4. Mai 2020
Eines muss man der Deutschen Fußball Liga (DFL) ja in Zeiten von Corona lassen. Sie tut alles und ist sich für beinahe nichts zu schade, um den Ball und damit auch den Rubel alsbald wieder rollen zu lassen.
Es werden Töne angeschlagen, die man von diesem Paralleluniversum überhaupt nicht gewohnt ist. Von Demut ist die Rede, von Solidarität sprechen sie plötzlich und sie stellen Millionen-Beträge für Vereine der Dritten und der Frauenfußball-Bundesliga zur Verfügung. Man gibt sich geläutert, will glauben machen, dass sich nach der Krise einiges ändern müsse und werde und gibt sich verwundert darüber, dass der DFL mehr Häme als Applaus entgegenschlägt, angesichts des verzweifelten Versuchs die Finanzblase nicht platzen zu lassen.
Dabei stellte Seifert die rhetorische Frage „was haben wir nur falsch gemacht?“ Die Frage beantwortet er sich im Grunde selbst. Explodierende Spielergehälter und Beraterhonorare, das Entfernen von der Basis und der Lebensrealität seiner Fans, immer höher, immer weiter, immer mehr. Das Profigeschäft ist geprägt von Raffsucht und Gier und bekommt jetzt, meiner Meinung nach überfällig, die Quittung präsentiert.
Einsicht ist der erste Weg zur Besserung, sollte man meinen. Geredet allerdings wurde in der DFL schon immer viel, so dass jetzt nur Taten zählen.
Man kommt angekrochen, macht hier ein Zugeständnis, gelobt dort Besserung, um am Ende, wenn weiter gekickt werden darf, genauso weiter zu machen.
Oder glaubt jemand im Ernst, dass Leute wie Rummenigge und Watzke nach der Krise einen Solidarpakt mit dem Rest des deutschen Fußballs zu schließen bereit sind, einer gerechteren Verteilung der Fernsehgelder zustimmen und sich, sollte der bisherige Wahnsinn in den anderen europäischen Top-Ligen weitergehen, einfach so abhängen lassen?
Ich glaube nicht daran, denn, dann müsste man sich von den internationalen Fußball-Verbänden abgrenzen und auch mal einen Kirmes-Wettbewerb auszulassen bereit sein. Jetzt präsentieren uns die Protagonisten warme Worte, um am Ende des Tages vorzuschieben, dass „uns“ angesichts der Pläne von UEFA und FIFA die Hände gebunden seien.
Die DFL hätte in den letzten 20 Jahren viele Möglichkeiten gehabt, auf die Basis zuzukommen, auf Wünsche einzugehen und ein Wir-Gefühl zu vermitteln. Meinte es das Kartellamt gut und verbot das Monopol bei den Übertragungsrechten, nahm die DFL dies zum Anlass mehreren Anbietern Exklusivrechte zu verscherbeln, was nicht nur zur Folge hatte, dass Pay-TV-Kunden mehrere Abonnements abschließen mussten, um alle Spiele zu sehen, sondern den Spielplan noch mehr als ohnehin schon zerstückelte, um mehr Exklusiv-Sendeplätze zu schaffen. An den Fan, der zu den unmöglichsten Zeiten und Wochentagen quer durch die Republik reist, dachte dabei niemand.
Stets wurde beim Aushandeln der Verträge die internationale Wettbewerbsfähigkeit vorgeschoben, obwohl diese für rund zwei Drittel der Bundesliga und hundert Prozent der 2. Liga allenfalls sekundär ist.
Als Fan einer, inzwischen, Fahrstuhlmannschaft interessieren mich die Spieltermine, die Entfernungen, die ich an einem Wochentag zurücklegen muss, die Behandlung der Fans an den Spielorten und ob es Vollbier im Stadion gibt. Und hier gibt es in allen Punkten Nachbesserungsbedarf.
Solange jeder zusätzlich eingenommene Euro über die Faninteressen gestellt wird, wird sich am Fußball nichts ändern, auch dann übrigens nicht, wenn ein Salary-Cap kommen sollte. Dann fließen eben noch mehr Handgelder als ohnehin schon in die Taschen von Spielern und deren Berater, werden „Steuersparmodelle“ erfunden, Briefkastenfirmen gegründet oder sonstige Hintertürchen entdeckt, der verlogenen Branche dürfte einiges einfallen, damit keiner schlechter gestellt ist als vor der Krise.
Wie weit sich der Fußball bereits von seiner Basis entfernt hat, offenbart, dass der Fußball seine einzige Überlebenschance darin sieht, diejenigen auszuschließen, die ihn zu dem machen, was er ist. Dass sich die Herren da nicht schämen!
In Zeiten, in denen Kontaktverbote und Abstandsregelungen gelten, und dort, wo man sich zu nahekommt, Gesichtsmasken getragen werden müssen, in Zeiten, in denen Kindergärten, Kindertagesstätten und Schulen keinen Regelbetrieb haben dürfen, wo Bolzplätze und Sporthallen geschlossen bleiben, möchte die DFL, dass „ein wenig Lebensfreude in die Wohnzimmer kommt“ (Watzke). Rummenigge setzt dem die Krone auf, indem er meint „Ich mag das Wort Geisterspiel nicht. Ich würde lieber sagen: Wir spielen Fußball im Geiste unserer Fans.”
Jener Rummenigge also, der vor gut zwei Monaten mit Dietmar Hopp am Mittelkreis stand und Beifall klatschte, als sich Hoffenheim und Bayern die Bälle zuschoben, weil die „hässliche Fratze“ des Fußballs derselben den Spiegel vorgehalten hat, kommt sich bei solch einer Aussage wohl noch nicht einmal blöd vor.
Die „hässliche Fratze“ von damals, jene im Gästekäfig natürlich, sowie Ultras von vielen anderen Vereinen landauf landab, engagiert sich derzeit für das Gemeinwohl und packt an, wo es in der Krise erforderlich ist, während der Fußball verzweifelt versucht, sein krankes Business am Laufen zu halten.
Die DFL hat ein Maßnahmenpaket vorgestellt, nach der auch in Zeiten von Corona Bundesligafußball möglich sein soll. Eine große Koalition aus Bundesliga, Politik, TV-Anstalten und der BILD-Zeitung, eine Ansammlung von Hobby-Medizinern also, erklärt das Konzept für tragfähig, so dass im Laufe der Woche damit zu rechnen ist, dass dem Vorhaben grünes Licht erteilt wird.
