16. Juni 2020
Nach der ersten Derbyniederlage seit 13 Jahren stellt sich mehr denn je die Frage, was seit Jahren beim VfB schiefläuft und Spieler schlechter statt besser werden lässt, wo man doch (fast) sämtliche Positionen mehrfach ausgetauscht hat. Stecken die Probleme doch tiefer, so dass ein Leistungsprinzip nach wie vor nicht möglich ist? Hatte Wolfgang Dietrich gar Recht, als er in seinem legendären Facebook-Post als Abschiedsgruß hinterherschickte „Ebenso wenig wie von denen, die sich schon seit langem an den gut gefüllten Töpfen unseres Vereins bedienen wollen.“ Wer sind „denen“?
Dabei kann es sich doch fast nur noch um dessen (ehemalige) Vorstandskollegen Heim und Röttgermann sowie Mediendirektor Oliver Schraft handeln, an dem der ehemalige Dietrich-Berater Schlittenhardt jüngst kein gutes Haar ließ. Selbst der viel gescholtene Aufsichtsrat wurde in den letzten Jahren mehrfach neu besetzt, da man dort die Wurzel allen Übels vermutete, erinnert sei nur an den einst allmächtigen Dieter Hundt, der längst Geschichte ist.
„Der Fisch stinkt vom Kopf“, so der Volksmund, doch wer hinterfragt Wirken und Einfluss derer, die die Grabenkämpfe der letzten Jahre unbeschadet überstanden haben und teilweise sogar noch aufgerückt sind?
Bernhard Heusler, der als Vorstandsvorsitzender im Gespräch war, wäre vielleicht so ein Mann gewesen, der unvoreingenommen und mit Blick von außen aufräumen hätte können, aber, wie man weiß, schwache Führungskräfte scharen schwache Kräfte um sich, so dass die Wahl auf den mutmaßlich pflegeleichteren Thomas Hitzlsperger fiel, der einfach dankbar für diese große Chance ist.
Nichts verbesserte sich nach den Personalrochaden der Vergangenheit, im Gegenteil, der Niedergang nahm an Rasanz zu und man schlittert von Tiefpunkt zu Tiefpunkt. Ein neuerlicher Tiefpunkt ist sicherlich mit der Derby-Pleite erreicht. Und ein Punkt, an dem man (wieder einmal) konstatieren muss, dass es so nicht weiter gehen kann. Sieg und Niederlage gehören zum Sport wie die Fans! Jedoch erwartet man als Fan nach einer Niederlage, dass sich das Team dagegengestemmt hat. Dies war weder gegen den KSC noch bei den acht anderen Niederlagen in dieser Zweitligasaison der Fall. Mutlos und scheu anstatt furchtlos und treu sollten sich die Kicker zukünftig auf die Fahnen schreiben.
Abgesehen davon, dass die traditionelle Einschwörung der Fans aufs Derby aus bekannten Gründen ausfiel, es ein komisches Gefühl gewesen sein musste, zum Derby in ein leeres Stadion zu fahren, muss doch ein Fußballprofi soviel Eigenmotivation besitzen, aus den Umständen das Beste zu machen und sich verdammt nochmal den Arsch aufreißen, als gebe es kein Morgen.
Es muss sich doch wie ein Geschenk anfühlen, dass man trotz einer weitestgehend desaströsen Saison noch auf dem zweiten Tabellenplatz lag und den Aufstieg vier Spieltage vor Schluss aus eigener Kraft schaffen konnte. Dass diese Chance abermals so leichtfertig aus der Hand gegeben werden konnte, begreife ich nicht. Wie kann man einen derart pomadigen und leidenschaftslosen Auftritt hinlegen? In einem Derby? Das Team konnte am Sonntag fast schon froh sein, dass keine Fans zugegen waren, diese hätten den Auftritt sicher nicht so gleichgültig hingenommen, wie es das Team tat.
Auch wenn ich kein Freund ständiger Wechsel auf verantwortlichen Positionen bin und diese Fluktuation uns erst in diese missliche Lage brachten, in der wir uns befinden, wachsen in mir die Zweifel, ob nicht schon wieder ein großer Umbruch erfolgen muss, um die Ziele des Vereins nicht dauerhaft aus den Augen zu verlieren.
Den Weg mit Thomas Hitzlsperger als starkem Mann, Diamantenauge Sven Mislintat als Sportdirektor und dem bisweilen großmäuligen Trainer Tim Walter fand ich zumindest mal mutig und interessant.
Den großen Umbruch vom letzten Sommer zu bewältigen, braucht Zeit, neuer Sportdirektor, neuer Trainer, neues Team. Geduldig hätte ich diesen Weg mitgetragen, obwohl Tim Walter sich selbst im Weg stand. Ähnlich wie einst bei Alexander Zorniger, zu dem ich auch bis zum Schluss hielt, hatte ich auch bei Tim Walter die Hoffnung, dass er nicht ganz so beratungsresistent sein und an der einen oder anderen Stelle schon noch einlenken würde. Nach meinen Eindrücken vom Sommer-Trainingslager fand ich den Typen Walter überragend. Ich hatte den Eindruck, dass er seine Spieler begeistern kann und die Mischung aus Zuckerbrot und Peitsche bei ihm passte.
Nachdem im Winter „die Mechanismen des Geschäfts“ erneut gegriffen haben und der Wunsch nach Kontinuität ad absurdum geführt wurde, wurde in Pellegrino Matarazzo ein Trainer verpflichtet, den dem Vernehmen nach eine Datenbank als (verfügbare) Optimalbesetzung für den VfB ausgespuckt hatte.
Mislintat beteuert, dass er noch immer der richtige Trainer für den VfB sei und hebt seine Sozialkompetenz hervor, blöd nur, dass die Ergebnisse und das Spiel auf dem grünen Rasen keine rationalen Gründe liefern, auf Teufel komm raus an diesem Trainer festzuhalten. Nach Walters Entlassung bin ich schmerzfrei, was einen zweiten Trainerwechsel angeht und bin sogar der Meinung, dass der Aufstieg nur noch geschafft werden kann, würde noch einmal reagiert werden.
Matarazzo fährt einen undurchsichtigen Schlingerkurs was seine Aufstellungen angeht, bringt Spieler gegen sich auf, die aus unerklärlichen Gründen völlig außen vor sind, was schlechte Stimmung in die Mannschaft trägt, welche sich wiederum auf dem Platz niederschlägt. Natürlich obliegt es auch den Spielern, Eigeninteressen hintenan zu stellen, ein Team und füreinander da zu sein und das Bestmögliche für den VfB herausholen zu wollen. Ein Trainer aber sollte die Marschrichtung vorgeben und die elf Spieler zusammenspielen lassen, die am besten miteinander harmonieren.
Von Harmonie ist beim VfB von Spiel zu Spiel weniger zu sehen. Man kann von Tim Walter halten, was man möchte, aber, er schaffte es, die Atmosphäre aufzulockern, indem es bei jedem Training Sieger und Verlierer gab und die Verlierer sich zum Affen machten. Hinter solchen Spielchen steckt ein Teambuilding-Gedanke, was sich für meine Begriffe durchaus in den Spielen niederschlug. Man hatte unter Walter selten den Eindruck, das Team würde sich gehen lassen oder nicht wenigstens alles versuchen, ein besseres Ergebnis zu erzielen. Meist waren es Chancenwucher und der VAR, was uns den Sieg kostete, während jetzt unter Matarazzo selbst Torgelegenheiten Mangelware sind.
Ein Massimo ist seit seinen Patzern in Kiel völlig außen vor, während Kaminski, der seit seinem Comeback keinen Mehrwert in unser Spiel brachte, gesetzt ist. Kapitän Kempf, der wenigstens kämpft, sitzt genauso draußen, wie Karazor, der noch vor der Corona-Pause einen soliden Innenverteidiger spielte und maßgeblich zur Eindämmung der Gegentorflut beitrug.
Es sind also nicht nachvollziehbare Personalentscheidungen, ewige Phrasendrescherei („wir werden weiter Gas geben“) und, dass ich es Matarazzo, zumindest wenn ich seine Pressekonferenzen zum Maßstab nehme, nicht zutraue, der Mannschaft ordentlich Zunder zu geben, ohne gänzlich Respekt einzubüßen.
Daher ist es meiner Meinung nach auch nicht ein ständiges „Fordern von Köpfen“, sondern die Frage, ob man mit den Entscheidungen in der Vergangenheit einfach falsch lag, die es zu korrigieren gilt.
Hitzlsperger ging bereits angeknockt in diese Saison, weil er durch das Zaudern in der Weinzierl-Frage den Abstieg maßgeblich mit zu verantworten hat. Mit seiner eloquenten Art tut er dem VfB nach der Post-Dietrich-Ära sicherlich gut, die Frage ist eben, ob Eloquenz alleine reicht in diesem knallharten Business.
Er installierte Mislintat als Sportdirektor, der sich zuvor als Scout für Borussia Dortmund und den FC Arsenal seine Meriten erworben hat. Nach Reschke der zweite Scout in Folge, der erstmals ins Rampenlicht rückt. Dass dieses nicht seine Kernkompetenz ist, sah man letzten Sonntag bei SWR Sport, als er für mich keine sonderlich gute Figur abgab und zudem schwer gestresst wirkte.
Auch wenn ich Mislintat die Eignung für diese Position nicht jetzt schon abspreche, stimmt es mich bedenklich, dass in den letzten 20 Jahren außer Rolf Rüssmann und Jan Schindelmeiser ausschließlich Novizen auf dem im sportlichen Bereich wichtigsten Posten beim VfB installiert wurden.
Briem (Scout)/ Schneider (Bankkaufmann) folgten auf Rüssmann bzw. Interims-Manager Magath, unter Giovanni Trapattoni wurde Horst Heldt vom Spieler zum Manager ernannt, dem Fredi Bobic (Einzelhandelskaufmann bei Hertie/ TV-„Experte“ beim DSF folgte. Nach Bobic kam Trainer Dutt, dann Schindelmeiser, bis hin zu den genannten Scouts Reschke und Mislintat. Ob das der richtige Weg ist, auch da hege ich Zweifel.
Mislintats Position sehe ich bereits jetzt, nach der unnötigen Vertragsverlängerung mit Matarazzo, extrem geschwächt. Muss der Trainer gehen, müsste Mislintat quasi gleich mitgehen. Im Umkehrschluss aber bedeutet dies auch, dass Mislintat von sich aus den Teufel tun würde, diesen Trainer zu entlassen, komme, was wolle und unbedacht dessen, was für den VfB das Beste wäre. Eine gefährliche und völlig unnötige Konstellation, weil hausgemacht.
Walter musste gehen, weil man das Ziel Aufstieg in Gefahr sah, eine Maßgabe, die für Matarazzo nicht gilt, wie Mislintat am Sonntag klarstellte. Ich verstehe das nicht, wäre doch ein zweites Zweitligajahr für den VfB, gerade in Corona-Zeiten, ein unkalkulierbares Risiko.
