26. Juni 2011

Eine Lanze für Michael Ballack

Heute möchte ich mich einmal einem VfB-fremden Thema widmen, das mich in den letzten Wochen und Monaten bewegt hat: der Umgang mit Michael Ballack in Teilen der Öffentlichkeit und durch den DFB, insbesondere von Joachim Löw.

Ich zählte mich während seiner Karriere auch stets zu seinen Kritikern, weil er oftmals, auch durch seine Spielweise, arrogant wirkte und in „großen“ Spielen zu oft untertauchte oder auch versagte, siehe sein Eigentor 2002 in Unterhaching. Ein Alpha-Tier, das dem Druck nicht gewachsen ist, war natürlich gerne ein gefundenes Fressen für seine zahlreichen Kritiker. Ein ewiger Zweiter, der sinnbildlicherweise auch noch die Nummer 13 auf seinem Trikot trug.

Dass er aber ein verdienter Nationalspieler ist, steht außer Zweifel. Neben Oliver Kahn war er bei der Weltmeisterschaft 2002 der tragische Held, der erst durch seine Tore das Viertel- und Halbfinale entschied und sich dann ganz in den Dienst der Mannschaft stellte, als er einen Fehler von Ramelow auf Kosten einer gelben Karte ausbügeln musste, die eine Sperre im Finale gegen Brasilien zur Folge hatte. Auch in den Folgejahren war er DAS Aushängeschild der Nationalmannschaft, nicht umsonst ernannte ihn Jürgen Klinsmann auf dem Weg zur WM 2006 im eigenen Land zum Capitano.

2008 dann war er für mich eher ein egoistischer Held, als er aufgrund einer verhärteten Wade fitgespritzt wurde und, von falschem Ehrgeiz getrieben, unbedingt das Finale gegen Spanien bestreiten wollte. Mit halber Kraft ist auch ein Ballack für das deutsche Team nichts wert, vor allem wenn es gegen die laufstarken Spanier geht. Da hätte Joachim Löw dazwischen hauen MÜSSEN, was er aber leider nicht getan hat. Zu allem Überfluss gab es nach dem Spiel noch auf dem Platz einen lautstarken Disput mit Nationalmannschafts-Manager Oliver Bierhoff, der schon damals atmosphärische Störungen rund um den Capitano vermuten ließ.

Kurz vor der WM 2010 dann bedeutete ein brutales Foul des Berliner Ghetto-Kindes Kevin-Prince Boateng das WM-Aus für Ballack, das Fußball-Deutschland zunächst einmal in eine Schockstarre versetzte. Ballack bekleidete ja nicht „nur“ die Schaltstation im Mittelfeld mit Bastian Schweinsteiger, nein, er war dazu noch der absolute Leader des Teams, nach ihm kam lange niemand in der teaminternen Hierarchie.

Mit der Vorbereitung auf die WM bekleidete dann Sami Khedira den Part neben Schweinsteiger, das Kapitänsamt übernahm Philipp Lahm. Khedira spielte sich überraschend schnell in der Stammelf fest und auch Lahm nahm die neue Führungsrolle gut an. Einige im Team wirkten wie befreit, dass der „Führungsstil“ liberaler wurde und noch junge, aber doch schon langjährige Nationalspieler, wie Schweinsteiger, Podolski, Lahm gingen mehr aus sich heraus. Dass die WM dann mit Platz 3 und großen Siegen gegen England und Argentinien sehr erfolgreich wurde, hatte die Folge, dass zunächst kein Hahn mehr nach Michael Ballack krähen würde. Lahm verkündete noch während der WM, dass er das Kapitänsamt nicht mehr freiwillig hergeben würde. Dies ließ die DFB-Führung und insbesondere der Trainerstab ebenso ungesühnt wie seinerzeit die Ohrfeige von Podolski gegen Michael Ballack in Wales. Dabei kam Lahm nicht etwa durch einen Rücktritt Ballacks oder eine Nichtnominierung aus Leistungsgründen an das Amt, sondern durch einen unverschuldeten Ausfall von Ballack, der einigen offensichtlich gut in die Karten gespielt hatte.

