30. Juni 2012

Deutschland bei der Euro 2012

oder

Jogi Löw: Vom Liebling der Nation zur persona non grata?

Was wurde nicht alles schwarz gemalt vor dieser Euro 2012 in Polen und der Ukraine. Nicht nur, was die Zustände in beiden Ländern angeht, auch der Zustand unserer Nationalmannschaft wurde sehr in Frage gestellt. Wir selbst „mussten“ in Basel mit ansehen, wie sich eine deutsche Nationalmannschaft, noch ohne die sich vom Champions League-Frust erholenden Bayern-Spieler, von einer Wintersportnation wie der Schweiz nach allen Regeln der Kunst vorführen ließ. Auch der abschließende Test gegen Israel machte nicht gerade Mut, was die bevorstehende Euro anging. Ich persönlich wollte aber nicht in den Chor der Schwarzmaler einstimmen, da ich Vorbereitungsspiele einschätzen kann und in die Fähigkeit des Trainerstabs der Nationalmannschaft Vertrauen habe, die Jungs auf den Punkt topfit zu machen. In den letzten Turnieren gelang dies schließlich immer.

Selten zuvor formulierte der gesamte Tross das Ziel Europameistertitel so offensiv wie in diesem Jahr. Nach zuletzt zwei dritten Plätzen bei Weltmeisterschaften und der Vize-Europameisterschaft 2008 wäre der Titel ja auch nur die logische Folge der Weiterentwicklung des Teams, das gespickt ist von technisch und taktisch hervorragend ausgebildeten jungen Spielern. Jedem im 23er-Kader wäre zuzutrauen bei der Euro seinen Mann zu stehen und Deutschland würdig zu vertreten. So nahm ich es Joachim Löw auch nicht übel, auf unseren Cacau zu verzichten, der einfach eine schlechte Saison hinlegte und für die bevorstehenden Anforderungen auch nicht spritzig genug wirkte. Unterstrichen hat er diese Einschätzung nach seiner Einwechslung im Test in Basel, als er doch wie ein Fremdkörper und übermotiviert wirkte und sich bei seiner wohl letzten Chance nicht wirklich empfehlen konnte. Ich hoffe, er findet beim VfB zu alter Leistungsstärke zurück, so dass er, wie Löw nach seiner Ausbootung in Aussicht stellte, weitere Chancen in der Nationalelf erhält.

Am 9.6. war es endlich soweit. Die Vorgeplänkel hatten ein Ende, von nun an konnten Fakten auf dem Platz geschaffen werden. Deutschland bekam in der sog. Todesgruppe mit Portugal gleich einen dicken Brocken vorgesetzt. Portugal mit ihrem Superstar Cristiano Ronaldo gehörte in den letzten großen Turnieren stets zu den Mitfavoriten und fühlte sich dieses Mal reif für den großen Wurf. Ronaldo erlebte die bislang beste Saison seiner Karriere, 46 Ligatore in Spanien sprechen Bände. Dazu verfügen die Portugiesen noch über eine Reihe von guten Einzelkönnern, die bei den besten Vereinen des Kontinents unter Vertrag stehen, so dass das Rezept auch nicht ausschließlich heißen konnte, Ronaldo aus dem Spiel zu nehmen. Deutschlands Aufstellung bot keine größeren Überraschungen. Dass Boateng auf den vakanten Rechtsverteidiger-Posten rücken würde, zeichnete sich schon im Vorfeld ab. Auf den offensiven Außenbahnen vertraute Löw zunächst den altbewährten Kräften Podolski und Thomas Müller, lediglich die Nominierung von Hummels anstatt dem lange verletzten Mertesacker neben Badstuber kam etwas überraschend. Das Spiel wurde die erwartet zähe Angelegenheit mit zunächst kaum Torchancen, hüben wie drüben. Im ersten Spiel dieser schweren Gruppe war für beide verlieren eigentlich verboten. So neutralisierten sich die Teams weitestgehend, ohne groß ins Risiko zu gehen. Dann aber, als Miroslav Klose schon mit den Hufen scharrte und auf seine Auswechslung wartete, diese sich aber recht lange hinzog, weil sich der vierte Offizielle mit dem herrichten der Auswechseltafel enorm viel Zeit ließ, schlug doch noch der zur Auswechslung vorgesehene Gomez zu. Nach einer leicht abgefälschten Flanke von Sami Khedira schraubte sich Gomez hoch und köpfte den Ball in die rechte Torecke. Bis zu diesem Zeitpunkt war von Gomez wenig zu sehen, was den selbsternannten Experten Mehmet Scholl zu der Aussage hinriss, er hätte Angst gehabt, dass Gomez sich wund liegen würde. In meinen Augen völlig überzogen, man kann von Gomez halten was man möchte, letzten Endes aber ist er dazu da, Tore zu schießen, diese Aufgabe hatte er zu 100 Prozent erfüllt und war somit der Matchwinner an diesem Abend. Weitere Sieggaranten waren Manuel Neuer, der in der Schlussphase noch die eine oder andere gute Einschussmöglichkeit der Portugiesen zunichtemachte, Boateng, der Ronaldo so gut es ging aus dem Spiel nahm und Mats Hummels, der ein glänzendes EM-Debut gab. Das erste Spiel dieser Gruppe gewannen überraschend die Dänen gegen die hoch gewetteten Niederlande, so dass es für diese im Aufeinandertreffen mit der deutschen Nationalmannschaft schon um alles oder nichts geht.

Die Schlagzeilen zwischen den ersten beiden Gruppenspielen wurden von Scholls Gomez-Kritik und dessen Verteidigungsplädoyers bestimmt, der seinerseits auf seine tolle Torquote in der Saison verwies und sich daraufhin nicht mehr groß ändern müsse.

Löw vertraute gegen die Niederlande der siegreichen Elf des Portugalspiels, van Marwijk brachte im Vergleich zum Spiel gegen Dänemark mit dem wiedergenesenen Mathijsen lediglich einen neuen Spieler, so dass Huntelaar und van der Vaart weiterhin auf der Bank schmoren mussten. Die Niederlande waren nach der Auftaktniederlage zum Siegen verdammt und brannten zudem auf Revanche für die 0:3-Schmach von Hamburg im November des letzten Jahres. Die erste Chance hatte dann auch van Persie, doch er scheiterte am eins gegen eins gegen den bravourös sich dagegen stemmenden Neuer. Im Gegenzug dann hatte Özil das 1:0 auf dem Fuß, traf aber nur den Pfosten. Danach verflachte die Partie etwas, beide Teams waren um Sicherheit in ihren Aktionen bemüht. Bis zur 24. Minute, als Schweinsteiger einen Pass in die Schnittstelle der holländischen Abwehr spielte, Gomez den Ball sensationell mitnahm und im Kasten versenkte. An seinem verhaltenen Jubel merkte man Gomez an, wie sehr die Debatte um seine EM-Tauglichkeit an ihm genagt haben musste. Knapp eine Viertelstunde später sorgte er dann, wieder nach Zuspiel von Schweinsteiger, eiskalt für die Vorentscheidung. Danach, im Gefühl des sicheren Sieges, ließ die DFB-Elf etwas die Zügel schleifen, so dass die Niederlande stärker auf- und knapp 20 Minuten vor Spielende sogar noch zum Anschlusstreffer kamen. Die Niederlande riskierten in der zweiten Hälfte mit der Hereinnahme von Huntelaar, van der Vaart und später auch noch Kuyt alles, mehr als der Ehrentreffer sprang jedoch zum Glück nicht mehr heraus. Das einzige was man der deutschen Mannschaft an diesem Tag vorwerfen konnte, war, dass die Konter nicht sauber zu Ende gespielt wurden und man sich auf die knappe Führung verließ. So ließ sich diese Euro mit zwei Siegen gegen Top-Nationen für Deutschland hervorragend an. Dennoch stand man noch nicht sicher im Viertelfinale, da Portugal die Dänen noch im letzten Moment schlug. Im letzten Gruppenspiel gegen Dänemark wurde also noch ein Punkt benötigt, um sicher weiter zu kommen, was auch der Tatsache geschuldet war, dass bei dieser Euro bei Punktgleichheit der direkte Vergleich mehr wert ist als das Torverhältnis, so dass uns die Dänen bei einem Sieg auf jeden Fall in der Tabelle überholen würden. Die Holländer ihrerseits hatten so ebenfalls noch eine Minimalchance weiter zu kommen, sollten sie die Portugiesen schlagen und Deutschland Dänemark mit zwei Toren Unterschied in die Knie zwingen. Tja, früher konnte man die Situation in der Gruppe einfach an den Ergebnissen und der Tabelle ablesen, heute braucht’s dazu im Zweifel noch den UEFA-Koeffizienten und ein Blick auf die Fairplay-Wertung…

