7. Juli 2010

Deutschland vs. Spanien: Die Duelle

Deutschland kämpft gegen Spanien um den Einzug ins WM-Finale und kann sich gleichzeitig für das verlorene EM-Finale 2008 revanchieren. Die Spanier haben das beste Mittelfeld der Welt, ihren Kaiser in der Abwehr und einen Heiligen im Tor.

Manuel Neuer vs. Iker Casillas

Wo Casillas schon ist, will Neuer hin. Casillas gehört zu den drei besten Torhütern des Planeten. Trotzdem stand er schon vor der WM etwas in der Kritik und leistete sich zu Beginn des Turniers einige Unsicherheiten (SPOX-Durchschnitts-Note 3,2). Machte mehr Schlagzeilen wegen seiner Beziehung zur Chefinterviewerin eines spanischen Privatsenders, Sara Carbonero, als wegen sportlicher Heldentaten. Zeigte aber gegen Paraguay mit einem gehaltenen Elfmeter und einer starken Rettungstat kurz vor Schluss gegen Santa Cruz, warum sie ihn in Spanien “San Iker” (Heiliger Iker) nennen. Trotz seiner durchwachsenen WM hat Spanien erst zwei Gegentore kassiert. Ebenso wenige wie die deutsche Mannschaft. Neuer spielt – vom Fehler gegen England abgesehen – ein starkes Turnier und machte auch gegen Argentinien einen sehr sicheren Eindruck.

Per Mertesacker/Arne Friedrich vs. Fernando Torres

Mertesacker kommt pünktlich zum Endspurt in Form und ruft von Spiel zu Spiel bessere Leistungen ab. Gegen Argentinien umsichtig im Stellungsspiel und souverän im Zweikampf. Bei Friedrich hat man sich an diese Eigenschaften in den letzten Wochen ohnehin gewohnt. Erzielte gegen Argentinien im 77. Länderspiel sogar sein erstes Tor. Und wer gegen Argentiniens Traumsturm so gut wie keine Chance zulässt, muss sich auch vor Torres nicht fürchten – zumindest vor dem aktuellen Torres (SPOX-Note 4,6).

El Nino ist nach zwei Meniskusoperationen in diesem Jahr außer Form, ihm fehlen Schnelligkeit, Durchsetzungsvermögen und Abschlussstärke. Alles Attribute, die ihn zum Siegtorschützen des EM-Finals 2008 machten. Trotzdem hielt Trainer Vicente Del Bosque an ihm fest. Könnte im Halbfinale aber zugunsten eines weiteren Mittelfeldspielers geopfert werden. Dann würde David Villa ins Sturmzentrum rücken. Eine ungleich größere Herausforderung für das deutsche Abwehrduo.

P. Lahm/P. Trochowski oder T. Kroos vs. J. Capdevila/D. Villa

Zum zweiten Mal muss Joachim Löw seine Offensive umbauen. Nachdem Miroslav Klose beim abschließenden Gruppenspiel gesperrt fehlte, muss nun der überragende Thomas Müller zuschauen. Als erster Ersatzmann fühlt sich wohl Trochowski, der noch in den Vorbereitungsspielen gegen Malta, Ungarn und Bosnien-Herzegowina in der Startelf stand. Aber: Er fühlt sich auf rechts überhaupt nicht wohl, fiel da schon in der Bundesliga beim HSV durch.

Auch Kroos ist auf links beheimatet und hat auf rechts so gut wie keine Erfahrung. Egal wer aufläuft, das deutsche Spiel wird ohne Müller ein anderes sein. Trochowski und Kroos wollen den Ball lieber in den Fuß als in die Tiefe, im Vergleich zu Müller fehlt es ihnen an Geschwindigkeit und Zug zum Tor.

Das kommt Capdevila (SPOX-Note 3,4) zugute. Der 32-Jährige ist das kleinste Licht im spanischen Starensemble und nicht mehr der Allerschnellste. Noch mehr als in den letzten Spielen wird es auf Lahm ankommen, seinen Vordermann zu unterstützen und so Überzahl zu schaffen. Denn Villa, der als zweite Spitze einen verkappten Linksaußen gibt, lässt Capdevila in der Defensive oft allein. Der Außenverteidiger muss dann von einem Mittelfeldspieler unterstützt werden, was Räume im Zentrum öffnet.

Villa darf sich diesen Luxus erlauben, um Kräfte für sein Offensivspiel zu schonen und bei Ballgewinn als Anspielstation zu dienen. Sobald “el guaje” (der Bursche) Platz hat, ist er kaum noch zu bremsen. Er ist schnell, dribbelstark und sicher im Abschluss. Lahm ist allerdings für seine Stärke im Eins-gegen-eins bekannt und passt auch körperlich hervorragend zu Villa (SPOX-Note 2,6).

Mit seiner wuseligen Art wäre er für Mertesacker und Friedrich im Zentrum schwieriger zu verteidigen. Villa erzielte fünf der sechs spanischen WM-Treffer und schickt sich an, als erster Spieler nach Gerd Müller (1970, 1972) bei zwei aufeinanderfolgenden Welt- und Europameisterschaften Torschützenkönig zu werden. Ist einer von diesen “mehreren Messis”, die Löw bei den Spaniern geortet hat.

Jerome Boateng/Lukas Podolski vs. Sergio Ramos

Zahlenmäßig ein deutliches Mismatch. Ramos (SPOX-Note 3,4) wird wegen seiner Frisur und dem dazugehörigen Stirnband auch Tarzan genannt. Da Spanien – anders als bei der EM 2008 – ohne echte offensive Flügelspieler agiert, dafür aber vier zentrale Mittelfeldspieler aufbietet, ist Ramos auf seiner rechten Seite eine Art Einzelkämpfer. Iniesta, der auf dem Papier auf rechts vorgesehen ist, treibt sich vielmehr im Zentrum vor, hinter und neben Xavi herum.

