27. April 2010

Interview mit Alexander Hleb: “Ich will mit dem VfB Platz drei”

Der VfB Stuttgart ist die beste Rückrundenmannschaft in der Fußball-Bundesliga – und der wiedererstarkte Alexander Hleb hat einen wesentlichen Beitrag dazu geleistet. Das Selbstvertrauen des 28-Jährigen ist mittlerweile so groß, dass er sich mit einem Platz in der Europa League nicht zufriedengeben will.

Herr Hleb, Ihr Jahr beim VfB ist bald wieder vorbei. Ziehen Sie doch mal ein Fazit.

Es ist schnell gegangen. Aber noch ist es nicht so weit. Noch bin ich hier – und abgerechnet wird erst zum Schluss. Schließlich können wir noch einiges erreichen.

Sie treffen nun noch auf Bochum, Mainz und Hoffenheim. Was ist da das Ziel?

Nachdem wir schon die letzten fünf Spiele gewonnen haben, sage ich, wir wollen noch drei Siege. Das wäre eine schöne Serie.

Und dann?

Ich will den dritten Platz. Mit weniger möchte ich mich nicht zufriedengeben. Damit hätten wir das Vorjahresergebnis wiederholt und könnten erneut die Qualifikation zur Champions League bestreiten. Nach dem Verlauf der Hinrunde wäre das eine riesige Sensation. Die Chancen sind da. Wir geben alles und greifen an.

Der Rückstand auf Bremen und Leverkusen beträgt jedoch vier Punkte – und auch Dortmund hat drei Zähler mehr als der VfB.

Natürlich haben wir es nicht mehr selbst in der Hand, weil wir im Herbst viel verpasst haben. Da haben wir wichtige Punkte verloren, und das hängt uns nach. Deshalb müssen wir jetzt auf die anderen schauen. Aber wir können die Konkurrenten unter Druck setzen – und das werden wir auch.

Dazu würden Sie am Ende Ihres Engagements in Stuttgart wahrscheinlich auch gerne noch ein Tor schießen, nachdem Sie in dieser Bundesligasaison noch nicht getroffen haben?

Ja, am besten sogar das entscheidende Tor am letzten Spieltag. Das wäre ein Traum.

Haben Sie in der Realität eigentlich schon Ihre Koffer gepackt und den Möbelwagen bestellt für die Fahrt zu Ihrem neuen Club?

Dafür ist es noch zu früh. Ich wüsste ja noch nicht einmal, wohin ich den Möbelwagen schicken muss.

Vielleicht zu Inter Mailand oder zu Manchester City, die an Ihnen interessiert sind.

Jetzt warten wir mal die letzten drei Spiele ab. Dann muss ich zu meiner weißrussischen Nationalmannschaft. Anschließend mache ich dann Urlaub – und den Rest muss mein Berater für mich regeln.

Ist auch eine Rückkehr zum FC Barcelona möglich, wo Sie ja noch einen Vertrag bis zum 30. Juni 2012 haben?

Ich werde sogar auf jeden Fall zuerst wieder nach Barcelona gehen. Mein Berater ist mit den Leuten dort in Kontakt.

Inter Mailand und Manchester City haben Sie auch schon vor einem Jahr umworben. Warum haben Sie sich damals für den VfB entschieden?

In der Saison zuvor war ich in Barcelona oft verletzt und habe nicht so regelmäßig gespielt wie erhofft. Um wieder die nötige Sicherheit zu bekommen, wollte ich deshalb dahin, wo ich mich heimisch fühle und wo ich viele Freunde habe. Das gab für mich letztlich den Ausschlag.

Das dürfte auch jetzt ein Argument dafür sein, um Sie in Deutschland zu halten.

Natürlich kann ich mir das sehr gut vorstellen. Ich spreche die Sprache und bräuchte keine Eingewöhnungszeit. Außerdem gefällt mir die Bundesliga. Aber man muss sehen, was wird.

Fest steht, dass der VfB am Freitag in Bochum antritt. Können Sie sich noch an das Hinspiel erinnern?

Wir kassierten in der letzten Minute durch einen Freistoß das 1:1. Es gab Proteste der Fans – und es war der letzte Arbeitstag unseres Trainers Markus Babbel.