Solch eventuelle Rechenspielchen konnte sich die deutsche Mannschaft aber zum Glück ersparen, da sie die Dänen letztendlich glücklich 2:1 schlug. Erstmals bei diesem Turnier musste Löw personell improvisieren, da sich Boateng gegen die Niederlande eine Gelbsperre einhandelte. Was sich in den Tagen davor bereits abzeichnete bewahrheitete sich schließlich: Lars Bender, eigentlich eher ein „6-er“, nahm diesen Part ein. An dieser Stelle kann ich mir einen schönen Gruß an Christian Träsch nicht verkneifen, der sicher gute Aussichten gehabt hätte, die rechte Außenverteidiger-Position zu bekleiden, wenn er nicht dem Lockruf des Geldes gefolgt wäre und diese Position beim VfB angenommen hätte. Beim VfB ist alles gut, wir haben schließlich jetzt Gotoku Sakai und in der Nationalmannschaft spielt den Posten Innenverteidiger Boateng oder wird, wie gegen die Dänen, von Mittelfeldspieler Bender ersetzt.

Um festzustellen, dass uns die Dänen nicht unbedingt liegen, genügt ein Blick in die Statistik. Seit Mitte der 90er-Jahre haben wir kein Spiel mehr gegen sie gewonnen, zudem verlor Deutschland das EM-Finale 1992 gegen Dänemark völlig überraschend. Gegen das dänische Abwehrbollwerk haben sich schon die vermeintlichen niederländischen Himmelsstürmer, trotz deutlichem Chancenplus, die Zähne ausgebissen. So wurde es auch die erwartet die schwere Aufgabe. Zwar brachte uns Podolski in seinem 100. Länderspiel bereits in der 19. Minute mit 1:0 in Führung, doch schon fünf Minuten später klingelte es im Kasten von Manuel Neuer. Eine Eckballvariante, die vorauszusehen war, da wenige Minuten zuvor schon einmal angewandt, auf den an der Strafraumgrenze postierten Bendtner, der den Ball in die Mitte zurück köpfte und dort von Krohn-Dehli versenkt wurde, brachte prompt dem Ausgleich. Danach glich das Spiel dem Tanz auf der Rasierklinge, erst recht als Mitte der zweiten Halbzeit Portugal gegen Holland führte und Deutschland fast den Rückstand durch den immer agilen Bendtner kassierte. In der 80. Minute war es aber nicht Bendtner sondern der Startelfdebütant Bender, der für den Siegtreffer, das eigene Weiterkommen und das Aus der Dänen sorgte. Deutschland hatte sich also in der schwersten aller Vorrundengruppen mit neun Punkten als Gruppensieger durchgesetzt und bekam zur Belohnung mit Griechenland den wohl leichtesten aller Viertelfinalteilnehmer vorgesetzt. Die Tage zwischen dem Dänemark- und dem Griechenlandspiel waren geprägt vom mehr oder weniger lauten Murren von Reservisten, die bisher kaum oder noch gar nicht eingesetzt wurden, namentlich von Reus, Götze und Kroos.

Vor allem Kroos kam offensichtlich mit der Reservistenrolle nicht zurecht, wähnte er sich doch als Stammspieler, da er im letzten Jahr fast in jedem Spiel mitwirken durfte. Dies allerdings meist dann, wenn Schweinsteiger und/ oder Khedira ausfielen, die sich beide völlig zu Recht auf der Doppel-Sechs festgespielt haben. Daher frage ich mich „was erlaube Kroos?“. Es zeugt allgemein nicht von gutem Stil während eines Turniers öffentlich Kritik zu üben und sich auszuheulen. In diesem Fall aber schlägt sie meiner Meinung nach dem Fass den Boden aus. Das deutsche Team war siegreich, Khedira überragend und Schweinsteiger, wenn auch nicht in allerbester Verfassung, dennoch als Teamleader (zu diesem Zeitpunkt noch!) unverzichtbar. Jener Tony Kroos, der im Champions League Finale keine Eier hatte und Manuel Neuer beim Elfmeterschießen den Vortritt ließ, meldete lauthals Ansprüche an. Hier war es einzig der Souveränität Löws geschuldet, dass aus Kroos‘ Vorpreschen keine Staatsaffäre wurde.

Kroos‘ Jammern wurde vom Bundestrainer auch gegen Griechenland nicht erhört. Dennoch wirbelte Löw die Startformation während dieser Euro erstmals gehörig durcheinander. Boateng ersetzte nach abgesessener Gelbsperre erwartungsgemäß wieder Lars Bender. Zudem kamen Reus für Müller, Schürrle für Podolski und Klose für Gomez zum Zug. Sehr zum Missfallen des Bundestrainers war dieses als Überraschung gedachte Wechselspiel bereits in den frühen Nachmittagsstunden am Spieltag publik geworden, so dass fortan die Suche nach dem Maulwurf auf der Agenda stand.  Griechenland musste ohne seinen Kapitän Karagounis auskommen, der im entscheidenden Gruppenspiel gegen Russland wegen einer vermeintlichen Schwalbe zu Unrecht seine zweite Gelbe Karte gesehen hat.

Löws Schachzüge gingen von Beginn an auf. Die deutlich agilere deutsche Offensive zwang die Griechen von einer Verlegenheit in die nächste. Einzig die Chancenverwertung ließ zu wünschen übrig. In der 39. Minute schließlich war der Bann gebrochen. Lahm zog, ähnlich wie bei seinem Auftakttor gegen Costa Rica bei der WM 2006, nach innen und fasste sich ein Herz. 1:0, eines muss man dem Kapitän ja lassen. Wenn er trifft, dann meist in den wichtigen Spielen, wie zuletzt auch 2008 im Halbfinale gegen die Türkei.

10 Minuten nach der Pause passierte dann das, was es eigentlich zu vermeiden galt. Nach Ballverlust von Schürrle ging es ganz schnell, Samaras schloss den schulmäßigen Konter zum schmeichelhaften 1:1 ab. Deutschland schüttelte sich kurz und setzte die offensive Marschroute unvermindert fort. Die Folge: nur gute fünf Minuten später klingelte es erneut im griechischen Kasten durch einen wunderschönen Treffer „unseres“ Sami Khedira. Dadurch war der griechische Widerstand weitestgehend gebrochen. Klose und Reus legten noch nach, der Handelfmeter in der Schlussminute zum 4:2 war nur noch von statistischer Bedeutung.

Die Wechsel von Jogi Löw zahlten sich also voll aus, weshalb er in den Medien schon als „der Mann, der alles richtig macht“ gefeiert wurde. Leider aber zu viel der Vorschusslorbeeren, wie sich noch herausstellen sollte.

