31. Dezember 2010
Es hätte alles so schön werden können. Bruno Labbadia, der neue Hoffnungsträger auf der VfB-Bank , feierte sein Ligadebüt, der Gegner war der große FC Bayern. Und die Fans, die die Mannschaft am Donnerstag in der Europa League gegen Odense (5:1) mit demonstrativer Teilnahmslosigkeit gestraft hatten, waren wieder voll bei der Sache, vor dem Anpfiff hüpften und sagen sie. Hinterher jedoch wendeten sie sich mit Grausen ab.
Mit 3:5 (0:3) hat der VfB in einem denkwürdigen Spiel gegen die Bayern verloren und beendet damit die Vorrunde auf dem vorletzten Tabellenplatz, mit der kläglichen Ausbeute von zwölf Punkten. Die Angst vor dem Absturz in die zweite Liga wird immer größer, denn auch der erneute Trainerwechsel hat, zumindest kurzfristig, nicht den erhofften Befreiungsschlag gebracht. Gnadenlos bekam Labbadia vor Augen geführt, dass es eine mehr als undankbare Aufgabe ist, den VfB in der Liga zu halten – trotz aller guter Vorhaben, mit denen er sein Team ins Spiel geschickt hatte.
Der Trainer veränderte die Mannschaft auf gleich fünf Positionen. Serdar Tasci und Matthieu Delpierre kehrten in den Innenverteidigung zurück, Christian Träsch spielte wieder im zentralen Mittelfeld, Cacau im Sturm. All das war im Vorfeld erwartet worden – sehr überraschend hingegen war die Besetzung des rechten Verteidigerpostens: Dort kam Ermin Bicakcic zum Einsatz, ein gelernter Innenverteidiger aus der zweiten Mannschaft. Es war eine mutige Maßnahme, die sich als kapitaler Fehlgriff erwies.
Der 20-Jährige begann stark. Schon nach sieben Minuten hatte er die Chance zur Führung, köpfte nach einem Freistoß von Arthur Boka aber zu unplatziert. Und zur zweiten VfB-Chance leistete Bicakcic die Vorarbeit, als Christian Träsch am Bayern-Torwart Jörg Butt scheiterte (11.). Es war also ein durchaus engagierter Beginn der Stuttgarter, die in der Folgezeit jedoch wieder einmal in sich zusammenfielen.
Sehr abwartend hatten die Bayern begonnen und den VfB spielen lassen. Dann schlugen sie eiskalt zu. Bicakcic vertändelte den Ball gegen Thomas Müller, dessen Zuspiel Mario Gomez zum 1:0 verwertete (31). Der frühere Stuttgarter revanchierte sich fünf Minuten später und lieferte Müller die Vorarbeit zum 2:0, nachdem diesmal Delpierre gepatzt hatte. Und erneut Bicakcic ließ kurz vor der Pause Franck Ribery gewähren – der Franzose bedankte sich und traf zum 3:0.
Im zweiten Abschnitt keimte zunächst Hoffnung auf, als der eingewechselte Martin Harnik zum 1:3 traf (50.). Dann jedoch machte sich der VfB mit weiteren haarsträubenden Fehlern alles selbst zunichte: Erst traf Gomez zum 4:1, nachdem Sven Ulreich eine harmlose Hereingabe von Ribéry aus den Händen hatte gleiten lassen. Dann krachte der VfB-Torwart mit Christian Träsch zusammen – erneut war Gomez zur Stelle und erzielte mit seinem zwölften Saisontor das 5:1. Konfuser als in diesen Minuten hat man den VfB selten gesehen.
Erst jetzt korrigierte Labbadia seine Fehlentscheidung und holte den gegen Ribéry völlig überforderten Bikacic vom Feld. Die Bayern stellten das Fußballspielen ein – mit dem Mute der Verzweiflung stemmte sich der VfB gegen das drohende Desaster. Vor allem Pawel Pogrebnjak schritt dabei mit unermüdlichem Einsatz voran. Erneut Martin Harnik und danach Christian Gentner betrieben mit ihren Toren Ergebniskosmetik und verhinderten eine Blamage. Die VfB-Fans ließen sich dadurch nicht milde stimmen. Sie drehten sich um, als sich die Spieler nach dem Schlusspfiff bedanken wollten. Zur sportlichen Krise gesellt sich vor dem Pokalspiel gegen die Bayern am Mittwoch ein echtes Fanproblem.
Mannschaften und Statistiken
VfB Stuttgart:
Ulreich – Bicakcic (60. Boulahrouz), Tasci, Delpierre, Molinaro – Träsch, Kuzmanovic (68. Gentner) – Gebhart (46. Harnik), Boka – Cacau, Pogrebnjak
Bayern München:
Butt – Lahm, Breno, Timoschtschuk, Contento – van Bommel, Ottl – Altintop (46. Pranjic), Müller (77. Alaba), Ribéry – Gomez (67. Klose)
Schiedsrichter:
Kinhöfer (Herne) – Zuschauer: 40.500 (ausverkauft)
Tore:
0:1 Gomez (31.), 0:2 Müller (36.), 0:3 Ribéry (43.), 1:3 Harnik (49.), 1:4 Gomez (52.), 1:5 Gomez (54.), 2:5 Harnik (64.), 3:5 Gentner (70.)