Der Auftritt Mislintats am Sonntag steigerte meine Wut auf die Auftritte sogar noch. Faselt etwas von „werden den Weg weitergehen“. Ich frage mich, welchen Weg? Wir haben mit Abstand den teuersten Kader der Liga und verdanken es gerade noch dem Unvermögen des HSV, überhaupt noch Chancen auf den Aufstieg zu besitzen, während Bielefeld mit einem Bruchteil der finanziellen Möglichkeiten seit gestern als Aufsteiger feststeht. Freut mich für die Arminen, die mit einer eingeschworenen Truppe und einem guten Trainer die Gunst der Stunde nutzten, Glückwunsch an dieser Stelle.
Ob der VfB den Aufstieg verdient hat oder nicht, sei dahingestellt. Noch sind Chancen da und der VfB sollte weiter alles Menschenmögliche versuchen, diesen auch zu erreichen. Allein mir fehlt der Glaube, dass die Spieler endlich als Mannschaft auftreten und sämtliche Animositäten zum Wohle des VfB auszublenden bereit sind. Schenkt man Aussagen von Holger Badstuber und zwei, drei anderen Spielern Glauben, die sie nach der Rückkehr aus Karlsruher einigen unentwegten erbosten Fans am Clubgelände gegenüber getätigt haben sollen, bestünde im Verein keinerlei Kommunikation zum Spielsystem oder wo welcher Spieler am besten aufgehoben sei. Dies würde jedenfalls die ständige Verunsicherung und das planlose Ballgeschiebe über weite Strecken der Partien erklären.
Bin bekennend „Old School“, so auch meine Erwartungshaltung in puncto Mannschaftsführung. Ich kann wenig mit den sogenannten Laptop-Trainern anfangen, die sich ihr Team am liebsten aufgrund von Computeranalysen züchten würden. Der älteren Trainergeneration, die letzten Vertreter dieser Spezies beim VfB hießen Christian Gross und Felix Magath, genügte ein Blick in die Augen ihrer Spieler, um zu erkennen, wer mental bereit für ein Derby gewesen wäre. Menschenkenntnis und ein gesunder Menschenverstand spielten eine wichtige Rolle und waren letztlich höher gewichtet als der Laktatwert oder ob ein Spieler 200 Gramm zu viel wiegt.
Nach solch blutleeren Auftritten wie am Sonntag in einem Derby, wünsche ich mir einen harten Hund auf der Bank, bei dem die Spieler nicht wüssten, welche Grausamkeit er für den nächsten Tag auf Lager hat, wenn sie nicht spuren.
Hart, aber gerecht, einer, der Leistung honoriert und Leistungsverweigerung sanktioniert, der erkennt, auf wen er sich verlassen und auf wen nicht. Der Spieler stark redet und die Spieler es ihm zurückzahlen. Eben einer, wie es Felix Magath beim VfB war. Als Magath 2001 zum VfB kam und Ralf Rangnick beerbte, war Balakov nur noch ein Schatten seiner selbst. Von Rangnick entmachtet, degradiert und nur noch ein Häufchen Elend, erkannte Magath als früherer Spielmacher sofort, wie er Bala anzupacken hatte, so dass er uns schließlich zum Klassenerhalt schoss.
Didavi ist auch ein Unterschiedsspieler, jedoch nur, wenn das Umfeld intakt und Vertrauen vorhanden ist. Seit seinem Frustfoul und anschließendem Platzverweis in Kiel fehlt Didavi, angeblich wegen muskulärer Probleme. Nachdem die DFL in Sachen positiv getesteter Corona-Fälle die Vereine zum Stillschweigen (oder auch Belügen) gegenüber der Öffentlichkeit aufgefordert hat, dringen derzeit allgemein sehr wenige triftige Gründe, weshalb ein Spieler auf dem Spielberichtsbogen fehlt, nach außen, so dass ich den wenigen, die mitgeteilt werden, nicht unbedingt Glauben schenke. Gehen wir einfach mal davon aus, Didavi wurde zum Sündenbock ernannt und die Öffentlichkeit soll das nicht wissen. Vermutlich bin ich einer der wenigen, der noch Hoffnungen in Didavi setzt und das vor allem deshalb, weil er unser bester Fußballspieler ist und einer allein in dieser Gurkentruppe eben auch keine Bäume ausreißen kann.
Holger Badstuber ist der nächste Fall, der bei vielen Fans nicht wohlgelitten ist. Dabei ist er der Einzige, aus dem die Unzufriedenheit über die Situation spricht. Während von einigen anderen die größte Sorge nach Abpfiff ist, dass die Frisur nach den 90 Minuten nicht zu Schaden kam und wie sie mit Belanglosigkeiten ihre Instagram-Follower beglücken können, kotzt Badstuber richtig ab.
Wie die großartige Karriere von Mario Gomez zu Ende geht, schmerzt mich besonders. Ihm fehlt leider zunehmend die Spritzigkeit und die sprichwörtlichen letzten Zentimeter. Doch in der Situation, in der wir uns befinden, benötigen wir vor allem Mentalität, Spieler, denen das Schicksal des VfB nicht egal ist, die kratzen, beißen, spucken und sich nicht wehrlos ergeben. Würde es in der Mannschaft stimmen und jeder bereit sein, für den anderen mitzulaufen, gäbe es überhaupt keine Alternative zu Mario Gomez, auch wenn er fünf Kilometer weniger läuft als andere. Schon allein seine Präsenz, der Respekt der Gegner vor seiner Karriere-Leistung, würde Raum für andere schaffen, wenn denn mal ein zweiter Stürmer mit ran dürfte.
Ich habe sie viel gescholten, „die Alten“, denke aber, jetzt in der entscheidenden Phase sind sie es, die vorangehen müssen und die vor allem auch dazu bereit sind. Nicht zu vergessen Castro, in den letzten Spieler noch so etwas wie der Einäugige unter den Blinden.
Ich hoffe, der Trainer findet für die letzten Spiele die richtige Mischung und gibt dem Team ein System an die Hand, das sie spielen kann und nicht nach zehn Minuten schon wieder vergessen hat. Sandhausen ist das Team, welches mit am besten aus der Corona-Pause kam und sehr unbequem zu spielen ist. Obwohl die Nordbadener so gut wie gerettet sind, wird das Spiel im großen Neckarstadion auch für sie das Spiel des Jahres sein, wo jeder motiviert genug sein wird, dem großen Favoriten ein Bein zu stellen und uns nichts zu schenken. Ich hoffe, den Brustringträgern ist dies auch bewusst!
Noch gebe ich die Hoffnung auf den Aufstieg nicht auf, schließlich hat der HSV das deutlich schwerere Restprogramm. Ob ich mich wirklich darüber freuen könnte, nach derart schlechten Auftritten über die gesamte Saison hinweg, in Zeiten von Corona, wo die große Sause ohnehin ausfällt? Ich weiß es nicht.
Jedenfalls mache ich mir große Sorgen um den VfB, der auch in dieser Saison einen Schritt zurück anstatt nach vorn gemacht hat. Mahnende Beispiele, wohin ein schleichender Niedergang führen kann, gibt es zuhauf, ganz aktuell muss man den Blick nur in die Pfalz richten.
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14. Februar 2017
Es war ein glücklicher und auch etwas schmeichelhafter Sieg für den VfB gegen ein äußerst unbequem zu bespielendes Sandhausen. Nicht umsonst sammelten die Mannen von Trainer Kenan Kocak bereits 30 Punkte in dieser Saison, nicht von ungefähr grüßten sie vor dem Spiel von Platz sechs aus.
Erstmals überhaupt während des Wirkens von Hannes Wolf veränderte der Trainer seine Startformation gegenüber dem vorherigen Spiel (2:0 gegen Fortuna Düsseldorf) auf keiner Position.
Im Grunde gab es dafür auch keine Veranlassung, legte die Mannschaft gegen die Fortunen doch, zumindest in der ersten Halbzeit, eine klasse Partie hin. Benjamin Pavard, der Reservist, der noch am nächsten an der ersten Elf dran zu sein schien, verletzte sich unter der Woche, für Daniel Ginczek käme ein Startelf-Einsatz noch zu früh.
Sandhausens oberste Maxime lautete zunächst, den VfB seiner Stärken zu berauben, ihn also nicht ins Spiel kommen zu lassen. Äußerst geschickt und diszipliniert verteidigten und verschoben die Nordbadener, doppelten unsere schnellen Carlos Mané und Takuma Asano und nahmen Ballverteiler und Spielmacher Anto Grgic so gut es eben ging aus dem Spiel. Geschickt entzog sich Grgic jedoch immer wieder dieser Bewachung und kurbelte doch auch den einen oder anderen vielversprechenden Angriff an. DER Gewinner der Vorbereitung ist inzwischen eine absolute Bereicherung im VfB-Spiel und hat derzeit die Nase klar vor Zimmermann und Hosogai.
Mit dem VfB und dem SV Sandhausen trafen zwei Teams aufeinander, die bislang im Kalenderjahr 2017 noch kein Gegentor zu beklagen hatten, so dass es nicht verwunderlich war, dass Torchancen zunächst Mangelware blieben.
Einzig Julian Green mit Schussversuchen aus der Distanz sorgte zunächst für einen Hauch von Torgefahr. Quasi mit dem Pausenpfiff ging der VfB doch noch in Führung, als Mané in den Strafraum hineinstieß und nur durch ein Foul gestoppt werden konnte. Simon Terodde verwandelte den fälligen Strafstoß eiskalt in die rechte Torecke. Die Pausenführung war aufgrund der größeren Spielanteile nicht unverdient.
Zu Beginn der zweiten Halbzeit wurde Sandhausen aktiver und rückte weiter vor, während der VfB sein Heil in Kontern suchte. Dadurch boten sich Räume für den VfB, die Mané und Green kurz nach der Pause besser hätten nutzen können. Nach einer guten Stunde brachte Kocak Wandervogel Sukuta-Pasu, der aus der Jugend von Bayer Leverkusen stammt, schon etliche nationale und internationale Stationen auf dem Buckel hat und aktuell beim SV Sandhausen gestrandet ist. Dieser war auch gleich, mit seinem ersten Ballkontakt, zur Stelle, als sich auf der linken Stuttgarter Abwehrseite drei VfBler ausspielen ließen und die Flanke von Pledl nicht verhindern konnten, sich Baumgartl und Großkreutz nicht einig waren, Langerak auf der Linie kleben blieb und Sukuta-Pasu in der Mitte unbedrängt einschieben konnte.
Nicht unverdient zu diesem Zeitpunkt, war Sandhausen doch zu Beginn der zweiten Halbzeit die aktivere Mannschaft. Der SVS witterte nun Morgenluft und es entwickelte sich ein offener Schlagabtausch mit Chancen auf beiden Seiten. Während Zimmer allein vor Knaller scheiterte und Großkreutz nur die Latte traf hatte Sukuta-Pasu eine Viertelstunde nach dem Ausgleich die Hundertprozentige zu Sandhausens Führung auf dem Fuß.
Hannes Wolf wechselte offensiv und brachte nach Jean Zimmer noch Daniel Ginczek und Alexandru Maxim und sendete so als Signal an die Mannschaft, hier und heute unbedingt als Sieger vom Platz gehen zu wollen.