Deutschland hat also das Halbfinale gegen Italien erreicht, ein Team, das vor der Euro eher wenige auf dem Zettel hatten. Bezeichnend, dass fürs Halbfinale nur Teams aus den Gruppen B und C qualifiziert waren und die „Top-Gesetzten“ Gastgeber Ukraine und Polen sang- und klanglos in der Vorrunde ausschieden. Hier sollte sich die UEFA mal überlegen, ob es sportlich gerecht ist, Teams als Gruppenköpfe zu setzen, die in der Weltrangliste unter ferner liefen stehen, auch wenn sie Gastgeberländer sind.

Jetzt also gegen Italien, gegen das Deutschland noch nie ein Pflichtspiel gewonnen hat. Ich war sehr optimistisch, dass jetzt dafür die Zeit reif wäre. Deutschland trat sowohl auf als auch neben dem Platz mit breiter Brust auf, dass man sich kaum vorstellen konnte, dass irgendetwas schief gehen konnte. Dass die Italiener gegen England 120 Minuten gehen mussten und zwei Tage weniger Zeit hatte als Deutschland, betrachtete ich aber nicht als Vorteil Italien. Zwischen Sonntag und Donnerstag konnten sich auch die Italiener ausreichend regenerieren.

Thema der Woche war der Knöchel der Nation. Bastian Schweinsteiger gab in einem Zeitungsinterview erstmals zu, dass er sich um seinen Knöchel große Sorgen mache und der Kopf mehr möchte, als sein Körper derzeit zu leisten imstande ist. Seit seinem im Februar beim DFB-Pokalspiel beim VfB erlittenen Außenbandriss kam er nie richtig in den Rhythmus und spielte, wenn er denn spielte, mit Schmerzen. Das ein oder andere starke Spiel legt er ja hin, meist aber hinkt er den Ansprüchen gehörig hinterher, so auch zuletzt gegen Griechenland, als er von ihm nicht gewohnte Fehlpässe fabrizierte. Da aber zwischen den beiden Spielen wieder sechs Tage lagen und er in den letzten Trainingseinheiten wieder mit trainieren konnte, stand hinter seinem Einsatz auch kein Fragezeichen.

Vor dem Italien-Spiel hatte sich unser Maulwurf offensichtlich frei genommen. Schade eigentlich, vielleicht hätte Löw seine Aufstellung sonst noch einmal überdacht. Er brachte wieder Podolski für Schürrle und Gomez für Klose. Dazu noch völlig überraschend Kroos, der helfen sollte, das Zentrum zuzumachen, für den gegen Griechenland überragenden Reus.

Für mich waren alle Wechsel nicht nachvollziehbar. Podolski ist nach dem Kölner Abstieg nur noch ein Schatten früherer Tage und wirkt ausgelaugt von einer langen Saison. Von Kloses Einsatz gegen Griechenland profitierte vor allem Özil, der eine Anspielstation mehr zum kombinieren gehabt hatte. Daher erhoffte ich mir, dass Klose drin bleibt. Und ganz unverständlich: Kroos für Reus. Diese Maßnahme sah sehr nach „Reagieren“ aus anstatt mit einem Reus, von mir aus auch Müller, Druck zu erzeugen. Hinterher ist man natürlich immer schlauer, so waren die Maßnahmen der berühmte Griff ins Klo. Deutschland legte eine ansehnliche Anfangsphase hin und hätte früh in Führung gehen können, wenn Pirlo nicht auf der Linie geklärt hätte. Italien näherte sich dem deutschen Tor eher zaghaft und versuchte es mit Weitschüssen, die jedoch keine große Gefahr erzeugten. Es war sicher kein Zufall, dass das 0:1 aus deutscher Sicht über die linke Seite fiel. Kroos zog es als sog. Zentrumsspieler (zu)  viel in die Mitte, weshalb seine Seite zu oft verwaist war. Cassano ließ Boateng und Hummels wie Schuljungen aussehen und kam zum flanken. Im Zentrum setzte sich Balotelli gegen Badstuber durch und köpfte unhaltbar für Neuer ein. Ausgerechnet das enfant terrible der Italiener, der in jedem Spiel eine tickende Zeitbombe ist, wurde eingeladen „Man of the Match“ zu werden. Denn auch beim 0:2 zeigte er seine Klasse, als er einen langen Ball Montolivos, nicht ernsthaft gehindert von Lahm, erlief und in die Maschen hämmerte. Damit war das Spiel so gut wie gelaufen. Gegen Italien einen Rückstand aufzuholen war schon seit eh und je schwer, so auch dieses Mal. Den Deutschen gelang es kaum, zwingend vor dem starken Buffon aufzutauchen, das Anschlusstor durch Özils Elfmeter fiel zu spät.

Das Finale 2012 lautet also Italien-Spanien, eine Ansetzung, die es schon als Gruppenspiel gab, übrigens war das eines der besseren Spiele der diesjährigen Euro, die fußballerisch mehr Magerkost als Leckerbissen bot. Viele Mannschaften traten äußerst defensiv an und suchten ihr Heil in überfallartigen Kontern. 2016 erwartet uns eine Europameisterschaft in Frankreich, erstmals aufgestockt auf 24 Mannschaften. So wird das Niveau weiter verwässert und die Gruppenphase fast bedeutungslos, wenn auch noch die vier besten Gruppendritten ins Achtelfinale einziehen.

Mit dem Auftreten der deutschen Mannschaft war ich weitestgehend zufrieden. Kritik an manchen Entscheidungen habe ich oben geäußert. Nach dem Halbfinale muss man dazu die Frage stellen, ob man nicht Schweinsteiger die nötige Pause einräumen hätte müssen. Er war gegen Italien der schwächste Mann auf dem Platz, guten Ersatz hätte man mit Bender, Gündogan oder auch Kroos zur Verfügung gehabt. Im Finale 2008 war für mich mitentscheidend für die Niederlage, dass man Ballack auf Teufel komm raus fitgespritzt hatte, er der Mannschaft aber letztendlich nicht helfen konnte. Dieses Mal also Schweinsteiger und wieder hatte man den Eindruck, der Gegner hätte einen Spieler mehr auf dem Platz. Dies kann man Jogi Löw ankreiden, dass er hier seinen Worten, dass er nur 100%ig fitte Spieler einsetzen würde, keine Taten folgen ließ. Solche Entscheidungen sollte Löw künftig alleine treffen und seinem Bauchgefühl folgen. Dass er nicht alles richtig gemacht hat, hat Löw in Interviews ja auch eingeräumt und auch die Verantwortung für die Niederlage übernommen.

Dass aber jetzt von einigen Medien, allen voran die mit den vier großen Buchstaben, der Rücktritt von Löw gefordert wird und das komplette Spielermaterial in Frage gestellt wird, dafür habe ich überhaupt kein Verständnis. Ich kann mir nach wie vor keinen besseren Trainer für die Nationalmannschaft vorstellen, der es versteht, wie kaum ein anderer, junge Leute ins Team einzubauen und ein super Klima zu schaffen. Wenn man ein Halbfinale eines großen Turniers erreicht hat, sind am Ende Nuancen oder die Tagesform entscheidend, die zum großen Wurf fehlen. Jetzt aber von Versagern zu sprechen halte ich für eine bodenlose Frechheit. Löw als erster wird sich in den Allerwertesten beißen, dass er für dieses Spiel einige falsche Entscheidungen getroffen hat. Für mich spielt die Nationalmannschaft weiter einen tollen Fußball, wenn man sich vor Augen führt, über welchen Rumpelfußball wir noch vor acht Jahren diskutiert haben. Die Mannschaft ist noch nicht am Ende ihrer Entwicklung, da ein riesen Reservoir an talentierten Spielern vorhanden ist. Der nächste, der mit Macht hinein drängt ist für mich Julian Draxler, der ja nur knapp aus dem Kader flog. Podolski wird Arsene Wenger bei Arsenal wieder in die Spur bringen und Reus wird bei Dortmund noch einen Sprung machen. Gegen Italien wurden die Schwächen auf der Rechtsverteidiger-Position und in der Innenverteidigung aufgedeckt. Hier haben wir noch das größte Steigerungspotential. Hummels ist für mich der Abwehrchef der Zukunft, Mertesacker und Badstuber sehe ich als Wackelkandidaten. Diese Vakanz sollte eigentlich unsere Innenverteidiger Schorsch Niedermeier und Serdar Tasci anspornen sich für höhere Weihen zu empfehlen. Bleiben also noch die Außenverteidiger, wo viel davon abhängt, welche Seite Lahm im Verein spielt. Sonst sehe ich uns hervorragend aufgestellt.

