Der VfB Stuttgart ist die beste Rückrundenmannschaft in der Fußball-Bundesliga – und der wiedererstarkte Alexander Hleb hat einen wesentlichen Beitrag dazu geleistet. Das Selbstvertrauen des 28-Jährigen ist mittlerweile so groß, dass er sich mit einem Platz in der Europa League nicht zufriedengeben will.
Herr Hleb, Ihr Jahr beim VfB ist bald wieder vorbei. Ziehen Sie doch mal ein Fazit.
Es ist schnell gegangen. Aber noch ist es nicht so weit. Noch bin ich hier – und abgerechnet wird erst zum Schluss. Schließlich können wir noch einiges erreichen.
Sie treffen nun noch auf Bochum, Mainz und Hoffenheim. Was ist da das Ziel?
Nachdem wir schon die letzten fünf Spiele gewonnen haben, sage ich, wir wollen noch drei Siege. Das wäre eine schöne Serie.
Und dann?
Ich will den dritten Platz. Mit weniger möchte ich mich nicht zufriedengeben. Damit hätten wir das Vorjahresergebnis wiederholt und könnten erneut die Qualifikation zur Champions League bestreiten. Nach dem Verlauf der Hinrunde wäre das eine riesige Sensation. Die Chancen sind da. Wir geben alles und greifen an.
Der Rückstand auf Bremen und Leverkusen beträgt jedoch vier Punkte – und auch Dortmund hat drei Zähler mehr als der VfB.
Natürlich haben wir es nicht mehr selbst in der Hand, weil wir im Herbst viel verpasst haben. Da haben wir wichtige Punkte verloren, und das hängt uns nach. Deshalb müssen wir jetzt auf die anderen schauen. Aber wir können die Konkurrenten unter Druck setzen – und das werden wir auch.
Dazu würden Sie am Ende Ihres Engagements in Stuttgart wahrscheinlich auch gerne noch ein Tor schießen, nachdem Sie in dieser Bundesligasaison noch nicht getroffen haben?
Ja, am besten sogar das entscheidende Tor am letzten Spieltag. Das wäre ein Traum.
Haben Sie in der Realität eigentlich schon Ihre Koffer gepackt und den Möbelwagen bestellt für die Fahrt zu Ihrem neuen Club?
Dafür ist es noch zu früh. Ich wüsste ja noch nicht einmal, wohin ich den Möbelwagen schicken muss.
Vielleicht zu Inter Mailand oder zu Manchester City, die an Ihnen interessiert sind.
Jetzt warten wir mal die letzten drei Spiele ab. Dann muss ich zu meiner weißrussischen Nationalmannschaft. Anschließend mache ich dann Urlaub – und den Rest muss mein Berater für mich regeln.
Ist auch eine Rückkehr zum FC Barcelona möglich, wo Sie ja noch einen Vertrag bis zum 30. Juni 2012 haben?
Ich werde sogar auf jeden Fall zuerst wieder nach Barcelona gehen. Mein Berater ist mit den Leuten dort in Kontakt.
Inter Mailand und Manchester City haben Sie auch schon vor einem Jahr umworben. Warum haben Sie sich damals für den VfB entschieden?
In der Saison zuvor war ich in Barcelona oft verletzt und habe nicht so regelmäßig gespielt wie erhofft. Um wieder die nötige Sicherheit zu bekommen, wollte ich deshalb dahin, wo ich mich heimisch fühle und wo ich viele Freunde habe. Das gab für mich letztlich den Ausschlag.
Das dürfte auch jetzt ein Argument dafür sein, um Sie in Deutschland zu halten.
Natürlich kann ich mir das sehr gut vorstellen. Ich spreche die Sprache und bräuchte keine Eingewöhnungszeit. Außerdem gefällt mir die Bundesliga. Aber man muss sehen, was wird.
Fest steht, dass der VfB am Freitag in Bochum antritt. Können Sie sich noch an das Hinspiel erinnern?
Wir kassierten in der letzten Minute durch einen Freistoß das 1:1. Es gab Proteste der Fans – und es war der letzte Arbeitstag unseres Trainers Markus Babbel.
Unter dem Nachfolger Christian Gross ist der VfB die beste Rückrundenmannschaft. Wie erklären Sie sich den Wandel?
Wir haben auch gekämpft, als Markus Babbel noch da war. Aber damals fehlte uns das nötige Glück. Glück ist ein wichtiger Faktor. Denken Sie nur daran, wie sich der FC Bayern kürzlich in der Champions League gegen Florenz durchgesetzt hat. Oder an den Sieg von Inter jetzt gegen Barça.
Gibt es neben dem Glück noch weitere Unterschiede zwischen dem VfB im Herbst 2009 und dem VfB im Frühling 2010?
Ja, den neuen Trainer. Christian Gross hat uns gutgetan. Er ist ein gewiefter Taktiker und lebt total für den Fußball. Jetzt funktioniert wieder alles in der Mannschaft. Das Selbstvertrauen ist wieder da.
Das überrascht, weil Sie von Gross anfangs in jedem Spiel ausgewechselt wurden und darüber nicht glücklich waren. Wie ist das Verhältnis heute?
Wir mussten uns eben zunächst aneinandergewöhnen. Inzwischen ist es viel besser geworden und ganz normal. Schließlich wollen wir beide dasselbe: Erfolg. Christian Gross weiß ganz genau, warum er nach Stuttgart gekommen ist – nicht allein, um den Abstieg zu verhindern. Er kann sich hier nach oben orientieren und jedes Jahr in die Champions League kommen.
Wenn Sie zurückblicken – haben Sie in dieser Saison auch Fehler gemacht?
Das ist keine Frage. Vielleicht war ich aus meiner Zeit in Barcelona und Arsenal ein bisschen verwöhnt. Da konnten wir auf dem Platz die meisten Probleme mit spielerischen Mitteln lösen. Hier beim VfB funktioniert das nicht immer. Da muss man auch viel kämpfen und rennen, von vorne nach hinten und von hinten nach vorne. Das habe ich womöglich ein wenig unterschätzt. Ich hätte mehr Gas geben und mich vielleicht mehr in die Mannschaft einbringen müssen.
Welche Perspektiven hat der VfB?
Wenn es gelingt, die Mannschaft weitgehend zusammenzuhalten und noch punktuell zu verstärken, ist immer ein Platz in der Champions League drin. Dann kann der VfB sogar mit den Bayern mithalten. Wenn man an Spieler wie Ribéry, Robben, Gomez oder Olic denkt, ist dort die Qualität zwar vielleicht noch etwas höher, anscheinend sind die Bayern auch stabiler als wir, aber gravierend sind die Unterschiede nicht.
Wie wichtig wäre es für die Entwicklung des VfB, Sami Khedira und Cacau zu halten?
Sami muss meiner Meinung nach sowieso bleiben. Ich denke, er braucht noch zwei Jahre, bis er reif ist für einen Wechsel zu einem noch größeren Verein. Wenn er diesen Schritt jetzt schon macht, glaube ich, käme das noch zu früh.
Und Cacau?
Er fühlt sich mit seiner Familie wohl in Stuttgart. Der VfB sollte auf jeden Fall versuchen, ihn zu halten.
Sie verlassen den VfB definitiv. Wen empfehlen Sie dem Club als Nachfolger?
Franck Ribéry oder Cristiano Ronaldo wären nicht schlecht. Im Ernst: ich bin zuversichtlich, dass der Verein den richtigen Spieler findet.
(STZ 23.4.2010)