Angetrieben von den meisten der 44.560 Zuschauer wollte der VfB den Sieg jetzt erzwingen, was schließlich auch gelang. Nach Mané-Hereingabe war Simon Terodde per sehenswertem Seitfallzieher zur Stelle und markierte die so wichtige Führung. Sandhausen setzte noch einmal alles auf eine Karte und feuerte aus allen Rohren, während der VfB mit Mann und Maus verteidigte und den knappen Vorsprung schließlich mit Glück und Geschick über die Zeit brachte.
Am Ende konnte man konstatieren, dass es ein hartes Stück Arbeit war und man sich nicht hätte beklagen dürfen, wenn man am Ende nur mit einem oder gar keinem Punkt dagestanden hätte.
Da der VfB wahrlich kein schlechtes Spiel machte und Sandhausen, das muss man einfach mal anerkennen, richtig gut war, brauchen wir uns für diesen Sieg natürlich nicht zu schämen. Das sind genau jene Spiele, die die Mannschaft weiter bringen. Nach dem Auswärtssieg in St. Pauli hat der VfB bereits zum zweiten Mal den Sieg in der Schlussphase errungen, was dem Team Auftrieb geben und für die anstehenden Aufgaben Mut machen sollte. Die Schinderei aus dem Trainingslager hat sich offensichtlich gelohnt, so dass die Mannschaft weiter bis zum Schlusspfiff an sich glauben und alles versuchen wird, ist die Nuss auch noch so hart. Aus diesem Holz sind Aufsteiger geschnitzt! Wenn der FC Bayern der 2. Liga jetzt auch noch den Bayern-Dusel für sich beansprucht und zähere Spiele letztlich auch noch für sich entscheidet, ist das ein passabler Mutmacher für die kommenden Wochen und Monate.
Das WIE zählt heute sowieso schon nicht mehr. Viel mehr können wir mit Freude auf die Tabelle blicken und sehen, dass durch das Braunschweiger Remis in Nürnberg der Vorsprung auf den Relegationsplatz auf fünf Punkte angewachsen ist. Das ist schon mal ein Brett, jedoch auch kein Ruhekissen. Der VfB muss von nun an mehr denn je die Rolle des Gejagten annehmen und mit dieser Situation mental zurechtkommen.
Ob Christian Gentner, der sich in der Jäger-Rolle wohler fühlt als in der des Gejagten, deshalb auf dem Platz noch weniger zu sehen ist, als sonst ohnehin schon, sei dahingestellt. Wenn aber schon die Stuttgarter Medien, bei denen Gente sonst über jeden Zweifel erhaben ist, bewerten „Der Kapitän nimmt sich eine kleine Krise. Denn anders als in der Hinrunde ist Christian Gentner nicht mehr der alles überragende Antreiber im VfB-Mittelfeld. Durch seine Routine bleibt er aber unersetzlich.“, sollten bei ihm sämtliche Alarmglocken schrillen. Mr. Unersetzlich bekommt nämlich durch Anto Grgic und hoffentlich bald auch Ebenezer Ofori mächtig Druck, so dass die Chancen auf eine baldige Wachablösung gar nicht mehr so schlecht zu sein scheinen. Dem derzeitig praktizierten und weiter zu perfektionierenden Hochgeschwindigkeitsfußball ist Gente schon allein wegen seiner Übersetzung und seiner mangelnden Handlungsschnelligkeit nicht mehr gewachsen, daher entwickelt er sich mehr und mehr zu einem Hemmschuh, der das Spiel verlangsamt.
Der VfB steckt weiter in einem Entwicklungsprozess, in dem es gilt, die Handschrift Wolfs weiter zu verinnerlichen und das Team fit für die Bundesliga zu machen. Wenn diese Entwicklung einhergeht mit sportlichem Erfolg und dadurch etwas der Druck vom Kessel genommen wird, ist dies geradezu perfekt. Die 2. Liga ist derzeit für den VfB ideal und bietet Tests für den Ernstfall (Bundesliga) unter Wettkampfbedingungen.
Zurzeit ragen aus einer geschlossenen Mannschaft vor allem Simon Terodde, der Knipser, und Carlos Mané, der Künstler heraus. Es ist eine Augenweide ihn spielen zu sehen und seine Ballfertigkeit bestaunen zu dürfen. Wegen solcher Spieler strömen die Massen ins Stadion, daher hoffe ich, dass der VfB das Heft des Handels komplett in der Hand hat und an den Gerüchten, Sporting Lissabon fordere ihn bereits im Sommer zurück, nichts dran ist. Im Gegenteil, der VfB sollte alles Menschenmögliche tun, die Kaufoption zu ziehen und Mané langfristig an den VfB zu binden. Die kolportierte Summe von 15 Millionen Euro ist im heutigen Fußball nichts für einen Spieler seiner Klasse, der in ein paar Jahren das Doppelte oder Dreifache wert sein könnte.
Außer der individuellen Klasse einiger hatte dieses Mal auch das Publikum großen Anteil am Sieg. Ich habe die Atmosphäre bei unseren Heimspielen ja schon des Öfteren gescholten, gegen Sandhausen war sie überragend. Auch in schwierigen Phasen waren selbst bei uns auf der Haupttribüne kaum Pfiffe zu vernehmen, es schien so, niemand habe ernsthaft damit gerechnet, dass man Sandhausen mal so einfach aus dem Stadion schießen würde. Der Torschrei beim Siegtreffer hallt mir heute noch nach, so ohrenbetäubend war dieser. Pure Freude und Erleichterung nach dem Schlusspfiff, war sich doch jeder bewusst, welch schwere Geburt man soeben hinter sich gebracht hatte.
Über das schon obligatorische Lied „Wenn jemand fragt, wer Meister wird, dann sage ich zu Dir, das können nur die Schwaben sein, die Jungs vom VfB“ muss ich weiterhin schmunzeln, wenngleich ich es mit einem Augenzwinkern natürlich mitsinge. Ich kenne den Song noch aus den 70er- und 80er-Jahren, als es wirklich um die Deutsche Meisterschaft ging, so dass ich mich am Saisonende, selbst wenn wir als Erster abschließen würden, auch nicht als Meister sondern „nur“ als Aufsteiger fühlen würde. Die „Meisterschale“, die es auch in der 2. Liga neuerdings gibt ist doch nur ein weiterer Marketing-Gag der DFL.
Kommenden Freitag in Heidenheim hat der VfB die Chance, die Tabellenführung weiter zu festigen und sich gleichzeitig für die bittere Heimniederlage im Hinspiel zu revanchieren. Unter den Eindrücken der Tage danach erscheint diese freilich in einem anderen Licht, war es doch das „Abschiedsspiel“ für Jos Luhukay mit einer Mannschaft, die ihrem Trainer nicht mehr folgte. So hatte selbst dieser Tiefpunkt noch etwas Gutes und bescherte uns nach den zwei Erfolgen unter Interims-Coach Olaf Janßen Hannes Wolf als neuen Trainer.
Heidenheim gewann jüngst in Würzburg und heimste somit erstmals im neuen Jahr Punkte ein. Dieser Sieg dürfte den Ostälblern neues Selbstvertrauen eingeflößt haben, so dass auch die Partie in der Voith-Arena für die Brustringträger kein Selbstläufer werden wird. Ich habe großen Respekt für das, was in Heidenheim in den letzten Jahren aufgebaut wurde. Trainer Frank Schmidt und Kapitän Marc Schnatterer verkörpern dort Kontinuität und eine stetige Entwicklung nach oben, so dass in diesem Jahr zumindest der Relegationsplatz zur Bundesliga in Reichweite zu sein scheint.
Der VfB tut also gut daran, auch diese Aufgabe seriös anzugehen und den Kampf, den ihn auf der Ostalb erwarten dürfte, anzunehmen. Gerade die engen Spiele in St. Pauli und gegen den SV Sandhausen zeigen, dass der VfB, trotz der Optimalausbeute von neun Punkten in der Rückrunde, weit entfernt ist, einen Gegner in der 2. Liga einfach so an die Wand zu spielen.
Gelingt es, sich defensiv weiter zu festigen und konzentriert zu verteidigen, wird sich auch in Heidenheim im Verlauf der Spieldauer die individuelle Klasse des VfB durchsetzen. Einer überragenden Unterstützung kann sich der VfB sicher sein. Nicht wenige in der Region sympathisieren mit beiden Vereinen, so dass nicht nur das kleine Gästekontingent an die VfB-Fans ging, sondern sich auch sehr viele VfBler, wie auch wir, in den sonstigen Bereichen tummeln und das Auswärts- zum Heimspiel werden lassen.
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8. Februar 2017
Nicht wenige hatten gehörigen Bammel vor dem Spiel gegen Fortuna Düsseldorf. Nicht, weil die zuletzt fünf Mal in Folge sieglosen Rheinländer Angst und Schrecken verbreiten würden, sondern, weil die Konkurrenz dem VfB die Tabellenführung auf dem Silbertablett serviert hat und der VfB selbst dazu neigt, solche Angebote dankend abzulehnen.
Ich selbst wollte mir das nicht einreden, es musste einfach klappen, mit dem Sprung an die Tabellenspitze. Die Vergangenheit zählt nicht mehr, außerdem stand auf der Gegenseite ja auch „nur“ Düsseldorf und nicht Leverkusen oder Schalke. Vor dem Spiel bei den Würzburger Kickers wäre die Chance als Herbstmeister zu überwintern zwar auch gegeben gewesen, doch, auch dies war eine andere Situation. Ein von Verletzungen gebeutelter Kader, mit dem Nackenschlag der Heimniederlage gegen Hannover 96 im Gepäck und dem Urlaub vor Augen hatte giftigen Unterfranken nichts entgegen zu setzen.
Randnotiz dazu: ich hatte nach dem Spiel geschrieben, es sei unklug gewesen, die Spieler direkt im Anschluss an das Spiel in den Urlaub zu schicken, und nicht noch eine Trainingswoche mit Option auf Verkürzung bei entsprechender Leistung anzusetzen. In Lagos habe ich mit Jochen Röttgermann darüber sprechen können, woraufhin er doch tatsächlich bestätigte, dass sie intern auch darüber diskutiert hätten, dass dies wohl ein Fehler gewesen war!
Ein weiterer Aspekt, nicht in der Vergangenheit zu kramen und darauf zu hoffen, dass das Team aus solch verpassten Chancen gelernt hat, ist, dass der VfB im Trainingslager in Lagos hervorragend gearbeitet und den Grundstein für eine erfolgreiche Rückrunde gelegt hat. In St. Pauli lag spielerisch zwar noch einiges Argen, aber, wenigstens hat man die Mentalität gezeigt, die es in der 2. Liga braucht und man hat den Kampf angenommen. Zudem konnte man sich zum Transferschluss hin noch einmal verstärken und sendete damit unmissverständliche Signale an den Rest der Liga und auch an die Mannschaft, dass in dieser Saison einzig und allein der Aufstieg zählt.
Dass beim VfB von den Neuzugängen gegen die Fortuna einzig Brekalo im Kader stehen würde, war zu erwarten. Als Offensivspieler ist er leichter in das Mannschaftsgefüge zu integrieren wie Innenverteidiger Onguéné, der erst noch das Spielsystem kennenlernen muss oder Ofosi, der am Samstag noch das Spiel um Platz drei beim Afrika-Cup in Gabun absolvierte und erst noch vorgestellt werden muss.