Mancher Virologe äußert zwar Bedenken, doch, es scheint die Devise zu gelten, no risk, no fun! In der Schule nannte man es Mut zur Lücke, bei der DFL dürfte man schweißgebadet dem Mittwoch entgegenblicken und beten, dass bis dahin keine größeren Infektionsketten bekannt werden.
Mit einem austarierten Medizinkonzept und ausreichend Testkapazitäten, an die systemrelevante Mitbürger, bspw. aus Alten- und Pflegeheimen, mangels finanzieller Mittel nicht herankommen, versucht die DFL die Politik zu überzeugen, der Virus selbst aber ist weder käuflich noch bestechlich und macht, „was erlaube Corona“, sein eigenes Ding.
So brachten bereits die ersten Tests drei Infektionen mit dem Corona-Erreger beim 1. FC Köln zutage. Kölns belgischer Ex-Nationalspieler Birger Verstraete wunderte sich über den laxen Umgang mit den Infektionen durch Verein und Gesundheitsamt und sorgte sich öffentlich um seine herzkranke Freundin, da er regen Kontakt mit den Infizierten gehabt hätte. Nur einen Tag später relativierte er seine Aussagen auf dem Twitter-Account des 1. FC Köln, man könnte auch im Dietrich-/ Reschke-Jargon sagen, der Spieler wurde eingenordet. Beim VfB ist von einer „unklaren“ Testung die Rede, man darf gespannt sein, was dabei herauskommt.
Heute, ganz aktuell, stellte Kalou von Hertha BSC ein Video online, in dem sich nicht „nur“ über deren 11%igen Gehaltsverzicht lustig gemacht wird, sondern auch zu sehen war, dass sämtliche Abstands-, Kontakt- und Hygienevorschriften missachtet wurden.
Daraus kann man jetzt schließen, dass das Hygienekonzept der DFL lediglich der Beruhigung der Öffentlichkeit dient, hinter verschlossenen Türen jedoch nicht gelebt wird. Kalou relativierte, völlig überraschend, seine Aussagen, wurde von Hertha BSC zum Einzelfall erklärt und wurde suspendiert, the show can go on.
Vielleicht aber war dieses Vorpreschen Kalous auch „nur“ ein Hilferuf eines Spielers, der funktionieren muss, ob er will oder nicht. Gestern erschien im Berliner Kurier ein ziemlich reflektiertes Interview eines mitdenkenden 34-jährigen, von dem man nicht erwarten würde, dass er völlig unbedacht ein Video dieser Tragweite ins Netz stellen würde. (https://www.berliner-kurier.de/hertha/salomon-kalou-ich-liebe-fussball-aber-li.82665″)
Diese Vorfälle zeigen, sich kritisch äußernde Spieler werden umgehend „eingefangen“ und mit einem Maulkorb belegt. So die Strategie der DFL und ihrer angeschlossenen Vereine. Auf der einen Seite angekrochen kommen und Besserung geloben, auf der anderen Seite fleißig am Vertuschen. Ich lach mich gleich tot über derlei Dreistigkeit!
Es ist also ein äußerst schmaler Grat, auf dem die DFL mit ihrer Strategie wandelt. So macht es auf jeden Fall Sinn, dass bei den Vereinen mindestens zwei Trainingsgruppen getrennt voneinander trainieren und die DFL ihren Vereinen im Maßnahmenpaket nahelegt, für ausreichend große Kader für den Saisonendspurt zu sorgen. Wer weiß, vielleicht schlummern ja auch noch irgendwo Trainingsgruppen drei und vier, aus U19 und U17 zum Beispiel, die herangezogen werden könnten, sollten ersten beiden in Quarantäne geschickt werden müssen.
Auch das würde wohl hingenommen, solang Sky überträgt und das Geld auf die Konten der Vereine fließt. Um den sportlichen Wert von Geisterspielen geht es ja ohnehin nicht. Das Spiel wird einen völlig anderen Charakter bekommen, Mannschaften, die vom Pushen ihrer Fans Motivation ziehen, haben sportlich gesehen die Arschkarte gezogen.
Für das ausstehende Geld dürfte der DFL keine Anordnung lächerlich genug sein, sie nicht umzusetzen. Kommt die Auflage, mit Gesichtsmaske und Schutzanzug spielen zu müssen, würde man diese Pille wohl auch noch schlucken.
Diese DFL macht mir keine Angst, wenn sie davor warnt, man werde die Bundesliga in ihrer jetzigen Form nicht wiedererkennen, sollte die Saison abgebrochen werden müssen.
Dass am System etwas nicht stimmen kann, erkennt man doch schon, wenn es trotz des hoch gelobten Lizenzierungsverfahrens Vereine gibt, die in ihrer Existenz bedroht sind, wenn ein, zwei Monate lang der Spielbetrieb ruht, und das obwohl die „normalen“ Mitarbeiter Kurzarbeitergeld von der Bundesanstalt für Arbeit beziehen und den Vereinen damit nicht auf der Tasche liegen.
Das verdeutlicht, dass die ausstehende TV-Rechte-Rate lediglich einer lebensverlängernden Maßnahme gleichkäme, der Patient sich danach aber noch immer auf der Intensivstation befindet.
Mit Vereinen, die stets auf Kante gewirtschaftet oder zu erwartende Einnahmen bereits verpfändet haben, hätte ich kein Mitleid, sollten sie in die Insolvenz gehen.
Um deren „normale“ Mitarbeiter müsste man sich allenfalls sorgen, genauso wie um die Vereine unterhalb der beiden ersten Ligen und aus anderen Sportarten, für die Geisterspiele nicht die Lösung sind.
Sollte die DFL die TV-Rate noch retten können, müsste schon von dieser ein Löwenanteil an die Genannten gehen, um dem Irrsinn noch Positives abgewinnen zu können. Wie unsolidarisch die Gesellschaft ist, zeigt sich darin, dass Leute aus kleinen Vereinen austreten, weil diese während der Krise keine Sportangebote anbieten dürfen. Diese kämpfen wirklich um die Existenz, weit mehr als Fußball-Unternehmen, die Kapital in Form überbezahlter Spieler besitzen und sich zunächst von diesen trennen könnten.
