weg sein könnten, wie man gucken kann. Ich schrieb damals, “dieser Vereinsführung traue ich nicht über den Weg” und fühle mich heute (leider) so etwas von bestätigt.

Wie jetzt deutlich wurde, wurde Schindelmeiser mit Kalkül vor den Ausgliederungskarren gespannt, um ihn kurze Zeit später zu entlassen. Dass die Zerwürfnisse nicht von jetzt auf gleich entstanden sind sondern schon seit dem Winter schwelen, hat der offenbar von Vereinsseite offenbar gut unterrichtete Gunter Barner ja geschrieben.

Viele, die pro Ausgliederung gestimmt haben, fühlen sich nun vor den Kopf gestoßen, siehe nur die bislang knapp 2.500 Kommentare auf der VfB-Facebook-Präsenz unter dem Infopost zur Entlassung von Schindelmeiser.

Auf uns Kritiker wollte ja keiner hören, wenigstens muss ich mir selbst jetzt nicht den Vorwurf machen, mich von der Euphoriewelle und gerade einmal bis zur Abstimmung elf Monaten vernünftigen Wirtschaftens geleitet lassen zu haben.

In der Ausgliederungsdebatte hatte ich Vergleiche zu Trumps Wahlkampf in den USA gezogen, „make VfB great again“. Die VfB-Veranstaltungen wirkten wie Jubel-Wahlkampfpartys, gekrönt von der außerordentlichen Mitgliederversammlung, die statt einer ernsthaften Debatte zu einem wichtigen Thema zu einer Aufstiegs-Nachfeier verkam. Ich bekomme heute noch Schaum vor den Mund, wenn ich an diesen Tag zurückdenke.

Nun geht es gerade so im Trump-Style weiter, indem man Personal, das einem zu groß und zu unbequem wird, von heute auf morgen vor die Tür setzt und Kritiker wie kleine Jungen da stehen lässt.

Den Vorwurf, dass Schindelmeiser zuletzt mehr und mehr eine One-Man-Show betrieben habe, kann ich natürlich nicht beurteilen. Ich bezweifle jedoch, dass das das Gremium, das den Daumen schließlich senkte, uneingeschränkt konnte, so dass unterm Strich eine persönliche Geschichte zwischen Dietrich und Schindelmeiser zu vermuten ist, aus deren Machtkrieg nun mal Dietrich als Sieger hervorgeht.

Dass Schindelmeiser erst im Juli und nicht schon nach der Aufarbeitung der letzten Saison und vor Beginn der heißen Phase des Transfermarkts demontiert wurde, hat eine logische Erklärung! Zunächst einmal musste mit ihm noch die Ausgliederung durchgedrückt werden, danach bestand eine einmonatige Frist, in der gegen die Ausgliederung hätte geklagt werden können. Nachtigall, ick hör dir trapsen.

Jan Schindelmeiser hatte noch Vertrag bis 2019, so dass den VfB die Entlassung einiges an Abfindung kosten dürfte, Geld, das anderer Stelle fehlt.

Bereits heute wurde Schindelmeisers Nachfolger verkündet. Es handelt sich um keinen geringeren als Michael Reschke, DAS Superhirn schlechthin bei den Bayern und mit einem exzellenten Ruf ausgestattet. Bevor er von den Bayern abgeworben wurde, war Reschke zehn Jahre lang Manager bei Bayer 04 Leverkusen und dort für zahlreiche namhafte Transfers verantwortlich.

Da Reschke seinen Dienst erst Ende August antreten wird, ist vorher auch kein Statement von ihm zu erwarten, wie er seine neue Aufgabe anzugehen gedenkt. Ich bin sehr gespannt, für welche Philosophie er stehen und wie sein Zusammenspiel mit Hannes Wolf aussehen wird. Ich hoffe, es „funkt“ zwischen beiden, nicht dass uns in Kürze noch ein Trainerwechsel ins Haus steht.

Bislang war Reschke eher der Mann, der im Hintergrund die Strippen zog. In Leverkusen war Rudi Völler der Front-Man, bei den Bayern Sammer. Hier wird es spannend werden, wie er sich im Rampenlicht geben wird, das, wie man hört, ja nicht so Seines sein soll.

Zudem muss Reschke beim VfB aus wenig viel machen. Diese Philosophie verinnerlichte Schindelmeiser wie kaum ein zweiter. Reschke war bislang verwöhnt von Bayer- und Bayern-Millionen, so dass es mich nicht beeindrucken kann, wenn er es hinbekam, Leno und Schürrle zu Bayer oder Douglas Costa zu den Bayern zu transferieren.

Gibt es eigentlich im Netz irgendwo einen Ausgliederungszähler? Von den 41,5 Millionen Euro, die man vom Daimler erhielt, dürfte nach Abzug der Renovierungsarbeiten am Clubgelände, den Transfers, der Schindelmeiser-Abfindung und dem Reschke-Gehalt nicht mehr viel übrig sein. Reschke, den Guardiola gerne zu Manchester City mitgenommen hätte, war sicherlich nicht billig zu haben. Möglicherweise wird gar noch eine Ablösesumme an die Münchner Bayern fällig. Man wäre geneigt zu sagen, dieser Schuss muss jetzt sitzen. Doch, wir haben ausgegliedert, die Musik spielt in der AG und dort hackt eine Krähe der anderen kein Auge aus. So wird es eben jetzt mal mit Reschke versucht, der sich selbst als Teamplayer beschreibt und es ja beherzigen sollte, Papa Wolfgang stets auf dem Laufenden zu halten, wenn nicht, wird dieser nämlich sauer und die AG hat die nächste Abfindungsforderung an der Backe. Manche Dinge ändern sich halt nie!

Noch immer bin ich nur entsetzt darüber, wie man zwei Wochen vor Bundesligabeginn ein solches Fass aufmachen und das Sportliche weit in den Hintergrund rücken kann. Ich hoffe, das Team um Hannes Wolf sieht dies professionell und lässt sich nicht davon beeindrucken. Nicht, dass er eines Tages, zermürbt vom Irrenhaus VfB, auch noch den Bettel hinschmeißt.

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