Für die Startformation war Brekalo noch kein Thema, in diese rückten im Gegensatz zum St. Pauli-Spiel Anto Grgić und Carlos Mané anstelle von Zimmer und Zimmermann. Brekalo kam eine halbe Stunde vor Schluss, als das Spiel so gut wie entschieden war und gab ein durchwachsenes Debüt ab. Seine Schnelligkeit stach zwar sofort ins Auge, sonst aber wirkte er sehr eigensinnig und bisweilen leichtsinnig, was in einem Dribbling an der eigenen Strafraumgrenze mündete. Für einen jungen Spieler, der mit wenig Spielpraxis ankam und starke Konkurrenz beim Zweitligisten vorfand, durchaus verständlich, dass er auf sich aufmerksam machen möchte. Doch, Eigen- und Leichtsinn ist sicher nicht das, was Wolf von ihm sehen möchte, so dass er Brekalo dieses noch austreiben wird.
Und doch verdeutlicht auch diese Verpflichtung, dass man dem von Wolf favorisierten Hochgeschwindigkeitsfußball immer näher kommen möchte und auch näher kommt. Es ist schon jetzt eine Augenweide, wenn Julian Green, Takuma Asano und Carlos Mané Tempo aufnehmen und die gegnerischen Abwehrreihen förmlich überrennen. So ist es auch kein Zufall, dass der VfB DER Frühstarter der Liga ist und das Spiel einmal mehr nach zwanzig Minuten (so gut wie) für sich entschied. Beide Tore fielen zwar nach Flanken aus dem Halbfeld und doch waren die Highlights des Spiels die wahnsinnig schnell vorgetragenen Konterangriffe, die den Rheinländern den letzten Mut raubten, etwas weiter aufzurücken. Vor allem Asano bestach mit seiner beeindruckenden Schnelligkeit, leider fehlte ihm die letzte Konzentration beim Abschluss, er hatte drei Hochkaräter auf dem Fuß.
Auch Anto Grgić wusste auf der Sechs zu gefallen und fiel durch seine Eleganz und Spielübersicht positiv auf. Dabei erinnerte er mich an den jungen Murat Yakin, den ich seinerzeit gerne spielen sah. Frappierend in diesem Spiel aber auch, dass nicht alle im Team diesen Tempofußball mitgehen können. Dabei tat sich besonders Kapitän Gentner hervor, der in der einen oder anderen Situation nicht richtig antizipierte und nicht gedankenschnell genug war, um auf die Ideen seiner Mitspieler einzugehen.
Bei ihm fallen diese Defizite mehr ins Gewicht als bei Defensivspielern, da er kraft seiner Position ins Offensivspiel eingebunden sein müsste. Sollten Schindelmeiser und Wolf die Erneuerung unseres VfB weiterhin in einem solchen Tempo vorantreiben, könnte auch seine Wachablösung schneller Realität werden, als man heute noch denkt.
Dank des Blitzstarts mit den Toren von Terodde (Kopfball, abermals nach Flanke von Insúa, 12. Saisontreffer) und Green (Direktabnahme nach Grgić-Flanke bei seinem Heimdebüt) grüßt der VfB nun von der Tabellenspitze. Einzig die Chancenverwertung war zu bemängeln, mit ein bisschen mehr Galligkeit vor dem gegnerischen Tor wäre ein Kantersieg locker drin gewesen. Die Düsseldorfer kamen während des gesamten Spiels gerade einmal zu einer nennenswerten Torchance und wirkten meist heillos überfordert.
Der VfB ließ einmal mehr die Gelegenheit liegen, etwas fürs Torverhältnis zu tun und sich auch diesbezüglich vom Rest der Liga abzuheben. Zwar ist man geneigt zu sagen, dass es auch nicht so schlecht ist, sich die Tore für Sandhausen aufgehoben zu haben, doch, da wartet ein gänzlich anderes Spiel auf den VfB gegen eine äußerst unangenehm zu bespielende Mannschaft.
Sandhausen nimmt derzeit Tabellenplatz sechs ein, hat respektable 30 Punkte auf dem Konto und ein Torverhältnis von +11 (der VfB, +12). Zudem ist Sandhausen seit vier Ligaspielen ohne Gegentor, das letzte musste man Anfang Dezember beim Auswärtssieg in Nürnberg (1:3) hinnehmen. Diese Zahlen und auch das Hinspiel, als man nach vermeintlich sicherer 0:2-Führung hinten hinaus noch gehörig ins Wackeln geriet und den Sieg nur mit Glück über die Zeit schaukelte, verdeutlichen, dass es fatal wäre, die Nordbadener zu unterschätzen im Sinne von „es ist ja nur Sandhausen“.
Nach den 38.200 Zuschauern, die den Heimsieg gegen Düsseldorf sehen wollten und konnten, hoffe ich auf eine ungleich größere Kulisse am Sonntag. Diese Anstoßzeit mag dem Familienmenschen auch nicht ganz gelegen kommen, ist aber noch um einiges machbarer als der Montag-Abend-Termin, wo gerade die vielen auswärtigen VfBler teils zwei Tage Urlaub benötigen würden, um ins Neckarstadion zu können. So hoffe ich auf weit über 50.000 Zuschauer, die Tabellenführung sollte zusätzlich locken, und darauf, dass unsere Frühstarter den Sandhäusern, ehe sie sich auf den äußeren Rahmen so richtig eingestellt haben, ein, zwei Kisten einschenken und die Weichen frühzeitig auf Sieg gestellt werden.
Noch ist es viel zu früh, den Rückrundenstart und die Tabellenführung überzubewerten und eine Tendenz für den weiteren Saisonverlauf abzuleiten. Ebenso ist es zu früh, Gewinner und Verlierer im Kader auszumachen, vor allem bzgl. denjenigen, die in den bisherigen zwei Rückrundenspielen noch überhaupt nicht zum Einsatz kamen, wie bspw. Berkay Özcan und Alexandru Maxim. Die Kunst von Hannes Wolf muss es sein, gerade nach der Verpflichtung der Winterneuzugänge, seinen gesamten Kader bei Laune zu halten und allen einzuimpfen, dass sie wichtig und Teil des Teams sind und das Pendel bei entsprechenden Trainingsleistungen jederzeit auch wieder zu ihren Gunsten ausschlagen kann. Mit den Spielern, mit denen man definitiv nicht mehr plant, hat man Tacheles geredet, die Chance aller anderer wird kommen, spätestens, wenn man mit Verletzungen oder Sperren zu tun hat.
Der VfB hatte lange keinen so ausgeglichenen Kader und keinen so erbarmungslosen Konkurrenzkampf mehr, wie derzeit. Dass hier immer auch wieder welche durchs Raster fallen und zwischenzeitlich außen vor sind, ist normal. Umso größer ist der Ansporn derer, die derzeit die Nase vorn haben, diese vorn zu behalten und durch Leistung zu überzeugen und im Team zu bleiben, so wie am Montag gegen Düsseldorf demonstriert. Ich habe in der jüngeren Vergangenheit selten einen derart dominanten VfB gesehen, der von Position eins bis elf besser besetzt war als der Gegner. Selbst vermeintliche Startelf-Wackelkandidaten wie Marcin Kamiński bestachen durch sauberes Passspiel, Konzentration und Achtsamkeit, so dass sich wohl auch Onguéné zunächst einmal hinten anstellen muss.
Der erste Sieg gegen Fortuna Düsseldorf seit 25 Jahren, bei allerdings auch nur drei Jahren gemeinsamer Ligazugehörigkeit während dieser Zeit, geriet nie ernsthaft in Gefahr. Dass man in der zweiten Hälfte, nach drei vergebenen Großchancen in den ersten fünf Minuten, einen Gang zurückschaltete und nicht mehr ganz den Zugriff auf die Partie hatte, wie noch in Halbzeit eins, hat den Protagonisten selbst nicht gefallen, so dass wir Fans uns mit überbordender Kritik zurückhalten sollten. Wir tun gut daran, den handelnden Personen, die derzeit sehr viel richtig machen, zu vertrauen. Man sollte bei all unserer augenscheinlicher Qualität nicht erwarten, dass wir jeden Gegner haushoch aus dem Stadion schießen und uns in erster Linie darüber freuen, wenn die drei Punkte unter Dach und Fach gebracht worden sind.
Ich halte es mit Hannes Wolf und sehe uns am Anfang eines langen Weges. Daher bin ich zufrieden damit, peu à peu Fortschritte zu sehen, vor allem dann, wenn sie sich auch noch in den Ergebnissen niederschlagen und wir Tabellenführer sind.
Schon jetzt kommen wir Wolfs Ideal, Hochgeschwindigkeitsfußball spielen zu lassen, immer näher. Die Mannschaftsteile arbeiten besser zusammen als in der Vorrunde, auch die Offensivkünstler waren sich gegen Düsseldorf nicht zu schade, in der eigenen Hälfte Bälle zu erobern.
Derzeit sehe ich sehr viel, was mich positiv stimmt. Daher bin ich sehr zuversichtlich, dass wir im Mai nicht „nur“ den Aufstieg feiern werden, sondern auch das Fundament einer Mannschaft steht, die uns auch in der Bundesliga mehr Freude machen wird, als wir sie in den letzten Jahren des Herumdümpelns hatten.
Bis dahin fließt jedoch noch viel Wasser den Neckar hinunter, nächstes Etappenziel, Heimsieg gegen Sandhausen, Sonntag, 13.30 Uhr. Alle ins Neckarstadion, die Kulisse wird (außer der spielerischen Klasse) unser großes Plus sein!
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27. August 2016
Für einen, der vor noch nicht allzu lang zurückliegender Zeit mit dem VfB europäische Metropolen wie Barcelona, Bukarest, Glasgow, Kopenhagen, Lissabon, London, Madrid, um nur einige zu nennen, bereist hat, war es gestern schon etwas merkwürdig in den Heidelberger Vorort Sandhausen zu einem Ligaspiel aufzubrechen.
Zwischen dem Neckarstadion und dem Hardtwaldstadion zu Sandhausen liegen gerade einmal 112 Kilometer, so dass es trotz der frühen Anstoßzeit um 18.30 Uhr keiner größerer Anstrengungen bedurfte, rechtzeitig da zu sein.
Im Gegenteil, in Anbetracht der Erfahrungen der Vergangenheit, als wir zu manch einem Freitagabend-Spiel erst kurz vor dem Anpfiff angekommen waren, entschied sich der RWS Berkheim, nach Sandhausen bereits um 13.30 Uhr loszufahren.
Den Nachmittag musste ohnehin jeder frei nehmen und eine um eine halbe Stunde frühere Abfahrt, kann beim allfreitäglichen Wahnsinn auf den Autobahnen schon einiges bringen. Da bereits zu dieser frühen Uhrzeit elf Kilometer Stau zwischen Stuttgart-Flughafen und Dreieck Leonberg gemeldet waren, fuhren wir von ES-Berkheim über die B10 und den Pragsattel bis zum einzigen Zustieg an der Autobahn-Auffahrt S-Feuerbach, was sich als die goldrichtige Entscheidung entpuppte. In gerade einmal 40 Minuten waren wird dort und ließen den Stau sprichwörtlich links liegen. So kamen wir auch bis zum Ziel einigermaßen gut voran, von etwas Stop-and-Go-Verkehr kurz nach Heilbronn einmal abgesehen.