Um Gelder freizusetzen und anderen Verbänden und Vereinen zukommen lassen zu können, wäre eine breit angelegte Solidarität der Spieler notwendig, die derzeit leider nur marginal zu erkennen ist.
Beim VfB steht ein Gehaltsverzicht von 10-20% zur Debatte, 20% im Falle des Aufstiegs, was mir zu wenig erscheint. „In der Krise beweist sich der Charakter“ ist ein Zitat von Altkanzler Helmut Schmidt. Diesen gilt es nun zu beweisen, sägt doch jeder Spieler, der zu keinen oder nur geringen Einbußen bereit ist, am Ast, auf dem er sitzt.
Dank des Instruments Kurzarbeitergeld, dessen sich auch der VfB bedient, bleiben wenigstens die Arbeitsplätze (zunächst) erhalten. Ich hoffe für die Angestellten, dass der VfB dieses, wie viele andere Unternehmen auch, auf nahe 100% aufstockt.
Der VfB „ermutigt“ Dauerkartenbesitzer und Kartenkäufer auf eine Rückerstattung der Eintrittsgelder im Falle des Abbruchs der Saison oder der Austragung von Geisterspielen zu verzichten. Diesem Wunsch kommen nach Angaben des VfB schon sehr viele Leute nach, die ihren Herzensclub in der schwersten Krise der Nachkriegszeit nicht im Stich lassen möchten.
Ich tue mich schwer damit, da bei der Mannschaft die Bereitschaft zum Verzicht eben nicht sehr ausgeprägt zu sein scheint. Ein 20%iger Gehaltsverzicht bedeutet bei Top-Verdiener Mario Gomez noch immer geschätzte 150.000 Euro netto im Monat, so dass ich es schon etwas dreist finde, die Treuesten der Treuen, von denen viele von Kurzarbeit oder Jobverlust betroffen sind, um Almosen zu bitten.
Es gibt Hilfsaktionen für Amateurvereine wie #spendedeinetrikotnummer, unsere Ultras https://blog.schwabensturm02.net/ und https://www.cc97.de/ sammeln Spenden, um Bedürftigen und Obdachlosen zu helfen, Kneipen und Gastwirte, z. B. https://www.gofundme.com/f/pfiff (ab 33 Euro mit Supporter-Shirt) und https://www.gofundme.com/f/vfbtreff-schwemme-bad-cannstatt-vfbtreffsupport freuen sich über einen Obolus, und, und, und.
Da spende ich doch lieber für Zwecke, bei denen ich mir sicher sein kann, dass das Geld ankommt, und nicht an eine Fußball-AG, in der im Zuge der Ausgliederungs-Veranstaltungen noch erzählt wurde, dass der Ticketkäufer und Bierkäufer im Stadion immer weniger zählt und man deshalb auf Investoren angewiesen sei. Sollen sie doch dort hausieren gehen!
Es passt für mich übrigens auch nicht zusammen, dass kurz nach der Mail bzgl. des Verzichts auf Ticketrückzahlungen, die Festverpflichtung Endos für 1,7 Millionen Euro verkündet wird. Wenn ich kein Geld habe oder mir die Ungewissheit über die zukünftigen finanziellen Möglichkeiten schlaflose Nächte beschert, halte ich mich in solchen Angelegenheiten eben zunächst einmal zurück, auch wenn ich die Verpflichtung vom Grundsatz her begrüße.
Die Geisterspiele scheinen also ausgemachte Sache zu sein. Verhindern könnten diese meiner Ansicht nach höchstens noch das Virus selbst und die Angst, dass es am Rande der Spiele zu Menschenansammlungen kommen könnte.
Der Chef der Polizeigewerkschaft hat Bedenken geäußert, dass systemrelevante Beamte, die übrigens auch nicht alle auf Corona getestet werden, sich einer unnötigen Gefahr vor den Stadien aussetzen müssten und an anderen Orten dann fehlen würden.
Bezüglich der Ultras ist diese Befürchtung sicherlich unbegründet. Sie verkündeten bereits frühzeitig, etwaige Geisterspiele nicht als Gruppe besuchen zu wollen. Grotesk ist eben der Gedanke, dass sie die Geisterspiele, gegen die sie eintreten, verhindern könnten, würden sie sich entgegen ihrer Überzeugung und gegen die Vernunft dennoch vor den Stadien treffen.
Diese „Gefahr“ sehe ich als sehr gering an, viel eher ist damit zu rechnen, dass sich Gruppen zum gemeinsamen Fernsehschauen treffen, vor allem, wenn irgendwann auch die Kneipen wieder geöffnet haben sollten.
Sollte es zu den Geisterspielen kommen, werden sie mich gewiss nicht vom Hocker reißen. Fußball ist im Stadion, Freunde treffen, Touren, Atmosphäre! Solang Beschränkungen Realität sind, die all dies nicht zulassen, macht mir, und sehr vielen anderen auch, der Fußball keinen Spaß.
Jetzt setze ich mich mit einer Tüte Popcorn darnieder und warte auf weitere Meldungen vom Komödienstadl DFL. Kalou wird wohl nicht der Letzte sein, weitere Hilferufe sollten folgen.
In diesem Sinne, bleibt gesund und passt auf Euch auf!
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21. Juli 2018
Seit Sonntag ist die WM Geschichte und wir können uns wieder den wirklich wichtigen Dingen im (Fußball-)Leben zuwenden, dem VfB nämlich. Doch bevor ich einen Ausblick auf den VfB wage, möchte ich noch auf das WM-Turnier und dabei ganz besonders auf das Abschneiden der deutschen Nationalelf zurückblicken.
Noch nie hat mich ein WM-Ausscheiden einer deutschen Nationalmannschaft emotional weniger belastet als dieses Mal. Und das, obwohl es das historisch schlechteste Ergebnis einer deutschen Nationalmannschaft bei einer Fußball-Weltmeisterschaft überhaupt war.
Schon im Vorfeld stießen mir einige Dinge sauer auf. Da war zum einen die Özil-, Gündogan, Erdogan-Affäre. Für mich war es nach dem Treffen der beiden türkischstämmigen deutschen Nationalspieler mit dem türkischen Despoten Erdogan zum denkbar ungünstigsten Zeitpunkt (zwei Tage vor der Nominierung des vorläufigen WM-Kaders) ein Unding, diese beiden ohne jegliche Aufarbeitung des Themas zu nominieren und schließlich auch zur WM mitzunehmen.