Ein weiterer Kritikpunkt, den ich in den letzten Tagen lese, ist, wir hätten zu viele „Weichspüler“ im Team und niemanden der in schlechten Phasen voran geht und dazwischen haut. Das können insbesondere Khedira und Schweinsteiger, wenn er denn fit ist. Auch Lahm vermag mal ein Zeichen zu setzen, siehe sein Tor gegen Griechenland. Was wird also erwartet? Wünscht man sich einen Typ van Bommel oder Jermaine Jones, der ständig am Rande des Platzverweises steht? Oder wünscht man sich einen Steffen Freund und Jens Jeremies zurück, die zwar fußballerisch limitiert waren, einem Gegner aber durch fieses Einsteigen oder versteckte Fouls den Schneid abkauften? Ich persönlich bin froh, dass wir inzwischen die meisten Situationen spielerisch lösen können und so in den letzten Jahren Gegner wie England, Argentinien, zwei Mal die Niederlande, Brasilien und Portugal geschlagen haben. Dass es gegen Italien nicht gereicht hat, mein Gott, so ist Fußball.

Unser ganzes Land trägt Trauer! Ja, das hängt womöglich damit zusammen, dass wir urplötzlich ein Volk von 80 Millionen Fußballfans sind. Schwarz-Rot-Geil! Ein Event über Wochen, ein Zusammengehörigkeitsgefühl, drei Wochen Party satt, in den Armen wildfremder Menschen feiernd! Dann, Niederlage gegen Italien, Party jäh gestoppt und plötzlich ist alles scheiße. Würden diejenigen, die jetzt am lautesten aufschreien, Bundesligaspieltag für Bundesligaspieltag ihrem Team hinterher reisen und mit der ein oder anderen bitteren Niederlage im Gepäck eine endlos lang erscheinende Strecke auch wieder zurückfahren müssen, dann würden sie möglicherweise verstehen lernen, dass auch Niederlagen zum Sport dazu gehören. Die Niederlage, wie sie zustande kam, war verdient, fertig, aus. Trotzdem verabschiedet sich Deutschland erhobenen Hauptes aus dem Turnier. Das kapieren hoffentlich auch möglichst bald die Boulevardmedien, ohne ein Trainer-Team aus dem Amt getrieben zu haben, für das es weit und breit keine Alternative gibt.

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26. Juni 2011

Eine Lanze für Michael Ballack

Heute möchte ich mich einmal einem VfB-fremden Thema widmen, das mich in den letzten Wochen und Monaten bewegt hat: der Umgang mit Michael Ballack in Teilen der Öffentlichkeit und durch den DFB, insbesondere von Joachim Löw.

Ich zählte mich während seiner Karriere auch stets zu seinen Kritikern, weil er oftmals, auch durch seine Spielweise, arrogant wirkte und in „großen“ Spielen zu oft untertauchte oder auch versagte, siehe sein Eigentor 2002 in Unterhaching. Ein Alpha-Tier, das dem Druck nicht gewachsen ist, war natürlich gerne ein gefundenes Fressen für seine zahlreichen Kritiker. Ein ewiger Zweiter, der sinnbildlicherweise auch noch die Nummer 13 auf seinem Trikot trug.

Dass er aber ein verdienter Nationalspieler ist, steht außer Zweifel. Neben Oliver Kahn war er bei der Weltmeisterschaft 2002 der tragische Held, der erst durch seine Tore das Viertel- und Halbfinale entschied und sich dann ganz in den Dienst der Mannschaft stellte, als er einen Fehler von Ramelow auf Kosten einer gelben Karte ausbügeln musste, die eine Sperre im Finale gegen Brasilien zur Folge hatte. Auch in den Folgejahren war er DAS Aushängeschild der Nationalmannschaft, nicht umsonst ernannte ihn Jürgen Klinsmann auf dem Weg zur WM 2006 im eigenen Land zum Capitano.

2008 dann war er für mich eher ein egoistischer Held, als er aufgrund einer verhärteten Wade fitgespritzt wurde und, von falschem Ehrgeiz getrieben, unbedingt das Finale gegen Spanien bestreiten wollte. Mit halber Kraft ist auch ein Ballack für das deutsche Team nichts wert, vor allem wenn es gegen die laufstarken Spanier geht. Da hätte Joachim Löw dazwischen hauen MÜSSEN, was er aber leider nicht getan hat. Zu allem Überfluss gab es nach dem Spiel noch auf dem Platz einen lautstarken Disput mit Nationalmannschafts-Manager Oliver Bierhoff, der schon damals atmosphärische Störungen rund um den Capitano vermuten ließ.

Kurz vor der WM 2010 dann bedeutete ein brutales Foul des Berliner Ghetto-Kindes Kevin-Prince Boateng das WM-Aus für Ballack, das Fußball-Deutschland zunächst einmal in eine Schockstarre versetzte. Ballack bekleidete ja nicht „nur“ die Schaltstation im Mittelfeld mit Bastian Schweinsteiger, nein, er war dazu noch der absolute Leader des Teams, nach ihm kam lange niemand in der teaminternen Hierarchie.

Mit der Vorbereitung auf die WM bekleidete dann Sami Khedira den Part neben Schweinsteiger, das Kapitänsamt übernahm Philipp Lahm. Khedira spielte sich überraschend schnell in der Stammelf fest und auch Lahm nahm die neue Führungsrolle gut an. Einige im Team wirkten wie befreit, dass der „Führungsstil“ liberaler wurde und noch junge, aber doch schon langjährige Nationalspieler, wie Schweinsteiger, Podolski, Lahm gingen mehr aus sich heraus. Dass die WM dann mit Platz 3 und großen Siegen gegen England und Argentinien sehr erfolgreich wurde, hatte die Folge, dass zunächst kein Hahn mehr nach Michael Ballack krähen würde. Lahm verkündete noch während der WM, dass er das Kapitänsamt nicht mehr freiwillig hergeben würde. Dies ließ die DFB-Führung und insbesondere der Trainerstab ebenso ungesühnt wie seinerzeit die Ohrfeige von Podolski gegen Michael Ballack in Wales. Dabei kam Lahm nicht etwa durch einen Rücktritt Ballacks oder eine Nichtnominierung aus Leistungsgründen an das Amt, sondern durch einen unverschuldeten Ausfall von Ballack, der einigen offensichtlich gut in die Karten gespielt hatte.