Sehr frühzeitig erreichten wir den Parkplatz, von dem uns in Anbetracht der tropischen Temperaturen ein Gewaltmarsch bis zum Stadion bevorstand. Viele andere Bekannte und Fanclubs trafen auch frühzeitig ein, so dass wir auf dem Weg zum Stadion unzählige Male „aufgehalten wurden“, was wir jedoch als willkommene Pausen ansahen.
An einer Abzweigung dann trennte sich die Spreu vom Weizen oder der Weg derer, die Karten für den Gästeblock hatten und denen, die sich am Sandhäuser Kontingent bedient hatten. Soke und ich hatten Karten für den Block A2 ergattert, der laut Stadionplan eine optimale Sicht auf die VfB-Fanblöcke bot und bei dem man eigentlich davon ausgehen hätte müssen, dass der Sandhäuser Kruscht, wie sonst üblich, auf der gegenüberliegenden Seite abgestellt wäre.
Pfeifendeckel, gerade noch rechtzeitig am Tag vor dem Spiel, Trikot war bereits hin gerichtet, las ich zufällig, dass in den Blöcken A1-A4 Zutritt in gegnerischer Fankleidung nicht zulässig wäre, wir uns also im absoluten Heimbereich tummeln würden. Auch das ordne ich unter der Kategorie „Neuland 2. Liga“ ab!
Hin und wieder liest man sich ja schon in die Eigenheiten von Fanszenen ein und was einen zu erwarten hat, vor allem, wenn man sich Karten für außerhalb des Gästeblocks besorgt. Dies bedingt jedoch eine nennenswerte Fanszene, die man bei Sandhausen nicht erwarten durfte und, wenig überraschend, auch nicht vorfand.
Nachdem ich aber nun wusste, dass wir im Heimbereich unterkommen würden, machte ich mich dann doch schlau, wie die Sandhäuser Fans im Stadion untergebracht sind. Dabei staunte ich dann nicht schlecht, dass die Sandhäuser „Ultras“ auf der Hintertor-Tribüne und damit genau neben dem Gästeblock ihr Domizil haben.
Eigentlich ist es für einen Dorfverein, bei dem man Fankultur ohnehin vergeblich sucht, ja zusätzlich peinlich, wenn die eigenen Hardcore-Fans räumlich so untergebracht sind, dass man sie in zwei Drittel der Spiele akustisch überhaupt nicht hört, weil viele Gegner mehr Fans mitbringen als diejenigen, die Sandhausen anlockt.
Dass es ein Heimspiel für den VfB werden würden war bereits im Vorfeld klar, zwischen sieben und acht tausend Brustringträger säumten das weite Rund, dazu noch verirrte Hansels wie Soke und ich, die in neutraler Kluft dem Brustring die Daumen drückten und zeitweise nichts Besseres zu tun hatten, als das Sandhäuser Maskottchen Hardy anzupöbeln. Dieses wird es sich jetzt wohl zwei Mal überlegen, ob es die Reise zum Rückspiel ins Neckarstadion noch antreten möchte. Ich kenne jemanden, der ist heiß auf Dachs.
Im Stehblock auf der Haupttribüne postierten wir uns weit unten und damit in der prallen Sonne, die an diesem Nachmittag erbarmungslos vom Himmel strahlte. Da man bei dieser Hitze viel trinken soll, machte ich mich auch gleich auf den Weg, eine Bezahlkarte zu holen. Selbst ein Dorfverein wie Sandhausen hat diesen Scheiß, den wir inzwischen wieder abgeschafft haben, angefangen.
Auch das ein Nachteil unserer Blockwahl: in vielen Mischblöcken des Stadions war sowohl Bar-, als auch Kartenzahlung möglich, bei uns nur Kartenzahlung. Da sich im Heimbereich jeder auszukennen hat, ließ die Beschilderung, wie man denn zu dieser Karte komme, sehr zu wünschen übrig.
Zunächst stellte ich mich daher auch prompt falsch an, um kurze Zeit später dann doch noch die richtige Schlange zu erspähen. Als ich endlich dran war, wollte die mir zugedachte Karte nicht aufgeladen werden, so dass erst einmal der Supervisor anrücken musste und weitere kostbare Zeit verstrich.
Schließlich hielt ich sie in Händen, stolze 10 Euro Pfand und 40 Euro Guthaben, so dass es auch gewiss reicht und ich mich nicht noch einmal anstellen musste. Anders als mit den Bundesligabezahlkarten, wo man sich stets sicher war, sein Restguthaben in der nächsten Saison auch noch aufbrauchen zu können, schwor ich mir, diese nach dem Spiel gleich wieder abzugeben. Einmal Sandhausen – und nie wieder!
Mit der Karte in der Hand ging es dann auf die Suche nach der kürzesten Schlange an einem Bierstand. Es standen zwar etwa fünf zur Auswahl doch an keiner bewegte sich nennenswert etwas nach vorn, so dass ich fünf Minuten vor Spielbeginn unverrichteter Dinge zurück in den Block ging, um wenigstens das Intro und den Einlauf fotografieren zu können.
Sokes Blick tötete mich zwar fast, als ich mit leeren Händen zurück kam, aber, mit dieser Situation mussten wir beide in diesem Moment leben.
Als das Spiel etwa 15 Minuten alt war, wagte ich den nächsten Vorstoß im Rahmen des Projektes „Bier für Soke und Franky“. Die Reihen an den Ständen sollten sich bis dahin ja gelichtet haben, das Bier inzwischen „eingelaufen“, das Personal eingearbeitet sein. Aber nein, nichts von alledem, ein Dorfverein wie Sandhausen hat es offensichtlich nicht nötig, ein wenig Umsatz zu machen.
Es dauerte eine gefühlte Ewigkeit, bis ich endlich zwei kühle Bier in Händen hielt und, da ich es schon mal nach vorne geschafft habe und, „essa musch“, habe ich mir auch gleich noch eine Rindswurst mitgenommen.
Senf, Ketchup & Co. gab es (natürlich) wieder an einem anderen Schalter und als ich dort ankam, hörte ich schon den Herrn vor mir auf Badisch bruddeln, dass der Senf leer wäre.
O. k., bevor ich noch mehr vom Spiel verpasse, ich war schließlich schon reichlich genervt, dachte ich mir, „scheiß drauf, Ketchup tut‘s auch“.
Kurz mal auf den Heinz Hebeldosierspender gedrückt und, passend zum bisherigen Aufenthalt in diesem Stadion, mehr Ketchup auf der Hose gehabt als auf der Wurst. War mir aber zu diesem Zeitpunkt schon egal, denn die Roten, das sind ja ohnehin wir!
Da das Spiel nicht so sehr der Burner war wie das Wetter an diesem Tag und das kühle Nass schneller weg war, als man gucken konnte, wiederholte sich das ärgerliche Spielchen an den Ständen noch einige Male, hilft ja nix, da mussten wir durch.
Eines ist dann aber auch sicher. Lieber diese Ärgernisse beim Warten auf das Vollbier in Kauf nehmen, als alkoholfreies Bier im Gästeblock vorgesetzt zu bekommen. Da bin ich richtiggehend froh, dass ich mich mit dieser Thematik nicht auch noch herum ärgern musste. Gerade an einem solch heißen Tag, an dem das Bier im Bus von Bier zu Bier wärmer wird, freut man sich doch erstrecht auf das erste eisgekühlte Bier und dann so etwas. Alkoholfrei! Pfui Deibel!
Mich kotzt diese Gängelei durch jeden dahergelaufenen Dorfverein nur noch an. Was soll die Scheiße? In diesem Spiel zweier Kontrahenten, die sich erst ein einziges Mal in einem Pflichtspiel über den Weg gelaufen waren, die keine Rivalität verbindet, wo der Heimverein keine Ultra-Szene zu bieten gehabt hat, an der sich unsere Ultras hätten reiben können, wo tausende VfBler nur hingefahren sind, um Spaß zu haben, weshalb geißelt man eine gesamte Fanszene durch ein solch schwachsinniges Alkoholverbot? Für mich sind das pure Schikane-Maßnahmen ohne jeglichen Sinn dahinter.
In der Hinsicht hatten wir mit der Platzwahl also alles richtig gemacht. Im Block selbst ging’s auch gechillt zu, kein Stress, keine Pöbeleien, außer vielleicht einem älteren Dorftrottel hinter uns, der lautstark polterte, dass es eine Frechheit seitens des VfB sei, mit einer solchen Vorstellung auch noch das Spiel zu gewinnen. Vielleicht hatte er es darauf angelegt, dass wir uns drüber ärgern oder gar in eine Diskussion mit einsteigen wollten, aber, erstens war es heiß und zweitens sind wir der VfB, Diskussion also überflüssig.
Das Spiel verfolgte ich dann, vor allem in der ersten Hälfte, als wir noch sprichwörtlich auf der Sonnenseite waren, teils stehend und knipsend, teils sitzend und Schatten von den Leuten suchend und eben am Bierstand.
Der VfB startete in die Partei personell mit derselben Formation wie in Homburg, also erneut ohne Alexandru Maxim. Sandhausen wählte jene Taktik, mit der dem VfB, es hat sich in der Republik herum gesprochen, am ehesten beizukommen ist, nämlich dann, wenn man, auch als Heimmannschaft, tief steht und bei gegnerischen Ballverlusten versucht, schnell nach vorne zu kommen.
Frappierend erneut die fehlende individuelle Klasse einiger Akteure beim VfB, bei dem sich in der Zweikampfführung erneut vor allem Klein und Šunjić negativ hervor getan haben. Auch gegen Sandhausen wussten sie sich vor allem in der ersten halben Stunde oft nur durch unnötige Fouls zu helfen, was den Gegner dann automatisch besser in die Partie brachte.
Da der VfB zwar viel Ballbesitz hatte, einmal mehr aber die letzten Zuspiele zu schlampig gespielt wurden, entwickelte sich eine Partie ohne nennenswerte Höhepunkte geschweige denn mit Torchancen.
Erst in der 39. Minute änderte sich das, als Berkay Özcan einen Freistoß punktgenau auf den heranfliegenden Simon Terodde servierte und dieser wuchtig einköpfte. Endlich das erste Tor in einem Pflichtspiel für den VfB, für den Mann mit der eingebauten Torgarantie. Hoffentlich ist der Knoten damit geplatzt. Kurz darauf musste Jean Zimmer mit einer Platzwunde am Kopf raus, für ihn kam Borys Tashchy. Zimmer war nicht einverstanden mit seiner Auswechslung, die offensichtlich der Vereinsarzt angeordnet hatte, und protestierte lautstark dagegen. Mit dem Führungstreffer im Rücken machte der VfB nochmal Druck vor der Pause, konnte aber nicht mehr erhöhen.
Nach dem Wechsel zunächst eine Schrecksekunde, als Langerak an einer Flanke in bester Ulreich-Manier vorbei flog und Kister auf die Latte köpfte. So schnell kann es gehen, daher wäre der VfB gut beraten, ein zweites Tor nachzulegen. Eine Minute später schon hatte Gentner nach Hereingabe von Insúa die Gelegenheit auf dem Fuß, vergab aber den schwer zu verarbeitenden Ball – es sah ein wenig nach Slapstick aus, ein richtiger Goalgetter hätte vermutlich den linken Fuß genommen.