Dass es der DFB duldete, dass Özil den Medientag schwänzte und das hochkochende Thema lieber totschwieg, und, fast noch schlimmer, ein Oliver Bierhoff sich am Rande des Saudi Arabien-Spiels hinstellt, und sagt, jetzt sei es aber auch mal gut mit dem Thema, unterstreicht eindrucksvoll, wie weit sich der DFB inzwischen von der Basis entfernt hat.
Dass es mit einem Basta des Nationalelf-Managers nicht getan war, bewiesen die Pfiffe sowohl in Leverkusen als auch später bei der WM.
Ferner kam es im Team offensichtlich nicht gut an, dass langzeitige Rekonvaleszenten, allen voran Manuel Neuer, eine Einsatzgarantie erhielten, und der Weltmeister-Bonus auch noch vier Jahre nach dem Titel wichtiger zu sein schien, als die aktuelle Form.
Der Gewinn des Confed-Cups und der U21-EM 2017 hätten Anlass genug sein müssen, den Arrivierten Feuer unter dem Hintern zu machen, zeigten diese Titel doch, dass das Reservoir aus dem Bundestrainer Löw schöpfen kann, schier unendlich ist. Zudem lockte der Bundestrainer die Spieler vor allem zum Confed-Cup mit falschen Versprechungen, wenn am Ende doch wieder fast ausschließlich die Platzhirsche auf dem Platz stehen.
Leider machte Löw denselben Fehler wie schon einige Weltmeister vor ihm (oder ist es Zufall, dass der Weltmeister seit Jahren fast ausnahmslos in der Vorrunde scheitert?), den Zeitpunkt einer Blutauffrischung zu verpassen und sich nicht rechtzeitig von einstigen Leistungsträgern loszusagen.
Dankbarkeit ist im Fußball-Geschäft nur bis zu einem gewissen Grad angebracht und darf in Ausnahmefällen einem besonders wertvollen Spieler entgegengebracht werden, von dem man überzeugt ist, dass er sich noch fangen und im weiteren Turnierverlauf wichtig werden könnte.
Wenn aber die halbe Mannschaft aus ausgelaugten und formschwachen Ex-Größen besteht und das Leistungsprinzip ad absurdum geführt wird, bekommt man eben schon nach der Vorrunde die Quittung in Form des Ausscheidens präsentiert.
Dass es zwischen Löw und Bierhoff, zwischen die lange kein Blatt Papier passte, nicht mehr stimmt, entlud sich nicht nur an der Auswahl des WM-Quartiers, mit dem keiner so richtig zufrieden war. Als Bierhoff nach der Auftaktniederlage gegen Mexiko einen Reporter harsch mit „das müssen Sie den Trainer fragen“ abkanzelte, dachte ich nur, „Nachtigall, ick hör dir trapsen“.
Hinzu kamen weitere Nebenkriegsschauplätze, die auf den ersten Blick keine große Sache wären, wie das nächtliche Abschalten des WLAN’s im Teamhotel in Vatutinki, weil einige Spieler nachts lieber exzessiv zu zocken schienen, anstatt sich professionell auf den nächsten Arbeitstag vorzubereiten.
Es sagt viel über die heutige Spielergeneration aus, wenn man sich lieber an die Konsole flüchtet, anstatt Probleme beim Schopfe zu packen und Alarm zu schlagen, wenn die Ziele gefährdet sind.
Dabei war es weiß Gott nicht die erste Weltmeisterschaft, bei der es teamintern gekracht hat. Der Unterschied zu heute war jedoch der, dass es früher Typen gab, die entgegensteuerten, wenn sie merkten, dass der Trainer mit der Situation überfordert ist.
Der WM-Titel 1974 zum Beispiel wurde erst möglich, nachdem Franz Beckenbauer nach dem 0:1 gegen die DDR die Macht übernahm und quasi die Mannschaft selber aufstellte und selbst 2014 war es erst ein Weckruf aus der Mannschaft, der das Team zurück in die Spur brachte.
Kapitän Lahm stellte mal wieder seine eigenen Interessen über die der Mannschaft und beharrte darauf, im defensiven Mittelfeld spielen zu dürfen, während es auf den Außenverteidigerpositionen krankte und diese ausschließlich durch Innenverteidiger bekleidet waren.
Löw sah sich an sein Versprechen Lahm gegenüber gebunden und trug den Willen des Kapitäns mit. Nach dem mühevollen und glücklichen 2:1 gegen Algerien entband Lahm Löw von seiner Zusage, nachdem einige Führungsspieler Alarm geschlagen hatten. Fortan stabilisierte sich die deutsche Mannschaft und zeigte ein anderes Gesicht, das Ende der Geschichte ist hinlänglich bekannt.
Diese Führungsspieler der WM 2014 traten in den letzten Jahren nach und nach zurück. Wir haben keinen Podolski mehr, keinen Lahm, keinen Schweinsteiger, keinen Mertesacker und auch keinen Klose mehr. Joachim Löw fehlte bei der WM in Russland ein verlängerter Arm auf dem Feld, es gab keinen einzigen, der sich gegen das Ungemach stemmte und die anderen mitgerissen hätte.
Die Spiele plätscherten dahin, man ergötzte sich an Ballbesitz ohne im Strafraum gefährliche Situationen heraufzubeschwören. Den etatmäßigen Führungs- oder auch Möchtegernführungsspielern fehlte das Standing (Neuer, wegen seiner langen Absenz; Özil, siehe oben), die Form (Hummels, Khedira, Müller) oder sie sind schon vom Naturell her keine Lautsprecher (Kroos).
Die Weltmeister von 2014 erfüllten die Erwartungen nicht, die sie sicher auch an sich selbst gestellt hatten und besaßen zudem noch die Frechheit bspw. einen Plattenhardt im Spiel zu schneiden und Timo Werner zwar extrem viel laufen zu lassen, um ihn dann doch nicht seine Stärken ausspielen zu lassen, indem man stets den Quer- oder Rückpass vorzog, anstatt zielstrebig nach vorne zu spielen.
Es wurde Angsthasenfußball der übelsten Sorte dargeboten, so dass ich wirklich froh darüber war, als das Elend gegen Südkorea sein jähes Ende fand.