Schon damals stand eigentlich fest, dass es Michael Ballack schwer haben dürfte, wieder ins Team zurück zu kommen, zumal es derzeit ein riesen Reservoir an jungen potenziellen Nationalspielern gibt, die man jederzeit ins kalte Wasser werfen kann. Weshalb man aber nicht schon lang klärende Worte gesprochen hat und Ballack bis jetzt hingehalten hat, finde ich respektlos gegenüber Ballack. Die Entscheidung stand insgeheim, da bin ich mir sicher, schon bei der WM fest, dass Ballack keine Zukunft in der Nationalmannschaft mehr haben würde. Nachdem von Seiten des DFB ein Jahr lang nur herumgeeiert wurde und Ballacks Abschied noch nicht verkündet war, wäre spätestens zu den letzten 3 Länderspielen der Saison der richtige Zeitpunkt gewesen, Ballack, nach den Ausfällen von Schweinsteiger, Träsch und Khedira, nachzunominieren oder Klartext zu reden. Auch da hat sich Löw schön gewindet. Vermutlich war er schon zu viel mit seiner Duz-Freundin Merkel zusammen und weiß daher, wie es geht, Probleme einfach auszusitzen.
Ich hätte es mir gewünscht, dass man in der Nationalelf noch einmal feststellen hätte dürfen, ob Ballack das Team noch verstärken kann oder ob er doch mehr Belastung ist. Einen sportlichen Wettkampf hätte er verdient gehabt, nachdem ihn diese schwere Verletzung aus der Bahn geworfen hatte. In Österreich und Aserbaidschan hatte man im Übrigen auch gesehen, dass das Personal nach den ganzen Ausfällen sehr dünn war. Zuletzt ist ja sogar Lahm als „Sechser“ eingesprungen, nachdem auch noch der zuvor verletzte Khedira abgereist war. Spätestens hier hätte man einen Ballack gebrauchen können, statt dessen wurde in Höwedes ein Verteidiger nachnominiert.

Nun prescht Wochen später Herr Löw vor und verkündet das Ende der Nationalmannschaftskarriere von Michael Ballack in beiderseitigem Einvernehmen, welches es nach Aussagen Ballacks nie gab. Es steht natürlich Aussage gegen Aussage, doch wäre es nicht das erste Mal, dass Löw so mit verdienten Spielern umspringt.

Man darf gespannt sein, welche „Wahrheiten“ in nächster Zeit noch ans Tageslicht kommen und ob Becker, Ballack’s Berater, herausrückt, was es mit der Schwulen-Combo auf sich hat, die er vergangenen Sommer im Zusammenhang mit der Nationalmannschaft ins Gespräch brachte. Die letzte schmutzige Wäsche wird hier sicherlich noch nicht gewaschen sein.

Dass Ballack das angebotene 99. und letzte Länderspiel am 10. August als Farce abtut und es ablehnt ist nur konsequent. Solche Almosen hat ein Spieler, der 12 Jahre lang die Knochen für die Nation hingehalten hatte, nicht nötig.  Ein Abschiedsspiel wird er sicherlich nach Beendigung der Karriere bekommen, dafür ist dann noch genügend Zeit.

Die vergangene Saison war für Ballack eine zum vergessen. Nach seiner schweren Verletzung kam er nie richtig in Tritt und musste sich, selbst wenn einsatzbereit, erst einmal hinten anstellen. Sein Arbeitszeugnis 2010/11 war wirklich kein Bewerbungsschreiben für weitere Einsätze in der Nationalelf. Auf der anderen Seite gab es auch in der Ära Löw genügend Fälle, die zeigten, dass eine gute Form und Stammspielersein im Verein nicht mehr Voraussetzung sind, um eine tragende Rolle in der Nationalmannschaft zu spielen.

Ich würde mich freuen, Ballack käme, jetzt ohne den Druck in Bezug auf ein mögliches Comeback in der Nationalmannschaft, noch einmal richtig auf die Beine. In der kommenden Saison kann er es allen noch einmal beweisen und ein wertvoller Spieler für Bayer Leverkusen sein. Es wäre ihm zu wünschen, dass er nicht nur als „tragischer Held“ in die Fußballannalen eingeht.

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10. Juli 2010

Oskar-Beck-Kolumne: Ein Rambazamba-Gefühl wie 72

Category: Glossen/ Kolumnen — Tags: , , , , , , , – Franky @ 08:15

In den letzten Wochen sind die Geschichtsschreiber weltweit und scharenweise wie elektrisiert aufgesprungen, haben ihre Federn mit Tinte gefüllt und mit rauchenden Köpfen für die Nachwelt das Unfassbare festgehalten. Deutschland spielt Fußball! Richtigen Fußball, lockeren, leichten, lebensbejahenden Fußball, Passfußball, manchmal nahe der Perfektion. Nein, für die Spanier reicht es immer noch nicht, mit denen können sich unsere Schweinsteigers erst nächstes Mal messen – aber mit den Beckenbauers und Netzers von früher womöglich schon jetzt? “Das ist die beste deutsche Mannschaft, in der ich gespielt habe”, hat Philipp Lahm schon nach dem 4:0 gegen Australien behauptet, und jetzt, wo alles noch viel schöner gekommen ist, schlagen sich die Gelehrten die Köpfe ein beim Streit um die Frage, wo er historisch einzuordnen ist, dieser neue deutsche Fußball.Ist er gar besser als der von 1972? “Lassen wir die Kirche im Dorf”, hat Miroslav Klose darauf kürzlich in der Pressekonferenz im DFB-Camp geantwortet – das war allerdings noch vor den gefühlten 8:0-Freudenfesten gegen England und Argentinien.

1972 – wir müssen ihn für die Zuspätgeborenen erklären, diesen Fußball der damaligen Europameister. Er war streckenweise so unbeschreiblich, dass ihn Gerd “Bomber” Müller, der Strafraumschreck, dankenswerterweise sogar besungen hat. Sein autobiografischer Schlager geht so: “Dann macht es bumm, ja und dann kracht’s, und alles schreit: Der Müller macht’s!” Er hat es gemacht, und wie. Vom “Traumfußball des Jahres 2000″ schwärmte die Pariser “L’Equipe”, und “Bild” jubelte in voller Breite und Balkenhöhe: “Rambazamba!”

Der 72er-Fußball war ein Gedicht

Der Ramba war Beckenbauer und der Zamba war Netzer. Günter Netzer, der Playboy, war der Stratege diese unfassbaren Mannschaft, er stand für eine neue Ballkultur, er war der Beckham von damals, fuhr Ferrari, flankierte schöne Frauen mit großen Ohren, führte die Discothek “Lovers Lane”, trug die Haare schulterlang, und sein Spiel war der Ausdruck seines Lebensgefühls – er schlug hemmungslose Steilpässe, und aus jenem unwiderstehlichen, unvergesslichen Solo, das er beim damaligen Viertelfinal-3:1 gegen die Engländer in Wembley aus der Tiefe des Raumes hinlegte, würde man heute einen Videoclip basteln, unterlegt mit fetziger Rockmusik, und Netzer wäre damit wochenlang die Nummer eins in den Hitlisten.

Dieser 72er-Fußball war ein Gedicht, und Helmut Schön, der Trainer, hat noch kurz vor dem Totenbett geschwärmt: “Wenn es mir schlecht geht, hole ich mir das Video mit unserem Wembley-Spiel raus.” Also: Spielen wir heute wieder wie 72? Wir werden es nie erfahren. “Damals hat noch ein ganz anderer Fußball stattgefunden”, hat Jogi Löw dieser Tage erklärt – und was er meint, lässt sich am besten mit einem rückblickenden Schwenk in die Wutrede von Rudi Völler vor ein paar Jahren beschreiben, hören wir noch mal kurz rein: “Der Netzer soll sich nicht aufblasen, das war doch Standfußball damals!” So ist es: unwiderstehlicher, unvergleichlicher, traumhafter Standfußball war das, und die Betonung liegt auf unvergleichlich – wer diesen Traumfußball aus dem letzten Jahrtausend mit dem von Südafrika 2010 vergleichen will, der kann genauso die Frage stellen, ob der Regen 1972 nässer oder trockener war als der von 2010.