Was Gentner in jener Szene verpasste, holte er zehn Minuten später nach. Özcan spielte sich geschickt bis zur Torlinie durch und passte überlegt zurück, so dass Gentner nur noch einzuschieben brauchte. 0:2, riesen Stimmung unter den zahlreichen VfB-Fans, der erste Auswärtssieg in der 2. Liga seit 39 Jahren war zum Greifen nah.
Doch, der VfB der Gegenwart wäre eben nicht der VfB, wenn er nicht selbst noch für Spannung gesorgt hätte Šunjić trat verhängnisvoll über den Ball, so dass Wooten frei vor Langerak auftauchen und zum Anschluss knipsen konnte. Nicht nur in dieser Situation steht man der Frage mit offenen Augen gegenüber, wie ein limitierter Spieler wie Šunjić Bundesliga oder auch jetzt 2. Liga spielen kann. Nach der Rückkehr von Timo Baumgartl ist Šunjić hoffentlich kein Thema mehr, dass ein Kaminski so viel schlechter als Šunjić sein soll, kann man sich beim besten Willen nicht vorstellen.
Dieses Tor sorgte also noch einmal für Spannung. In der Schlussviertelstunde warf Sandhausen alles nach vorn und sorgte mit langen Bällen in den Strafraum durchaus noch für Gefahr, während der VfB mit Mann und Maus versuchte, den Vorsprung zu verteidigen. Dies gelang am Ende auch, so dass unterm Strich nach drei Saisonspielen zwei Siege und eine Niederlage stehen.
Rechnet man das Weiterkommen im Pokal hinzu, in dem man es in der nächsten Runde mit einem Gastspiel bei Borussia Mönchengladbach zu tun hat, kann man einen einigermaßen gelungenen Saisonauftakt verbuchen und entspannt in die Länderspielpause gehen.
Von Anfang war es mir klar, dass sich der VfB im August noch durchmogeln muss. Dass die Personalplanungen zu diesem späten Zeitpunkt noch nicht abgeschlossen sind, ist zwar bedauerlich und der langen Sportdirektorensuche geschuldet, aber, darüber zu lamentieren bringt nichts, die Situation ist eben nun so, wie sie ist.
Gestern nahm der VfB mit Takuma Asano auf Leihbasis einen japanischen Offensivspieler unter Vertrag, der von keinem geringeren als dem FC Arsenal kommt. Von ihm erhoffe ich mir, dass er die Qualität im Offensivbereich steigert und Simon Terodde im Angriffspiel entlastet.
Heute wird in der Gerüchteküche der Name Benjamin Pavard vom OSC Lille heiß gehandelt, der in der Viererkette alle vier Positionen bekleiden können soll, wie zu lesen ist. Da aus Lille seinerzeit auch Matthieu Delpierre zum VfB kam, wäre mir dieser Transfer auf den ersten Blick nicht ganz unsympathisch.
Käme er und noch ein Spieler für die rechte Außenbahn, sähe ich uns gar nicht so schlecht aufgestellt. Man darf nicht vergessen, dass wir in Timo Baumgartl, Kevin Großkreutz, Hajime Hosogai, Anto Grgic und Daniel Ginczek einige zuletzt verletzte Stammelfkandidaten haben, die die Qualität schon noch bedeutend anheben können. Viele träumen ja von Transfers wie zu Bundesligazeiten, ich habe mich von diesen Träumen verabschiedet.
Schmalhans wird Küchenmeister bleiben, der VfB wird auf dem Transfermarkt keine verrückten Dinge machen und wird sicherlich auch nicht Spieler nur deshalb verpflichten, um den Fans eine Beruhigungspille verabreicht zu haben.
Man darf gespannt sein, was bis Mitte kommender Woche noch passieren wird und wer noch präsentiert wird. Außer fußballerischer Fähigkeiten gilt es dabei ganz besonders auf die charakterlichen zu achten und nur Spieler zu holen, die das Team über sich selbst stellen. Daran hat es in den letzten Jahren gekrankt, deshalb sind wir abgestiegen und die faulen Äpfel scheinen noch immer nicht alle ausgemistet, da es um die Stimmung im Team nicht zum besten bestellt sein soll, wie man hört.
Woran das liegt, wer die Unruhestifter sind, bekommt man als Außenstehender natürlich nicht mit. Aber ein Kapitän, der mindestens genauso lang schon Kapitän ist, wie es am Teamgeist krankt, muss hier tätig werden und das Kind beim Namen nennen. Tut er das und er wird nicht gehört, sollte er sein Amt niederlegen, tut er es nicht, ist er als Kapitän fehl am Platze.
Der elementare Ansatz beim Aufbau dieser neuen Mannschaft muss der sein, ein Team zu formen, das sich versteht und das sich auf dem Platz hilft. Von der Quantität her stimmt das Verhältnis ältere zu jüngere Spieler, nur, die Älteren müssen Vorbilder sein, müssen vorneweg gehen, müssen Verantwortung übernehmen und sie müssen den jüngeren im Team helfen, sich ins Team einzufinden.
Würde das schon jetzt funktionieren, hätten wir ein brauchbares Gerüst und könnten möglicherweise auch auf den einen oder anderen Transfer verzichten, weil ein Youngster bereit steht, den man einbauen könnte. In den letzten Jahren aber, als auch Timo Werner und Timo Baumgartl oft auf sich allein gestellt waren, hat man das nicht hinbekommen.
In Grassau waren ja einige aus dem Reservoir zugegen. Die Jungs können alle Fußball spielen und sind wissbegierig, was sie brauchen, ist eine gute Führung in der Mannschaft und einen Trainer, der sich getraut, sie einzusetzen. Luhukay zeigt zumindest was die Personalie Özcan betrifft, ein gewisses Faible für junge Spieler.
An dieser Stelle spanne ich den Bogen zurück zu den möglichen weiteren Transfers. Lastminute-Transfers gegenüber bin ich deshalb kritisch eingestellt, weil ich es mir nicht vorstellen kann, dass man sich in der Kürze der Zeit intensiv genug mit dem Menschen hinter dem Spieler befasst hat. Bevor man wieder einen Vogel wie Artem Kravets an Land zieht, der Gift für das Mannschaftsklima war, sollte man es lieber bleiben lassen und dem eigenen Nachwuchs vertrauen.
Jetzt, die Saison hat kaum richtig begonnen, steht auch schon wieder die erste Länderspielpause vor der Tür. Zeit für den VfB, den Kader zu vervollständigen und an einer ersten Elf zu arbeiten, die in zwei Wochen gegen Heidenheim gegenüber der von gestern schon auf einigen Positionen verändert sein dürfte. Ich freue mich drauf.
Um meine tollen Erfahrungen mit dem Dorfverein zu komplettieren: Zunächst einmal zog sich der Weg zurück zum Bus aufgrund der schmalen Wege und der Menschenmassen ewig hin. Gipfel dieser Tort(o)ur war ein Polizei-Kastenwagen aus dem in höllischer Lautstärke Ballermann-Musik ertönte und der unweigerlich an das Lied vom grün-weißen Party-Bus erinnerte.
Dann, kleine Reminiszenz an die Bundesliga, benötigt man etwa gleich lang, um aus dem Parkhaus der Arroganz-Arena herauszukommen, wie man benötigt, sich in Sandhausen vom Acker zu machen. Eine gefühlte Ewigkeit lang kamen wir keinen Meter voran, doch das belastete uns an diesem Abend nicht mehr allzu sehr. Die Stimmung nach dem Auswärtssieg war prächtig, das Siegesbier schmeckte und, noch auf Sandhauser Gemarkung, ertönte aus unseren Kehlen das Europapokal-Lied im Bus. Humor ist eben, wenn man trotzdem lacht.
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25. August 2016
Die erste Pokalrunde 2016/2017 hatte uns mit dem FC Homburg einen wahren Leckerbissen serviert. Im Homburger Waldstadion, in dem scheinbar die Zeit in den 80er-Jahren stehen geblieben war, durften wir den perfekten Fußball-Tag erleben.
Anders als bei den Aufeinandertreffen in der Vorsaison, als uns in Kiel und auch in Jena (wo ich leider nicht sein konnte) böser Hass des Underdogs entgegen schlug, hatte man in Homburg jederzeit den Eindruck herzlich willkommen zu sein.
Das fing schon damit an, dass die Wege zum Stadion von Heim- und Gästefans nicht hermetisch voneinander getrennt waren und setzte sich bei den Einlasskontrollen fort, die zügig und respektvoll vonstattengingen.
Bereits im Vorfeld hatte ich mit der Fanbetreuung des FC Homburg netten Mailkontakt, als ich wissen wollte, da in der Stadionordnung nichts darüber zu lesen war, welche Kameras denn erlaubt seien und mich in diesem Zuge auch gleich informierte, meine Erfahrungen aus Kiel ließen grüßen, ob es denn in meinem Block im „neutralen“ Bereich auf der Haupttribüne Probleme geben könnte, wenn man dort in gegnerischer Fankleidung einlaufe.
Dem sei nicht so, Kameras kein Problem und auch in dem als Familienblock deklarierten Block nicht. Der Fanbetreuer wies darauf hin, dass man in den letzten Jahren bereits mit Schalkern und Gladbachern im Pokal Fußballfeste gefeiert habe und es nie zu nennenswerten Problemen gekommen wäre.
Genau so entpuppte sich die Situation dann auch. Gemischtes Publikum und überraschend viele Familien, in denen das Oberhaupt den Saarländern die Daumen drückte und die im Schlepptau anwesenden Kids ein VfB-Trikot übergestreift hatten. Es war dabei so, wie ich es mir eigentlich im Pokal vorstelle. Dass man als Fan des Underdogs zwar auf eine Sensation hofft, sich jedoch in erster Linie daran erfreut, einmal den großen Fußball bei sich zu haben und ein Fußballfest erleben zu dürfen und das Ganze nicht ganz so verbissen wie im Ligaalltag sieht. Schließlich begegnen wir uns auch nicht auf Augenhöhe, sondern es liegen zwei Ligen dazwischen. Unsere Amateure werden in der Liga ihre Visitenkarte im Waldstadion abgeben, das Derby gegen den 1. FC Saarbrücken die Gemüter erhitzen.
Mit Fotografenkollege Soke (www.soke2.de) hatte ich beim FCH direkt das Ticket bestellt, um einen guten Blick auf unsere Kurve und auch den Fanblock der Homburger, der auf der Gegengerade seine Heimat hat, zu haben. Diese Wahl war nahezu perfekt, sollte doch vor allem im Gästeblock an diesem Nachmittag einiges geboten sein.
Das Ambiente war einfach nur zum Wohlfühlen! Direkt vor dem Stadion genügend Bierstände und Gastronomie, um sich auf den Kick einzustimmen, im Stadion dann eben alles Oldschool. Eine alte Tribüne, noch eine Laufbahn, überwiegend Stehplätze, günstiges Bier, die Stadionwurst noch vom Holzkohlegrill (!), nostalgisch anmutende Flutlichtmasten und alles eben ursprünglicher als das, was man in den oberen Ligen vorgesetzt bekommt.