Löw ignorierte sämtliche Alarmzeichen im Vorfeld. Nach extrem durchwachsenen Tests gegen Österreich und Saudi-Arabien wiederholte er gebetsmühlenartig, dass er schon öfter bewiesen habe, zu wissen, was zu tun sei und er auch wüsste, wie das Team auf den Punkt topfit zu bekommen sei.
Diese Arroganz erinnerte mich schwer an Armin Veh nach der Meisterschaft mit dem VfB, der später beim HSV antrat und erklärte, „ich muss keinem mehr etwas beweisen“. Das ist genau der falsche Ansatz, ein Trainer muss sich immer wieder mal neu erfinden und die Zeichen der Zeit erkennen, wenn „seine“ Spieler oder sein Spielstil im wahrsten Sinne des Wortes überholt sind.
Den einst erfolgreichen Ballbesitzfußball kann ich vielleicht noch mit einer blutjungen Mannschaft und Spielern, die laufen, laufen und nochmal laufen, spielen lassen. Es geht darum Lücken zu finden und in diese blitzschnell hineinzustoßen und so Überraschungsmomente zu schaffen, was jedoch einer Ü30-Mannschaft nicht gelingt, die auf dem Feld umher trabt, als befände sie sich bei einem Altherrenturnier.
Den Spaniern ging es vier Jahre zuvor ähnlich, schade, dass sie Löw nicht als leuchtendes Beispiel, nämlich, wie es nicht funktioniert, herangezogen hat.
Nach vorne fehlte also die Durchschlagskraft, nach hinten war man anfällig. Manuel Neuer sah sich wohl selten so vielen Eins- gegen Eins-Duellen konfrontiert wie in den drei Vorrundenspielen. Auch dies für mich eine Folge dessen, dass Spieler wie Hummels und Boateng in die Jahre gekommen und Kimmich völlig außer Form sind.
Der VfB und Eintracht Frankfurt haben es vorgemacht, wie hinter die Bayern- und somit fast identische Nationalelf-Abwehrformation zu kommen ist, die Mexikaner und Schweden scheinen dabei genau hingeschaut zu haben.
Dass die Bayern-Spieler nach dem Championsleague-Aus Motivationsprobleme plagten, bekam man zum Saisonende vor Augen geführt. So schön sich unser 4:1 Auswärtssieg vom letzten Spieltag noch immer anfühlt, so irreal kommt er einem noch vor.
Es wäre hypothetisch zu hinterfragen, ob dieser so auch gelungen wäre, hätten die Bayern noch das Championsleague-Finale vor der Brust gehabt oder wäre es in der Meisterschaft noch um etwas gegangen. Als Form- und Stimmungsbarometer der Bayern-Profis und damit dem Gros der Nationalmannschaft hätte man die letzten Spiele der Bayern aber heranziehen und Schlüsse daraus ziehen müssen.
Schien es noch unfassbar und einmalig gewesen zu sein, in welcher Manier Donis die Bayern-Abwehr ein ums andere Mal stehen ließ, wurde es zur Methode, als es den Frankfurter gerade mal eine Woche später im Pokalfinale mit den gleichen Mitteln gelang. Das System, die Bayern zu knacken, bekam den schönen Beinamen „Bruda, schlag den Ball lang“.
Ein langer Ball, ein schneller Stürmer und die nicht (mehr) so schnellen Verteidiger, ob Hummels, Boateng oder Süle, hatten das Nachsehen. Doch dem maß Löw keine Bedeutung zu, was sich schon andeutete, als man sich selbst gegen Österreich und Saudi-Arabien ein ums andere Mal düpieren und die Außenseiter zu ungewöhnlich vielen Torchancen kommen ließ.
Diese Abwehrprobleme setzten sich nahtlos bei der WM fort. Da man durch geschossene Tore zwar Spiele gewinnt, Meisterschaften aber in der Regel aufgrund einer sicheren Abwehr, war es mir schon während des Mexiko-Spiels klar, dass ein Ausscheiden in der Vorrunde im Bereich des Möglichen sein würde.
In all den Jahren stand ich immer zu Jogi Löw, auch wenn viele der Auffassung waren, mit dem Spielermaterial des letzten Jahrzehnts hätte mehr herauskommen müssen als „nur“ ein Weltmeistertitel.
Ich sah dabei das Positive: seit 2006 immer mindestens das Halbfinale erreicht! Unter den letzten Vier ist die Luft dünn, so dass Nuancen über Sieg oder Niederlage entscheiden können, mal ist man der Glücklichere, mal nicht.
Ich sah dabei auch einige Fehler Löws, doch, welcher Mensch macht keine Fehler. Da sich diese Fehler, die für mich in erster Linie am Setzen auf nicht fitte vermeintliche Leistungsträger sind, ständig wiederholten, und nun zum frühen Aus führten, bin ich der Auffassung, dass es ein „Weiter so“ nicht geben darf.
Ob 2008 Ballack oder 2012 Schweinsteiger, stets schleppte man Spieler durch, die nicht im Vollbesitz ihrer Kräfte waren, womit man de facto mit einem Mann weniger auf dem Platz stand. 2018 wurde dem ganzen die Krone aufgesetzt, indem aus Dankbarkeit oder auch Trotz (Özil!) zu viele formschwache oder nicht fitte Spieler als unverzichtbar erklärt wurden.
Löws große Stärke bestand dagegen in den letzten Jahren darin, das Team immer auf den Punkt fit zu bekommen und eine Mischung aus Spielern zu finden, die als Einheit auftrat und an einem Strang zog. Das hat er dieses Mal nicht geschafft, in erster Linie deshalb, weil das Leistungsprinzip nicht mehr galt. So stellt sich schon die Frage, ob sich Löw in 14 Jahren DFB nicht abgenutzt hat und auch auf der Trainerposition ein Neuanfang her muss.
Der DFB hat zwar völlig ohne Not seinen Vertrag noch vor der WM bis 2022 verlängert und auch Löw beteuerte nach kurzer Bedenkzeit weitermachen zu wollen, doch, ich meine, das letzte Wort ist hier noch nicht gesprochen. Im internen Kreis hat Löw in dieser Woche seine Aufarbeitung präsentiert, die breite Öffentlichkeit möchte man bis zum 24.08. im Unklaren lassen, dann, sage und schreibe gerade einmal 14 Tage vor dem nächsten Pflichtspiel gegen Frankreich in der Nations League.