Sicher ist nur so viel: Wir spielen schöner und besser als 1996. Zwar sind wir damals Europameister geworden, aber nur, weil wir den heutigen Manager als Brechstange dabei hatten. “Der Bierhoff kann nix”, hatte vorher der Exbomber Müller persönlich erklärt, aber wenigstens köpfen konnte dieser Rumpelkicker. Sicher ist außerdem: wir spielen heute schöner und besser als die Vizeweltmeister von 2002. Die haben sich damals den drei deutschen Tugenden “Kahn, Kampf und Kopfball” (TV-Reporter Marcel Reif) hingegeben, sonst wären sie nicht im WM-Finale gelandet, sondern schon nach der Vorrunde wieder auf dem Rhein-Main-Flughafen, Lufthansa, Holzklasse.

Wir spielen wieder richtigen Fußball

Das war, verglichen mit heute, alles Schwerstarbeit, die Füße haben sich unsere Helden auf dem Weg ins Finale verstaucht, und noch bis 2004 hatte die deutsche Spielkunst derart die Schwindsucht, dass der ARD-Experte Netzer innere Krämpfe bekam, wenn er sah, dass da “fußballerisch mit Mitteln gearbeitet wird, die der Verzweiflung nahekommen”. Das war 72 anders.

Und 2006 ist es dann, Gott, Klinsmann und Löw sei Dank, schlagartig wieder besser geworden, und der Erste auf der Welt, der den Wandel bemerkte, war der große Rumäne Gheorghe Hagi. Aufgrund seines Ballzaubers war der früher bekannt als Karpaten-Maradona, und als Feinschmecker schnalzte er plötzlich mit der Zunge: “Heute steht bei den Deutschen ein Piccolo wie Lahm auf dem Platz – an der Stelle, wo früher ein Baum stand.”

Aber besser als 72? Damals war gleiche Höhe noch abseits, es gab andere Schuhe und ein anderes Tempo. “Sogar seit 2002″, hat Miroslav Klose gesagt, “ist der Fußball schon wieder viel schneller und dynamischer geworden.” Lassen wir also das Rätselraten – und belassen es bei dem Gefühl: Wir spielen heute wieder richtigen Fußball.

(STZ online)

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9. Juli 2010

Nach der Niederlage: Der Blick ins Leere

Die Bewässerungsanlage des Rasens hat längst ihren Dienst aufgenommen, das Moses-Mabhida-Stadions von Durban ist schon fast menschenleer. Oben, unter dem Dach der Arena, stehen noch ein paar Spanier und schwenken beglückt ihre rot-gelben Fahnen. Und unten auf der Trainerbank sitzt Per Mertesacker. Eine halbe Ewigkeit sitzt er dort, neben ihm hat Oliver Bierhoff Platz genommen, der Teammanager der Nationalmannschaft, und leistet Beistand. Hin und wieder tauschen sie ein paar Worte aus. Und starren ansonsten ins Leere. Eine Stunde später kommt Per Mertesacker aus der Kabine. Der lange Verteidiger wankt mehr, als dass er geht, eine Wasserflasche hat er in der Hand und nimmt ab und zu einen Schluck. Zwischendrin versucht er Worte für das zu finden, was er nicht begreifen kann: dass Deutschland gegen Spanien mit 0:1 verloren und den Einzug ins Endspiel auch bei dieser Weltmeisterschaft verpasst hat. “Wir sind ans Limit gestoßen”, sagt er, “wir haben es wieder nicht geschafft, im entscheidenden Moment unsere beste Leistung zu zeigen.”

Wie vor vier Jahren in Deutschland ist die DFB-Auswahl auch bei der WM in Südafrika kurz vor dem großen Ziel gescheitert. Dramatisch war sie damals, die 0:2-Niederlage gegen Italien in Dortmund, wo die beiden Gegentreffer erst in den allerletzten Minuten der Verlängerung fielen. Unspektakulär war der Spielverlauf dieses Mal – die Spanier waren von der ersten Minute an das eindeutig bessere Team. Also gibt es hinterher kein verzweifeltes Schluchzen und Weinen – dafür aber ist die Ernüchterung umso größer.

Die Spanier haben ihr Spiel weiter perfektioniert

Die Deutschen hatten geglaubt, sie seien ganz nahe herangerückt an die spanischen Großmeister des Kurzpassspiels, die für den Bundestrainer Joachim Löw das Vorbild sind. Sein Team hatte gegen England und Argentinien überragende Leistungen geboten und gehofft, nun auch dem ganz großen WM-Favoriten auf Augenhöhe begegnen zu können. Dann allerdings mussten die Spieler erkennen, dass Spanien eben doch noch eine Nummer zu groß ist, so wie es auch im EM-Finale 2008 in Wien der Fall gewesen war.

“Wir haben den Abstand verringert”, sagt der Kapitän Philipp Lahm und verweist auf die beiden Torchancen von Mesut Özil vor und Toni Kroos nach der Pause, die beim Stand von 0:0 das Spiel in eine andere Richtung hätten lenken können. Eine Standardsituation benötigten die Spanier danach, um durch den brachialen Kopfball von Carles Puyol zum Siegtreffer zu kommen. “Das macht es besonders bitter”, sagt der Assistenztrainer Hansi Flick.

All das ändert aber nichts daran, dass der Europameister auch diesmal als hochverdienter Sieger das Feld verließ. Deutschland hat seit 2008 große Fortschritte gemacht. Doch sind auch die Spanier nicht stehen geblieben und haben ihre Kunst seither noch weiter perfektioniert. Sie mögen bei der WM bis zum Halbfinale nur das Nötigste getan und nicht geglänzt haben. Dann aber boten sie ihre mit Abstand beste Leistung und erteilten dem Gegner Anschauungsunterricht.

“Der Mut und die Überzeugung haben gefehlt”

Sehr anschaulich beschreibt Miroslav Klose die Spielweise der Spanier, die jeden Gegner vor fast unlösbare Probleme stellt. “Wenn sie im Ballbesitz sind, rennt man vom einen zum nächsten, versucht in die Zweikämpfe zu kommen – und kommt doch fast immer zu spät. Da läuft der Ball hin und her, und man muss dauernd hinterherlaufen, um die Löcher zu schließen”, sagt der Stürmer, “und wenn man dann mal selbst an den Ball kommt, hat man nicht mehr die Kraft und die Frische, um eigene Akzente und Konter zu setzen.”

Die Spanier seien “reifer” gewesen, sagt Mertesacker, sie würden ja auch schon seit Jahren zusammenspielen. “Woher soll das bei uns kommen?” Natürlich hat er recht. Was die deutsche Mannschaft bei dieser WM geleistet hat, ist viel mehr als ihr die meisten zugetraut hatten. Sie ist so schnell gewachsen, dass man glaubte, sie sei auch schon in der Lage, die Spanier zu schlagen.

Die Spieler hatten vor der Partie selbst daran geglaubt – doch dann “haben uns der Mut und die Überzeugung gefehlt”, sagt Lahm. Man müsse “akzeptieren, dass es nicht ewig nach oben geht mit so einer jungen Mannschaft, die erst seit sieben Wochen zusammen ist”, sagt Joachim Löw. Höher als den dritten Platz bei der WM 2006 stuft Oliver Bierhoff schon jetzt die deutschen Leistungen bei dieser WM ein. “Wir hatten hier nicht die Unterstützung, den Schwung aus der Heimat”, sagt der Manager, “die Mannschaft war noch unerfahrener, sie ist jünger und hatte noch weniger Zeit, sich zu finden.” Insofern sei die Leistung “etwas größer als vor vier Jahren”.