Als Allesfahrer habe ich die Schnauze voll von den neuwertigen geleckten Multifunktionsarenen, auf der grünen Wiese gebaut, bei denen verquere Sicherheitskonzepte über allem stehen und die sich nur noch in der Farbe unterscheiden. Homburg, das war wie Fußball in den 80ern, wie er früher einmal war, wie ich ihn lieben gelernt habe.
Zu Bundesligazeiten war ich schon einmal dort. Ja, für die Jüngeren unter uns, der FC Homburg spielte als damals eigentlich ewiger Zweitligist auch drei Jahre in der Eliteklasse. Besonders erinnert man sich dabei an ihren Trikotsponsor „London“, einen Kondom-Hersteller, den der prüde DFB zunächst nicht zugelassen hatte und nach einem Gerichtsurteil schließlich doch klein beigeben musste. Wie es mit Werbung so ist, spricht man darüber, ist sie erfolgreich, so auch in diesem Fall, „London“ war sprichwörtlich in aller Munde.
Mit dem FC Homburg traf der VfB durchaus auf einen Angstgegner. In zuvor fünf Pflichtspielen im Waldstadion verlor der VfB vier Mal und schaffte einmal ein Remis. Doch diese Statistik durfte an diesem Spätnachmittag keine Rolle spielen, waren doch die meisten der Brustringträger zu jener Zeit noch nicht einmal auf der Welt.
Der VfB, bei dem Maxim abermals auf der Bank Platz nehmen musste, ließ von Beginn an keinen Zweifel aufkommen, wer hier der Zweitligist und wer der Regionalligist ist. Dominante Spielführung, hinten wenig anbrennen gelassen und zwei Aluminiumtreffer vor der Halbzeit bedeuteten zwar noch ein mageres 0:0 zur Pause, doch, ernsthaft Sorgen machte man sich im Stadion nicht, dass dieser Auftritt in die Hose gehen könnte. Und trotzdem war es einmal mehr augenscheinlich, dass dem VfB die Durchschlagskraft fehlt und die derzeitige „Offensivstärke“ nicht einmal einen Regionalligisten ernsthaft zu gefährden in der Lage ist.
Als Gentner und Özcan kurz nach der Pause per Doppelschlag auf 0:2 stellten, war der Käs gegessen, das 0:3 durch Tashchy kurz vor Schluss gehört auch noch zur Chronistenpflicht, mehr aber auch nicht. Eine Spielanalyse erspare ich mir, weil dieser Pflichtsieg keinerlei Aufschlüsse für die nächsten Aufgaben gibt. Er ändert nichts daran, dass personell noch einiges passieren muss, um ernsthafter Aufstiegskandidat zu sein. Und, dieser Sieg lässt auch die nächste Aufgabe in Sandhausen nicht leichter erscheinen, weil es morgen ein viel unbequemeres Spiel werden wird. Einzig durch die Dorfclub-Atmosphäre wird Sandhausen mit Homburg vergleichbar sein, vielleicht auch noch, dass es wieder in ein Wald-, wenn auch ins Hardtwald-Stadion geht.
Wer vor Wochen darüber gejammert hatte, dass der VfB zunächst Montags gegen St. Pauli und Freitags dann schon in Düsseldorf antreten musste, darf sich dieses Mal freuen und die drei Punkte schon mal für sich verbuchen. War es damals für viele ein Wettbewerbsnachteil und ein Alibi für die Brustringträger, womit sich die Niederlage in Düsseldorf schon im Voraus erklären ließ, haben wir nun diesen Vorteil auf unserer Seite. Während der VfB seit Samstagabend bereits in die Vorbereitung fürs Sandhausen-Spiel einsteigen konnte, musste Sandhausen am Montag-Abend noch seine Pokalhürde beim SC Paderborn meistern.
Sandhausen dürfte für den VfB eine schwierige Aufgabe und eine Prüfung werden, in wie weit er bereits in der 2. Liga angekommen ist. Spielerisch ist ohnehin noch viel Luft nach oben, aber auch mental muss man die Liga erst einmal annehmen. Ging es vor Monaten noch in Fußballtempel wie das Westfalenstadion und war einem die Aufmerksamkeit von ganz Fußball-Deutschland gewiss, „reist“ man nun ins beschauliche Sandhausen, das der Busfahrer wohl erst einmal auf der Landkarte suchen muss.
Auch wenn davon auszugehen ist, dass zwei Drittel des Stadions in weiß-rot gehüllt sein werden, muss es die Truppe verinnerlichen, dass dort Fußball gearbeitet wird und mit Schönspielerei kein Blumentopf zu gewinnen sein dürfte. Der VfB muss über den Kampf zum Spiel finden und nicht umgekehrt, sonst hat man schon verloren. Man muss endlich ohnehin vom eigenen Selbstverständnis abkommen, eine spielerisch starke Mannschaft zu sein, wenn man sieht, welche fußballerischen Mängel in dieser Truppe stecken. Dies würde nämlich bedingen, dass man dazu in der Lage ist den Ball in den eigenen Reihen zu halten, den Gegner mit Ballbesitzfußball zu zermürben und geduldig auf die sich bietenden Lücken zu warten. Beim VfB aber ist meist schon nach dem zweiten Pass Schluss mit Ballbesitz, weil ein Ball zu ungenau gespielt wurde, dem Pass das Timing fehlt oder einer der Brustringträger den Ball nicht stoppen konnte.
Da der VfB die Pokalhürde Homburg weitestgehend unspektakulär aber auch ungefährdet nahm, rückten am Rande des Spiels zwei Themen in den Vordergrund. Die abermalige Nichtnominierung Alexandru Maxims in die Startelf und die reichhaltigen Pyro-Einlagen der VfB-Anhänger.
Zur Causa Maxim fällt mir spontan der Bestseller von Heinrich Böll „Die verlorene Ehre der Katharina Blum“ ein. In dem 1974 erschienenen Werk erzählt Böll von einer unbescholtenen Frau, die aufgrund von Sensationsjournalismus und falscher Berichterstattung in die Isolation getrieben wird und schließlich den verantwortlichen Journalisten erschoss. Böll wollte mit dieser Geschichte auf die Macht der Massenmedien verweisen und bewies durchaus Weitblick, weil diese, wie man heute weiß, vor nichts zurückschrecken und fleißig Lügen und Halbwahrheiten verbreiten und Meinung bilden.
Die Sozialen Medien tun ihr Übriges. Auch wenn der Vergleich weit hergeholt ist, finde ich die momentane Entwicklung sehr bedenklich. Was in den sozialen Medien Stimmung gemacht und gehetzt wird, jeder und jeglicher Bildungsschicht angehörig, sich dazu genötigt fühlt, Protagonisten unseres LieblingsSPIELS infundiert zu kritisieren und vor zu beleidigen, sind das zwar die Geister, die durch das Hypen der Sportart gerufen wurden, die aber doch für mich inzwischen bedenkliche Ausmaße angenommen haben, so dass ich mir schon fast und allen Ernstes, die Zeiten ohne Internet zurückwünsche.
Was der VfB jetzt am meisten braucht, sind Vertrauen und Ruhe. Vertrauen, dass die Verantwortlichen wissen, was zu tun ist, Ruhe und Geduld des Umfeldes, dass sie den Verein langsam wieder aus der Talsohle herausführen.
Natürlich ist es nicht einfach, diesem Verein nach all den Jahren Vertrauen entgegen zu bringen. Vor allem der Aufsichtsrat ist nach wie vor die Wurzel allen Übels.
Der Aufsichtsrat hat Dutt nicht gebremst, als es noch möglich und auch realistisch gewesen wäre, den Abstieg zu verhindern. Er hat die Dinge untätig ins Verderben laufen lassen, sich aus der Verantwortung gestohlen und alles auf die Karte Dutt gesetzt, um ihn dann in einer Nacht- und Nebel-Aktion zu entlassen, ohne einen Plan B in der Tasche zu haben.
Das ist der Hauptgrund für die Situation, wie wir sie jetzt vorfinden, nämlich die, dass wir auch nach dem zweiten Spieltag noch keine (endgültige) Mannschaft haben.
Zudem präsentierte der Aufsichtsrat letzte Woche den (einzigen) Präsidentschaftskandidaten Wolfgang Dietrich, der den VfB-Mitgliedern zur Wahl vorgesetzt wird nach dem Motto „friss oder stirb“. Dietrich mag die notwendigen Anforderungen mitbringen, doch, ob durch seine Vergangenheit bei der Quattrex AG Interessenskonflikte wegen Engagements bei anderen Vereinen bestehen und vor allem, ob er als ehemaliger S21-Sprecher nicht mehr polarisiert als eint, wird sich zeigen. Sehr unglücklich für mich, diese Entscheidung des Aufsichtsrats, auch hier wieder nicht dem Wunsch der Mitglieder nach mehr als nur einem Kandidaten entsprochen zu haben. Positiv zu bewerten ist für mich lediglich, dass er das Amt ehrenamtlich ausführen würde.
Vom neuen Präsidenten erwarte ich mir einen, der nach innen den Finger in die Wunde legt und nach außen hin den Verein gut repräsentiert. Ob man dies von einem Präsidenten von Aufsichtsrats Gnaden erwarten kann, bezweifle ich. So ist nach seiner Wahl zu befürchten, dass sich wieder einmal nichts ändern wird und das Verhältnis zwischen Vereinsführung und Mitgliedern eher noch verschlechtern wird.
Dass man der Vereinsführung kein Vertrauen mehr entgegenbringen kann, ist also logisch. Dass man aber jetzt schon die Arbeit von Jan Schindelmeiser und Jos Luhukay in Frage stellt, finde ich einfach nur beschämend. Es geht schon wieder so los wie vor einem Jahr, als Alexander Zorniger sehr schnell lautstark kritisiert wurde und von den Medien nach und nach raus geschrieben wurde. Der Schuldige war gefunden, die Spieler fein raus.
Und jetzt heißt es bereits „der Nächste bitte“. Schindelmeiser wird vorgeworfen, dass er nichts mache und womöglich nach wie vor an seinen Porsche herum schraube, als endlich weitere Neuzugänge, und dann auch noch welche, die uns sofort weiterbringen, zu präsentieren.
Ich sage bereits seit geraumer Zeit, dass ich vor dem 01.09. dazu überhaupt nichts mehr sagen möchte. Keiner derer, die jetzt meinen laut drauf hauen und die Geduld verlieren zu müssen, weiß, wie schwer es Schindelmeiser hat, überhaupt fähige Leute für das „Projekt VfB in der 2. Liga“ zu begeistern und sie dann noch zu vernünftigen Konditionen von ihren Vereinen loseisen zu können. Keiner weiß, wie die Drähte glühen, an welchen Details und Unwägbarkeiten mancher Transfer möglicherweise noch hängt.
Solang der Transfermarkt noch geöffnet ist, habe ich Vertrauen in Schindelmeiser, dass er seinen Worten Taten folgen lässt, nämlich denen, dass der Kader in der derzeitigen Zusammenstellung keinen Anlass zu Aufstiegshoffnungen bietet und man nachbessern wolle.