Vor der WM lag die Ruhe um die Nationalmannschaft und ein gutes WM-Turnier im nationalen Interesse, was sich darin ausdrückte, dass die beiden Erdogan-Huldiger aufs Büßerbänkchen des Bundespräsidenten gebeten wurden, um Schönwetter zu machen.
Dass der Bundespräsident dieses Schmierentheater mitspielte und kurzfristig zur Audienz bat, hat seinem Ansehen eher geschadet und den „Türken“ nicht genutzt. Für mich war es eine armselige Inszenierung, die meine Meinung über die beiden nicht geändert hat. Beides sind erwachsene Menschen, beide sind von hochbezahlten Beraterstäben umgeben, sie hätten sich der Außenwirkung ihrer Wahlkampfwerbung bewusst sein müssen.
Je länger die Öffentlichkeit über die Konsequenzen aus dem WM-Debakel im Unklaren gelassen wird, desto mehr pirschen neunmalkluge „Experten“ hervor. Jüngster Kandidat, Philipp Lahm. Während des WM-Turniers sah ich denselben Philipp Lahm gemütlich am Starnberger See sitzen und wachsweiche Analysen zu den Spielen der Deutschen absondern. Er hat nicht ein einziges Mal Klartext gesprochen, den Finger in die Wunde gelegt und Dinge beim Namen genannt und jetzt auf einmal möchte er erkannt habe, dass Löws Menschenführung nicht mehr zeitgemäß ist?
Lahm hätte Gelegenheiten genug gehabt, sich zu positionieren und Dinge, die im Argen anzusprechen. Hinterher, wenn auch der Letzte von gut 80 Millionen Deutschen mitbekommen hat, dass es im Team nicht stimmte, nachzutreten, ist für mich zum einen lächerlich und zeugt zum anderen von seinem schlechten Charakter, den er seit 2010 immer wieder bewiesen hat.
Lahm scheint seine Auszeit nach dem Karriereende beenden wollen und auf einen (hochdotierten) Posten im Fußball-Business zu drängen.
Rummenigge sprang Lahm zur Seite und schlug ihn gar als DFB-Vizepräsidenten vor, indem er selbst zum Rundumschlag gegen DFB ansetzte und alle dort tätigen Verantwortungsträger als Amateure betitelte. Aber, Rummenigge wäre nicht Rummenigge, würde er mit einem solchen Angriff nicht bezwecken wollen, etwas für seinen FC Bayern herauszuholen.
Zum einen sehe ich das Wort „Amateure“ als Schimpfwort unangebracht, zum anderen kann man ausnahmsweise mal froh darüber sein, dass beim DFB die Interessen der Amateure auch noch berücksichtigt werden und Amateurvertreter die Mehrheit im DFB-Bundestag haben.
Ginge es nach Rummenigge würde die Kommerzialisierung im Fußball noch schneller voranschreiten, die Schere noch schneller auseinander gehen, was die Bayern zwar unter Umständen international konkurrenzfähiger werden ließe, auf der anderen Seite jedoch noch mehr Amateurvereine ihre Existenz kosten würde.
Daher ist es für den deutschen Fußball, den Breitensport und die Nachwuchsförderung eminent wichtig, dass die Amateurvereine ihr Stimmrecht behalten und wenigstens kleinere Erfolge feiern dürfen, wie jüngst die Veränderung der Aufstiegsregelung in den Regionalligen.
Um diese Struktur beizubehalten, braucht es Vertreter der Amateurvereine mit Rückgrat in gehobenen Positionen und keinen Philipp Lahm, der sich dreht wie das Fähnchen im Wind und von seinem Ex-Vorgesetzten ins Amt gelobt wird.
Je länger die Verkündung der Ergebnisse der Ursachenforschung seitens des DFB auf sich warten lässt, desto unwahrscheinlicher werden personelle Konsequenzen auf höchster Ebene. Weder ein Grindel, noch ein Bierhoff und schon gar nicht Joachim Löw dürften zur Disposition stehen, wobei zumindest über Bierhoff diskutiert werden sollte.
Der Tausendsassa wäre mit seinem Jahrhundert-Projekt der DFB-Akademie ohnehin ausgelastet genug, um vom Posten des Nationalmannschafts-Managers zurücktreten zu können. Bierhoff steht wie kein zweiter für die Eventisierung der Nationalelf und würde einem Neuanfang mindestens genauso im Wege stehen wie Jogi Löw. Ein neues Gesicht auf diesem Posten könnte den Fokus zurück auf den Fußball und weg von unsäglichen Hashtags und Claims („Die Mannschaft“) lenken, was ein erster Schritt zurück zur Nahbarkeit des Teams wäre.
Dass Bierhoff, wie auch Grindel der ins selbe Horn blies, hinterher noch gegen Özil nachgetreten hat, obwohl er selbst im Vorfeld der WM sämtliche Konsequenz in dieser Affäre vermissen ließ, rückt ihn zusätzlich in ein schlechtes Licht und erweckt den Anschein, als bezwecke er damit einzig und allein seinen eigenen Allerwertesten zu retten.
Doch, selbstverständlich, drehte sich die Welt auch nach dem deutschen WM-Desaster weiter und die Weltmeisterschaft wurde zu Ende gespielt.
Ein WM-Turnier mit 32 Mannschaften nimmt in der Regel erst ab der KO-Phase Fahrt auf. Die Vorrunde bot meist gähnende Langeweile, Taktiererei und wenig fußballerische Feinkost.
Auch danach wurde es kaum besser, in der Nachbetrachtung fallen mir vielleicht drei mitreißende Spiele während des gesamten Turniers ein. Das Niveau insgesamt und der Leistungsstand einiger Top-Stars der Branche empfand ich als erschreckend. Der Bogen im Fußball ist längst überspannt. Hier ein unbedeutender Cup, dort einer und in den „Pausen“ Reisen über mehrere zehntausend Kilometer, um den Trikotabsatz und die Fernsehpräsenz auf den neuen Märkten in Asien zu steigern.
Die Folge dessen ist, dass viele Spieler 70 bis 80 Spiele in den Knochen haben und ausgelaugt zur WM kommen. So verkommt das Turnier immer mehr zu einem Muster ohne Wert. Die besten Erfolgsaussichten hat dann ein harmonierendes und funktionierendes Kollektiv, in dem sich die Spieler selbst pushen (siehe Pogba) und zu Höchstleistungen antreiben, auch wenn das Fleisch schon extrem schwach ist.