Die große Zeit dieser Mannschaft wird noch kommen

Was bleibt ist die Hoffnung auf die Zukunft, auf den nächsten Anlauf beim nächsten Turnier. Die große Zeit dieser Mannschaft werde noch kommen, davon sind alle überzeugt. “Wir haben die Chance, in den nächsten Jahren ganz oben mitzuspielen”, sagt Philipp Lahm, “wenn wir so weitermachen, haben wir eine große Zeit vor uns.” Doch im Moment ist dies nur ein schwacher Trost. Auch der Kapitän weiß: “Man hat nicht bei jeder WM die Möglichkeit, ins Finale zu kommen.”

In der Nacht um drei kehrt der deutsche Tross aus Durban ins Teamhotel nach Pretoria zurück. Wie üblich ist ein reichhaltiges Buffet vorbereitet. Doch diesmal bedient sich fast niemand, und auch auf das Feierabendbier verzichten die meisten Spieler. Sie machen sich schnell auf den Weg in ihre Zimmer, sie wollen allein sein mit sich und ihrer Enttäuschung.

Sie haben auch keine Lust, sich nach der Rückkehr in die Heimat am Brandenburger Tor in Berlin den Fans zu präsentieren, so wie nach den vergangenen beiden Turnieren. Diesmal begeben sich die Spieler auf direktem Wege in den Urlaub. “Es wäre unpassend, sich zwei Tage nach dem Spiel um Platz drei feiern zu lassen”, sagt Lahm.

Eine letzte Pflicht steht in Südafrika noch bevor, das kleine Finale gegen Uruguay am Samstag Abend in Port Elizabeth. Einige Reservisten wie Serdar Tasci und Dennis Aogo werden dann zum Einsatz kommen, als Belohnung für die gute Trainingsarbeit. Mit Anstand und am besten mit einem Sieg wollen sich die Deutschen verabschieden, ehe sie am Sonntagabend in den Flieger steigen, der sie zurück in die Heimat bringt. Wenn in Johannesburg der neue Weltmeister gekürt wird, hat das deutsche Team das Land schon verlassen.

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21. Juni 2010

Deutschland vor dem Alles-Oder-Nichts-Spiel

Nach dem überzeugenden Sieg gegen Australien folgte gegen die Serben die große Ernüchterung. Nach verhaltenem Beginn beider Mannschaften und ausgeglichenem Spiel schwang sich der spanische Schiedsrichter Undiano zur Hauptperson des Abends auf. In einem an sich fairen Spiel brachte er durch leichtffertig verteilte gelbe Karten Hektik hinein, die darin gipfelte, dass Miroslav Klose bereits in der 37. Minute mit gelb-rot vom Platz gestellt wurde. Wenn jeder Körperkontakt mit gelb bedacht wird, kann man das Fußball spielen langsam einstellen. Es waren in diesem Spiel so gut wie keine brutalen Fouls vorhanden, die Attacken galten meist dem Ball. Wenn man dann andere Spiele, wie zum Beispiel gestern Brasilien-Elfenbeinküste, sieht, wo brutalste Fouls nicht einmal mit gelb geahndet wurden, grenzt das an Schiebung seitens der Schiedsrichterzunft, da wir, und natürlich auch die Serben, im weiteren Turnierverlauf stark benachteiligt sind, da eine ganze Reihe von Sperren drohen. Schon die gelben Karten gegen Özil und Cacau im ersten Spiel gegen Australien waren fragwürdig, da es beide Male keine offensichtlichen Schwalben waren. Man kann im Fußball durchaus auch zu Boden gehen, ohne gefoult worden zu sein, und ohne, dass Vorsatz im Spiel war. Ich bin normalerweise kein Freund davon, dass die FIFA Schiedsrichter aus Föderationen beruft, deren Nationalteams nie eine WM-Endrunde erreichen, wie z. B. aus Malaysia oder Indonesien, da man denen nicht unbedingt große Erfahrungen mit dem Profifußball unterstellen kann. Dass aber in den besagten Fällen Schiedsrichter aus den Fußballnationen Frankreich und Spanien so einen Stuss zusammen pfeifen, dafür fehlt mir jegliches Verständnis. Im Allgemeinen finde ich, dass die Schiedsrichter bei dieser Weltmeisterschaft erheblichen Einfluß auf den Ausgang der Spiele nehmen, sowohl durch fragwürdige Platzweise, als auch inkorrekt erzielte Tore. Ich plädiere schon lange für den Einsatz von technischen Hilfsmitteln, um Gerechtigkeit herbeizuführen. Es muß ja nicht jede Szene aufgearbeitet werden, aber besonders strittige Szenen könnten so in den meisten Fällen aufgelöst werden. Eine Möglichkeit wäre, beiden Mannschaften pro Spiel bspw. 3 Möglichkeiten einzuräumen, das Spiel unterbrechen zu lassen, um Szenen aufzuarbeiten. Die Argumentation der FIFA mit ihrem Ober-Guru Sepp Blatter, dass dies dann bis in die untersten Ligen gelten müsse, kann ich nicht nachvollziehen. Man könnte dies doch auf die höchsten Ligen, den Europ-Cup und kontinentale bzw. Weltmeisterschaften beschränken, eben immer dort, wo es um besonders viel geht und wo auch viel Geld im Spiel ist. Auf dieser Weltmeisterschaft, angefangen mit Henrys Handspiel bei der Relegation gegen Irland, liegt bereits jetzt aufgrund der vielen Fehlentscheidungen ein dunkler Schatten.

Widmen wir uns jetzt aber dem anstehenden Spiel der deutschen Mannschaft gegen Ghana. Um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen: ich schiebe die Niederlage gegen die Serben nicht alleine dem Schiedsrichter zu. Er hat nur in einer Phase, in der das Spiel sehr ausgeglichen war, maßgeblich Einfluß genommen. Die Serben haben eine mit Top-Stars gespickte Mannschaft, gegen die man durchaus verlieren kann, zumal uns Mannschaften aus Ex-Jugoslawien auch nicht unbedingt liegen, siehe die Niederlage bei der Euro 2008 in Klagenfurt gegen Kroatien. Daher sollten wir jetzt auch nicht Trübsal blasen, sondern nach vorne schauen.