Schon damals stand eigentlich fest, dass es Michael Ballack schwer haben dürfte, wieder ins Team zurück zu kommen, zumal es derzeit ein riesen Reservoir an jungen potenziellen Nationalspielern gibt, die man jederzeit ins kalte Wasser werfen kann. Weshalb man aber nicht schon lang klärende Worte gesprochen hat und Ballack bis jetzt hingehalten hat, finde ich respektlos gegenüber Ballack. Die Entscheidung stand insgeheim, da bin ich mir sicher, schon bei der WM fest, dass Ballack keine Zukunft in der Nationalmannschaft mehr haben würde. Nachdem von Seiten des DFB ein Jahr lang nur herumgeeiert wurde und Ballacks Abschied noch nicht verkündet war, wäre spätestens zu den letzten 3 Länderspielen der Saison der richtige Zeitpunkt gewesen, Ballack, nach den Ausfällen von Schweinsteiger, Träsch und Khedira, nachzunominieren oder Klartext zu reden. Auch da hat sich Löw schön gewindet. Vermutlich war er schon zu viel mit seiner Duz-Freundin Merkel zusammen und weiß daher, wie es geht, Probleme einfach auszusitzen.
Ich hätte es mir gewünscht, dass man in der Nationalelf noch einmal feststellen hätte dürfen, ob Ballack das Team noch verstärken kann oder ob er doch mehr Belastung ist. Einen sportlichen Wettkampf hätte er verdient gehabt, nachdem ihn diese schwere Verletzung aus der Bahn geworfen hatte. In Österreich und Aserbaidschan hatte man im Übrigen auch gesehen, dass das Personal nach den ganzen Ausfällen sehr dünn war. Zuletzt ist ja sogar Lahm als „Sechser“ eingesprungen, nachdem auch noch der zuvor verletzte Khedira abgereist war. Spätestens hier hätte man einen Ballack gebrauchen können, statt dessen wurde in Höwedes ein Verteidiger nachnominiert.

Nun prescht Wochen später Herr Löw vor und verkündet das Ende der Nationalmannschaftskarriere von Michael Ballack in beiderseitigem Einvernehmen, welches es nach Aussagen Ballacks nie gab. Es steht natürlich Aussage gegen Aussage, doch wäre es nicht das erste Mal, dass Löw so mit verdienten Spielern umspringt.

Man darf gespannt sein, welche „Wahrheiten“ in nächster Zeit noch ans Tageslicht kommen und ob Becker, Ballack’s Berater, herausrückt, was es mit der Schwulen-Combo auf sich hat, die er vergangenen Sommer im Zusammenhang mit der Nationalmannschaft ins Gespräch brachte. Die letzte schmutzige Wäsche wird hier sicherlich noch nicht gewaschen sein.

Dass Ballack das angebotene 99. und letzte Länderspiel am 10. August als Farce abtut und es ablehnt ist nur konsequent. Solche Almosen hat ein Spieler, der 12 Jahre lang die Knochen für die Nation hingehalten hatte, nicht nötig.  Ein Abschiedsspiel wird er sicherlich nach Beendigung der Karriere bekommen, dafür ist dann noch genügend Zeit.

Die vergangene Saison war für Ballack eine zum vergessen. Nach seiner schweren Verletzung kam er nie richtig in Tritt und musste sich, selbst wenn einsatzbereit, erst einmal hinten anstellen. Sein Arbeitszeugnis 2010/11 war wirklich kein Bewerbungsschreiben für weitere Einsätze in der Nationalelf. Auf der anderen Seite gab es auch in der Ära Löw genügend Fälle, die zeigten, dass eine gute Form und Stammspielersein im Verein nicht mehr Voraussetzung sind, um eine tragende Rolle in der Nationalmannschaft zu spielen.

Ich würde mich freuen, Ballack käme, jetzt ohne den Druck in Bezug auf ein mögliches Comeback in der Nationalmannschaft, noch einmal richtig auf die Beine. In der kommenden Saison kann er es allen noch einmal beweisen und ein wertvoller Spieler für Bayer Leverkusen sein. Es wäre ihm zu wünschen, dass er nicht nur als „tragischer Held“ in die Fußballannalen eingeht.

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