Unter dem Nachfolger Christian Gross ist der VfB die beste Rückrundenmannschaft. Wie erklären Sie sich den Wandel?

Wir haben auch gekämpft, als Markus Babbel noch da war. Aber damals fehlte uns das nötige Glück. Glück ist ein wichtiger Faktor. Denken Sie nur daran, wie sich der FC Bayern kürzlich in der Champions League gegen Florenz durchgesetzt hat. Oder an den Sieg von Inter jetzt gegen Barça.

Gibt es neben dem Glück noch weitere Unterschiede zwischen dem VfB im Herbst 2009 und dem VfB im Frühling 2010?

Ja, den neuen Trainer. Christian Gross hat uns gutgetan. Er ist ein gewiefter Taktiker und lebt total für den Fußball. Jetzt funktioniert wieder alles in der Mannschaft. Das Selbstvertrauen ist wieder da.

Das überrascht, weil Sie von Gross anfangs in jedem Spiel ausgewechselt wurden und darüber nicht glücklich waren. Wie ist das Verhältnis heute?

Wir mussten uns eben zunächst aneinandergewöhnen. Inzwischen ist es viel besser geworden und ganz normal. Schließlich wollen wir beide dasselbe: Erfolg. Christian Gross weiß ganz genau, warum er nach Stuttgart gekommen ist – nicht allein, um den Abstieg zu verhindern. Er kann sich hier nach oben orientieren und jedes Jahr in die Champions League kommen.

Wenn Sie zurückblicken – haben Sie in dieser Saison auch Fehler gemacht?

Das ist keine Frage. Vielleicht war ich aus meiner Zeit in Barcelona und Arsenal ein bisschen verwöhnt. Da konnten wir auf dem Platz die meisten Probleme mit spielerischen Mitteln lösen. Hier beim VfB funktioniert das nicht immer. Da muss man auch viel kämpfen und rennen, von vorne nach hinten und von hinten nach vorne. Das habe ich womöglich ein wenig unterschätzt. Ich hätte mehr Gas geben und mich vielleicht mehr in die Mannschaft einbringen müssen.

Welche Perspektiven hat der VfB?

Wenn es gelingt, die Mannschaft weitgehend zusammenzuhalten und noch punktuell zu verstärken, ist immer ein Platz in der Champions League drin. Dann kann der VfB sogar mit den Bayern mithalten. Wenn man an Spieler wie Ribéry, Robben, Gomez oder Olic denkt, ist dort die Qualität zwar vielleicht noch etwas höher, anscheinend sind die Bayern auch stabiler als wir, aber gravierend sind die Unterschiede nicht.

Wie wichtig wäre es für die Entwicklung des VfB, Sami Khedira und Cacau zu halten?

Sami muss meiner Meinung nach sowieso bleiben. Ich denke, er braucht noch zwei Jahre, bis er reif ist für einen Wechsel zu einem noch größeren Verein. Wenn er diesen Schritt jetzt schon macht, glaube ich, käme das noch zu früh.

Und Cacau?

Er fühlt sich mit seiner Familie wohl in Stuttgart. Der VfB sollte auf jeden Fall versuchen, ihn zu halten.

Sie verlassen den VfB definitiv. Wen empfehlen Sie dem Club als Nachfolger?

Franck Ribéry oder Cristiano Ronaldo wären nicht schlecht. Im Ernst: ich bin zuversichtlich, dass der Verein den richtigen Spieler findet.

(STZ 23.4.2010)

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27. März 2010

VfB Stuttgart gegen Bayern München: Schokoseite gegen Sahneflügel

Christian Gross will nicht viel verraten. Nicht über seine Strategie, nicht über die Vorbereitung und auch nicht über sein Personal. Er habe das Tor des Bayern-Dribblers Arjen Robben halt im Fernsehen gesehen, sagt der Trainer des VfB Stuttgart lapidar. Diesen Überfall von rechts, der in wenigen Sekunden abgelaufen ist und der den Traum des FC Schalke 04 vom Pokalfinale beendet hat.

Gross gilt als Trainer, der ständig Fußball-DVDs studiert, Szenen seziert, nach den Stärken und Schwächen des Gegners fahndet. Und ausgerechnet vor dem Südderby am Samstag (15.30 Uhr) in München hat er Robbens Tor halt nur im Fernsehen gesehen – ohne Analyse? “Robben hat schon andere Tore erzielt”, sagt Gross, “vielleicht ist er sogar in der Form seines Lebens.”