Gegen Ghana werden die Karten wieder neu gemischt und ich bin überzeugt davon, dass unser Team diese Hürde nehmen wird. Wovor sollten wir auch Angst haben? Es geht gegen die Nummer 32 der Weltrangliste, die es gegen 10 Australier nicht geschafft hat, eine Führung nach Hause zu bekommen. Auch den “Heimvorteil” in Afrika schätze ich als nicht entscheidend ein. Durch das eintönige Vuvuzela-Getröte kommt sowieseo keine Stimmung auf, die Atmosphäre ist in allen Stadien gleich und potentielle Schlachtgesänge nicht zu vernehmen. Wir haben die besseren Einzelspieler und nach Ballacks Ausfall die Führungsverantwortung auf mehrere Schultern verteilt. Bei Ghana wiegt der Ausfall Essiens schwerer, weil er schon DIE Führungspersönlichkeit in der Mannschaft ist. Die Abwehr Ghanas ist auf jeden Fall zu knacken. Sie geriet gegen 10 Australier gehörig ins Schwimmen, außerdem strahlt Torhüter Kingson keine allzu große Sicherheit aus und lässt Bälle oft nach vorne abprallen. Zweikampfstark und torgefährlich präsentiert sich allerdings im Mittelfeld Kevin-Prince Boateng, der Halbbruder unseres Nationalspieler Jerome Boateng. Kevin-Prince hat ja vor der WM unseren Kapitano Michael Ballack nach einigen Scharmützeln, an denen Ballack sicher auch nicht unschuldig war, mit einem dem Anschein nach absichtlichen Foulspiel aus dem WM-Kader getreten. Er hat sämtliche Jugendmannschaften des DFB durchlaufen, sich dann aber für die Nationalmannschafts-Karriere mit Ghana entschieden. In Deutschland hätte er es sicher schwerer gehabt, WM-Spieler zu werden, zumal ihm der Ruf des Ghetto-Boys und Rüpels vorauseilt, so dass er bei uns auch keine Lobby gehabt hätte. Er wird im Mittelfeld die Wege Özils kreuzen. Es bleibt zu hoffen, dass der Schiedsrichter bei der Zweikampfführung genau hinschaut und linke Touren sofort unterbindet, ohne natürlich so kleinlich zu sein wie der Spanier aus dem Serben-Spiel.  Stark auch Ayew, dribbelstark und schnell, der meist über die rechte Seite kommt. Hier sollte sich Joachim Löw genau überlegen, ob er die Bewältigung dieser Aufgabe dem gegen die Serben oft überforderten Holger Badstuber zutraut oder nicht doch ein Wechsel fällig wird. Auf die alleinige Spitze Gyan muss ebenfalls besonders aufgepasst werden. Er ist schnell und ballsicher und legt immer wieder passgenau auf die nachrückenden Mittelfeldspieler ab. Weitere Stützen des Teams sind Kapitän Mensah sowie die Bundesligalegionäre Vorsah, Sarpei und Prinz Tagoe, die Nationaltrainer Rajevac natürlich wertvolle Tipps über die deutschen Spieler geben können.

Für Deutschland besteht dennoch kein Grund Angst vor diesem Endspiel zu haben. Dass Deutschland das 2. Gruppenspiel vergeigt, hat inzwischen fast schon Tradition, um dann im alles entscheidenden dritten Gruppenspiel Nervenstärke zu beweisen. Die mentale Stärke könnte zum großen Vorteil Deutschlands erwachsen. Im Gegensatz dazu könnte der große Druck Ghana erdrücken. Nach dem schwachen Abschneiden nahezu aller afrikanischen Teams sollen die Black Stars die Ehre eines ganzen Kontinents retten. Deutschland muß hochkonzentriert zu Werke gehen und die gegen Australien gezeigten Stärken auf den Platz bringen. Nämlich eine Mannschaft ausspielen zu können und sich eine ganze Reihe von Torchancen erarbeiten.  Wenn das gelingt, ist mir vor dem Spiel nicht bange. Wer im Sturm den gesperrten Klose ersetzen darf, darauf bin ich gespannt. Nach den bislang gewonnenen Eindrücken, kann die Lösung nur Cacau heißen, der dem einstigen Super-Mario inzwischen den Rang abgelaufen hat. Dagegen könnte höchstens sprechen, dass Cacau auch als Einwechselspieler Schwung bringt und einen Wirbel entfacht, was Gomez nicht gelang, wenn er herein kam. Sollte die Denkweise unseres Bundes-Jogis dem entsprechen, wäre wieder einmal das Leistungsprinzip außer Kraft gesetzt. Nach den gezeigten Leistungen hätte es unser Cacau verdient.

Eine starke WM spielt auch Sami Khedira, der durch den Ausfall von Ballack plötzlich in den Blickpunkt rückte und seine Aufgaben bislang zur vollsten Zufriedenheit löste. Mit etwas mehr Glück hätte er gegen Serbien den Ausgleich besorgen und WM-Torschütze werden können. Der dritte Stuttgarter im Kader, Serdar Tasci, spielt derzeit keine Rolle. Nach den im Saisonverlauf gezeigten Leistungen für mich nachvollziehbar, auch wenn er das anders sieht und in einem Interview einen Startplatz für sich beanspruchte. Dass Christian Träsch kurz vor WM-Beginn ausgefallen ist, finde ich noch immer bitter. Er hatte eine Super-Saison, ist ein richtiges “Kampf-Schwein” und wäre im defensiven Mittelfeld erste Alternative zu Bastian Schweinsteiger und Sami Khedira gewesen. Für das anstehende Spiel gegen Ghana wäre er sogar als Rechtsverteidiger denkbar gewesen, wenn man die bislang unsichere linke Seite durch Phillip Lahm hätte stärken wollen. Aber: hätte, wenn und aber hilft nicht. Träschi hat die WM unglücklich verpasst und kommt hoffentlich bald wieder auf die Beine, um mit dem VfB in der kommenden Saison wieder voll angreifen zu können.

Die deutsche Mannschaft hat also sicher das Zeug dazu, Ghana zu bezwingen. Wichtig ist Konzentration, “höckschte Disziplin” und auch ein bißchen mehr Glück im Torabschluss als gegen Serbien. Lukas Podolski, auf den Joachim Löw meiner Meinung nach zu Recht, nichts kommen lässt, versiebte zwei gute Chancen innerhalb weniger Minuten und kurz darauf noch den Elfmeter. Gerade nach diesen beiden vergebenen Chancen hatte ich schon ein ungutes Ungefühl, als er zum Punkt schritt, einfach weil ihm offensichtlich das Schussglück an diesem Tag fehlte. Hier hätte sich Bastian Schweinsteiger durchsetzen sollen oder Poldi vielleicht auch freiwillig verzichten sollen. Es ist natürlich hypothetisch zu mutmaßen, ob Schweinsteiger den Strafstoss verwandelt hätte…

Ich hoffe, dass uns die Mannschaft mit einem überzeugenden Spiel früh erlöst und wir nicht bis zum Schluss zittern müssen. Dazu gehört auch, dass man bei einer eventuellen Führung versucht nachzulegen und nicht Gefahr laufen muß, noch den späten Ausgleich zu kassieren. Eine sichere Führung hätte auch den Vorteil in der Höhe von Johannesburg dosiert weiter spielen zu können. Wer uns pfeift, darauf darf man natürlich auch gespannt sein. Bei einem Weiterkommen drohen ja jetzt schon etliche Sperren. Auch für diese Problematik ist Konzentration wichtig, nämlich nicht unbedacht in die Zweikämpfe zu gehen und Sperren zu riskieren. Hier muss die Mannschaft den Spagat finden zwischen nicht rohem Spiel, aber auch mal dazwischen zu hauen, wenn es notwendig ist. Hier bin ich aber überzeugt davon, dass das Trainerteam die Spieler darauf eindringlich hinweisen wird.

Ich bin sehr optimistisch vor dem Spiel, vielleicht auch, weil man es sich gar nicht vorstellen kann, dass Deutschland bei einer WM bereits nach der Vorrunde die Segel streichen muss. Aber, wie bereits erwähnt, es besteht kein Grund vor Ghana Angst zu haben. Unter normalen Umständen haben wir die stärkere Mannschaft, die stärkeren Einzelspieler und schon jede Menge Turniererfahrung in unseren Reihen. 2008 in Wien hatten wir eine ähnliche Konstellation. Gegen Österreich musste auch ein Sieg her, um sicher weiter zu sein. Dort, wir waren im übrigen im Ernst-Happel-Stadion dabei, erlöste uns ein gewisser Michael Ballack mit einem satten Freistoß und enormer Willenskraft. Für ihn müssen am Mittwoch die neuen Leitwölfe in die Bresche springen. Egal, wer spielt, sie spielen alle für Deutschland und damit für ein ganzes Volk. Sie werden sich zerreißen und alles geben, so dass die WM-Party in Deutschland auch nach dem Spiel weitergehen wird. Ich melde mich dann wieder mit einem Ausblick auf das Achtelfinale.

Bis dahin, viele Grüße

Franky

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