Dass Frankreich nach dem Halbfinalsieg gegen phasenweise fantastisch aufspielende Belgier sich den Weltmeistertitel sichern würde, war zu erwarten. Frankreich, das ich schon vor Turnierbeginn als Weltmeister getippt hatte, hatte nach dem Halbfinale einen Tag länger Zeit zur Regeneration und zudem keine drei Verlängerungen in den Knochen, im Gegensatz zu den Kroaten.
Dass deren Finalsieg jedoch durch eine Schwalbe von Griezmann eingeleitet wurde, stößt mir auch heute noch sauer auf. Das 1:0 in einem Spiel ist nun mal richtungsweisend und beraubte die Kroaten einer einmaligen Chance, auch wenn sie zwischenzeitlich zum Ausgleich gekommen waren.
Wann endlich werden solche Betrüger, wenn eindeutig überführt, nachträglich für eine Reihe von Spielen gesperrt, so dass eine solche Aktion noch lange nachwirkt? Solang sie damit durchkommen und am Ende noch für ihre Abgezocktheit gefeiert werden, wird sich an diesen Zuständen nichts ändern.
Ganz besonders habe ich den Titel natürlich unserem Stuttgarter Jungen, Benjamin Pavard, gegönnt. Ein Wahnsinn, wie seine Karriere innerhalb eines halben Jahres an Fahrt aufgenommen hat. Er wäre glücklich gewesen, als Nummer 23 zur WM mitfahren zu dürfen und wurde Stammspieler. Spätestens durch sein wichtiges Tor gegen Argentinien, Marke Tor des Monats, spielte sich Pavard in die Herzen seiner Landsleute, und er bekam gar einen eigenen Fangesang.
Dass ein Stammspieler einer phasenweise furios aufspielenden französischen Nationalmannschaft Begehrlichkeiten weckt, ist normal, als Weltmeister sowieso.
Sollte an der jüngst veröffentlichten Meldung, dass Pavard spätestens 2019 zu den Bayern wechselt, etwas dran sein, wäre ich enttäuscht. Enttäuscht darüber, dass er den VfB für die dann nicht mehr verhandelbare festgeschriebene Ablösesumme von etwa 35 Millionen Euro verlässt und nicht etwa für deutlich mehr schon in diesem Sommer.
In Zeiten eines überhitzten Transfermarktes und wenn ein Spieler angeblich auch im Fokus absoluter internationaler Top-Clubs wie Barca oder PSG steht, hätte man sich dann doch mehr erhofft, zumal der VfB spätestens seit dem Verbleib von Holger Badstuber auch ohne Pavard gut aufgestellt wäre.
Sollte die Meldung der Tatsache entsprechen, stellen sich mir doch noch einige Fragen. Stimmt die kolportierte Klausel, dass die festgeschriebene Ablösesumme nächsten Sommer Makulatur sein würde, würde sich der VfB für die Championsleague qualifizieren? Was würde dann passieren? Zahlen die Bayern auch dann jeden Preis oder wurde diese Eventualität schon mit verhandelt? Oder wechselt Pavard doch schon in diesem Sommer an die Isar? Was wäre es den Münchnern ein früherer Wechsel und das Vermeiden des Risikos, dass der VfB sich für die Championsleague qualifiziert, wert? Es ist ja nicht so, dass ich auf Platz 4 spekulieren würde. In der letzten Saison fehlten dem VfB aber gerade einmal vier Punkte für das Erreichen der Championsleague, so dass die Hoffnung darauf nicht ganz ins Reich der Träumerei zu verweisen ist, zumindest dann, sollte der Rest der Liga weiterhin so schwächeln.
Sollte sich Pavard wirklich schon während der WM für die Bayern entschieden haben, sind dem VfB ohnehin die Hände gebunden. Dann scheidet ein Verkauf in diesem Sommer zu einem anderen Verein sowieso aus, was einmal mehr vor Augen führen würde, dass Verträge ohne Ausstiegsklauseln Wunschdenken sind und dass die Macht die Spieler und deren Berater besitzen.
Den Wahrheitsgehalt dieser SWR-Meldung kann ich nicht sonderlich gut einschätzen. Bislang stach der SWR in meiner Wahrnehmung nicht dadurch hervor, gut informiert in Sachen Transfers zu sein und Informationen exklusiv gesteckt zu bekommen. Ich kann es mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass sich Pavard während des Turniers um seinen Vereinswechsel gekümmert und einen Vertrag unterschrieben hat. Vielleicht hat da ja jemand aus der Mercedesstraße eine falsche Lunte gelegt und der SWR ist hereingefallen.
Ich würde mich freuen, würde Benji auch in der kommenden Saison, dann als Weltmeister, für den VfB auflaufen, sähe unsere Abwehr aber auch ohne ihn gut aufgestellt.
Der VfB hat sich, wie ich meine, ordentlich verstärkt und seinen Kader früh wie selten nahezu komplett beisammen gehabt. Von jungen vielversprechenden Talenten wie Borna Sosa, Maffeo und Gonzalez über Marc-Oliver Kempf, einem bundesligaerprobten Spieler vor dem nächsten Schritt bis hin zu Gonzalo Castro, dessen Zeit in Dortmund nicht so glücklich verlief, der meiner Meinung nach jedoch zu einer wichtigen Stütze im VfB-Spiel werden kann.
Dazu gilt es zwei „Rückkehrer“ zu begrüßen, über die ich mich, im Gegensatz zu vielen Hatern, sehr freue.
Zum einen Holger Badstuber, der nie einen Hehl daraus gemacht hat, zu einem Top-Verein, der der VfB nun mal (noch) nicht ist wechseln und international spielen zu wollen. Die ganz großen Adressen hatten kein Interesse, auf Experimente hatte Badstuber offensichtlich keine große Lust. So band er sich für drei Jahre an den VfB, was durchaus als Treuebekenntnis gewertet werden darf, auch wenn man weiß, dass Verträge im Fußball-Business das Papier nicht wert sind, auf dem sie gedruckt sind.
Nach dem Motto „lieber den Spatz in der Hand, als die Taube auf dem Dach“ entschied sich Badstuber, beim VfB zu bleiben. Ihm blieb natürlich nicht verborgen, dass der VfB in diesem Sommer klotzte statt kleckerte und realisierte, dass, wenn sich der VfB weiter so rasant entwickelt, das internationale Geschäft mit dem VfB keine Utopie sein muss.