Gelbe Karten:
Pogrebnjak (2), Tasci (2), Träsch (3) / Timoschtschuk (2)
Beste Spieler:
Harnik, Pogrebnjak / Ribéry, Gomez, Müller
(STZ online 19.12.2010)
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22. Juni 2010
Das zweite Gruppenspiel ist verloren, die Nerven liegen blank. Bereits auf dem Platz haben sich die deutschen Spieler nach Kräften gegenseitig beschimpft und machen sich auch danach in der Kabine schwere Vorwürfe. Also sieht sich der Teampsychologe Hans-Dieter Hermann zum Eingreifen gezwungen. Er initiiert eine Mannschaftssitzung ohne die Trainer, eine offene Aussprache der Spieler, die atmosphärische Störungen bereinigen soll. Das gelingt mühevoll – Deutschland schlägt Österreich mit 1:0 und erreicht am Ende sogar das Endspiel dieser Europameisterschaft 2008.
Zwei Jahre später, bei der Weltmeisterschaft in Südafrika, hat die DFB-Auswahl wieder das zweite Gruppenspiel verloren, wieder gegen ein Team vom Balkan. 1:2 hieß es 2008 gegen Kroatien, 0:1 am Freitag gegen Serbien. Und wieder hat sich das Team damit vor dem letzten Spiel am Mittwoch gegen Ghana selbst unter massiven Druck gesetzt. Diesmal droht sogar eine historische Pleite – noch nie ist eine deutsche Mannschaft bei einer WM schon in der Vorrunde gescheitert. Eine Krisensitzung wird diesmal trotzdem nicht nötig sein: “Ich bin zu hundert Prozent sicher, dass wir weiterkommen”, sagt der Kapitän Philipp Lahm.
Es gibt keine Schuldzuweisungen
Für große Zuversicht im deutschen Lager sorgen mehrere Dinge. Dazu gehört vor allem die Art und Weise, wie die Mannschaft diesmal verloren hat. Chancenlos war sie vor zwei Jahren gegen Kroatien gewesen – und zeigte gegen Serbien vor allem in Unterzahl eine sehr couragierte Leistung. Vieles kam in diesem Spiel zusammen, der frühe Platzverweis für Miroslav Klose etwa, Sami Khediras Schuss an die Latte kurz vor der Pause, der vergebene Elfmeter von Lukas Podolski danach. “Wir lassen uns nicht einreden, dass es ein schlechtes Spiel war, es war sehr ordentlich”, sagt Philipp Lahm und ist überzeugt davon, “dass wir mit elf Mann nicht verloren, sondern mit Sicherheit gewonnen hätten.”
Weitere Hoffnung auf einen Sieg gegen Ghana macht, wie die Spieler mit der Niederlage und auch miteinander umgehen. Es gibt, anders als 2008, keine Schuldzuweisungen und keine teaminternen Spannungen. “Diese Mannschaft hat wirklich einen sehr guten Charakter”, sagt der Teammanager Oliver Bierhoff.
Natürlich sei die Stimmung nach der Niederlage gedrückt gewesen, und natürlich wüssten die Spieler genau, dass die Situation nun viel angespannter sei als nach dem Auftaktsieg. “Aber ich spüre weiterhin einen großen Zusammenhalt”, erklärt Oliver Bierhoff. Und Philipp Lahm sagt: “Man hat auch gegen Serbien gesehen, dass eine Mannschaft auf dem Platz stand, die vollkommen intakt ist.”
Auch Lahm beruhigt die Fans
Gemeinsam mit dem Bundestrainer Joachim Löw (“Wir lassen uns nicht nervös machen, ich bin sicher, dass wir das Achtelfinale erreichen”) hat Lahm die Aufgabe übernommen, die besorgte Nation zu beruhigen und den Kollegen Sicherheit zu vermitteln. Der Druck sei nicht anders als vor jedem Spiel – “die jungen Spieler müssen einfach so weiterarbeiten wie bisher, dann wird es gutgehen.”
Das Auftreten des Kapitäns – auch das ist also anders als bei der Europameisterschaft. Wie der damalige Nationaltorhüter Jens Lehmann in seinen jüngst erschienen Memoiren berichtet, habe Michael Ballack (gemeinsam mit Torsten Frings) vor zwei Jahren schlechte Stimmung in der Mannschaft verbreitet und “die ganze Gruppe zum Nichtstun verdammt”. Nicht zuletzt seinetwegen sei die Krisensitzung nötig gewesen.
Allerdings: der Kapitän Michael Ballack ist 2008 gleichzeitig derjenige gewesen, der im letzten Gruppenspiel das Siegtor erzielt hat. Auch diese Aufgabe muss jetzt ein anderer übernehmen.
(STZ online 21.6.10)
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22. Mai 2010
Ein Scherz über seinen ehemaligen Teamkollegen Mario Gomez hat eine Woche nach dem Karriereende von Jens Lehmann für Wirbel gesorgt. Ein Satz in der Autobiografie des Torwarts liest sich so, als werfe Lehmann Gomez vor, in dessen letztem Spiel für den VfB Stuttgart bei Bayern München (1:2) am 23. Mai 2009 absichtlich am Tor vorbei geschossen zu haben, um seinem zukünftigen Verein nicht zu schaden. “Es war ein Fehler von mir, denn das war ironisch gemeint. Es war ein Spaß und das hätte ich groß drüber schreiben sollen”, sagte Lehmann am Sonntag in der TV-Sendung “Doppelpass” von Sport 1.
Der 40-Jährige erklärte, sich bereits telefonisch bei Gomez für den entstandenen Eindruck entschuldigt zu haben. Die “Bild”-Zeitung hatte die Passage am Samstag in ihrem Vorabdruck des Lehmann-Buches aufgegriffen. “Es stand groß in der Zeitung, und die Leute glauben das. Aber das war nicht ernst gemeint”, sagte Lehmann.
(STZ 17.5.10)
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