Also ist es an Ramos, über die Seite Druck nach vorne zu entwickeln. Auch wenn er seine dynamischen, manchmal aber auch blindlings vorgetragenen Vorstöße etwas gezügelt hat, bietet seine nach vorne ausgerichtete Spielweise Lücken, die für Podolski zu gern gesehenen Einladungen werden könnten. In der Defensive ein knallharter und kompromissloser Zweikämpfer. Trägt nicht umsonst den Spitznamen Sergio Rambo. Gehört sicher nicht zu Spaniens Messis. Bei Standards als wuchtiger Kopfballspieler immer gefährlich.

Sollte sich Del Bosque aber doch dazu entscheiden, auf Torres zu verzichten und einen weiteren Mittelfeldspieler zu bringen, würde die Entscheidung wohl zwischen David Silva und Pedro fallen. Beide sind klassische Außenspieler und könnten mit ihrer Dribbelstärke und Geschwindigkeit Druck auf Boateng ausüben. Der offenbarte sowohl gegen Ghana als auch gegen England und Argentinien Schwächen im Eins-gegen-eins.

Bastian Schweinsteiger/Sami Khedira vs. Xavi/Andres Iniesta

Die nächsten Messis der Spanier. Xavi und Iniesta sind Herz und Hirn des FC Barcelona und auch der Nationalmannschaft. Xavi (SPOX-Note 3,0) bestimmt Rhythmus und Geschwindigkeit des Spiels und ist bisher der laufstärkste Spieler der Spanier (52,9 km). Iniesta (SPOX-Note 2,5) ist der Umschaltkasten des spanischen Spiels. Iniestas Ex-Trainer Frank Rijkaard sagte einmal, dass er Pässe wie Bonbons verteilt. Er erhöht das Tempo und leitet den Ball Richtung Tor. So leitete der 26-Jährige auch die Treffer gegen Portugal und Paraguay ein.

Um Spaniens Passkreisel zu stoppen, muss man Xavi und Iniesta so weit wie möglich aus dem Spiel nehmen. Schweinsteiger ist bisher der beste Mittelfeldspieler des Turniers und genauso wie Khedira noch knapp vier Kilometer mehr gelaufen als Xavi. Es ist die Aufgabe des Mittelfeldduos, die Passwege der Spanier zuzustellen und Druck auf die spanischen Strategen auszuüben. Khedira hat seine Rolle im Laufe des Turniers gefunden und seine Vorstöße reduziert. Auch gegen Spanien wird er zuerst in der Defensive gefordert sein, um Schweinsteiger den Rücken freizuhalten, damit dieser seine Fähigkeiten in der Spieleröffnung ausspielen kann.

Mesut Özil vs. Xabi Alonso/Sergi Busquets

Özil war gegen Argentinien nicht ganz so brillant wie gegen England, war für die Albiceleste in vielen Fällen trotzdem zu schnell. Allerdings hatten beide Mannschaften nur einen echten defensiven Mittelfeldspieler auf dem Platz. Gegen Spanien muss sich Özil mit zwei Defensiven auseinandersetzen, wobei Barca-Spieler Busquets (SPOX-Note 3,0) den etwas defensiveren Part ausfüllt. Der 21-Jährige ist eine Mischung aus seinem Kollegen Xavi und seinem Klubtrainer Pep Guardiola. Busquets ist extrem ballsicher, elegant im Aufbauspiel und mit einem guten Gespür für den Raum ausgestattet. Allerdings fehlt ihm im Vergleich zu Özil die Spritzigkeit. Xabi Alonso (SPOX-Note 3,4) ist der Spielmacher von hinten heraus, der sich je nach Bedarf nach vorne schiebt oder zurückfallen lässt. Nur Xavi hat bei der WM mehr Pässe gespielt als der Mittelfeldstratege von Real Madrid. Özil muss gegen Spanien mehr mit nach hinten arbeiten als in den Spielen zuvor, damit Schweinsteiger und Khedira gegen Xavi, Iniesta und Xabi Alonso nicht in Unterzahl geraten.

Miroslav Klose vs. Carles Puyol/Gerard Pique

Während Villa noch auf Müllers Fersen ist, hat Klose den Bomber mit 14 WM-Toren schon eingeholt. Einen Treffer braucht Klose noch, um sich neben Ronaldo zum besten WM-Torschützen aller Zeiten zu machen. Puyol und Pique sind aber das qualitativ beste Verteidigerduo, mit dem es die deutsche Elf bisher zu tun hatte. Die Barca-Verteidiger kennen sich aus dem Verein bestens, sind daher sehr gut abgestimmt und ergänzen sich ideal.

Puyol (SPOX-Note 3,2) ist der robuste Zweikämpfer und Zerstörer. Der Zahn der Zeit hat aber auch am mittlerweile 32-Jährigen genagt. Schon in der abgelaufenen Saison ließ er die gewohnte Souveränität und die nötige Schnelligkeit oft vermissen. Der gleichaltrige Klose ist noch deutlich spritziger.

Pique (SPOX-Note 2,8) ist der elegantere Abwehrspieler. Er kann die meisten Situationen spielerisch lösen und ist extrem abgeklärt. Spielt sehr gute Bälle in der Spieleröffnung, geht auch gerne selbst mit Tempo tief in die gegnerische Hälfte und wird wegen seiner Spielweise in Anlehnung an Franz Beckenbauer auch Piquenbauer genannt. Verschuldete gegen Paraguay durch ungewohnt plumpes Abwehrverhalten aber einen Elfmeter. Auch das lässt Klose vom Rekord träumen.

(spox.com)

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