Weshalb ich mich über seinen Verbleib so freue ist einfach, dass er für mich ein wichtiger Faktor war, weshalb wir in der letzten Saison so wenige Gegentore gefangen und weshalb sich Timo Baumgartl nach Jahren der Stagnation spürbar weiter entwickelt hat. Zudem ist Badstuber ein Typ, der das sog. Bayern-Gen in sich trägt und lieber gewinnt als verliert. Ergeben sich einige in ihr Schicksal und reden Niederlagen schön, so legt Badstuber den Finger in die Wunde und ist richtig angefressen, wie nach dem 0:3 in Dortmund, der einzigen Niederlage während Korkuts bisheriger Amtszeit. Mit ehrgeizigen Spielern lässt sich etwas gewinnen, deshalb bin ich froh, dass Badstuber dem VfB sein Ja-Wort gegeben hat.
Der zweite Rückkehrer heißt Daniel Didavi. Über ihn freue ich mich ganz besonders, habe ihm den Wechsel nach Wolfsburg aus damaliger Sicht auch nicht krumm genommen, nachzulesen auf meiner Hommage an unseren 10er, nachdem sein Abgang feststand: http://www.frankys-stadionpics.de/blog/?p=4009
Weil ich so überzeugt von ihm und davon bin, dass es keine leeren Phrasen sind, wenn er beteuert VfBler durch und durch zu sein, bin ich mir auch relativ sicher, dass er nach seiner Rückkehr 150% Einsatz bringen und so schnell nicht mit anderen Angeboten kokettieren wird. Er stand nach Jahren unermüdlichen Abstiegskampfes am Scheideweg, fragte sich wohl, ob er sich im Herbst seiner Karriere die Frage gefallen lassen möchte, nicht alles versucht zu haben. Jetzt kommt der Bursche geläutert zurück und weiß zu schätzen, wie Holger Badstuber auch, was er am VfB hat.
Dida ist genau der Spielertyp, den wir letzte Saison so schmerzlich vermisst haben. Er kann ein Spiel lesen, Stürmer in Szene setzen und hat einen begnadeten linken Fuß. 15 Scorerpunkte beim Relegationsteilnehmer Wolfsburg sind aller Ehren wert. Ich drücke ihm (und, ganz uneigennützig natürlich auch uns) fest die Daumen, dass er seine Knieprobleme endgültig überwunden hat und wir noch viele tolle Spiele von ihm sehen. Freue mich schon auf Grassau und bin sehr gespannt, ob er mich noch kennt.
Die Kunst Tayfun Korkuts muss jetzt darin liegen, in den verbleibenden vier Wochen bis zum Beginn der Pflichtspiele die beste erste Elf zu finden.
Als Korkut kam, fand er Traumvoraussetzungen beim VfB vor. Getreu dem Motto „ist der Ruf erst ruiniert, lebt sich’s völlig ungeniert“ konnte er die Arbeit aufnehmen und hatte keinen Erwartungsdruck.
Als einzige Zielvorgabe hatte er den Klassenerhalt zu erfüllen und das, obwohl der VfB bis auf den ersten Spieltag (Platz 16) nie auf einem möglichen Abstiegsplatz stand. Ein Spielsystem oder gar eine Weiterentwicklung des Teams wurde von ihm nicht verlangt, so dass das Zauberwort bis zum rechnerisch feststehenden Klassenerhalt nach dem Bremen-Spiel einzig und allein „Stabilität“ hieß.
Das implizierte, dass Experimente, die das fragile Gebilde ins Wanken hätten bringen können, ebenso verboten waren, wie unerzwungene Startelfwechsel. Mit dieser Marschroute stürmte der VfB auf Platz sieben und verpasste die Europaleague-Qualifikation nur um Haaresbreite.
In der neuen Saison findet Korkut eine neue Situation vor. Er hat einen ordentlichen Kader, bei dem sowohl die Mischung zwischen jung und alt als auch zwischen erfahren und unerfahren zu stimmen scheint.
Korkut ist alleinverantwortlich für die Saisonvorbereitung und muss die Mannschaft auf den Punkt bis zum Pokalspiel am 18. August in Rostock fit bekommen. Weil der VfB einen ausgeglichen Kader hat, den Reschke sicherlich zu großen Teilen in Absprache mit Korkut zusammengestellt hat, wäre Korkut gut beraten, seine Aufstellungen variabler zu gestalten und möglichst alle bei Laune zu halten.
In der Vorsaison hatte Korkut bei allem, was er anfasste, ein glückliches Händchen. Spieler, denen er sein Vertrauen schenkte, dankten es ihm mit Leistung, jene, die außen vor waren, blieben (zumindest nach außen) ruhig und selbst die Trainingsdosierung und -intensität schien optimal gewesen zu sein, spielten doch sonst von Verletzungen schwer gebeutelte Spieler, wie Ginczek und Badstuber, die Rückrunde fast komplett durch.
Ob das Zufall war oder Korkut es einfach kann, wird sich zeigen. Derzeit bin ich sehr optimistisch was den Kader angeht und hoffe, dass Korkut etwas daraus macht.
Reschke hat seine Hausaufgaben weitestgehend gemacht, rastet aber nicht, so dass es mich nicht wundern würde, wenn er noch jemanden aus dem Hut zaubert.
Nachdem Reschke mit den Wintertransfers und Korkut (bisher) goldrichtig gelegen hat und auch die Transferaktivitäten in diesem Sommer in Zeitpunkt und Qualität richtig gut aussehen, stelle ich ihm zumindest für sein zweites Halbjahr beim VfB ein ausgezeichnetes Zeugnis aus, was ich im Winter nie für möglich gehalten hätte. Da Fußball aber Tagesgeschäft ist und sich die Dinge von heute auf morgen auch wieder drehen können, will ich den Tag nicht vor dem Abend loben.
Von mir aus kann es gerne so weiter gehen, wie zum Ende der letzten Saison. Von den Siegen in Leverkusen und München nach gefühlten Ewigkeiten dort, zehre ich stimmungstechnisch noch heute.
Wenn es die Zeit zulässt, melde ich mich zwischen Grassau und Rostock nochmal mit meinen Eindrücken vom Trainingslager im Chiemgau. Bis dahin, lasst es Euch gut gehen!
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