Also doch. Der VfB-Trainer weiß natürlich um die Fähigkeiten des niederländischen Ausnahmekönners, ebenso um dessen Schlüsselrolle in der Bayern-Offensive. Und es ist davon auszugehen, dass sich Gross viele Szenen der Münchner Protagonisten hat zusammenschneiden lassen, um die eigenen Möglichkeiten auszuloten und die richtigen Mittel gegen den Bundesliga-Tabellenführer zu finden. “Es haben sich schon viele Trainer den Kopf darüber zerbrochen, wie Arjen Robben zu stoppen ist”, sagt Gross. Ein Spieler allein könne das nicht schaffen. Deshalb lauten die Schlagworte des Schweizers: “Kompaktheit, Selbstvertrauen, Mut.”

Gibt es den Schlüssel zum Erfolg?

Geschlossenheit gegen einen größeren Gegner – das fordert der Stuttgarter Übungsleiter gerne. Vor der Begegnung mit dem FC Barcelona sprach er fast identische Worte, und im Achtelfinalhinspiel der Champions League demonstrierte die VfB-Elf auch, dass sie die Vorgaben von Gross nahezu perfekt umsetzen kann.

Auf dem Taktikbrett hatte der Cheftrainer den Plan entworfen, dass der Wunderfußballer Lionel Messi nicht nur gedoppelt werden müsse, sondern von drei, notfalls sogar von vier Mann attackiert werden müsse. Zunächst war Cristian Molinaro im Verbund mit Alexander Hleb gefordert, dazu kamen aus dem zentralen Mittelfeld Sami Khedira und/oder Christian Träsch. Das hat funktioniert und schreit gegen den bayerischen Hochgeschwindigkeitsfußballer Robben nach einer Wiederholung.

Denn der Schlüssel zu einem Erfolg gegen das Team von Trainer Louis van Gaal lag zuletzt darin, den Bayern zwar überwiegend den Ball und damit die Spielkontrolle zu überlassen, ihnen aber so gut wie keinen Raum nach vorne zu gewähren. Cesare Prandelli, der Coach des AC Florenz, hat es mit zwei dicht aneinandergeklebten Defensivreihen in München vorgemacht. Daran orientierten sich auf nationaler Grünfläche anschließend Nürnberg (1:1), Köln (1:1) und Frankfurt (2:1) erfolgreich.

Molinaro und Hleb haben sich gefunden

“Gegen die Bayern droht aber nicht nur von einer Seite Gefahr”, sagt Gross. Da gibt es auch noch Franck Ribéry, sofern der französische Spielbeschleuniger fit ist. Denn auch Ribéry kann aus dem Stand und mit dem Ball am Fuß so viel Tempo aufnehmen, dass es für die Gegner (manchmal auch die Mitspieler) zu schnell wird.

Doch bei den Münchnern hat sich seit vergangenem Spätherbst die rechte Außenbahn mit Arjen Robben vorne und dem Verteidiger Philipp Lahm dahinter zum Sahneflügel entwickelt. Da trifft es sich gut, dass die Stuttgarter mit ihrer Schokoladenseite dagegenhalten können: Molinaro und Hleb haben auf eine Art und Weise zusammengefunden, die sie nun ebenfalls zu einem der besten Duos in der Bundesliga macht.

Molinaro, weil er italienisch verteidigt. Taktisch klug. Filigran, wenn möglich. Robust, wenn nötig. Hat der Linksverteidiger dann Teil eins seiner Arbeit verrichtet, sprintet er die Linie entlang, um die feinen Pässchen von Hleb in die Mitte zu befördern. Den Weißrussen selbst hat Gross wieder auf ein Niveau gehievt, dass es ihm körperlich erlaubt, seine Fußballkunst zu zeigen. Was auch Manchester City nicht entgangen ist. Denn Hleb kann Technik und Tempo auf ebenso elegante und effiziente Weise verbinden wie Robben – wenn auch bisher nur als Vorbereiter und nicht als Torschütze.

(STZ online 26.3.10)

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