Bis zum Transferschluss hat Schindelmeiser noch ein paar Tage Zeit, Nägel mit Köpfen zu machen, danach kann man resümieren, ob sich die Geduld ausgezahlt hat. Sollte keiner mehr kommen oder es nur ein vertragsloser Fußballer werden, wie der immer wieder gehandelte Kevin Kuranyi, den man dann auch schon früher hätte holen können, dann würde ich auch nervös werden, vorher aber noch nicht.
Auch Jos Luhukay steht bereits in der Kritik, weil er es sich in Homburg zum wiederholten Mal erlaubt hat, den Fanliebling Alexandru Maxim auf die Bank zu setzen und statt seiner das Greenhorn Berkay Özcan aufgestellt hatte.
Zunächst einmal täte uns ein wenig mehr Vertrauen in die Arbeit eines Trainers gut zu Gesicht stehen. Luhukay ist für mich nach wie vor der geeignetste Mann für das Projekt Wiederaufstieg, wenn nicht er, wer dann, weiß, wie Aufstieg geht? „Ein Trainer ist nicht ein Idiot“ pflegte Giovanni Trapattoni zu sagen, also, vertrauen wir doch den Trainingseindrücken des Fachmanns, der tagtäglich mit Maxim zu tun hat. In den bisherigen drei Pflichtspielen hat der VfB genau jene zwei gewonnen, in denen Maxim von der Bank kam und das eine verloren, in dem er von Beginn an spielte.
Über allen Einzelschicksalen muss das Team stehen und der Trainer sollte so aufstellen, wie er denkt, dass es für das Team und schließlich den Teamerfolg am besten ist. So war es zumindest früher. Heutzutage, wo schon bei jedem Training fünf Kamerateams und etliche Schreiberlinge zugegen sind, wird jede Geste kommentiert, in jedes Einzelgespräch etwas hinein interpretiert. Der Böse ist in den sozialen Medien schon gefunden. Nicht wenige verbinden das Schicksal Luhukays mit seinem Umgang mit Maxim. Jetzt, wo Didavi weg ist und Maxim sich die „10“ geangelt hat, leiten viele eine automatische Startelfberechtigung für Maxim ab, die es natürlich nicht geben kann.
Luhukay betont stets, Maxim wisse, was er von ihm erwarte und wie es um seine Position bestellt sei, dann sollen die Herren Briem/ Maxim die Situation auch akzeptieren und sich nicht über die Medien ausweinen. Jenem Herbert Briem, der beim VfB nach wie vor ein und aus geht, seinen Schützling aber über das Gesamtkonstrukt hebt, würde ich, schon allein um die Autorität des Trainers zu stärken, Hausverbot erteilen, damit endlich mal Ruhe ist.
Diese meine Sichtweise ist ausschließlich auf mein Vertrauen in die Arbeit des Trainers bezogen. Ich mag Maxim nämlich schon auch, seine gelegentlichen Geniestreiche zum Beispiel, aber, auch ich sehe, dass er es in dreieinhalb Jahren VfB nie geschafft hat, Konstanz in seine Leistungen zu bringen und er stets dann am stärksten war, wenn er von der Bank kam.
Dabei ist Maxim fast ein Sinnbild der letzten VfB-Jahre! Auch Maxim war stets und zu schnell mit sich und seinen Leistungen zufrieden. Nach einer Top-Leistung ließ er sich lieber wochenlang feiern, anstatt eine eigene Gier zu entwickeln, diese Woche für Woche auf den Rasen zu zaubern und sich stetig zu verbessern.
Özcan kommt mir dabei in der Diskussion um Maxim zu kurz. Es ist doch ein Versprechen an die Zukunft, wenn der VfB momentan dabei ist, mit Sama und Özcan gleich zwei Eigengewächse in die Profimannschaft zu integrieren. Nach dem Abschneiden der U-Teams und dem Abstieg der Amateure ist es zwar klar, dass jung nicht automatisch mit gut gleichzusetzen ist, aber, ich sehe es erst einmal positiv, dass Luhukay Potential in den Jungs sieht und sie auch fördert. Alle Welt schreit nach mehr jungen Spielern und, spielt dann einer, wird noch lauter gejammert, weil er einem Arrivierten den Platz weg nimmt.
Daher ist es für Schindelmeiser eine zusätzliche Bürde, bei den Transfers das richtige Näschen zu haben und nur Spieler zu holen, die uns entscheidend weiter bringen für Positionen, für die der Kader keine Alternativen bietet.
Viele rufen ja noch immer nach dem gestandenen Innenverteidiger, der uns seit Jahren abgeht. Gerade den würde ich, Stand jetzt, nicht mehr holen, um Leuten wie Stephen Sama und Timo Baumgartl nicht schon wieder jemanden vor die Nase zu setzen.
Da Tobias Werner bis jetzt ganz gut eingeschlagen hat, ist für mich die größte derzeit noch offene Baustelle die Außenbahn rechts. Im zentralen Mittelfeld, in dem eine Planstelle ja seit Jahren von Gentner blockiert ist, ist zumindest so lange Hosogai ausfällt, eine Stelle vakant. Da hoffe ich für Sandhausen auf das Debüt von Anto Grgic und bin gespannt, wie er sich macht.
Insgesamt ist es also für die sportlich Verantwortlichen ein Vabanquespiel, ihrer Überzeugung zu folgen, nicht in Aktionismus zu verfallen und das Team peu à peu zu verbessern, Rückschläge, wie zuletzt in Düsseldorf, einkalkuliert. Wenn das Umfeld den getroffenen Entscheidungen kein Vertrauen entgegen bringt, jegliche Maßnahme hinterfragt und kritisiert wird, ist es leider zu befürchten, dass die nächste Trainerdiskussion bereits schon wieder vor der Tür steht, es sei denn, was ich nicht glaube, der VfB würde von nun an alles in Grund und Boden spielen.
Die Erfahrungen mit Zorniger aus dem Vorjahr lassen dabei grüßen. Auch bei ihm fing das Bashing in den sozialen Medien an, auch unter ihm heulten sich unzufriedene Protagonisten bei den Medien aus, auch für sie waren die Stuttgarter Blätter dankbare Empfänger ihrer „Leidensgeschichte“, wodurch permanente Unruhe herrschte und Zorniger irgendwann der Meute zum Fraß vorgeworfen wurde.
Ich hoffe es inständig, Luhukay bekommt mehr Zeit als Zorniger, die Missstände in Team und Verein anzupacken und nicht, dass man ihn auch alsbald wieder vom Hof jagt.
Das zweite große Thema nach dem Pokalspiel war die Zündelei im VfB-Block. Ich muss es zugeben, dass ich schon ein Faible pro Pyro habe und, als Stadionfotograf ganz besonders, die Einlagen genossen und gefeiert habe.
Würden Pyroshows immer so ablaufen wie am Samstag, kaum jemand hätte einen Anlass, sich darüber aufzuregen. Dass die Brennstäbe heiß sind, dass es zu bösen Verbrennungen kommen kann, ist zwar nicht von der Hand zu weisen. Aber, die Fackeln werden in der Regel direkt im Ultras-Block gezündet. Wer sich dort hin stellt, begibt sich wissentlich in eine gewisse Gefahr, wer Pyro ächtet, soll sich in Gottes Namen woanders hinstellen, ein Block ist schließlich groß genug. In Homburg „arbeiteten“ Feuerwehr und Ultras Hand in Hand. Abgebrannte Fackeln wurden den Feuerwehrleuten in die Hand gegeben, es wurde nichts geworfen, kein Böller gezündet. In diesem Rahmen für mich absolut in Ordnung.
Auch wenn der Schiedsrichter offensichtlich mit Spielabbruch gedroht hat, hat für einen solchen meiner Meinung nach kein Grund vorgelegen. Der Wind stand günstig, die Rauchschwaden verzogen sich nicht aufs Feld und beeinträchtigten somit auch nicht die Sicht auf dem Spielfeld. Für mich war es einfach nur schön anzusehen!
Es spielt aber natürlich auch keine Rolle, wie ich dazu stehe. Da es leider auch genügend Idioten in den Fanblöcken gibt, die Pyro als Waffen benutzen und gegnerische Fans damit beschießen, wird es in Deutschland wohl nie zu einer Legalisierung kommen, womit ich allerdings auch gut leben kann.
Nichtsdestotrotz werden wir Pyro-affinen Geister auch in Zukunft die eine oder andere Pyroshow geboten bekommen. Verbote reizen ohnehin mehr, so dass es den Ultras weiterhin ein Vergnügen sein wird, hie und da die Obrigkeit zu überlisten und Material ins Stadion hineinzuschmuggeln.
Es ist nun mal Fakt, dass uns der moderne Fußball immer mehr von seiner Ursprünglichkeit nimmt, seien es die Anstoßzeiten, seien es die explodierenden Gehälter, seien es Repressalien gegen Stadiongänger bis hin zu Kollektivstrafen für ganze Fanszenen. So ist es für mich nicht verwunderlich, dass die Ultras das was sie unter Fankultur verstehen, am Leben erhalten und auch mal in farbenfroher Art und Weise auf sich aufmerksam machen möchten.
Heuchlerisch finde ich in diesem Zusammenhang das Rumgeheule einiger Fans über die zu erwartende Geldstrafe für die Pyro-Aktionen, die sich im Bereich von 15.000 Euro bewegen dürfte. Natürlich, für einen Normalsterblichen ist das sehr viel Geld, aber, ein Profiverein bezahlt das aus der Portokasse, wenn er nicht ohnehin schon Rücklagen für den Fall der Fälle gebildet hat.
Solang ein solcher Betrag einem durchschnittlichen Fußballer wie Christian Gentner, bricht man sein Jahresgehalt herunter, alle drei Tage in den Allerwertesten geblasen werden und solang der VfB-Tross auch als Zweitligist noch Woche für Woche in 5*-Luxushotels absteigt, mache ich mir über diese außerordentlichen Ausgaben keine Gedanken und erstrecht keine Sorgen darüber, dass dies auch nur irgendeinen Transfer beeinträchtigen könnte.
Jetzt gilt es aber nach vorne zu schauen, auf das Heimspiel in Sandhausen und dann auf die letzten Tage und Stunden des Sommertransfermarktes.
Nach wie vor hoffe ich, dass sich in beide Richtungen noch etwas bewegt und ein Spieler wie Florian Klein endlich den Club findet, der seinen Ansprüchen genügt. Nach seine Aussagen zu den Fans und zum Verein und seinem halbherzigen Treuebekenntnis, nachdem er wider Erwarten doch zum VfB zurückkehren „musste“, kann ich es kaum noch ertragen, diesen Spieler unser Trikot beschmutzen zu sehen.
Ich hoffe, man findet hier noch eine Lösung oder setzt ihn notfalls auf die Tribüne. Mit Großkreutz, Zimmer und Zimmermann haben wir auf der rechten Abwehrseite genügend Alternativen, für die offensive Außenbahn kommt hoffentlich noch jemand, so dass man dort nicht mehr mit Außenverteidigern improvisieren muss.
Nächste Woche dann ziehe auch ich meine Transferbilanz, vorher bleibe ich jedoch tiefenentspannt und hoffe auf ein geiles Spiel morgen in der Provinz.
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